Traumhochzeit auf Havighorst - Anne Alexander - E-Book

Traumhochzeit auf Havighorst E-Book

Anne Alexander

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Beschreibung

In der völlig neuen Romanreihe "Fürstenkrone" kommt wirklich jeder auf seine Kosten, sowohl die Leserin der Adelsgeschichten als auch jene, die eigentlich die herzerwärmenden Mami-Storys bevorzugt. Romane aus dem Hochadel, die die Herzen der Leserinnen höherschlagen lassen. Wer möchte nicht wissen, welche geheimen Wünsche die Adelswelt bewegen? Die Leserschaft ist fasziniert und genießt "diese" Wirklichkeit. "Fürstenkrone" ist vom heutigen Romanmarkt nicht mehr wegzudenken.

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Seitenzahl: 232

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Traumhochzeit auf Havighorst

Der kleine Prinz von ­Degencamp

Fürstenkrone – 328 –

Traumhochzeit auf Havighorst

Anne Alexander

Mit einem tiefen Seufzer lehnte sich Fürstin Elena von Havighorst in ihrem Schreibtischsessel zurück. Der monatliche Bericht ihres Rentmeisters Oliver Amendt über die Wirtschaftlichkeit der fürstlichen Güter machte ihr wenig Freude.

Uns steht das Wasser bis zum Halse, dachte sie niedergeschlagen. Wenn nicht bald ein Wunder geschieht, sind wir bankrott. Elenas Blick wanderte über die eschegetäfelten Wände mit den hohen Bücherregalen. Sie liebte diesen Raum mit seinen englischen Antiquitäten und den bequemen, mit blumengemustertem Chintz bezogenen Sesseln, die sich um ein Intarsientischchen gruppierten und für Besucher gedacht waren.

Im Kamin flackerte ein Feuer. Es war Anfang März, da waren die Abende noch kühl. Mehrere ausgesucht schöne Lampen brannten und vermittelten eine heitere und beruhigende Atmosphäre.

Nach diskretem Klopfen trat ihr Diener Josef ein, ein hagerer Mann mittleren Alters mit kurz geschnittenem grauem Haar und freundlichen Zügen.

»Durchlaucht, Herr Sloot ist gekommen«, meldete er.

Elena nickte, froh über die Ablenkung. »Ich lasse bitten.«

Bankier Alfred Sloot begrüßte die Fürstin mit einem strahlenden Lächeln und überreichte ihr einen herrlichen Strauß Teerosen. Als schönen Mann konnte man Sloot nicht bezeichnen. Er war kurzbeinig, von untersetzter Gestalt und hätte, den Jahren nach, gut Elenas Vater sein können. Sein breitflächiges Gesicht wurde durch intelligente helle Augen beherrscht, die lebhaft hinter der goldgeränderten Brille funkelten. Obwohl seine Züge grob geschnitten waren, wirkten sie doch äußerst sympathisch.

»So schöne Rosen!« Lächelnd ordnete Elena die Teerosen in der Mingvase auf dem Kamin. »Sehr aufmerksam von dir, Alfred. Bitte, nimm doch Platz. Wir könnten hier unseren Aperitif zu uns nehmen. Für dich einen trockenen Martini?«

»Gern, Elena!« Höflich wartete er, bis sie den Diener unterrichtet und Platz genommen hatte, bevor er sich ihr gegenübersetzte.

»Wie geht es dir?« Wie gebannt betrachtete er ihr schönes ovales Gesicht, das von dunkelblonden schlicht frisierten Haaren umrahmt wurde. Fein geschwungene dunkle Brauen wölbten sich über ihren ausdrucksvollen violettfarbenen Augen. Alles an Elena erschien ihm perfekt. Sie war die schönste Frau, die er kannte.

Vor Alfred brauchte Elena kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Als ihr Bankier war er über ihre finanzielle Misere informiert. Seit Jahren war er mit der fürstlichen Familie befreundet, und er blieb auch der blutjungen Witwe gewogen, deren Ehe mit Fürst Robert nur fünf Jahr gedauert hatte.

