Ein echter Waldkogeler Bub? - Friederike von Buchner - E-Book

Ein echter Waldkogeler Bub? E-Book

Friederike von Buchner

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Beschreibung

Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt. "Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser. Pfarrer Zandler ging selbst zur Haustür, als es klingelte.»Grüß Gott, Fritz!»Grüß Gott, Heiner! Warum machst du auf? Ist dein Hausdrache nicht daheim?Der Geistliche lachte.Helene Träutlein war seit vielen Jahren die Haushälterin des Pfarrers. Es war bekannt, dass sie ein strenges Regiment führte, wenn jemand ohne Termin zum Pfarrer wollte, es sei denn, es war wirklich dringend.»Sie hat ihren freien Tag und ist nach Kirchwalden einkaufen gefahren. Komm rein. Ich habe mir gerade Kaffee gemacht. Es ist auch noch guter Kuchen da.»Danke, im Waldschlösschen gab es ebenfalls Kaffee und Kuchen. Die alte Zenzi hatte mich eingeladen.»Oh, der Kuchen von Zenzi ist der beste weit und breit. Lass das aber bitte nicht die Träutlein hören, dass ich das gesagt habe, sonst wird sie mir das heimzahlen.»Naa, von mir erfährt sie es nicht.Sie gingen in die Studierstube des Pfarrers. Pfarrer Zandler holte ein Bier für seinen Freund.»Was gibt es?

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Toni der Hüttenwirt – 206–

Ein echter Waldkogeler Bub?

Andrews Reise in die Vergangenheit

Friederike von Buchner

Pfarrer Zandler ging selbst zur Haustür, als es klingelte.

»Grüß Gott, Fritz!«

»Grüß Gott, Heiner! Warum machst du auf? Ist dein Hausdrache nicht daheim?«

Der Geistliche lachte.

Helene Träutlein war seit vielen Jahren die Haushälterin des Pfarrers. Es war bekannt, dass sie ein strenges Regiment führte, wenn jemand ohne Termin zum Pfarrer wollte, es sei denn, es war wirklich dringend.

»Sie hat ihren freien Tag und ist nach Kirchwalden einkaufen gefahren. Komm rein. Ich habe mir gerade Kaffee gemacht. Es ist auch noch guter Kuchen da.«

»Danke, im Waldschlösschen gab es ebenfalls Kaffee und Kuchen. Die alte Zenzi hatte mich eingeladen.«

»Oh, der Kuchen von Zenzi ist der beste weit und breit. Lass das aber bitte nicht die Träutlein hören, dass ich das gesagt habe, sonst wird sie mir das heimzahlen.«

»Naa, von mir erfährt sie es nicht.«

Sie gingen in die Studierstube des Pfarrers. Pfarrer Zandler holte ein Bier für seinen Freund.

»Was gibt es? Du hast den sorgenvollen Blick drauf, Fritz.«

Bürgermeister Fellbacher lachte.

»Du kennst mich gut.«

»Das stimmt! Des ist meine Aufgabe, meine Schäfchen zu kennen. Und dich kenne ich seit unserer Kinderzeit!«

Bürgermeister Fritz Fellbacher seufzte. Er zitierte die Zeile aus dem alten Volkslied: »Schön ist die Jugend, sie kommt nicht mehr.«

»Mei, dann muss es ja wirklich schlimm sein. Also rede nicht lange drum herum, raus damit«, forderte ihn Zandler auf.

»Du kennst doch das alte Mühlengelände am Bergsee.«

»Was ist denn damit? Von der alten Mühle steht kaum noch ein Stein.«

»Die Erben haben sich bei mir gemeldet. Genauer gesagt, ein Markus Mayer hat mich aufgesucht. Er ist der Enkel der Bertha Häusler. Sie hatte einen Mayer geheiratet. Sie hat die alte Mühle und das ganze Grundstück geerbt. Bertha Häusler ist in Zenzis Alter.«

»Aha, deshalb warst du bei der Zenzi«, sagte Zandler.

