Toni der Hüttenwirt 203 – Heimatroman - Friederike von Buchner - E-Book

Toni der Hüttenwirt 203 – Heimatroman E-Book

Friederike von Buchner

0,0

Beschreibung

Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt.Toni, der Hüttenwirt liebt es ursprünglich. In Anna hat er seine große Liebe gefunden. Für ihn verzichtete Anna auf eine Karriere als Bänkerin im weit entfernten Hamburg. Jetzt managt sie an seiner Seite die Berghütte. Ihre Serie hat Geschichte geschrieben. Die Idee dahinter hat exemplarischen Charakter. "Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser. Erfolgreiche Romantitel wie "Wenn das Herz befiehlt", "Tausche Brautkleid gegen Liebe" oder besonders auch "Irrgarten der Gefühle" sprechen für sich – denn sie sprechen eine ganz eigene, eine unverwechselbare Sprache. Fritz Fellbacher klingelte am Pfarrhaus. Helene Träutlein, die Haushälterin des Geistlichen, öffnete."Grüß Gott, Herr Bürgermeister!", sagte sie."Grüß Gott, Träutlein!", sagte Fellbacher und überreichte ihr einen Umschlag. "Das soll ich dir von meiner Frau geben. Es ist des Kochrezept, das du haben wolltest."Danke, des ist schön", sagte die Haushälterin. "Darauf habe ich schon gewartet. Sag der Irene ein herzliches vergelt's Gott von mir!"Des mache ich.Dann wurde Helene Träutlein etwas verlegen."Des hätte auch Zeit bis morgen gehabt. Heute ist doch Sonntag."Des stimmt schon, aber als Bürgermeister muss ich auch schon mal am Sonntag arbeiten. Des ist aber net schlimm. Schließlich liegt mir jeder in Waldkogel am Herzen. Außerdem gibt es Sachen, die dulden keinen Aufschub, nicht mal bis morgen. Sag, ist er zu sprechen?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 127

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Toni der Hüttenwirt – 203–

Versteck dich nicht, Leonie!

… damit die Liebe dich finden kann!

Friederike von Buchner

Fritz Fellbacher klingelte am Pfarrhaus. Helene Träutlein, die Haushälterin des Geistlichen, öffnete.

»Grüß Gott, Herr Bürgermeister!«, sagte sie.

»Grüß Gott, Träutlein!«, sagte Fellbacher und überreichte ihr einen Umschlag. »Das soll ich dir von meiner Frau geben. Es ist des Kochrezept, das du haben wolltest.«

»Danke, des ist schön«, sagte die Haushälterin. »Darauf habe ich schon gewartet. Sag der Irene ein herzliches vergelt’s Gott von mir!«

»Des mache ich.«

Dann wurde Helene Träutlein etwas verlegen.

»Des hätte auch Zeit bis morgen gehabt. Heute ist doch Sonntag.«

»Des stimmt schon, aber als Bürgermeister muss ich auch schon mal am Sonntag arbeiten. Des ist aber net schlimm. Schließlich liegt mir jeder in Waldkogel am Herzen. Außerdem gibt es Sachen, die dulden keinen Aufschub, nicht mal bis morgen. Sag, ist er zu sprechen?«

Helene Träutlein trat zur Seite und gab den Weg frei.

»Der Herr Pfarrer ist in seinem Studierzimmer«, rief Träutlein dem Bürgermeister hinterher, der schon den langen Gang hinunterschritt.

Die Tür zum Studierzimmer stand offen.

»Hab dich schon gehört, Fritz, komm rein!«

Fritz Fellbacher und Pfarrer Heiner Zandler begrüßten sich herzlich. Sie kannten sich, seit sie Kinder waren und waren enge Freunde. Heiner hatte die geistliche Laufbahn eingeschlagen, Fritz hatte sich für die Politik entschieden. So arbeiteten sie am Marktplatz gegenüber, der eine in der Kirche, und der andere im Rathaus. Ihre Freundschaft setzten sie stets zum Wohl aller Waldkogeler ein. Sie vertrauten einander und wussten, dass sie sich stets aufeinander verlassen konnten.

Pfarrer Zandler bot Fellbacher, sich zu setzen.

»Magst du mitessen?«, fragte er.