Diener Albert servierte die Martinis. »Durchlaucht, ist es recht, wenn ich in einer Viertelstunde das Diner serviere?«, erkundigte er sich.

»Ja, Josef, danke«, entgegnete sie freundlich. Sie hob dem Bankier ihr Glas entgegen. »Zum Wohl, Alfred. Gut siehst du heute aus.«

»Ich war den ganzen Tag über auf dem Golfplatz«, erklärte er seine blühende Gesichtsfarbe. »Elena, über Geld sollte man nicht reden, man hat es, aber wenn ich dir irgendwie unter die Arme greifen kann …«

»Danke, aber ich verabscheue es, Schulden zu machen. Die könnte ich mir bei den hohen Zinsen heutzutage auch gar nicht leisten. Mein Mann hat das süße Nichtstun eben mehr geliebt als die Arbeit. Aber ich will ihm nichts Schlechtes nachsagen. Ich habe Robert geliebt, und wir hatten eine wundervolle Zeit zusammen.« Eine feine Falte bildete sich zwischen ihren Brauen. »Ein Jammer, dass das Unglück mit seiner Segelyacht passieren musste. Aber es war typisch für Robert, beim Orkan aufs Meer hinauszusegeln. Er liebte die Gefahr, und sie hat ihn das Leben gekostet.«

»Er ist viel zu jung gestorben«, bestätigte Sloot. »Robert war ein netter Kerl, sehr beliebt in der Gesellschaft. Allerdings hat er von Verantwortung nicht viel gehalten. Sonst hätte er dich nicht unversorgt zurückgelassen.«

»Nun, die schlossähnliche Villa hier und die Güter sind mir ja geblieben«, erinnerte Elena. »Aber es widerstrebt mir, Land zu verkaufen. Verkaufen kann man nur einmal, und wenn ein Kuchen erst angeschnitten, ist er auch schnell aufgegessen«, scherzte sie.

»Es ist angerichtet«, meldete Josef.

Sie leerten ihre Gläser und durchquerten die Halle. Der riesige Kronleuchter mit seinen Kaskaden von Kristallprismen und -tropfen überflutete die Halle mit blendendem Licht. Hier gab es Antiquitäten von zeitloser Schönheit, Teppiche in sanften Farben und kostbare Gobelins an den Wänden.

Das kleine Esszimmer war ganz in Schleiflack gehalten. Von dem runden Tisch im Erker aus hatte man einen herrlichen Blick in den Park mit seinen Marmorstatuen, die von Punktstrahlern beleuchtet wurde, sodass ihre Leiber alabasterfarben aus der Dämmerung hervortraten.

Es gab nur leichte, delikat zubereitete Speisen, die man genießen konnte, ohne dass sie belasteten. Aus dem Lautsprecher klangen die sanften Klänge eines Cembalos. Der Raum wurde indirekt beleuchtet. Im Schein der Kerzen auf der Tafel erschien Alfred Sloot Elenas Gesicht überirdisch schön.

Sloot besaß viel Geld, dass er sich jede Extravaganz leisten konnte. Auch er war seit Jahren verwitwet, und es gab Frauen genug, die gern seinen Luxus mit ihm geteilt hätten. Doch seit ihm Elena begegnet war, begehrte er sie mit der gleichen Leidenschaft wie ein Kunstmaler ein seltenes Kunstwerk.

Alfred hatte sich immer für einen realistisch denkenden Menschen gehalten. Wenn es um seine Bank ging, war er ein eiskalter Geschäftsmann, der sich seinen Vorteil zu wahren wusste.

Es hatte ihn selbst überrascht, dass er solcher leidenschaftlicher Gefühle fähig war, wie er sie Elena gegenüber empfand. Seine erste Ehe hatte er aus Vernunftgründen geschlossen. Er hatte die Tochter des damaligen Bankiers geheiratet, und es war eine Ehe ohne Höhen und Tiefen gewesen. Vor fünf Jahren war seine Frau einem Krebsleiden erlegen. Seine einzige Tochter Geraldine war mit einem amerikanischen Geschäftsmann verheiratet. Sie war älter als Elena.

