Topas-Welten - Manfred Rehor - E-Book

Topas-Welten E-Book

Manfred Rehor

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Beschreibung

Seit Jahrhunderten herrschen die Magier über die Welteninseln. Nur sie können mit Hilfe von Topas-Kristallen magische Tore schaffen, die Reisen zwischen den Welten ermöglichen. Sie beuten die Menschen aus und halten sie rückständig. Denn jeder, der etwas von Technik versteht, könnte herausfinden, dass ihre Herrschaft auf Lügen beruht. Noah ist ein Bauernjunge, der von den Schergen der Magier verfolgt wird. Er schließt sich einer Widerstandsbewegung an, die ihn ins Machtzentrum der Magier einschleust. Dort erlernt er den Umgang mit modernen Technologien. Es gelingt ihm, zu einer geheimen Forschungseinrichtung zu reisen und sich verbotenes Wissen anzueignen. Was er herausfindet, lässt nur einen Schluss zu: Die Magier bereiten einen großen Krieg vor!

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Topas-WeltenBuch Eins

 

von M. E. Rehor

 

Imprint

„Topas-Welten Buch Eins“

von M. E. Rehor

published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

Copyright 2022 - M. E. Rehor, Berlin

Cover: bookcoversart.com / Ivan Zanchetta

 

 

Weitere Romanserien von M E. Rehor:Macays Reisen –Fantasy (4 Bände)Perseus –Space Opera (6 Bände)Die Ringlande – Fantasy (6 Bände)

 

Eine vollständige Liste finden Sie unter:

http://merehor.de

 

 

Die Personen und Begebenheiten in diesem Buch sind der Fantasie des Autors entsprungen. Ähnlichkeiten mit realen Personen oder Begebenheiten sind rein zufällig.

 

Inhaltsverzeichnis

Titelseite

Die Flut

TEIL I – LARKS PFEIL

Kapitel 1 – Die Flucht

Kapitel 2 – Simon Lark

Kapitel 3 – Das magische Tor

Kapitel 4 – Dunkle Machenschaften?

Kapitel 5 – Regierungsvertreter

Kapitel 6 – Im Zentrum der Macht

Kapitel 7 – Die geheime Stadt innerhalb der Stadt

Kapitel 8 – Die Widerstandsorganisation

Kapitel 9 – Der Plan

TEIL II – DIE TECHNIKERSCHULE

Kapitel 10 – Im Regierungsbezirk

Kapitel 11 – Der Diebstahl

Kapitel 12 – Nächtlicher Ausflug

Kapitel 13 – Professor Geimling

Kapitel 14 – Das Ende der Schule der Magie

TEIL III – DIE WELTENINSEL KORTHONA

Kapitel 15 – Die Hügelstationen

Kapitel 16 – Explosion

Kapitel 17 – Funkgeräte

TEIL IV – INS NIRGENDWO

Kapitel 18 – Die Katastrophe

Kapitel 19 – Kontakt!

Kapitel 20 – Der Generator

Kapitel 21 – Die Regentin

Kapitel 22 – Sabotage

Kapitel 23 – Überfall

Kapitel 24 – Mirion

Kapitel 25 – Vorbereitungen

Kapitel 26 – In Sicherheit?

Die Flut

Der Bauer Farlang war auf dem Heimweg von seinen Reisterrassen, die sich an den Berghängen entlangzogen. Er war besorgt, denn die Ernte würde schlecht ausfallen in diesem Jahr, kaum genug, um die staatlichen Abgaben zu entrichten. Reichte sie trotzdem, um seine Familie zu ernähren?

Ein ungewohntes Geräusch schreckte ihn aus seinen Gedanken auf. Es klang, als würde ein Wildbach ins Tal stürzen. Weiter unten entdeckte er die Ursache: Mitten auf einer Schafweide war ein magisches Portal entstanden, etwa drei Schritte breit und hoch. Aus ihm schoss ein Wasserschwall, der über den steilen Abhang in die Tiefe rauschte. Farlang hatte von solchen Vorkommnissen gehört, aber sie noch nie selbst erlebt.

Er rannte nach Burdagg, alarmierte die Einwohner dieses Dorfes und führte sie zu dem Durchgangstor. Die Menschen beobachteten aus sicherer Entfernung, was geschah. Jeder wusste, dass man durch solche Portale zu anderen Welteninseln reisen konnte. Normalerweise wurden sie von Magiern erschaffen, doch alle paar Jahre entstand eines ohne erkennbaren Grund irgendwo in der Landschaft. Meist verschwand es nach kurzer Zeit wieder.

„Wenn man dieses Tor stabilisieren kann, habe ich Anspruch auf eine Belohnung!“, rief Farlang seiner Frau zu, die ebenfalls gekommen war.

„Der Dorfschulze ist schon unterwegs zum Magier in der Stadt“, entgegnete ein Mann. „Der Magier entscheidet, ob du für die Entdeckung etwas bekommst.“

Das Wasser, das aus dem Portal strömte, war schmutzig, voller abgerissener Äste und Pflanzenteile. Auf irgendeiner Welteninsel gab es eine Überschwemmung, und zufällig hatte sich genau dort das Gegenstück zu dem Tor hier auf Arongarth gebildet.

„Jetzt kommt noch mehr!“, brüllte einer warnend. Es war schwer, das immer lauter werdende Rauschen zu übertönen. „Geht weiter zurück, damit ihr nicht mitgerissen werdet.“

Das Wasser füllte das Tor nun bis zur halben Höhe. Was da herauskam, bildete einen neuen Fluss, der als Wasserfall einen Steilhang hinab ins Tal stürzte. Zum Glück gab hier es in tieferen Lagen keine Häuser oder Felder, nur einen breiten Bach, in den die Wassermassen mündeten.

Auch Gegenstände kamen aus dem Tor: Bruchstücke von Möbeln, Gebäudereste und dann sogar Leichen. Mutige unter den Zuschauern traten ein paar Schritte vor, suchten sich einen sicheren Stand und versuchten, die Körper der Ertrunkenen zu ergreifen und aufs Trockene zu ziehen. Es gelang einige Male. Die Bewohner von Burdagg sahen sich die Opfer staunend an, denn die trugen seltsame, hochwertige Kleidung und hatten eine besonders helle Hautfarbe.

„Sie müssen von sehr weit herkommen“, lautete das übereinstimmende Urteil.

Während alle darüber spekulierten, von welcher Welteninsel das Wasser stammte, klang das panische Brüllen einer Kinderstimme durch den Lärm.

Ein kleiner Junge wurde aus dem Tor geschwemmt. Er klammerte sich an ein Stück Treibholz und schrie aus Leibeskräften um Hilfe. Es gelang Farlang, ihn zu ergreifen, bevor ihn das Wasser den steilen Abhang hinunter schwemmte.

Der Dorfheiler kümmerte sich sofort um das Kind. Es dauerte eine Weile, bis er es beruhigen und untersuchen konnte. „Der Junge scheint unverletzt zu sein“, sagte er. „Was nun?“

„Wir nehmen ihn erst einmal zu uns“, bot Farlang an, nachdem er mit seiner Frau einen kurzen Blick gewechselt hatte. „Der Dorfschulze soll entscheiden, was mit ihm geschieht. Vielleicht weiß der Magier in der Stadt, von welcher Welteninsel die Flut und die Toten stammen. Dann kann man den Jungen zurückbringen in seine Heimat.“

Eine halbe Stunde später verschwand das Durchgangstor von einem Moment zum nächsten, der Wasserstrom brach ab. Die Dorfbewohner machten sich daran, die Toten ins Tal zu tragen und ein Grab für sie auszuheben.

Spät am Abend kam der Schulze auf den Hof der Farlangs. In seiner Begleitung war nicht der Magier, sondern ein Schreiber der Stadtverwaltung von Alldingen, zu deren Bezirk das Dorf Burdagg gehörte.

Wie es die Art solcher Leute war, interessierten ihn nicht Vermutungen, nur Tatsachen.

„Ein Junge, ich schätze sein Alter auf fünf Jahre, leicht verletzt, keine Hinweise auf seine Heimatwelt“, stellte er fest und trug das in eine Kladde ein. „Der einzige Überlebende. Kann er etwas über den Hergang des Unglücks sagen?“

Farlangs Frau schüttelte den Kopf. „Als wir ihn vom Durchgangstor zu unserem Hof brachten, ist er ohnmächtig geworden. Er kam schnell wieder zu sich, aber er kann sich an nichts mehr erinnern. Nicht einmal an das Wasser. Er hat sich gewundert, dass seine Kleidung nass ist, und hat gefragt, wer wir sind.“

„Gedächtnisverlust“, notierte der städtische Angestellte. „Ich muss ihn für das Bevölkerungsregister erfassen. Wie soll ich ihn eintragen?“

„Er ist ein Waisenkind“, sagte der Dorfschulze nachdenklich. „Vermutlich sind seine Eltern unter den Toten, die durch das Tor kamen. Bauer Farlang, sind Sie bereit, den Jungen aufzuziehen? Pflegeeltern steht ein kleiner monatlicher Betrag aus der Gemeindekasse zu.“

Nachdem der Bauer sich mit seiner Frau besprochen hatte, stimmte er zu.