»Heiner, bewahre! Ich muss essen, wenn ich heimkomme. Irene stellt mir des Sonntagsessen warm. Sie war ohnehin nicht begeistert, dass ich sie mit den Kindern am Sonntagstisch allein lasse. Aber ich muss unbedingt mit dir reden. Die Angelegenheit ist etwas delikat.«

Bürgermeister Fritz Fellbacher sah den Pfarrer ernst an. Dieser stand auf, ging zur Tür und rief laut:

»Träutlein, ich esse heute später!«

Dann schloss er die Tür, holte die Flasche mit dem Obstler und zwei Gläser. Er schenkte ein. Die Freunde prosteten sich zu.

»Was ist so wichtig, dass es nicht bis morgen warten kann?«

Fritz Fellbacher drehte nervös seinen Hut mit dem Gamsbart in den Händen, dann legte er ihn neben sich auf die Bank.

»Gut, Heiner, ich sage es dir. Es geht dabei um mehrere Sachen. Sie hängen miteinander zusammen. Erstens habe ich vor, einen Einbruch zu verüben. Zweitens brauche ich dafür einen Komplizen. Drittens habe ich dabei an dich gedacht.«

Pfarrer Zandler lachte laut.

»Fritz, du hast mich schon oft erstaunt, aber das ist die Krönung. Du kündigst mir eine Straftat an und willst mich als Komplizen anheuern. Des darf net wahr sein! Der Gipfel ist, das verkündest du mir – in aller Ruhe – noch am heiligen Sonntag.«

Bürgermeister Fellbacher zuckte mit den Schultern.

»Das kann sich doch nur um einen Scherz handeln, Fritz«, lachte Zandler immer noch. »Des kann doch unmöglich dein Ernst sein.«

»Oh doch, Heiner. Bitte glaube mir, dass ich es mir reiflich überlegt habe. Es ist das Beste, was ich machen kann, und es ist am einfachsten. Der offizielle Weg ist viel zu kompliziert. Dann muss Chris mitkommen oder auch Wolfi. Danach muss ein Bericht geschrieben werden. Dann ist es öffentlich und steht in den Akten. Das will ich vermeiden. Außerdem geht es so schneller.«

Pfarrer Zandler rieb sich das Kinn. Er dachte einen Augenblick nach.

»Jetzt mal langsam! Das ist mir zu unübersichtlich, Fritz. Das verstehe ich nicht.«

Bürgermeister Fellbacher erzählte, Toni und er hatten letzten Sonntag Marie und Albert Weißgerber besucht, da sie in großer Sorge waren um Ella Waldner. Dabei war ihm die Idee gekommen. Pfarrer Zandler hörte aufmerksam zu.

»Mm«, brummte er. »Also, jetzt, wo du es erwähnst, fällt mir auch auf, dass ich die Ella Waldner schon länger nicht gesehen habe. Mei, die Ella ist keine eifrige Kirchgängerin. Sie sagt immer, sie ist lieber draußen in Gottes freier Natur, dort sei sie ihm näher und er ihr, als zwischen dicken Kirchenmauern.«

Der Pfarrer dachte nach, wann er Ella zum letzten Mal gesehen hatte. Fellbacher unterbrach ihn in seinen Gedanken.

»Heiner, wenn du eines deiner Schäfchen eine Weile nicht in der Kirche siehst, dann machst du dir doch Sorgen, oder?«

»Des kannst du annehmen.«

Fellbacher lächelte.

»Siehst du, des wollte ich von dir hören. Ich nehme an, du machst dann einen Hausbesuch, richtig?«

»Ja, ich gehe hin, schaue vorbei und frage, warum mein Lamm nicht kommt oder kommen kann, um in deinem Bild zu bleiben, Fritz.«

»Und mehr verlange ich jetzt auch nicht von dir. Du hast die Ella Waldner lange nicht mehr in der Kirche gesehen, also besuchst du sie. Beziehungsweise wir besuchen sie.«

»Aber du rechnest schon damit, dass wir sie dort nicht antreffen.«

»Ich hatte dir gesagt, dass Ella Waldners Kate im Wald abgeschlossen ist. Das ist an sich schon seltsam. Dazu kommt, dass die Fenster verhangen sind.«

»Das ist wirklich ungewöhnlich. Ich kann verstehen, dass alle etwas beunruhigt sind, Fritz. Deshalb willst du die Tür aufbrechen?«

»Welch hartes Wort, Heiner! Ich werde die Tür nicht aufbrechen oder eintreten. Ich werde sie elegant mit einem Dietrich aufmachen. Dann gehen wir zusammen hinein. Ich flehe zum Herrgott, dass nix Schlimmes mit der alten Ella geschehen ist. Wenn sie nicht drin ist, dann wissen wir wenigstens, dass sie nicht hilflos auf dem Boden liegt, weil sie gestürzt ist. Oder dass vielleicht etwas anderes geschehen ist.«

»Du meinst, dass der Herrgott sie geholt hat?«

Fritz Fellbacher zuckte mit den Schultern.