Nach dem Diner unternahmen sie noch einen Spaziergang durch den Park. »Ich freue mich wahnsinnig auf den Frühling«, gestand Elena und nahm seinen Arm. Es gefiel ihr, dass Alfred bemüht war, sich ihren Schritten anzupassen. In manchen Dingen war er sehr einfühlsam, und sie schätzte ihn als guten Freund. »Wenn alles grünt und blüht und die Sonne scheint, kommt einem das Leben viel schöner und leichter vor«, fuhr sie fort.

»Für eine junge Frau wie dich sollte das Leben nur schöne Stunden haben«, meinte Sloot gefühlvoll. »Elena, du bist zu jung, um allein zu bleiben. Und viel zu bezaubernd, um dich mit finanziellen Sorgen herumschlagen zu müssen.« Er blieb stehen und blickte ihr in die verwirrend schönen Augen. »Heirate mich, Elena«, stieß er atemlos hervor und legte ihr mit sanftem Druck seine Hände auf die Schultern. »Elena, ich weiß, ich bin nicht mehr jung, aber ich liebe dich wahnsinnig. Wenn du dich entschließen könntest, meine Frau zu werden, würde ich alles tun, um dich glücklich zu machen.«

»Du machst mir einen Heiratsantrag?«, meinte sie überrascht.

»Elena, es kann dir doch nicht entgangen sein, was ich für dich empfinde.«

»Aber ich liebe dich nicht, Alfred, ich habe in dir immer nur einen guten Freund gesehen …«

»Ich weiß, ich weiß, Elena. Aber es ist mir gleichgültig, verstehst du? Meine Liebe ist groß genug für uns beide. Elena, es bricht mir das Herz, wenn ich erleben muss, wie du dich mit finanziellen Sorgen herumschlägst. Ich bin reich genug, um dir ein Leben im Luxus bieten zu können. Ich würde auch die Güter sanieren, die Villa renovieren. Alles, was du dir wünscht, kann ich dir bieten. Aber bitte, werde meine Frau.«

»Das klingt aber alles sehr verführerisch«, bekannte die junge Fürstin seufzend. »Ich mag dich gern, Alfred, und ich freue mich immer über deinen Besuch. Aber so eine schwerwiegende Entscheidung kann ich nicht von heute auf morgen treffen. Das verstehst du doch?«

»Ich verstehe es und erkenne es hoch an«, entgegnete er mit einem Lächeln. »Wärst du leichtfertig und oberflächlich, hättest du auf der Stelle nach dem rettenden Strohhalm gegriffen.«

»Ich denke dabei auch an dich, Alfred«, sagte sie fest. »Es kann dich doch nicht glücklich machen, nur aus Geldgründen geheiratet zu werden?«

»Bei dir wäre es mir gleichgültig«, betonte er. »Ich wäre der glücklichste Mensch der Welt, wenn du mich heiraten würdest. Aus welchen Gründen auch immer.«

»Du musst mir Zeit lassen, Alfred. Ich werde darüber nachdenken.«

»Selbstverständlich.« Er griff nach ihrer Hand und hauchte einen Kuss darauf. »Es ist keine Rede davon, dass du dich auf der Stelle entscheiden musst. Ich werde geduldig auf deine Antwort warten. Und ich werde auf jeden Fall dein Freund bleiben, auch wenn deine Antwort nicht so ausfällt, wie ich sie mir wünsche.«

»Danke, Alfred. Du bist ein lieber Mann.« Sie neigte sich zu ihm und hauchte einen Kuss auf seine Wange. Elena spürte, dass der Bankier es gut mit ihr meinte. Und sie war entschlossen, sein Angebot in Erwägung zu ziehen.

Was hatte sie schon zu verlieren?

*

Ein helles Lächeln flog über die Züge des Rentmeisters Oliver Amendt, als er Hufschlag hörte und gleich darauf an der Wegbiegung der Apfelschimmel mit seiner Reiterin auftauchte. Er zügelte seinen Fuchs und wartete, während unvernünftige Erregung in ihm aufstieg und sein Herzschlag zu jagen begann.