»Ja, Zenzi stand all die Jahre über in Briefkontakt mit Bertha. Die Bertha hatte Glück im Leben, wenn man es so sehen will. Sie wurde von Rudolf Mayer geheiratet, einem Sohn ganz reicher Leute. Sie haben vier Kinder bekommen, drei Buben und ein Mädchen. Ihr Mann ist schon verstorben. Bertha geht es gut. Sie hat viele Enkelkinder und einen ausgefüllten Lebensabend. Damit nach ihrem Tod kein Streit ausbricht, denn alle Mayers sind sehr geldgierig und hinter den Moneten her wie der Teufel hinter einer armen Seele, – sagt Zenzi – hat Bertha schon zu Lebzeiten ihren persönlichen Besitz als Schenkung ihren Kindern gegeben. Jetzt will dieser Markus auf dem Gelände eine Fabrik für hochwertige Luxusmöbel bauen. Das Gelände ist groß genug.«

»Und?«, staunte Zandler.

»Ich bin im Konflikt. Das Grundstück war mal Gewerbegebiet, aber nicht im heutigen Sinne. Es war eine Sägmühle und Schreinerei. Damals, als die Mühle noch in Betrieb war, gab es die Unterscheidung in Wohngebiete und Gewerbegebiete noch nicht. Diese Trennung ist neueren Ursprungs.«

»Ah, ich verstehe. Die Gemeinde Waldkogel müsste das Seeufer zum Gewerbegebiet erklären.«

»Du hast es erfasst. Aber mir steht so gar nicht der Sinn danach, Heiner. Sicher, es würden viele Arbeitsplätze entstehen, mehr als in Waldkogel gesucht werden. Sie würden dann sogar von außerhalb herkommen und arbeiten.«

»Das bedeutet, dass es viel Verkehr gibt, nicht nur Autos, auch Schwerlastverkehr.«

»Klar erkannt! Schade, dass du nicht in der Politik bist, Heiner.«

»Danke, das ist dein Gebiet, mein guter Freund. Ich will damit nichts zu tun haben.«

»Für die Politik bist du zu ehrlich, Heiner.«

»Nun komm schon zur Sache, Fellbacher!«

»Heiner, ich persönlich bin gegen diese Fabrik. Das ganze Seeufer würde verschandelt werden. Jeden Tag würden sich große Lastwagen durch Waldkogel quälen. Am Ende müssten wir noch eine Umgehungsstraße bauen. Mir gefällt das nicht. Aber ich bin im Konflikt. Muss ich die Chance für Waldkogel nicht wahrnehmen? Es geht möglicherweise um einige hundert Arbeitsplätze, Heiner.«

»Das ist gut zu überlegen, Fritz. Die Landwirtschaft ernährt die Leute schon lange nicht mehr. Entweder leben sie vom Fremdenverkehr oder sie fahren zur Arbeit nach Kirchwalden oder gar nach München. Sicher wäre es schön, wenn sie hier Arbeit finden könnten.«

»Ja, aber wenn man einmal damit anfängt, mit so einem Gewerbegebiet, dann geht das weiter und weiter. Ich habe einfach Angst, dass Waldkogel seinen unvergleichlichen Charakter verliert. Waldkogel ist schon etwas Besonderes, Heiner. Wir sind kein Durchschnittsdorf.«

»Darin stimme ich dir zu! Aber es eilt doch nicht. Im Augenblick hat der Gemeinderat ohnehin Sommerpause, und du kannst nichts machen.«

»Markus Mayer will, dass ich eine Sondersitzung einberufe, auf der das geklärt wird. Danach wird sofort der Bauantrag eingereicht. Das Werk soll bis Weihnachten schon arbeiten. Früher wurden dort einmal Möbel gebaut.«

»Das ist mir bekannt. So gesehen, wäre es die Fortsetzung einer alten Tradition.«

»Das stimmt, aber die Zeiten sind heute anders. Egal wie, es ist eine Massenproduktion am Fließband, auch wenn es hochwertige Möbel sind, Heiner. Was soll ich also machen? Soll ich dafür sein oder dagegen?«

»Wie du dich auch entscheidest, es kann falsch sein. Die einen werden dir vorwerfen, du schaffst keine Arbeitsplätze. Die anderen werden sagen, dass das Werk die Lebensqualität von Waldkogel verschandelt. Allen recht machen kannst du es nie, Fritz.«

»Dieser Markus hat angedeutet, es wäre nicht zu meinem persönlichen Nachteil, wenn ich mich für das Projekt entscheide, verstehst du?«

»Also hat er dir indirekt gesagt, dass auch Bestechungsgeld fließen könnte. So verstehe ich das.«

»So habe ich das auch verstanden, auch wenn sich der studierte Bengel sehr gewählt ausgedrückt hat. Das bedeutet, dass er andere Gemeinderatsmitglieder auch bestechen könnte.«

»Das ist möglich …«

Die Freunde wussten genau, wie so etwas ablief.