»Der Herrgott verhängt aber net die Fenster, Fritz«, sagte Pfarrer Zandler mit ruhiger Stimme.

»Schon, Heiner, aber was ist mit ihr los? Warum war ihr Garten so trocken? Marie sagt, dort sei seit Tagen nicht gegossen worden. Da stimmt doch etwas nicht.«

Pfarrer Zandler seufzte. Er nickte.

»Ja, das kommt mir auch so vor. Und du willst wirklich in der Kate nachsehen?«

»Ja, das will ich. Das muss ich tun, Heiner. Der andere Weg ist viel zu bürokratisch. Da muss jemand eine Vermisstenanzeige aufgeben. Dann wird die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Die wiederum muss die Polizei mit dem Öffnen der Kate beauftragen. Das dauert mir alles zu lange. Der Weg, den ich dir vorgeschlagen habe, ist einfacher.«

»Es ist streng genommen Einbruch und Hausfriedensbruch, Fritz. Und es kommt noch Anstiftung zum Einbruch dazu.«

»Jetzt bist du wirklich pingelig, Heiner! Kannst du des net als Tat aus Nächstenliebe, aus Sorge um Ellas Wohl und Wehe? Es muss doch niemand wissen, dass die Haustür abgeschlossen war. Wenn wir mit dem Suchen in der Kate fertig sind, machen wir die Haustür zu und schließen sie wieder ab. Fertig! Das bleibt unter uns.«

Pfarrer Zandler legte abwägend seinen Kopf schräg.

»Sicher kann ich das so sehen, Fritz. Doch du musst doch nichts überstürzen. Behalte die Nerven!«

»Wie kannst so ruhig sein, Heiner? Aber es sollte mich net wundern. Du hast eben mehr Gottvertrauen als ich.«

Pfarrer Zandler lachte laut. »He, das ist eine Grundvoraussetzung in meinem Beruf. Trotzdem heißt das nicht, dass ich mich auf dem Gottvertrauen ausruhe, nix tue und hoffe, dass der dort oben es schon macht. Der Herr braucht auf Erden schon Leute, die zupacken.«

Bürgermeister Fellbacher strahlte.

»Des heißt, du machst mit?«

»Na, des habe ich damit nicht gesagt. Ich meine nur, du sollst nichts überstürzen, die Marie tut ja schon was. Sie geht jeden Tag hin, gießt den Garten und vielleicht sieht sie die Ella schon bald. Sag ihr, sie soll einen Zettel mit einer Reißzwecke an die Tür heften. Sie soll schreiben, dass die Ella hier im Pfarrhaus vorbeikommen soll. Dann wird sie sich melden. Marie kann ja nicht den ganzen Tag und die ganze Nacht vor der Kate Wache halten.« Pfarrer Zandler schmunzelte. »Da hätte auch unser guter Weißgerber etwas dagegen, denke ich mir. Als frisch vermählter Ehemann hat er die Marie gern daheim.«

Sie schmunzelten beide.

»Fritz, wenn nicht bald ein Lebenszeichen von Ella gefunden wird, dann …«

»Dann machen wir beide heimlich die Tür auf«, fiel Fellbacher dem Geistlichen ins Wort.

»Fritz, so habe ich es nicht gesagt. Ich will es so umschreiben. Ich werde mir Gedanken um eine andere Lösung machen müssen.«

Zandler blinzelt Fellbacher zu.

»Und dabei kann es sein, dass ich ungewöhnliche Wege beschreiten werde, verstehst du?«

»Danke, Heiner! Ich verstehe. Niemand wird etwas davon erfahren.«

»Das will ich hoffen, Fritz!«

Pfarrer Zandler stand auf. Er warf einen auf die Wanduhr.