„Also notiere ich seinen Familiennamen als Farlang“, sagte der Schreiber. „Vorname?“

„Isaak“, entschied der Bauer, ohne zu überlegen. „So hieß mein Großvater. Der Name hat Tradition in unserer Familie.“

„Isaak Farlang“, notierte der Schreiber in seiner Kladde und schloss sie zufrieden. „So soll es sein.“

TEIL I – LARKS PFEIL

Kapitel 1 – Die Flucht

So begann meine Geschichte. Meine Zieheltern gaben mir jedoch einige Wochen später noch einen zweiten Vornamen, Noah. Die Farlangs sagten, der Name habe etwas mit Rettung aus dem Wasser zu tun. Seine genaue Bedeutung kannten sie aber nicht, und das war ein weiterer Grund, warum er gut zu mir passte.

Dass ich offiziell Isaak hieß, geriet schnell in Vergessenheit. Ich war Noah Farlang. Jahre später, nach der Verhaftung der ganzen Familie Farlang, änderte ich zusätzlich meinen Nachnamen, um mich vor Verfolgung zu schützen.

An meine leiblichen Eltern konnte und kann ich mich nicht erinnern, mein Gedächtnis erlangte ich nie zurück.

Ich war der einzige Mensch, der lebend mit dem Wasserschwall durch das magische Tor kam. Warum ausgerechnet ich überlebte, blieb ein Rätsel. Man vermied es gewöhnlich, mit mir über das Unglück zu sprechen, aus Angst, ich könnte einen weiteren Schock erleiden.

Die Farlangs lebten seit Generationen auf einem Bauernhof im südlichen Teil von Arongarth, wo sie Reis anbauten und in Teichen Speisefische züchteten. Davon konnte man leben, wenn man fleißig war, und das waren sie. Natürlich mussten sie den größten Teil des Ertrags als Steuern an die Regierung abgeben, aber es blieb immer etwas übrig. Meine Zieheltern, meine sechs Geschwister und ich arbeiteten von morgens bis abends, denn auch wir Kinder wurden mit Aufgaben betraut.

Als ich ein Jahr nach meiner Ankunft in die Schule kam, fühlte ich mich als eines der vielen Farlang-Kinder. Erst später, mit fünfzehn oder sechzehn, wurde mir bewusst, in welchen Eigenschaften ich mich von ihnen unterschied. Mein Interesse für die bäuerliche Arbeit und mein Fleiß waren nicht besonders ausgeprägt, ich war eher ein Träumer und Bastler. Häufig gab es Schelte, weil ich morgens zu spät aus dem Bett kroch oder die mir zugeteilte Arbeit nur nachlässig erledigte. Aber im Laufe der Zeit bemerkte man mein Talent für das Reparieren von technischen Geräten und ich beschäftigte mich überwiegend damit.

Es fing an mit den wenigen Maschinen auf unserem Hof und der einzigen Uhr im Haus. Bald sprach sich meine Begabung im Dorf und bei den Bauern der Umgebung herum. Ich wurde gerufen, wenn etwas kaputt ging, und bekam Geld für die Reparaturen. Mit achtzehn verdiente ich doppelt so viel wie ein Knecht auf dem Hof meiner Eltern. Man überlegte, mich auf eine Technikerschule zu schicken, dann wäre für meine Zukunft gesorgt.

Alles schien wunderbar zu laufen, jeder war zufrieden. Uns ging es, verglichen mit anderen, ganz gut.

Dann beging ich einen Fehler, den die meisten Jugendlichen irgendwann machen. Ich protestierte gegen etwas, das ich für Unrecht hielt: Meiner Meinung nach war es nicht gerecht, dass die Menschen das meiste, was sie durch ihre Arbeit erwirtschafteten, an die Regierung abgeben mussten. Deshalb beschmierte ich Wände mit Parolen und wurde dabei erwischt.

„Die Magier beuten uns aus!“, malte ich in großen Buchstaben an das Haus des Dorfbüttels, dem man gute Kontakte zu den Verwaltungsbehörden in der Hauptstadt unserer Welteninsel nachsagte.

Nicht, dass ich jemals etwas Magisches erlebt hätte, weder im Guten noch im Schlechten. Abgesehen natürlich von meiner Ankunft auf Arongarth. Auch hatte ich noch nie einen Magier gesehen. Es war jedoch der vorherrschende Eindruck auf dem Land, dass „die da oben“ fast alles abschöpften, um es von Arongarth wegzubringen. Dadurch verhinderten sie, dass die Landbevölkerung zu bescheidenem Wohlstand kam. Ganz oben in der Hierarchie der Welt standen die Magier und Schamaninnen, also mussten sie in meinen Augen schuld an diesen Zuständen sein.

Wir waren eine Gruppe von vier Gleichaltrigen, die an jenem Abend gemeinsam diskutiert und leider auch getrunken hatten. Ich trank selten Alkohol und vertrug ihn nicht, deshalb war ich der langsamste beim Davonlaufen, als der Büttel uns ertappte.

Am folgenden Morgen war ich wieder nüchtern und saß in der Arrestzelle. Ich hatte genügend Zeit, über meine Dummheit nachzudenken. Aber ich hielt meine Tat immer noch für gerechtfertigt, weshalb ich in Gedanken mehr denn je die Magier und ihre Handlanger verfluchte. Erst nachmittags entriegelte der Büttel die Holztür und sah zu mir herein. Er war nicht alleine. Ein gutgekleideter älterer Mann stand hinter ihm und spähte in das Halbdunkel, in dem ich saß.

„Ist er das?“, fragte der Fremde.

„Ja. Isaak Farlang.“ Da er im Dienst war, nannte der Büttel meinen offiziellen Namen, was sich später als Glücksfall herausstellen sollte. „Ein Findelkind, das von einfältigen Bauern großgezogen wurde. Der einzige Überlebende des Wasserschwalls, der damals durch das magische Tor kam.“

„Morgen lasse ich ihn abholen. Ist er gefährlich?“

„Nicht mehr als jeder in seinem Alter. Eher ein Dummkopf, das wächst sich bei den meisten wieder aus.“

„Trotzdem. Ich vermerke den Namen Isaak Farlang als Verdachtsfall in den Akten und schicke morgen zwei Gendarmen. Lassen Sie ihn nicht entkommen!“

Die Tür schloss sich wieder. Ich war zu verblüfft über diesen Wortwechsel, als dass ich in der Lage gewesen wäre, eine vernünftige Frage zu stellen. Das Strafmaß für einen Streich, wie er mir zur Last gelegt werden konnte, betrug höchstens eine Woche Arrest. Selbst die durfte man gewöhnlich abgelten, indem man für das Dorf arbeitete: Zäune reparierte, die Straße ausbesserte und so weiter. Der Büttel war auf seine Art ein nachsichtiger Kerl.

Gendarmen, von denen der Fremde gesprochen hatte, gab es nur in der nächsten Stadt, Alldingen. Wollte man mich dorthin bringen, womöglich vor das Provinzgericht? Weshalb?

Ich grübelte stundenlang darüber nach, was der Grund für diese besondere Behandlung sein könnte. Außerdem beschäftigte mich die Frage, warum der Büttel erwähnt hatte, wie ich zu den Farlangs gekommen war, die er einfältige Bauern schimpfte. Das hatte doch nichts mit meinen Schmierereien zu tun.

Nachts weckte mich ein Geräusch. Etwas scharrte an der Tür der Zelle. Jemand steckte einen Schlüssel oder Dietrich in das Türschloss, schien aber Mühe zu haben, ihn umzudrehen. Wollte der Büttel um diese Zeit zu mir?

Die Tür öffnete sich und das Licht einer Laterne drang herein. Ich sah einen Mann, der dunkle Kleidung trug und sich ein schwarzes Tuch vor das Gesicht gebunden hatte. Er zog das Tuch kurz herunter und ich erkannte Rolaff, einen meiner Freunde, die bei dem Streich dabei waren und entwischen konnten.

Er hielt den Finger vor den Mund, gab mir ein Stück schwarzes Tuch zum umbinden und flüsterte: „Komm mit, aber leise. Wir müssen aus dem Dorf heraus, ohne dass uns jemand hört oder sieht.“

Ich wickelte das Tuch um meinen Kopf, so dass nur die Augen frei blieben, und folgte ihm. Warum er mich befreite, war mir nicht klar, denn der Büttel wusste ja, dass er mich auf dem Hof der Farlangs finden würde. Oder glaubte Rolaff, es genügte, wenn ich mich für ein paar Tage versteckte, bis der Vorfall in Vergessenheit geriet? Das mochte im Dorf funktionieren, aber nicht, wenn die Gendarmen aus der Stadt nach mir suchten.

Die Arrestzelle war an das Haus des Büttels angebaut. Deshalb mussten wir leise sein, bis wir draußen auf der Straßen waren. Eine halbe Meile vom Dorf entfernt führte mich mein Freund hinter ein Gebüsch am Straßenrand, wo ein großer Rucksack versteckt war.

Dort nahm er sein Tuch herunter und sagte: „Deine Eltern haben mir aufgetragen, dich zu befreien. Sie lassen dir ausrichten, dass du von Arongarth verschwinden musst. Irgendwohin, wo man dich nicht kennt. Du darfst keinesfalls zu ihrem Hof zurückkehren. Sie haben diesen Rucksack für dich gepackt. Da ist Ersatzkleidung drin, genügend zu essen für ein paar Tage und eine warme Decke. Außerdem soll ich dir das hier geben.“

Er zog einen Lederbeutel aus der Tasche und reichte ihn mir. Es genügte, ihn in der Hand zu wiegen, um zu wissen, dass einige Münzen darin waren.

„Aber warum ...?“, begann ich.