Pfarrer Zandler gab Fellbacher den Rat, die Sache langsam anzugehen.

»Sag diesem Mayer, dass wir hier in den Bergen leben und noch den Rhythmus der Jahreszeiten beherzigen. Der Bursche und der ganze Clan müssen sich in Geduld üben.«

Pfarrer Zandler holte den Obstler. Sie tranken ein Glas.

»Bisher ist es dir und uns allen mit vereinten Kräften gelungen, den Ruppert Schwarzer von Waldkogel fernzuhalten.«

»Du vergisst, dass sein Bazi, der Franz Huber, im Gemeinderat sitzt.«

»Das habe ich nicht vergessen. Ich denke, diese Mayers sind solche Typen wie Ruppert Schwarzer und seine Konsorten. Wenn es nach mir ginge, würde ich alles tun, damit sie sich net hier einnisten können, Fritz.«

»Das ist genau mein Gefühl, Heiner! Danke, dass du dir für mich Zeit genommen hast. Ich verschanze mich erst mal hinter der Sommerpause. Dann fällt mir schon noch etwas ein.«

»Bestimmt, Fritz! Du hast die Geschicke Waldkogels immer geschickt gelenkt. Du hast das sehr gut gemacht, und es wird dir auch weiterhin gelingen.«

Der Geistliche brachte Fellbacher zur Tür. Sie verabschiedeten sich. Fritz Fellbacher ging hinüber ins Rathaus. Zandler nahm seinen Hut und machte einen Spaziergang. Er ging zum Bergsee und schaute sich das alte Mühlengelände an.

*

Die Rocky Mountains waren immer wieder ein atemberaubender Anblick. Peggy sah ihren Bruder schon von Weitem. Oben am Berg saß er, auf seinem Lieblingsplatz und schaute über das Tal. Sie ritt auf ihn zu, sprang vom Pferd und band die Zügel an einem Baum fest. Dort hatte Andrew ebenfalls sein Pferd festgebunden.

Peggy ging zu ihm und setzte sich neben ihn.

»Nun großer Bruder, was denkst du?«

»Nichts, ich genieße nur die Aussicht.«

Peggy lachte.

»Das kannst du den Pferden erzählen, mir nicht! Es ist mitten in der Woche. Auf der Ranch gibt es viel zu tun. Die Gäste kommen bald.«

»Ich habe mit Dad gesprochen. Er sagte, ich könnte mir bis zum späteren Nachmittag freinehmen. Und was machst du hier?«

»Ich habe auch frei.« Peggy lachte wieder. »Nein, das stimmt nicht ganz. Dad hat mir einen Spezialauftrag erteilt.«

»Ah, du sollst neue Routen auskundschaften, damit wir den Gästen etwas bieten können.«

»Nein, das ist es nicht.«

Andrew staunte. Er nahm den Cowboyhut ab und fuhr sich mit den Händen durch sein hellblondes Haar, das ihm tief in die Stirn fiel.

»Was ist es dann?«, fragte er.

»Es geht um dich, Bruderherz!«

»So?«, lachte Andrew.

»Ja, es geht um dich. Dad macht sich Sorgen. Er findet, dass du immer stiller wirst. Du sagst kaum noch etwas. Das geht jetzt schon Wochen so. Was ist los? Die Eltern machen sich wirklich große Sorgen. Hast du vielleicht Liebeskummer? Wir wissen alle, dass dir die junge Frau aus Frankreich gefallen hat. Du hast sie auf jedem Ausritt begleitet.«

Andrew lächelte. »Chantal ist eine nette junge Frau«, sagte er. »Sie ist hübsch, sehr unkompliziert und liebt Pferde und die Berge.«

»Und dich hat sie auch geliebt. Gib es zu, Andrew!«

»Mag sein«, sagte Andrew leise und zögerlich redete er weiter, »gesagt hat sie nichts. Ich habe peinlich darauf geachtet, dass wir uns nicht zu nahe kamen. Ja, ich gebe zu, sie hätte es mir leicht gemacht, sie zu verführen.«

»Die Eltern haben gesehen, wie Chantal dich mit Blicken verschlang. Sie gefiel ihnen gut. Chantal wäre sicherlich hierhergezogen«, sagte Peggy.