»Fritz, ich werfe dich jetzt hinaus! Deine Irene wartet mit dem Sonntagsessen auf dich, und ich habe auch Hunger.«

»Du hast recht, Heiner! Danke, dass du mir zugehört hast. Jetzt ist es mir etwas leichter ums Herz. Dass die Fenster verhangen sind, muss nix bedeuten. Aber die Ella könnte auch einer Straftat zum Opfer gefallen sein. Danach hat der oder haben die Täter die Fenster verhangen, damit die Folgen ihrer Tat lange im Verborgenen bleiben.«

»Fritz, du schaust dir zu viele Krimis an«, lachte der Geistliche. »So und jetzt will ich mein Mittagessen, Fritz.«

Heiner brachte seinen Freund zur Haustür.

*

Es war später Vormittag. Leonie Hofer saß am Küchentisch ihrer kleinen Dachwohnung und trank einen großen Becher Kaffee. Sie las die Tageszeitung vom Tag zuvor, die ihr eine nette alte Nachbarin jeden Morgen hinter die Klinke der Wohnungstür steckte.

Die Türglocke summte.

Leonie warf einen Blick auf die Küchenuhr.

»Wer kann das sein?«, murmelte sie leise vor sich hin.

Sie ging zur Tür und schaute durch den Türspion. Alles, was sie sah, war ein großer Blumenstrauß. Sie schob die Kette zurück und öffnete die Tür.

»Glückwunsch zu deinem bestandenen Examen, liebe Leonie! Ich weiß es schon.«

»Sie?«, staunte Leonie und trat zur Seite.

Professor Doktor Heinrich Berner trat in die Wohnung. Er nahm Leonie in den Arm und drückte sie herzlich an sich.

»Leonie, du sagst ja gar nichts«, lachte er. »Hier die Blumen sind für dich!«

»Ich …, ich …, wieso …, wieso haben Sie schon das Ergebnis?«

Er lachte wieder.

»Du weißt doch, wie das ist, mit alten Kontakten. Ich habe an der Universität angerufen und mit den Kollegen gesprochen. Freue dich, du hast bestanden – mit Bestnote!«

Er lachte wieder.

»Etwas anderes hatte ich von dir auch gar nicht erwartet. Bekomme ich einen Kaffee? Oder hast du Champagner da?«

»Ich kann Ihnen Kaffee anbieten.«

Er folgte ihr in die Küche und setzte sich an den Tisch. Leonie holte einen Becher und schenkte ein. Er trank den Kaffee schwarz und ohne Zucker.

»Ich wollte derjenige sein, der die gute Botschaft überbringt. Die Universität wird dich noch offiziell benachrichtigen. Dass ich es dir schon gesagt habe, bleibt natürlich unter uns, Frau Kollegin. Aber das muss ich nicht betonen.«

Er blinzelte ihr zu.

Leonie schmunzelte.

»Sie können sich auf mich verlassen!«

Er schüttelte den Kopf.

»Das mit dem ›Sie‹, das hört jetzt auf. Als Kind, damals, als du mit deiner Mutter vor fünfzehn Jahren in meine Kanzlei gekommen bist, war ich Onkel Berner für dich. Und ich kann verstehen, dass du mich gesiezt hast, während des Studiums und der Zeit, in der du in der Kanzlei gejobbt hast. Ich habe auch nie etwas gesagt. Aber jetzt kann ich dir, als meiner Kollegin, das ›Du‹ anbieten. Also, ich bin Heinrich!«

Leonie lächelte zaghaft:

»Leonie!«, sagte sie leise.

Sie stießen mit Kaffee an.

»Heinrich, ich möchte mich bei dir bedanken. Du hast so viel für mich getan und auch meiner Mutter damals großartig beigestanden. Hab tausend Dank!«

»Gern geschehen! Rechtsanwälte sind auch Menschen und haben ein Herz.«

Er lächelte sie an.

»Leonie, du weißt, dass ich Witwer bin. Leider starb meine liebe Frau zu früh. So haben wir keine Kinder. Ich habe in dir immer so etwas wie eine Ersatztochter gesehen. Dabei muss ich gestehen, dass das Verwandtschaftsverhältnis vom Alter her nicht ganz hinkommt. Ich könnte schon Großvater sein. Doch mein Alter und deine Jugendlichkeit sollen jetzt kein Thema sein.«

Leonie errötete tief.