„Wir haben nicht die Zeit, dir alles zu erklären“, unterbrach mich Rolaff. „Du musst noch heute Nacht so weit wie möglich weg vom Dorf. Dein Vater rät dir, entlang der Eisenbahnstrecke nach Osten zu gehen, bis du einen Bahnhof findest. Dort sollst du in einen Zug steigen. Entweder als blinder Passagier oder als Helfer, wenn sie gerade einen benötigen.“

„Wohin soll ich mit dem Zug fahren?“, fragte ich verblüfft.

„Zu einem der magischen Durchgänge, egal zu welchem. Hauptsache, du kannst Arongarth verlassen. Nur auf einer anderen Welteninsel bist du sicher.“

Ich starrte ihn fassungslos an.

„Das rät dir dein Vater“, betonte er noch einmal.

„Aber warum?“, wiederholte ich meine Frage.

„Ich weiß es doch auch nicht! Deine Eltern machten nicht den Eindruck, als würden sie scherzen. Sie fürchten um dein Leben! Also, los jetzt!“

Rolaff reichte mir den Rucksack und umarmte mich. Dann gab er mir einen Schubs, weil ich mich immer noch nicht bewegte, und deutete nach Osten. „In diese Richtung! Geh, so schnell du kannst. Sollte dir jemand entgegenkommen, verstecke dich. Falls du die Bahnstrecke erst nach Tagesanbruch erreichst, bleib in Deckung, bis es wieder dunkel ist. Kapiert? Alle Gute!“

Er drehte sich um und ging davon.

Einige Minuten lang stand ich in dem Gebüsch und überlegte, ob ich nicht doch zum Hof meiner Eltern gehen sollte, um sie nach dem Grund für all das zu fragen. Aber bis ich dort war, würde die Sonne aufgegangen sein und der Büttel auf mich warten. Außerdem waren die Farlangs nicht ängstlich veranlagt. Wenn sie um mein Leben fürchteten, mussten sie einen triftigen Anlass dafür haben. Es war besser, für einige Wochen zu verschwinden, bevor ich zu ihnen zurückkehrte. Ich marschierte los Richtung Osten.

Es gab mehrere Bahnlinien auf unserer Welteninsel, aber Zugfahrten waren teuer und Frachtzüge nahmen meist keine Passagiere mit. Deshalb hatte ich bisher nur einmal einen Zug aus der Nähe gesehen. Das zwar, als ein Zirkus in das Städtchen Alldingen kam. Unsere Dorfschule organisierte eine Fahrt dorthin. Wir Schüler rollten stundenlang auf einem Pferdewagen durch die Landschaft und freuten uns auf das Abenteuer, das man uns versprochen hatte.

Die Artisten hatten neben dem Bahnhof von Alldingen ein Zelt aufgebaut, und dahinter stand auf einem Abstellgleis ihr Zug: Eine Dampflok mit acht Waggons, alle verbeult und rostig, die bunte Bemalung blätterte an vielen Stellen ab.

Die Vorstellung in der Manege faszinierte die meisten Kinder aus den umliegenden Dörfern. Aber einige, darunter ich, schlichen bald hinaus ins Freie und gingen zum Zug. Wir entdeckten einen alten Mechaniker, der in schmutziger Arbeitskleidung dabei war, Teile des Fahrwerks zu schmieren. Manchmal hieb er mit einem Hammer irgendwo drauf und es sprang ein Stück Schmutz oder Rost ab.

Zunächst reagierte er mürrisch auf unser Interesse an seinem Tun. Doch er fühlte sich auch ein wenig geschmeichelt und begann, einiges zu erklären. Keiner von uns verstand, worum es ging, aber wir hörten ihm mit höchster Aufmerksamkeit zu.

Während unsere Freunde und Freundinnen drinnen im Zelt kreischten und klatschten, folgten wir dem Mann um die Lokomotive herum. Dabei bombardierten wir ihn mit Fragen, bis er anfing, von den langen Fahrten von Stadt zu Stadt zu erzählen. Er berichtete von den Durchgängen zu anderen Welteninseln und den seltsamen Menschen und Maschinen, die er gesehen hatte.

Schließlich erlaubte er uns, in den Führerstand zu klettern. Er zeigte uns die Hebel und Messinstrumente, die es dort gab, und das große Loch, durch das Kohle in den riesigen Schlund geschaufelt wurde, in dem während der Fahrt das Feuer brannte. Zuletzt durften wir den ersten Wagen betreten. Darin wurden die Einzelteile des Zelts transportiert, deshalb war er nun leer. Nie hatte ich so eine Faszination verspürt wie in diesem Waggon, dessen muffiger Geruch einen Hauch Abenteuer in sich trug und in dem jeder Schritt metallisch hallte. Wir flüsterten nur, während wir uns unterhielten und durch die milchigen kleinen Fenster hinaussahen. Vor unseren Augen zogen fremde Landschaften vorbei, obwohl nur das Bahnhofsgebäude und die Leinwand des Zelts draußen zu sehen waren. Wir hatten ein tieferes Erlebnis als unsere Schulfreunde, die um die Manege saßen und über Clowns lachten oder sich vor abgerichteten Bären fürchteten.

Der Höhepunkt für uns war aber die Durchfahrt eines Frachtzuges. Wir hörten schon von Ferne sein warnendes Pfeifen, mit dem er Menschen und Vieh von den Gleisen trieb. Da Züge nur zwei Mal am Tag zu festen Zeiten durch die Stadt kamen, konnte das keine von diesen regelmäßigen Linien sein. Deshalb war auch der alte Maschinist des Zirkusses neugierig. Wir stiegen aus und sahen gespannt nach Süden.

Zunächst bemerkte ich weiße Dampfwolken in der Ferne und hörte ein näher kommendes Rumpeln. Dann raste die Lokomotive heran, bronzefarben im Sonnenlicht glänzend, mit spiegelnden Fenstergläsern im Führerhaus. Für einen Moment glaubte ich, sie sei aus Gold. Die riesigen Triebräder rollten an uns vorbei, bewegt vom stampfenden Rhythmus der Dampfmaschine. Ich zählte mit: Fünfundzwanzig Waggons folgten, manche mit Fenstern, andere nur für Fracht. Hinter einem der Fenster sah ich das Gesicht eines Mädchens, das uns zuwinkte.

Ich winkte eifrig zurück und stellte mir vor, wie es wäre, dort neben ihr zu sitzen.

Als der Zug ohne anzuhalten den Bahnhof und die Stadt passiert hatte und das Geräusch in der Ferne verebbte, nahm der Maschinist seine speckige Mütze ab, wischte sich mit der schmutzigen Hand über die Stirn und sagte bewundernd: „Ein Freihändler! Einer von den reichen, seiner Lokomotive nach zu urteilen. Das sind die einzig wirklich freien Menschen, die es gibt. Aber sagt das nicht weiter! Er ist vermutlich nur auf der Durchreise hier auf Arongarth. Diese Welteninsel ist nicht wohlhabend genug, um ein lohnendes Ziel für seinesgleichen zu sein.“

Wir bedrängten den Mann mit neuen Fragen, die er geduldig beantwortete, bis unsere Lehrerin kam und wir zurück nach Hause mussten. Ich habe noch jahrelang von diesem Tag geträumt. Aber selten vom Zirkus und seinem rostigen, alten Zug, sondern von der glänzenden, rasend schnellen Maschine und den vielen Waggons des Freihändlers.

An dieses Erlebnis aus meinen ersten Schuljahren dachte ich, während ich dem Sonnenaufgang entgegen ging, bis ich in der Ferne den Bahndamm sah. Es war an der Zeit, ein Versteck zu suchen, oder aber abseits des Weges vorsichtig nach Norden zu gehen, um nicht entdeckt zu werden. Dass man gezielt nach mir suchte, konnte ich mir nicht vorstellen, dazu war mein Vergehen zu unbedeutend. Andererseits war die Warnung meiner Eltern eindringlich gewesen. Vorsicht war also angebracht. Womöglich schickte der Büttel Boten in die Dörfer der Umgebung und in die Stadt, mit meiner Beschreibung und der Nachricht, man solle mich festnehmen und zu ihm zurückbringen.

Doch meine Sorgen waren unnötig. Niemand außer mir war unterwegs auf dem schmalen Weg entlang der Bahnstrecke. Einmal sah ich in der Ferne Bauern bei der Feldarbeit, aber ansonsten war weit und breit kein Mensch.

Mittags rastete ich im Schatten und schlief einige Stunden. Dann marschierte ich weiter. Ich musste bald jenseits der Stadt sein, die aber links von mir so weit entfernt lag, dass ich sie nicht sehen konnte. Die Abzweigung der Bahnstrecke, die dorthin führte, hatte ich bereits am späten Vormittag passiert.

Ich hoffte, wie bisher ungestört zu bleiben und bis zum Abend noch einige Meilen zurücklegen zu können. Da kam ein Hindernis in Sicht, das mich abrupt in Deckung gehen ließ: ein Zug!

Zunächst meinte ich, er sei auf freier Strecke stehengeblieben, aber dann sah ich eine Weiche, die auf ein Nebengleis führte. Die Bahnstrecken auf unserer Welteninsel verliefen meist eingleisig. Züge warteten daher auf solchen Ausweichgleisen, um Gegenverkehr durchzulassen, oder damit schnellere Züge an ihnen vorbeirasen konnten.

Vor mir sah ich die letzten Waggons eines stehenden Zugs. Die Dampfmaschine in der Lokomotive hatte man abgeschaltet, denn ich konnte weiter vorne keinen aufsteigenden Dampf erkennen. Wobei die Strecke hier eine Biegung machte und ich nur fünf Waggons sehen konnte.