Die junge Fürstin bot mit dem Apfelschimmel ein Bild vollkommener Harmonie und Schönheit. Vor einigen Jahren hatte Oliver nach dem Studium die Stelle seines Vaters hier übernommen, der aus Krankheitsgründen Frührentner geworden war und jetzt mit seiner Frau in den Bayerischen Alpen lebte.

Auf den ersten Blick hatte sich Oliver damals in die junge Fürstin verliebt, was sie nicht einmal ahnte. Obwohl Oliver sich klar darüber war, dass seine Liebessehnsucht sich nie erfüllen würde, kam er doch nicht gegen seine Gefühle an. Sie machten ihn blind für jede andere Frau.

In seinen Augen konnte sich keine Frau mit Elena vergleichen.

»Guten Morgen, Oliver«, rief Elena ihm entgegen. »Ist das Wetter nicht herrlich für einen Ausritt?«

Er nahm die Reitkappe ab und grüßte höflich. »Für Ende März ist es überraschend mild«, sagte er und bemühte sich, das Zittern seiner Stimme zu unterdrücken.

»Reiten wir zur Mühle?«, schlug Elena vor. »Ich möchte sie mir mal ansehen. Vielleicht kann man sie noch irgendwie verwenden.«

Rund um Havighorst gab es Felder, Weiden und kleine Waldstücke. An Grund und Boden mangelte es der Fürstin nicht, doch der Markt für Feldfrüchte war erschöpft. Zu den Absatzschwierigkeiten kamen die gestiegenen Personalkosten. Die Pachtbauern klagten ihr die Ohren voll, und Elena brachte es einfach nicht fertig, sie noch mehr unter Druck zu setzen. Sie war doch kein Halsabschneider.

Die Mühle war Hunderte von Jahren alt und längst außer Betrieb. Sie lag in einem See, der in den Bach mündete, der den Besitz weiträumig umfloss. Das Gebäude aus Natursteinen stand unter Naturschutz. Im Teich gab es Karpfen und Forellen. Am Ufer lag ein Kahn vertäut, in dem man zur Mühle rudern konnte.

Nachdenklich betrachtete Elena die Mühle, deren Räder stillstanden. Trauerweiden ließen ihre Zweige bis ins Wasser hängen. Die Seerosen standen dicht vor der Blüte. Ein Wasserhühnchen huschte wie ein kleiner dunkler Schatten über das Wasser und verschwand im Schilf.

»Vielleicht könnte man die Mühle vermieten?«, fiel ihr ein.

»Dazu müssten die Räume aber erst hergerichtet werden. Und das würde mehr Kosten verursachen, als die Mühle auf Jahre hinaus einbringen könnte.«

»Geld, immer nur Geld«, seufzte die Fürstin. »Daran scheitern die schönsten Pläne. Was ist mit dem Brachland hinter der Mühle? Könnte man das nicht zum Verkauf anbieten?«

»Ohne Baugenehmigung ist da wenig zu machen«, wandte der Rentmeister ein. »Wer möchte schon so weit draußen bauen? Es müsste ja schon eine ganze Siedlung angelegt werden. Sonst wäre das doch nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.«

»Ein warmer Regen wäre mir schon lieber«, scherzte Elena. »Dann werden wir uns wohl etwas anderes einfallen lassen müssen, Oliver. Ich brauche ja nur reich zu heiraten, dann bin ich alle Sorgen los.«

Oliver lächelte gezwungen. Was sollte er auch dazu sagen? Er hatte kein Recht, sich in die Privatangelegenheiten seiner Brotherrin einzumischen. Aber das Herz war ihm schwer. Bestimmt würde es der Fürstin nicht schwerfallen, einen Ehemann zu finden, der nicht so ein armer Schlucker war wie er, und der sie so verwöhnen konnte, wie sie es verdiente.