»Das ist anzunehmen. Sie hat oft betont, dass es ihr hier in den Rocky Mountains gut gefällt. Durch die Blume sagte sie, dass sie überlegt, ob sie auswandern soll.«

»Das stimmt. Dad meinte dann ganz pragmatisch, Einwandern wäre kompliziert und teuer. Besser wäre es, einfach einen Amerikaner zu heiraten«, grinste Peggy. »Es stand außer Frage, dass er damit gemeint hat, Chantal könnte dich heiraten.«

»Ich weiß.«

»Dir gefiel Chantal doch! Warum bist du nicht einen Schritt auf sie zugegangen?«

»Weil ich nicht weiß, wohin mich mein Weg führt, Peggy.«

»Du sprichst in Rätseln, Andrew. Was soll diese theatralische Aussage? Kein Mensch kann in die Zukunft sehen und wissen, was auf ihn zukommt.«

»So meine ich das nicht.« Andrew seufzte. »Ich denke immer öfter daran fortzugehen. Ich fühle mich unverstanden. Du weißt, warum.«

»Ach, die alte Geschichte? Bist du mit dir darüber immer noch nicht im Reinen? Wir haben schon so oft darüber gesprochen. Es ist doch nur entscheidend, wie du bist, nicht wer der große Unbekannte ist.«

»Er war Mom nicht unbekannt. Sie hält mich nur in Unkenntnis, Peggy.«

»Andrew, was würde es ändern? Nichts! Wie predigte der große amerikanische Theologe und Philosoph Reinhold Niebuhr? ›Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.‹ Mom will dir nichts sagen. Also finde dich endlich damit ab.«

»Es quält mich, Peggy. Du weißt, dass Dad dein Vater ist. Ich weiß, dass Mutter ihn geheiratet hat, als sie mit mir schwanger war. Aber ich bin von einem anderen Mann.«

»Himmel, was ist dabei? Unser Dad wusste davon. Er hat Mom deshalb nicht weniger geliebt. Und Dad liebt dich. Er machte keinen Unterschied zwischen mir und dir.«

»Das stimmt schon, Peggy. Aber wenn ich in den Spiegel schaue, sehe ich, dass ich anders bin. Mom und Dad und du, ihr habt braune Augen und braune Haare, und ich bin blond und blauäugig.«

Peggy seufzte.

»Na und, das bedeutet nichts. Dass du blonde Haare und blaue Augen hast, das muss dir dein Vater nicht vererbt haben. Vielleicht gab es irgendwann in deiner Ahnenreihe mal jemanden, der blondes Haar und blaue Augen hatte. Eigenschaften können Generationen überspringen. Das weißt du genau. Wir haben das bei unseren Pferden schon oft erlebt.«

Peggy legte den Arm um ihren Bruder. »Hör auf daran zu denken, Andrew! Wir sind eine Familie. Du bist für mich mein großer Bruder. Du bist ein wunderbarer Bruder.«

Andrew schaute Peggy an. »Je älter ich werde, desto wichtiger ist es für mich, dass ich mehr über meine Herkunft weiß.«

»Nur Mom kann dir etwas sagen.«

»Witzig! Du weißt, dass ich es immer und immer wieder versucht habe. Sie sagt es mir nicht. Unser Dad scheint es auch nicht zu wissen, jedenfalls behauptet er das. Für ihn war es nicht wichtig, dass Mom schwanger war. Er liebte sie und war glücklich, dass sie seine Frau wurde.«

Andrew seufzte wieder. »Ich kann nichts anderes mehr denken. Es kommen viele Gäste aus Europa. Da sind nette junge Frauen dabei. Aber wie kann ich mich verlieben, wenn ich nicht weiß, wer ich bin, wer meine Verwandten sind? Habe ich vielleicht noch Halbgeschwister?«

»Jetzt verstehe ich dich, Andrew. Du hast Angst, dich zu verlieben, weil du denkst, der Zufall könnte es bringen, dass du dich in deine Halbschwester verliebst.«

»Ja, so ist es, Peggy. Das bleibt aber unter uns.«

»Großes Ehrenwort!«, sagte Peggy ernst. Dann schüttelte sie den Kopf. »Deshalb hast du Chantal links liegen lassen. Aber sie kam nicht aus Deutschland, sie war aus Frankreich.«

»Aber nur, weil ihre Mutter in zweiter Ehe einen Franzosen geheiratet hat nach dem Unfalltod von Chantals Vater. Ihr leiblicher Vater war kein Franzose.«