Ich versteckte mich hinter Büschen und wartete ab. Die Besatzung des Zuges würde sich vermutlich die Beine vertreten, falls er hier länger stehenblieb.

Tatsächlich sah ich bald einige Männer und Frauen. Zwei der Männer trugen Flinten. Sie postierten sich ein paar Schritte entfernt vom Ende des Zuges. Die anderen öffneten den letzten Waggon und zogen eine Rampe heraus, die bis auf den Boden neben dem Bahndamm reichte. Über diese Rampe brachten sie Pferde ins Freie und führten sie davon. Vielleicht zu einer Wiese, wo sie sich bewegen und Gras fressen konnten, während der Zug hier hielt.

Ich blieb in Deckung, weil mich die Bewaffneten abschreckten. Der alte Maschinist des Zirkuszuges hatte Geschichten von Freihändlern erzählt, die verbotene Dinge transportierten. Es hieß, sie würden jeden Zeugen beseitigen, der sie zufällig dabei beobachtete. Entsprechend vorsichtig verhielt ich mich.

Gerade noch in Sichtweite des Zuges schlich ich durch das Gebüsch und sah mir nacheinander die Waggons an. Sie waren eindeutig ihrem jeweiligen Zweck zuzuordnen: Fracht, Passagiere, Kohle, Wasser. Vorne und hinten war auf jedem Waggon ein Pfeil-Symbol aus poliertem Messing angebracht, bei dem in verschnörkelten Buchstaben Larks Pfeil stand. Alles war wie neu oder doch so sauber, als sei es gerade erst gereinigt worden.

Unbemerkt gelangte ich so weit nach vorne, dass ich die Lokomotive sehen konnte. Das war zweifellos eine der teuren Maschinen, wie nur Freihändler sie sich leisten konnten. Ein Dutzend Leute waren damit beschäftigt, Reparaturen vorzunehmen. Dieser Zug war also wegen eines Maschinenschadens hier stehengeblieben. Nun, auch von solchen Vorfällen hatte der Maschinist damals erzählt, und kräftig geflucht dabei, weil das immer in abgelegenen Gegenden zu passieren schien, wo man keine Hilfe fand und keine Ersatzteile bekam.

Ich verstand zu wenig von der Technik großer Maschinen, um zu wissen, woran man dort arbeitete. Die Männer und Frauen schienen ratlos und probierten mal an der einen Stelle herum und mal an einer anderen. Drei von ihnen wuchteten ein zylinderförmiges Bauteil heraus und legten es vorsichtig auf den Boden. Es war mehr als zwei Fuß lang und hatte einen Durchmesser von einem Fuß. Sein Gehäuse bestand aus einem glänzenden, farblosen Metall, vielleicht Stahl. Vorne und hinten ragten kurze Stummel hervor, mit denen das Gerät in der Lokomotive befestigt gewesen war. Ich hatte keine Ahnung, um was es sich handelte, aber es schien ein wichtiges und teures Bauteil zu sein.

Gespannt sah ich zu, wie man die zylindrische Hülle aufschraubte und entferne. Darunter kam ein Gewirr von Drähten und sonstigen Teilen zum Vorschein, das nichts mir Bekanntem ähnelte. Ich konnte nicht anders: Ohne es zu wollen, ging ich näher heran, immer auf die Deckung des Gebüschs vertrauend. Ich wollte genauer sehen, was ich da vor mir hatte.

Es kam, wie es kommen musste.

Hinter mir sagte jemand: „Warum versteckst du dich hier?“

Ich sprang auf und drehte mich um. Ein großer Mann stand dort, mit breiten Schultern und muskulösen Oberarmen. Mein erster Schreck legte sich, als ich sein gutmütiges Gesicht sah.

„Ich habe mir die Lokomotive angesehen“, stotterte ich.

„Die kannst du besser sehen, wenn du hingehst“, sagte er. „Was bist du für einer?“

„Ich heiße Noah“, begann ich, stockte dann aber, weil ich nicht wusste, wie ich meine Anwesenheit hier erklären sollte. Außerdem war es vielleicht nicht gut, meinen Nachnamen zu nennen.

„Noah? Kann passieren.“ Grinsend musterte der Mann mich und meinen Rucksack. „Bist du von zu Hause ausgerissen?“

Ich nickte heftig, dankbar dafür, dass er mir eine gute Ausrede lieferte, auf die ich nicht gekommen war.

„Das Übliche, vermute ich“, fuhr er fort. „Täglich Prügel, wenig zu Essen und viel Arbeit. Oder kommst du aus einem Heim?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Redselig bist du nicht“, stellte er fest. „Na, dann komm mal mit.“

Ich hätte davon laufen können, aber meine Neugier war größer als die Angst. Deshalb folgte ich ihm die zwei Dutzend Schritte bis zum Bahndamm.

Die Männer und Frauen dort kümmerten sich nicht um mich. Einige studierten das Innenleben des seltsamen Bauteils, während andere in die Lokomotive hinein sahen, wo es vorher befestigt gewesen war.

„Ich behaupte, das Lager hier ist defekt und heißgelaufen!“, rief einer, dessen Kopf bis eben völlig in der gigantischen Lok verschwunden war. „Wir wechseln es aus und schließen den Generator wieder an. Dann werden wir schon sehen, was geschieht.“

„Für solche Versuche ist das Gerät zu wertvoll“, protestierte ein anderer.

„Ich schlage vor, wir testen den Generator zunächst von Hand, um zu sehen, ob er die Unwucht der Achse gut überstanden hat“, meldete sich eine Frau zu Wort. „Falls ja, können wir einen erneuten Einbau versuchen, nachdem wir das Kugellager ausgetauscht haben.“

Sie schien Autorität zu haben, denn alle nickten. Dann wandte sie sich um und entdeckte mich. „Wer ist das, Jörrik?“, fragte sie den Mann neben mir.

„Ein Ausreißer. Die übliche Geschichte. Da ich einen Helfer rauswerfen musste, weil er uns bespitzelt hat, kommt er mir gelegen.“

„Verlässt du dich wieder auf deine Menschenkenntnis?“, fragte sie spöttisch. „Das ist doch bisher jedes Mal schiefgegangen. Such dir erfahrene Hilfsarbeiter, die etwas älter sind.“

„Ach, was“, entgegnete Jörrik. „Ich rede erst einmal mit ihm.“

„Ich bin ...“, begann ich, aber er packte mich am Arm und zog mich mit sich.

„Hier stören wir nur“, sagte er. „Einer der Frachtwaggons ist leer, dort können wir uns in Ruhe unterhalten.“

Wir gingen am Zug entlang, bis wir diesen Waggon erreichten. Jörrik zog die schwere Holztür auf und wir kletterten hinein. Ein paar leere Kisten standen herum. Er schob zwei zur offenen Tür ins Sonnenlicht und wir setzten uns.

„Ich bin der Frachtmeister von Larks Pfeil“, begann er. „Lark ist der Freihändler, dem dieser Zug gehört. Er fährt auf eigene Rechnung. Wir besuchen im Wechsel ein Dutzend verschiedene Welteninseln, nehmen alle Arten von Waren an Bord und liefern sie an ihren Zielort. Nicht immer dieselben Dinge, sondern je nachdem, was sich rechnet. Deshalb wissen wir nie sicher, welches unsere nächsten Haltestellen sein werden. Der Zug hat eine vollständige Besatzung, zu der alles an Berufen gehört, was du dir vorstellen kannst. Die Technikerin, Sundi, hast du eben kennengelernt. Dazu kommen die Mechaniker und ihre Helfer, der Lokführer mit seinen Kollegen, die Heizer, die Frachtarbeiter, die Wachmannschaft und, nicht zu vergessen, der Koch und die Küchenhelfer. Außerdem sind der Freihändler und seine Tochter an Bord.“

„Ziemlich viele Menschen“, sagte ich beeindruckt.

„Deshalb muss die Maschine immer fahren, sonst rechnet sich der ganze Aufwand nicht. Ein Freihändler muss einen Sinn für Geschäfte haben, um trotz der hohen Kosten noch Gewinn zu erzielen. Und den hat Lark!“

„Er ist also reich!“, folgerte ich.

„Ist er, und das zurecht. Aber nun zu dir: Was in unseren Frachtwaggons transportiert wird, muss in den Bahnhöfen schnell und zuverlässig ein- und ausgeladen werden. Wir haben manchmal wertvolle Waren an Bord, oder Dinge, die andere Leute nichts angehen. Deshalb verlassen wir uns nicht auf die Hilfsarbeiter vor Ort, sondern haben selber zwei Mann, die sich darum kümmern. Wie du schon gehört hast, hat einer von ihnen versucht, uns auszuspionieren. Freihändler werden häufig von Konkurrenten oder der Regierung bespitzelt. Ich habe den Kerl aus dem Zug geworfen, kaum, dass wir den letzten Durchgang passierten und auf dieser Welteninsel ankamen.“

„Ist er tot?“, fragte ich erschrocken.