»Sie waren immer für mich da. Ich erinnere mich noch, als ich am Tag meines achtzehnten Geburtstages zu Ihnen – entschuldige – zu dir in die Kanzlei kam.«

Er lachte laut.

»An diesen Tag erinnere ich mich sehr gut, liebe Leonie. Du hattest blaue Jeans an, eine weiße Bluse und einen bunten Pullover um die Schultern gehängt. Du trugst Tennisschuhe. Aufrecht standest du vor meinem Schreibtisch. Du hast dich erst hingesetzt, als du dein Anliegen vorgebracht hattest. ›Herr Doktor Berner‹, sagtest du mit fester Stimme, ›ich möchte meinen Familiennamen ändern. Ich habe mit Bernd Weiler gesprochen. Wie Sie sich vielleicht erinnern können, ist er der zweite Mann meiner Mutter. Er ist ein großartiger Mensch und war bisher ein guter Stiefvater und wird es auch weiterhin sein. Er ist bereit, mich zu adoptieren. Ich beauftrage Sie mit den notwendigen Formalitäten. Ich habe mich bereits belesen und mit Bernd gesprochen. Mein Stiefvater wird die Kosten für seinen Antrag übernehmen. Ich werde die Kosten für meinen Teil tragen. Das lasse ich mir auch nicht ausreden. Ich will es so. Zwar habe ich noch keinen Job, weil ich mich auf mein Abitur konzentriert habe. Aber ich stelle mich noch heute in einem Supermarkt vor. Sie können sicher sein, dass Sie ihr Honorar bekommen.‹ Das waren deine Worte. Du wolltest dich irgendwie freikaufen, so kam es mir vor.«

Leonie lachte.

»Ich erinnere mich auch. Du bist hinter dem Schreibtisch aufgestanden, hast mit dem Finger auf die Sitzecke in deinem Büro gezeigt und streng gesagt: Hinsetzen! Dann hast du alle Mandantentermine an die Kollegen in deiner Kanzlei verteilt. Du hast Kuchen und Kaffee bringen lassen. Wir saßen bis abends dort und haben geredet.«

»Es war ein gutes Gespräch, Leonie. Ich erinnere mich gern daran. Ich hatte dich einige Jahre nicht mehr gesehen, nämlich seit deine Mutter wieder geheiratet hatte. Wir sprachen vor allem über deine Studienpläne.«

»Ja, so war es. Ich verließ die Kanzlei in doppelter Weise gestärkt. Erstens wusste ich mein juristisches Anliegen in guten Händen. Darüber hinaus war ich glücklich, dass du verstanden hast, dass ich nicht mehr Hofer heißen wollte, sondern Weiler. Außerdem fand ich die Bestätigung, dass meine Wahl, Jura zu studieren, richtig war.«

Er lächelte sie an.

»Wie geht es deiner Mutter?«

»Gut geht es ihr! Ich darf dich grüßen. Sie ist sehr zufrieden, Bernd macht sie sehr glücklich. Ich gönne es ihr, nach der schweren Zeit mit meinem Vater.«

»Das freut mich sehr. Sie hatte es nicht leicht und du auch nicht. Weißt du, als Anwalt dachte ich immer, ich kenne mich in den Niederungen des menschlichen Verhaltens aus. Aber dein Vater hat während der Scheidung und danach alle Vorstellungen gesprengt. Das hat mich selbst als Anwalt überrascht.«

Ein Schatten huschte über Leonies Gesicht.

»Deshalb wollte ich mit ihm auch nichts mehr zu tun haben. Du hattest alles gut geregelt. Er musste mir weiterhin Unterhalt zahlen. Ich brauchte ihn nicht mehr zu sehen, aber jedes Mal, wenn mich jemand nach meinem Familiennamen fragte und ich Hofer sagte, musste ich an ihn denken.«

»Deshalb wolltest du, als du achtzehn wurdest, von dem zweiten Mann deiner Mutter adoptiert werden.«

»Ja, ich wollte studieren und konnte nebenbei arbeiten gehen. Ich wollte auf seinen Unterhalt verzichten. Es kam mir vor, als hätte er dadurch noch immer Macht über mich. Ich wollte frei sein, ganz frei von ihm, so weit das möglich war.«

Leonie seufzte tief.