»Das wusste ich nicht. Trotzdem finde ich deinen Gedankengang verrückt. Es gibt Millionen Menschen auf der Erde. Warum solltest du ausgerechnet deiner Halbschwester begegnen?«

»Ich habe für diese Ängste auch keine Erklärung, Peggy. Es ist einfach so in mir drin. Wenn ich mich gut mit einer jungen Frau verstehe, dann denke ich immer, dass das nur möglich ist, weil wir gemeinsame Wurzeln haben.«

»Du spinnst, Andrew! Du steigerst dich da hinein.«

»Vielleicht ist es so, Peggy. Vielleicht kommt es daher, dass mir irgendetwas fehlt. Ich kann dir nicht sagen, was es ist. Aber ich trage eine Sehnsucht in mir, die ich nicht genau fassen kann. Ich erkläre mir das Gefühl so, dass es daher kommt, weil ich meinen Vater nicht kenne. Jeder Mensch hat Wurzeln. Ich kenne nur fünfzig Prozent davon. Mutter ist eine wunderbare Frau. Sie ist eine großartige Tierärztin. Ich bewundere sie. Doch sie hat ein Geheimnis, über das sie nicht spricht.«

»Ich weiß. Sie sagte nur, dass du das nicht geplante Ergebnis einer wunderbaren Sommerliebe bist.«

»Peggy, warum hat sie den Mann, der mein Vater ist, nicht geheiratet? Warum ging sie nach Amerika und heiratete Tom Clark? War mein wirklicher Vater verheiratet? Bin ich das Ergebnis eines Seitensprungs? Oder drückte er sich vor der Verantwortung? Wollte er Abwechslung und nur das Vergnügen? Ich bin kein Wunschkind wie du, Peggy.«

»So ein Unsinn, Andrew! Wie kannst du nur so etwas denken? Okay, du bist nicht geplant gewesen. Aber Mom wollte dich und Dad wollte dich. Das ist doch wunderbar.«

»Das ändert nichts daran, dass ich gerne wüsste, wer mein Vater ist. Aber ich laufe gegen eine Wand. Mom erzählt mir nichts. Ich suche nach einer Möglichkeit, es herauszufinden. Erst dann werde ich innerlich zur Ruhe kommen, denke ich. Es ist wie bei einem Buch, bei dem die letzten Seiten fehlten. Es ist bitter, Peggy. Da fehlt etwas.«

»Gut, dann bleibt uns nur ein Weg. Wir müssen es herausfinden.«

»Wir?«

»Natürlich, Bruderherz, mein lieber Halbbruder, du kannst auf mich zählen. Lass mich nachdenken!«

»Dir wird auch nichts einfallen, Peggy.«

»Da sei dir mal nicht so sicher. Die Eltern fahren am nächsten Wochenende zu einer Pferdeausstellung. Du und ich, wir müssen hierbleiben wegen der Gäste.«

»So ist es! Und?«

Peggy lachte. »Dann haben wir sturmfreie Bude. Wir schicken die Gäste mit einem der Arbeiter auf Tour in die Berge. Dann machen wir uns gleich daran und durchsuchen Moms alte Sachen. Vielleicht finden wir einen Anhaltspunkt. Verlasse dich auf mich, Andrew!« Peggy stand auf und ging einige Schritte. »Genauso machen wir das, Andrew. Wir suchen, bis wir einen Anhaltspunkt haben. Wer waren damals ihre Freunde? Ich weiß, sie besitzt ein altes Notizbuch mit Adressen. Sie hat in München studiert. Mit einigen Freunden korrespondiert sie heute noch. Vielleicht hat sie sich damals jemandem anvertraut?«

Andrew zuckte mit den Schultern.

»Möglich ist es schon. Aber ich kann doch niemand fragen, ob er etwas weiß. Das wäre doch peinlich.«

»Du denkst zu geradlinig, Andrew. Um das Rätsel zu lösen, musst du querdenken! Vielleicht gelingt es mir als Frau besser als dir als Mann. Ich kann mich besser in Mom hineinversetzen.«

»Wahrscheinlich ist es so, Peggy.«

Peggy lächelte. »Nun komm, wir reiten heim! Wir tun so, als sei alles in Ordnung. Wenn die Eltern sich am Freitagnachmittag auf den Weg machen, bleiben uns zwei Tage für unsere Recherche.«

Andrew stand auf.

»Einen Versuch ist es schon wert. Es ist eine Chance.«