Er lachte. „Nein, der hat bestimmt nur ein paar blaue Flecken. Aber er ist nun ohne Geld hier gestrandet und weiß nicht einmal, wo genau er ist. Geschieht ihm recht. Wenn du Interesse hast und hart arbeiten kannst, wäre also ein Platz für dich frei. Ihr Ausreißer wollt doch alle die weite Welt kennenlernen. Das kannst du nirgendwo besser als an Bord eines Freihändlerzugs. Wie steht es?“

Ich wollte meine Freude nicht zu deutlich zeigen, deshalb suchte ich nach einem Einwand und fand auch einen: „Wenn es nur darum geht, in den Bahnhöfen beim Beladen und Entladen der Waggons zu helfen, während man sonst durch die Gegend fährt, ist das eine ziemlich leichte Arbeit. Wo ist der Haken?“

Jörrik lachte laut auf: „Du bist ein heller Kopf! Es gibt sogar zwei Nachteile: Der eine ist der niedrige Wochenlohn, weil du hier im Zug lebst und umsonst etwas zu Essen bekommst; der zweite sind die Hilfsarbeiten, für die du unterwegs eingeteilt wirst, je nach Bedarf. Als da sind: mit den Heizern Kohlen schaufeln, egal zu welcher Tageszeit; den Maschinisten zur Hand gehen, die alles funktionsfähig halten; unserem Koch helfen, falls er jemanden zum Kartoffelschälen braucht. Kurz gesagt: Für mich arbeitest du, wenn wir im Bahnhof sind. Während der Fahrt hilfst du jedem, der gerade jemanden braucht. Einverstanden?“

Das machte Sinn, deshalb stimmte ich zu. Aber ich war mir nicht sicher, ob ich längere Zeit mit diesem Zug fahren wollte, wenn das bedeutete, diese Welteninsel zu verlassen. Das nahm mir die Möglichkeit, nach einigen Wochen heimlich zum Bauernhof meiner Zieheltern zurückzukehren.

„Wie oft kommt Larks Pfeil durch Arongarth?“, fragte ich deshalb nach einer kurzen Pause.

„Zwei oder drei Mal im Jahr“, antwortete Jörrik. „Das hängt davon ab, wie die Geschäfte laufen und welche Routen preiswert zu befahren sind. Jedes Mal, wenn man einen Durchgang zu einer anderen Welteninsel benutzt, muss man eine Gebühr bezahlen, und die kann unterschiedlich hoch sein. Angeblich ist sie für die Nutzung des Durchgangs, des Schienennetzes und so weiter. Aber das ist nur ein Vorwand. Tatsächlich behalten das Geld die Magier, die über die Macht des Topas-Kristalls wachen. Nur mit Hilfe so eines Kristalls ist das sichere Passieren eines Tores möglich. Insgesamt ist es ein teures Unterfangen, mit einem privaten Zug von einer Welteninsel zur nächsten zu reisen. Die Frachtzüge der Regierung dagegen bezahlen nur lächerlich geringe Gebühren.“ Er stand auf und streckte sich. Sein Kopf stieß fast gegen das Dach des Waggons.

Als ich zu ihm hoch sah, fielen mir kleine Glaskörper auf, die oben befestigt waren. Ich deutete darauf und fragte: „Was ist das?“

„Das nennt man Glühbirnen“, sagte er. „Der Generator, den die Maschinisten vorne aus der Lokomotive ausgebaut haben, erzeugt Elektrizität, mit der man im ganzen Zug künstliches Licht schaffen kann. Ohne Flamme, ohne Brandgefahr, ohne immer wieder Petroleum nachfüllen zu müssen.“

„Ich habe noch nie von so etwas gehört“, gab ich zu.

„Das wurde schon vor langer Zeit an der Technischen Akademie von Sjina erfunden, sagt man. Aber es setzt sich bei uns nicht durch, weil unsere Regierung dagegen ist. Die Wirkung erinnert an Magie, das mögen die Magier nicht. Der Einsatz von Technik bedroht ihre angebliche Allmacht. Also, was ist jetzt, willst du mit uns reisen oder hierbleiben?“

Ein langgezogenes Pfeifen kam von draußen. Diesen Ton kannte ich: Er stammte von der Lok.

„Wir fahren bald weiter“, bestätigte Jörrik. „Entscheide dich: Kommst du mit uns? Dann gehen wir nach vorne in die Waggons der Besatzung. Oder du steigst jetzt aus.“

Er streckte mir die Hand entgegen und ich schlug ein.

Kapitel 2 – Simon Lark

Im Schlafwagen der Besatzung war wenig Platz. Betten standen nebeneinander und übereinander entlang der Mitte des Waggons. Acht solcher Bettkombinationen ergaben zweiunddreißig Schlafplätze. Jedes Bett war auf drei Seiten begrenzt durch eine Sperrholzplatte, so dass man seinen eigenen kleinen Bereich hatte. Persönliche Kleinigkeiten konnte man in Tragnetze legen. Entlang der Außenwände, zwischen den schmalen Fenstern, standen Metallspinde, jeweils mit einem Namensschild und einem eigenen Vorhängeschloss versehen.

Die Frauen schliefen im nächsten Waggon, in einem abgetrennten Abteil, in das man durch eine Schiebetür gelangte. Es war untersagt, als Mann durch diese Tür zu gehen – außer sie stand offen, was tagsüber fast immer der Fall war. Es herrschte ein geschäftiges Kommen und Gehen, wie ich bald herausfand.

Jörrik zeigte mir mein Bett, eines in der unteren Reihe, und gab mir den Schlüssel zu einem Spind. Die anderen Männer im Waggon grüßten mich im Vorbeigehen. Einer zog sich ungeniert aus und warf seine schmutzige Arbeitskleidung auf einen Haufen am Wagenende.

„Jeden dritten Tag oder wenn wir länger irgendwo halten, wird die Wäsche gewaschen“, erklärte Jörrik. „Es ist nicht ratsam, sich mit ölverschmierten Sachen ins Bett zu legen, weil die Bettlaken nur alle vier Wochen gewaschen werden. In deinem Spind ist eine Wolldecke, falls du nachts frierst. Auf eisigen Welteninseln wird durch Kupferrohre entlang den Außenwänden heißes Wasser geleitet. Aber das kostet zusätzliche Kohle und muss vom Freihändler persönlich angeordnet werden. Gegessen wird schichtweise im Küchenwagen, immer acht Personen gleichzeitig. Dein Schichtplan ist hier.“

Er zeigte auf einen Zettel mit einer Liste von Wochentagen und Uhrzeiten, der an die Holzwand an der Kopfseite meines Bettes gepinnt war. Ich beugte mich vor und versuchte, zu erkennen, was meine erste Aufgabe war. Doch Jörrik zog mich zurück.

„Heute hilfst du dem Heizer. Wir haben wegen des Problems mit dem Generator mehrere Stunden verloren, die müssen wieder hereingeholt werden. In der Lok wird man dankbar sein, wenn du zur Hand gehst.“

Ein weiteres Pfeifsignal erklang.

„Gleich fährt sie an“, sagte Jörrik. Er wandte sich um nach einem Mann, der ein wenig kleiner und älter war als ich. „Kap, hast du ein Arbeitshemd und eine Hose für den Jungen? Er soll dem Heizer helfen.“

Kap musterte mich, nickte und ging zum Ende des Waggons. Aus einem großen Metallschrank nahm er Kleidungsstücke und gab sie mir.

Ich erhielt eine robuste Leinenhose, ein Hemd und eine Schirmmütze.

„Anziehen!“, befahl Jörrik.

Ich warf meine Kleidung auf das Bett und zog die neuen Sachen an. Die Hose war zu lang, deshalb stülpte ich sie unten um. Die Hemdsärmel waren zu kurz, das sah komisch aus, war mir aber egal.

„Jetzt raus mit dir!“, drängte der Frachtmeister. „Renne nach vorne und melde dich bei Michal. Das ist der Heizer. Sag, dass du neu an Bord bist und ich dich geschickt habe.“

Ich erreichte die Lok im letzten Moment. Als ich auf der ersten Sprosse der kurzen Metallleiter stand, ging ein Ruck durch den Zug und er setzte sich langsam in Bewegung. Rasch kletterte ich hoch ins Führerhaus, wo zwei Männer arbeiteten. Einer sah aus dem schmalen rechten Fenster nach vorne und betätigte mit der Hand einen Hebel. Es gab hier unzählige dieser Hebel in unterschiedlichen Größen und Formen, außerdem kleine runde Griffe und andere Bedienteile. Auch verschiedene Messinstrumente sah ich. Es war ein unverständliches Gewirr von technischen Gerätschaften, die für den Betrieb einer so großen Lokomotive notwendig waren.

„Was hast du im Führerstand zu suchen?“, rief mir der zweite Mann zu. Er war hager, dunkelhaarig und trug einen großen, schwarzen Schnauzbart. Mit beiden Händen hielt er eine Schaufel, mit der er Kohle in ein Loch warf, aus dem mir höllische Glut entgegenschlug.

„Jörrik, der Frachtmeister, schickt mich“, brüllte ich, denn es war laut hier. „Ich bin neu und soll dem Heizer helfen. Sind Sie das?“

„Wer sonst?“ Der Mann drückte mir seine Schaufel in die Hand. „Hast du keine Handschuhe bekommen?“

Ich schüttelte den Kopf. Er selbst trug dicke, schmutzige Lederhandschuhe.

„Dort drüben“, sagte er und zeigte auf eine Klappe in der Seitenwand.

Ich öffnete sie und fand ein Paar Handschuhe, die ich überzog. Sie waren zu groß, aber das spielte erst einmal keine Rolle. Mit ihnen packte ich die Schaufel fest an und sah mich um.