Lachend ritt Elena davon, und er folgte ihr schweren Herzens. Er ahnte, dass sie schon jemanden im Auge hatte. Besuchte der Bankier Sloot sie nicht häufig? Sie kann diesen alternden Mann doch nicht lieben, begehrte er auf. Allein die Vorstellung, dass dieser hässliche Mann sie in die Arme nahm und küsste, ließ sein Blut kochen.

Würde Elena es denn fertigbringen, ihre Jugend dem Mammon zu opfern? Konnte sie das übers Herz bringen? An der Seite dieses Mannes würde sie niemals glücklich werden. War das der Besitz wert?

Elenas Gedanken gingen in die gleiche Richtung. Ihr ganzes Gefühl sträubte sich gegen eine Verbindung mit Sloot, auch wenn die Vorstellung, keine Geldsorgen mehr zu haben, äußerst verführerisch war. Doch dafür würde sie ihre Freizeit opfern müssen und ihr Leben lang an Alfred Sloot gefesselt sein.

War das nicht ein zu hoher Preis für den Landbesitz?

Rasch verdrängte sie alle trüben Gedanken. Der Tag war einfach zu schön. Sie musste sich ja nicht heute entscheiden, sondern konnte sich alles in Ruhe durch den Kopf gehen lassen.

Elena drehte sich zu Oliver um. »Wie wäre es mit einem kleinen Galopp?«, rief sie ausgelassen.

»Nur los«, entgegnete er aufmunternd. Und dann preschten sie Seite an Seite über den Feldweg durch den jungen Vorfrühlingsmorgen. So ein scharfer Ritt vertrieb auch noch die letzten Grillen aus den Gedanken. Lebensfreude durchströmte Elena. Es gefiel ihr, den zuverlässigen Rentmeister an ihrer Seite zu haben. Auch wenn seine Sturheit sie manchmal störte.

Als Mann hätte Oliver ihr durchaus gefallen können. Er war hochgewachsen, blond und gut aussehend. Er wirkte auf sie immer wie ein Fels in der Brandung. Doch er war ihr Angestellter. Zwischen ihnen lagen Welten. Es wäre Elena nie eingefallen, sich privat mit einem Angestellten abzugeben.

Das hätte nur das Betriebsklima verdorben. Dass sie Oliver nett und sympathisch fand, stand auf einem anderen Blatt, und dagegen war ja auch nichts einzuwenden.

Das Bürogebäude der Rentei lag neben dem Park und wurde durch einen Sandplatz von den Stallungen getrennt. Am klarblauen Himmel konnte man einige Gasluftballons erkennen. Einer von ihnen, ein knallroter Ballon, schwebte so dicht über ihnen dahin, dass sie das Zischen der Gasflamme deutlich hören konnten.

Stallknecht Heini nahm ihnen die Pferde ab und brachte sie in den Stall.

»Durchlaucht, sehen Sie nur!«, rief Oliver plötzlich erregt. »Der Ballon driftet ab. Es hat ganz den Anschein, als versuchte er eine Notlandung.«

Tatsächlich schien der Fahrer Probleme zu haben. Er warf Sandsäcke ab, aber dennoch schien es ihm nicht zu gelingen, wieder Auftrieb zu gewinnen. Elena und Oliver sahen, welche Mühe es ihn kostete, den Ballon über den hohen Eichen zu halten, hinter denen er plötzlich verschwand.

»Er muss im Park gelandet sein«, rief Elena. »Kommen Sie, Oliver!« Sie begannen zu laufen, durchquerten den grünen Gürtel, der die Rasenfläche umschloss, und sahen gerade einen großen schlanken Mann aus dem Korb klettern.

Und der Ballon lag wie ein großes atmendes Tier, dem allmählich die Puste ausging, auf der Rasenfläche.

*

»Entschuldigen Sie die Störung!« Mit breitem Lachen kam der Ballonfahrer auf sie zugeschlendert. »Mein Ballon ist plötzlich abgedriftet. Ein Glück, dass ich es noch bis auf die Rasenfläche geschafft habe. Ich habe schon befürchtet, in den Bäumen hängen zu bleiben. Hoffentlich verklagen Sie mich jetzt nicht auf Parkfriedensbruch?«

»Unsinn«, lachte Fürstin Elena. »Das war wohl höhere Gewalt. Dagegen ist nichts zu machen. Allerdings bin ich auf so originelle Weise noch nie besucht worden.«

»Wohnen Sie hier, junge Frau?«, fragte der Fremde unbekümmert.