„Du holst die Kohle von da aus dem Kohlenkasten und wirfst sie durch die Öffnung auf den Rost“, wies er mich an. „Ich muss prüfen, ob der Kesseldruck stimmt.“

Während er große, runde Messgeräte ansah und an irgendwelchen kleinen Metallrädern drehte, begann ich, Kohle zu schaufeln. Nach wenigen Minuten benötigte ich eine erste Pause. Schwer atmend stützte ich mich auf die Schaufel und sah mich um. Wir fuhren langsam, vermutlich immer noch auf der Ausweichstrecke, auf der ich den Zug entdeckt hatte. Links von den Schienen standen Bäume und Büsche, rechts lagen Felder und Wiesen. Da die Lok auf dem erhöhten Bahndamm fuhr, hatte ich einen weiten Blick.

„Weitermachen!“, rief mir der Heizer zu. „Wir wollen nicht wie eine Schnecke durch die Gegend kriechen.“

Der Lokführer zog seinen Kopf zurück und sagte: „Die Weiche steht richtig. Sobald wir sie passiert haben, geht es los. Wer ist der da?“

„Ein neuer Helfer von Jörrik“, antwortete der Heizer.

„Hoffentlich besser als der letzte“, sagte der Lokführer. „Funktioniert der Generator?“

„Die Messwerte sind in Ordnung. Probieren wir es aus.“

Der Heizer betätigte einen kleinen Hebel und über uns kam Licht aus einer faustgroßen Glaskugel, wie ich einige im Frachtwaggon gesehen hatte. Es war nicht besonders hell, leuchtete aber stetig, ohne zu flackern. In der Nacht genügte das sicherlich, um das Führerhaus zu erleuchten – falls das nicht schon durch die Glut des Feuers geschah, wenn die Klappe offenstand. Ein erneutes Umlegen des kleinen Hebels, und das Licht erlosch.

Die Lokomotive ruckelte unerwartet. Ich dachte, etwas sei kaputtgegangen, aber der Lokführer sagte beruhigend: „Wir passieren die Weiche. Nun sind wir auf der Hauptstrecke. An die Arbeit!“

Der Heizer nahm sich eine zweite Schaufel, die an der Seitenwand befestigt war, und wir begannen, Kohle durch die Öffnung zu werfen, immer im Wechsel. Diesmal hielt ich länger durch, aber vielleicht kam es mir nur so vor. Jedenfalls wollte ich nicht aufgeben, weil der Mann unermüdlich schien.

Als ich mich kurz vor dem Zusammenbrechen fühlte, hörte er unvermittelt auf und schloss mit einem Handgriff die Feuerklappe.

Ich warf die Kohle, die ich auf meiner Schaufel hatte, zurück auf den Haufen hinter uns.

„Genügt vorerst“, sagte der Lokführer. Er sah durch ein schmales Fenster hinaus nach vorne.

Jetzt erst bemerkte ich, wie schnell der Zug inzwischen fuhr. Wir rasten geradezu durch die Landschaft. In der Ferne sah ich ein Dorf, das gleichsam an uns vorbeizog, als würde es sich bewegen, nicht wir uns. Der Rhythmus, den die Räder vorgaben, wenn sie über die Verbindungsstellen der Schienen rollten, wurde mir jetzt erst bewusst.

Ein Signalpfosten tauchte vor uns auf, dessen Querstange schräg nach oben stand.

„Freie Fahrt bis zum nächsten Güterbahnhof“, sagte der Lokführer zufrieden. „Wir können einen Teil der verlorenen Zeit wieder hereinholen. Dort bunkern wir Kohle und Sand und tanken Wasser nach. Das müsste genügen bis morgen Mittag, wenn wir den letzten Halt vor der Durchfahrt erreichen.“

„Ich habe gehört, das Tor zu den anderen Welteninseln ist weit entfernt im Norden von Arongarth“, wandte ich ein.

„Dieser Zug heißt nicht umsonst Larks Pfeil“, erklärte der Heizer. „Unsere Lokomotive gehört zu den modernsten und schnellsten, die es gibt. Aber jetzt zu dir: Wo kommst du her und wo willst du hin?“

Ich beschloss, zum Teil bei der Wahrheit zu bleiben, ansonsten aber einfach das zu erzählen, was Jörrik vermutet hatte, als er mich im Gebüsch abseits des Zuges entdeckte: „Ich heiße Noah und stamme von einem Bauernhof, nicht weit von der Stelle, an der dieser Zug stand, als der Generator ausgebaut wurde. Ich will mitfahren, um andere Welten kennenzulernen.“

„Und was hast du ausgefressen?“, hakte der Lokführer nach.

Für einen Moment glaubte ich, er habe bereits etwas über mein Vergehen gehört. Aber es war wohl eher die Erfahrung mit Ausreißern, die ihn zu dieser Frage bewog.

Ich blieb teilweise bei der Wahrheit: „Einige Freunde und ich haben zu viel getrunken und dann etwas angestellt. Der Dorfbüttel hat nur mich erwischt, die anderen konnten rechtzeitig abhauen. Als ich aus der Zelle wieder heraus war, habe ich mir gedacht, es ist besser, wenn ich nicht nach Hause zurückkehre, sondern mich in der Welt umsehe.“

Beide Männer lachten.

Der Heizer zog den rechten Handschuh aus und streckte mir die Hand entgegen: „Ich heiße Michal Prun. Sag Michal, wir duzen uns hier. Willkommen an Bord!“

Ich schüttelte die dargebotene Hand.

Auch der Lokführer wandte sich nach mir um. „Ich bin Rin. Übrigens gilt das mit dem Duzen für alle an Bord des Zuges. Du kannst jeden duzen, sogar die Technikerin und den Frachtmeister. Nur Simon Lark wird immer mit Sie angesprochen. Aber genug geredet: Nimm die Schaufel! Wir sind auf freier Strecke und können zeigen, was in Larks Pfeil steckt.“

„Von einem Bauernhof, also“, sagte Prun. „Das erklärt, warum du so kräftig bist. Nicht muskulös, aber ausdauernd.“

Ich sah ihn überrascht an, denn ich hatte ja schon nach wenigen Minuten das Gefühl gehabt, ich könne nicht mehr weiterarbeiten.

Als der Lokführer mit der Hitze im Kessel zufrieden war, durften Michal und ich wieder eine Pause einlegen.

„Wir hatten schon Neulinge, die kaum die volle Schaufel hochbekommen haben, und die wegen der Hitze aus der offenen Klappe umgekippt sind“, sagte Michal Prun. „Obwohl, das war auf einer anderen Welteninsel, wo das Klima schwül und heiß ist. Jedenfalls: Gut gemacht für das erste Mal! Das kannst du Jörrik von mir ausrichten.“

Er bückte sich nach einem kleinen Kasten aus Blech. Ich erwartete, dass er Werkzeug herausnahm. Aber es handelte sich um belegte Brote und eine verkorkte Flasche, die dort sicher verwahrt waren. Er bot mir ein Brot an und wir aßen gemeinsam, während der Lokführer hinaussah auf die Strecke vor uns und immer wieder an den Speichenrädern drehte, um etwas einzustellen. Nach einem abschließenden Schluck aus der Flasche, die ein bitteres Getränk enthielt, das ich nicht kannte, schippten wir weiter Kohle.

In diesem Rhythmus arbeiteten wir mehrere Stunden lang, wobei ich zugeben muss, dass ich bald keine große Hilfe mehr war. Ich konnte kaum noch die Schaufel halten und schämte mich vor Michal. Aber der grinste nur und schien zu verstehen, dass mein Körper keine Reserven mehr hatte. Doch eines konnte ich noch: hinaussehen in die Landschaft. Es war ein unglaubliches Erlebnis, sie in dieser enormen Geschwindigkeit vorüberziehen zu sehen.

Unvermutet betätigte Rin Andros die Pfeife der Lok zwei Mal kurz hintereinander. Den Grund erfuhr ich gleich darauf. Unter uns rumpelten zunächst die Räder, wir fuhren über eine Weiche. Dann zweigte ein neuer Schienenstrang nach links ab und führte parallel zu unserer Strecke. Dort stand ein Zug, dessen Waggons Aufbauten aus Holzbrettern hatten, die wie Gatter aussahen.

„Ein staatlicher Viehtransporter!“, rief Andros mir zu. „Sie machen Pause, um die Rinder zu tränken. Stinkt höllisch, aber so etwas muss es auch geben, um die Menschen in den großen Städten zu ernähren. Allen voran die Nichtstuer in Thronprak.“

Als wir auf Höhe der anderen Lokomotive waren, gaben beide Loks ein Signal und die Männer, die ich dort stehen sah, winkten uns zu. Wieder rumpelten die Räder, wir passierten die nächste Weiche, wo das zweite Gleis auf unseres zurückführte. Ein Signal gab uns freie Fahrt und wir fuhren ungebremst weiter.

Obwohl ich kaum etwas von Lokomotiven verstand, so war mir doch klar, dass die Zugmaschine des Viehtransporters alt und in schlechtem Zustand war. Zumindest im Vergleich zu Larks Pfeil. Ich fragte Michal Prun danach, aber er zuckte nur mit den Schultern und griff wieder nach der Schaufel.

Das Abendrot leuchtete am Horizont, als der Lokführer erneut die Pfeife betätigte, diesmal mit einem langen Signal. Dann begann er hektischer als bisher, alle möglichen Hebel und Räder zu bedienen. Die Lokomotive wurde langsamer.

„Schichtwechsel“, sagte der Heizer. „Gut gemacht, Noah! Sobald der Zug steht, kehrst du in deinen Waggon zurück. Wirf die Arbeitskleidung auf den Haufen schmutziger Wäsche, der dort ist. Dann kannst du acht Stunden schlafen. Außer, der Frachtmeister hat noch eine Aufgabe für dich.“

Ich kletterte von der Lok herunter, als sie bei einigen Schuppen hielt. Direkt neben uns waren Wasserbehälter, die auf Stelzen standen, und eine offene Kohlenhalde. Ich war so müde, dass ich stolperte und torkelte wie ein Betrunkener, während ich am Zug entlang ging und nach dem richtigen Waggon suchte.

Ich schlief ein, kaum dass ich in meinem Bett lag. Ich verpasste so nicht nur das Laden von Kohle und Sand und das Befüllen unserer Wassertanks, sondern auch die Weiterfahrt von Larks Pfeil durch die Nacht. Erst am frühen Morgen erwachte ich, weil der Zug mit kreischenden Rädern zum Stehen kam.

Die anderen Männer im Waggon kletterten aus ihren Betten. Sie zogen die Schiebefenster auf und sahen hinaus.

„Vielleicht ist ein Hindernis auf den Gleisen“, sagte einer. „Ich kann aber nichts erkennen.“

„Ich umso mehr“, rief anderer, der auf der linken Seite hinaussah. „Da steht ein Trupp Gendarmen. Einer von ihnen hat eine Flagge in der Hand. Mit der hat er signalisiert, dass wir anhalten sollen.“

Das Wort Gendarmen ließ mich zusammenzucken. Suchte man womöglich nach mir, so viele Meilen von zuhause entfernt? Ich spähte auf Zehenspitzen stehend über die Schultern der Männer hinaus ins Freie. Nach einigen Minuten sah ich die Gendarmen vorbeikommen. Sie trugen Uniformen und waren mit Flinten bewaffnet. Diese Waffen hielten sie nicht in den Händen, sondern hatten sie über den Schultern hängen.

„Der Freihändler steigt aus!“, rief einer der Männer.

Nun war ich doch neugierig, denn ich hatte den Besitzer dieses Zuges bisher noch nicht gesehen. „Lässt du mich ans Fenster?“, fragte ich den Mechanikerhelfer vor mir.

„Ausnahmsweise“, antwortete er und machte mir Platz.

Ein gut gekleideter Mann mittleren Alters ging den Gendarmen entgegen. Von Gestalt war der Freihändler eher klein, er hielt sich auffallend gerade und wirkte trotzdem gelassen, nicht angespannt.

Die Gendarmen blieben stehen und salutierten. Weitere Männer kamen dazu, von denen ich nur Frachtmeister Jörrik kannte. Man unterhielt sich, deutete mal auf den Zug, mal auf die umgebende Landschaft. Schließlich schüttelte Lark verneinend den Kopf, die Gendarmen salutierten erneut und Lark winkte mit dem Arm.

Das war ein Zeichen für den Lokführer. Der ließ die Lokomotive einen Pfiff ausstoßen, alle stiegen wieder ein und wir rollten langsam an.

Wenige Minuten später kam Jörrik und forderte mich auf, ihm zu folgen. Es war das erste Mal, dass ich über eine der Metallplatten ging, die die Lücken zwischen den Waggons überbrückten. Sie wackelte heftig und ich hatte für einen Moment Angst, herunterzufallen. Aber Jörrik packte mich rechtzeitig und hielt mich fest.

Der Waggon, den wir betraten, war anders eingerichtet als der für die normalen Arbeiter. Hier gab es Abteile entlang eines schmalen Gangs. Jedes verfügte über eine Schiebetür und war groß genug für ein Bett, einen herausklappbaren Tisch und einen Stuhl. Dadurch wirkten sie wie kleine Zimmer.

„Wer darf hier wohnen?“, fragte ich, während wir eines dieser Abteile betraten.

„Außer mir noch die beiden Lokführer, die Technikerin und der Koch“, antwortete er. „Setz dich!“

Ich nahm auf dem einzigen Stuhl Platz und er auf dem Bett.

„Die Gendarmen haben nach dir gefragt“, begann er. „Jedenfalls vermuten wir das. Der Name, den sie nannten, lautet Isaak Farlang. Bist du das?“

Ich schüttelte verneinend den Kopf, aber ein Blick von Jörrik genügte, um zu wissen, dass er mich durchschaute.

„Man hat die Familie dieses Isaak Farlang verhaftet, weil sie ihm zur Flucht verholfen haben soll. Aber vermutlich wird man sie bald wieder freilassen. Dieser junge Mann wird überall gesucht. Er sei gefährlich, behaupten die Gendarmen.“

Der Schock, den mir das versetzte, lässt sich vorstellen. Meine Familie im Gefängnis? Weil ich einen dummen Streich begangen hatte? Das ergab keinen Sinn! Mein Gesichtsausdruck musste nicht nur meinen Schrecken, sondern auch die tausend Fragen widerspiegeln, die mir durch den Kopf schossen.

„Der Freihändler wusste bisher nicht, dass du an Bord bist“, fuhr Jörrik fort. „Neue Helfer interessieren ihn nicht, dazu wechseln sie zu häufig. Deshalb konnte er ehrlich sagen, dass sich kein Bewohner Arongarths in seinem Zug befindet. Ich dagegen hätte lügen müssen, aber mich hat man nicht gefragt.“

Ich nickte, sagte jedoch nichts dazu.

„Wir sind weit von deinem Heimatdorf entfernt“, fuhr der Frachtmeister fort. „Selbst wenn du nicht dieser Isaak bist, könnten die Gendarmen auch dich suchen, falls du ein Verbrechen begangen hast.“

„Ich bin kein Verbrecher!“, entgegnete ich heftig. „Ich gebe zu, ich habe mit Freunden zusammen ein paar Schmierereien auf Hauswänden hinterlassen. Aber wir haben nichts gestohlen und es ist niemand zu Schaden gekommen.“

„Reg dich nicht auf. Hier im Zug bist du unter Leuten, die es für ein gutes Zeichen halten, wenn jemand von der Obrigkeit gesucht wird. Natürlich nur, solange der Grund dafür nicht so etwas Niederträchtiges wie Raub oder gar Mord ist. Also, was hast du ausgefressen?“

Ich beschloss, Jörrik von dem Streich zu erzählen. Die Wahrheit war banal und ich brauchte mir keine Lüge auszudenken.

Er lachte laut, als ich fertig war, und schien das für eine Dummheit zu halten, aber nicht für ein Verbrechen. Das sagte er auch und wollte dann mehr über meine Eltern und unseren Bauernhof wissen.

Da ich weiterhin darauf bestand, nicht der gesuchte Junge namens Isaak Farlang zu sein, druckste ich herum und suchte nach einem Weg, das Gespräch auf ein anderes Thema zu lenken. Dabei fiel mir neben dem Bett des Frachtmeisters eine Uhr auf. Offenbar war das sein Wecker, der aber stehengeblieben war. Es war ein schönes Stück, mit Messinggehäuse und einem glänzenden Ziffernblatt. Die Uhren, die ich in unserem Dorf gesehen hatte, waren kein Vergleich dazu.

Jörrik folgte meinem Blick und sagte: „Die habe ich auf Xarplanth gekauft, wo solche Wunderwerke hergestellt werden. Leider funktioniert sie nicht mehr. Wenn wir wieder dort sind, werde ich sie reparieren lassen.“

„Darf ich mir die Uhr ansehen?“, fragte ich. Meine Gedanken waren schlagartig nur noch bei diesem technischen Gegenstand. Erst, als ich später darüber nachdachte, fiel mir auf, wie leicht es mir gefallen war, nicht nur Jörrik, sondern auch mich selbst vom Thema des Gesprächs abzulenken.

„Du siehst sie doch!“, stellte der Frachtmeister mit fragendem Gesichtsausdruck fest.

„Ich meine das Uhrwerk. Ich habe schon einige Uhren repariert. Man sagt, ich hätte ein Talent dafür.“

„Das ist nicht möglich, weil wir kein so feines Werkzeug an Bord des Zuges haben. Obwohl, der Mechaniker, der für den Generator und die Elektrik verantwortlich ist, verfügt über kleine Schraubendreher und Zangen. Warte hier und fasse nichts an!“

Jörrik verließ das Abteil und kam ein paar Minuten später zurück. Er gab mir ein Etui aus feinem Leder. Darin befanden sich Werkzeuge ähnlich denen, die ich im Dorf verwendet hatte, wenn ich kleine Sachen reparierte. Sicherlich waren das nicht Gerätschaften, wie sie ein gelernter Uhrmacher in der Stadt besaß, aber man konnte damit doch einiges erreichen.

Vorsichtig löste ich die kleinen Schrauben, mit denen die Rückseite des Weckers verschlossen war, und entfernte die Metallplatte, so dass das Uhrwerk frei lag. Spiralfeder, Unruh und Zahnräder in verschiedenen Größen blinkten mir entgegen, alle in bestem Zustand, wie frisch poliert. Einige der Zahnradachsen waren sogar in winzigen Steinen gelagert, was besonders ganggenaue Uhrwerke ermöglichte. Diese Uhr war wirklich wertvoll!

Schnell entdeckte ich das Problem. Eine der Achsen war aus ihrem Lagerstein gesprungen. Da ich das Uhrwerk nicht zerlegen wollte, versuchte ich mit der Spitze einer schmalen Pinzette, sie zurück in die richtige Position zu drücken, und es gelang. Sofort fing das Werk an, zu ticken.

Ich stellte die ungefähre Uhrzeit ein und sah eine Weile zu, bis ich sicher war, dass sich der Minutenzeiger bewegte. Anschließend schraubte ich das Gehäuse wieder zu. Nachdem ich die Weckzeit verstellt und so die Funktion der Glocke ebenfalls erfolgreich ausprobiert hatte, gab ich die Uhr Jörrik in die Hand.

Der hatte fasziniert zugesehen. „Du bist wirklich talentiert für solche feinen Arbeiten! Ich werde mit Sundi sprechen. Falls sie einen Helfer für die Elektrik benötigt, bist du der Richtige. Die grobe Mechanik unserer Lokomotive ist wohl eher nicht dein Gebiet, was?“

Wir lachten und ich sagte, dass ich nicht garantieren könne, dass die Uhr wieder genau geht, er solle sie mit anderen Uhren vergleichen, bevor er sich auf sie verließ.

„Das werde ich tun“, versprach er. Und fügte nach einer kurzen Pause hinzu: „Und ich achte künftig darauf, dass ich den Wecker nicht vor Wut auf den Boden werfe, wenn er mich aus dem tiefsten Schlaf reißt.“

Die Schiebetür öffnete sich und ein Mann kam herein. Unverkennbar derselbe, der draußen mit den Gendarmen gesprochen hatte: Simon Lark! Ich erhob mich, um ihm meinen Platz anzubieten, aber er winkte ab und blieb stehen. Aus kleinen, scharfen Augen sah er mich so lange an, bis es mir unangenehm wurde und ich anfing, zu sprechen, ohne gefragt worden zu sein.

Ich hatte zum Glück meine Geschichte so weit zusammen, dass ich sie ohne stottern herausbrachte. Ich erzählte ihm von einem dummen Streich von Jugendlichen, der mir angeblich Ärger nicht nur mit dem Dorfbüttel, sondern auch mit meinen Eltern eingebracht hatte, weshalb ich davon lief. Außerdem sei ich schon immer von der Eisenbahn fasziniert gewesen. Mein größter Wunsch seit meiner Kindheit war es, mit einem Zug fremde Welteninseln zu erkunden.

Lark hörte aufmerksam zu. Dann fragte er: „Wie heißt deine Familie und wovon lebt sie?“

Da ich Jörrik bereits gesagt hatte, sie seien Reisbauern, blieb ich dabei. Den Familiennamen musste ich schnell erfinden, denn den echten Namen Farlang durfte ich nicht nennen. Es war dumm genug von mir, dass ich meinen Vornamen Noah preisgegeben hatte, aber das konnte ich nicht mehr ändern. Also behauptete ich: „Meine Familie heißt Alldinger. Ich bin Noah Alldinger.“ Hoffentlich wusste er nicht, dass es ein Städtchen namens Alldingen gab, in dessen Nähe Larks Pfeil wegen des Schadens am Generator auf freier Strecke liegengeblieben war. In Alldingen hatte ich damals als Schüler den Zirkus und den Zug eines Freihändlers gesehen, also passte es irgendwie, mich nun so zu nennen.

„Erzähl mir mehr von dir“, forderte mich Lark auf, ohne auf das einzugehen, was ich eben behauptet hatte.

Für einen Moment war ich ratlos, welche Lüge ich mir auf die Schnelle noch ausdenken sollte, aber da fiel mein Blick auf Jörriks Wecker. „Schon als Kind habe ich auf dem Bauernhof meiner Eltern mitgeholfen“, sagte ich wahrheitsgemäß. „Das war anstrengend. Aber eines Tages hat man mein Talent für das Reparieren von mechanischen Dingen entdeckt, wie zum Beispiel Uhren. Deshalb habe ich in den letzten Jahren meistens irgendwelche Geräte für Leute aus dem Dorf oder von den Nachbarhöfen in Ordnung gebracht.“

„Ich kann das bestätigen“, sagte Jörrik. „Er hat binnen Minuten meinen defekten Wecker repariert.“

Lark nickte, als habe er sich das alles genau so gedacht. Dann drehte er sich um und zog die Schiebetür des Abteils auf. „Die Alldingers sind also Reisbauern, folglich kennst du dich mit Reis aus, richtig? Kannst du gute Qualität von schlechter unterscheiden und weißt, welche Reissorte für welche Art von Gerichten verwendet wird?“, fragte er in der offenen Tür stehend.

„Ja“, bestätigte ich. „Zumindest kenne ich die Sorten, die auf unserem Hof und in der Umgebung angebaut werden.“

„Gut, das kann nützlich sein, falls wir auf anderen Welteninseln Reis angeboten bekommen.“

Lark verließ das Abteil und Jörrik grinste mich an.

„Das heißt, du kannst an Bord bleiben. Gratuliere! Und jetzt zieh dich um. Wir werden bald den Durchgang erreichen, da gibt es vorher einiges zu tun.“

Er erklärte mir, dass der Zug eines Freihändlers sich nicht auf die Unterstützung durch staatliche Stellen verlassen durfte. Man musste sich selbst zu helfen wissen, falls Probleme auftraten beim Sprung auf eine andere Welteninsel. Es soll sogar vorgekommen sein, dass ein Zug wegen einer Panne stehenblieb, während die Hälfte bereits durch das Tor war. Dann verschwanden unter Umständen ganze Waggons auf Nimmerwiedersehen im Nichts.

Larks Pfeil hielt schließlich an. Wir bunkerten Kohle und füllten die Tanks im Wasserwaggon bis zum Rand. Sundi Phran und ihre Helfer nahmen ihre Aufgaben nun besonders ernst. Die Technikerin und die Mechaniker kontrollierten zwei Stunden lang die Lokomotive. Anschließend gingen sie an den Waggons entlang und sahen sich die Räder und Achsen an. Manchmal kroch ein Mechaniker unter den Zug und schlug mit seinem Hammer gegen ein Teil. Offenbar konnte er am Ton erkennen, ob etwas angebrochen war.

Larks Pfeil stand auf einer riesigen, freien Fläche, wo sich die Bahnstrecke, der wir bisher folgten, gabelförmig in vier Gleise aufteilte. Jedes davon war eine Meile lang, so erzählte man mir. Neben den Gleisen befanden sich Kohlehalden, Sandbehälter und Wassertürme, wobei der Preis dieser Ressourcen deutlich höher war als im Inland. In der Ferne vereinigten sich die Schienenstränge wieder zu einem, der dann zum Sprungtor führte. Bevor man dorthin fahren durfte, musste man aber eine Gebühr bezahlen, damit der Durchgang freigeschaltet wurde.

Ich hatte noch nie einen Magier gesehen, deshalb erlaubte es mir der Freihändler, ihn zum Verwaltungsgebäude zu begleiten. Dieses massive Bauwerk gehörte zu der Stadt, die abseits der Strecke lag. In ihr lebten all die Menschen, die für die Versorgung der Züge verantwortlich waren. Es gab hier nicht nur die notwendigen Verbrauchsmaterialien für die Lokomotiven zu kaufen, sondern alle Arten von Ersatzteilen. Außerdem hatte man Werkstätten für größere Reparaturen, die von den Mechanikern in den Zügen nicht selbst vorgenommen werden konnten. Händler lieferten Lebensmittel, Tischler reparierten kaputte Möbel oder verkauften neue, falls sie benötigt wurden. Schneider kümmerten sich um die Bekleidung der Mannschaften und so nebensächliche Dinge wie Bettwäsche. Kurz, die ganze Stadt, deren Name nicht einmal an den Bahnsteigen oder auf dem Bahnhof stand, lebte von den Zügen, die hier vor der Durchfahrt hielten.

Das Verwaltungsgebäude war größer als alles, was ich im Leben gesehen hatte. Dazu gehörte allerdings nicht viel, denn ich kannte ja nur das Dorf Burdagg und die Kleinstadt Alldingen.

Das Gebäude war aus massiven Steinblöcken errichtet worden und hatte hohe Glasfenster. Eine Treppe führte zu Doppeltüren, deren Holz mit Messing beschlagen war, das im Sonnenlicht gleißte. Zwei Fahnenmasten standen seitlich davon. Auch das war etwas, das ich nur aus Büchern kannte und nun zum ersten Mal sah.

Neben der Tür postiert waren zwei Soldaten in bunten Uniformen mit Gewehren. Jedenfalls vermutete ich, dass dies die modernen Waffen waren, über die ich in unserem Dorf Gerüchte gehört hatte. Ich kannte nur Flinten, und selbst die nur vom Sehen. Beide Männer waren bärtig und nicht mehr so jung, wie ich mir Soldaten immer vorgestellt hatte. Vermutlich hatte man ihnen deshalb diese Aufgabe übertragen.

Die Besatzungen der Züge kamen hierher, um die Gebühr für die Durchfahrt zu entrichten und den Magier darüber zu informieren, zu welcher Welteninsel sie weiterreisen wollten. Manche Tore führten nämlich zu mehreren Zielen, was durch Magie beeinflusst werden konnte.

Simon Lark beachtete die Wachen so wenig, wie sie ihn. Er stieg die Stufen hoch und drückte einen der beiden Türflügel auf. Wir betraten einen breiten Flur, von dem mehrere Türen abzweigten. Eine davon führte in einen Warteraum, der groß genug war für zwei Dutzend Menschen. Der Freihändler setzte sich. Da Sundi Phran und Jörrik, die ihn ebenfalls begleiteten, stehenblieben, tat ich das auch, obwohl freie Stühle vorhanden waren.

Es warteten bereits zwei Männer hier. Sie nickten uns grüßend zu, setzten dann aber ein leises Gespräch fort, das sie bei unserem Eintritt unterbrochen hatten. Sie schienen nervös zu sein, was ich ihrer Ehrfurcht vor dem Magier zuschrieb, der hier residierte.