»Mein Herr, Sie sprechen mit der Fürstin Havighorst«, meinte Oliver ungehalten.

»Ich bitte um Entschuldigung«, erwiderte der junge Mann grinsend. »Mein Name ist Julian Farwick. Ich hoffe, Sie müssen meine Gegenwart nicht lange ertragen. Ein Wagen ist immer unterwegs, um abgedriftete Ballonfahrer aufzulesen. Es kann also nur Stunden dauern, bis sie mich aufgestöbert und mein Schmuckstück von Ihrem Rasen entfernt haben. Könnte ich mal bei Ihnen telefonieren, Durchlaucht?«

»Selbstverständlich, kommen Sie mit.«

»Herr Farwick könnte ja auch in der Rentei telefonieren«, fiel es Oliver ein, doch da waren die beiden schon zielstrebig auf dem Weg zur Terrasse und betraten durch den Hintereingang die Villa.

Achselzuckend wandte er sich ab und eilte zu seiner Wohnung, die über der Rentei lag. Er musste sich ja noch umkleiden, bevor er ins Büro ging.

Während der Diener Josef Ihrer Durchlaucht half, die Reitstiefel auszuziehen, telefonierte Farwick in der Halle.

»Es wird eine Weile dauern, bis ein Wagen hier ist«, teilte er dann der Fürstin mit. »Ich werde so lange draußen warten.«

»Das ist nicht nötig. Sie können mir beim Frühstück Gesellschaft leisten, Herr Farwick. Ich muss mich nur rasch umziehen. Josef wird Sie inzwischen ins Esszimmer führen.«

Elena wusste selbst nicht, warum sie den Mann zum Frühstück eingeladen hatte. Es musste an ihrer guten Laune liegen, an dem herrlichen Vorfrühlingstag. Außerdem gefiel ihr Julian Farwick auf den ersten Blick. Er wirkte so fröhlich und unkompliziert und sah auf männliche Art hervorragend aus mit seinen hellen Augen, dem pechschwarzen Haar und dem großen, lachenden Mund, der herrlich weiße Zähne blitzen ließ.

Elena duschte in aller Eile. Das Stubenmädchen Elli brachte ihre Reitkleidung in das Garderobenzimmer und legte ihr frische Wäsche und das pflaumenblaue Kleid aus Kaschmirwolle bereit.

Als sie ins Esszimmer trat, sah sie Julian Farwick am Fenster stehen. Er wandte sich um und meinte lächelnd: »Hoffentlich ist es Ihrem Gatten auch recht, dass Sie mich zum Frühstück eingeladen haben.«

»Machen Sie sich darüber keine Sorgen. Ich bin Witwe und niemandem Rechenschaft schuldig.«

»Witwe?« Er starrte die Fürstin überrascht an. »Aber Sie müssen doch noch blutjung sein.«

»Mein Mann ist bei einem Segeltörn ums Leben gekommen. Aber setzen wir uns doch.«

Der Tisch im Erker war bereits üppig gedeckt. Auf der Warmhalteplatte stand der Kaffee bereit. Es gefiel Elena sehr, dass Julian Farwick zugriff, ohne sich zu zieren.

»Wir haben heute eine Wettfahrt unternommen«, erzählte Farwick heiter. »Leider habe ich jetzt verloren, obwohl ich gut im Rennen lag. Doch was soll’s? Dafür habe ich Sie kennengelernt, Durchlaucht.« Er blickte sie mit funkelnden topasfarbenen Augen an. »Da muss ich mich ja selbst als Verlierer wie ein Sieger fühlen.«

»Erzählen Sie mir doch mehr über Ihr ungewöhnliches Hobby«, bat Elena. »Ich finde es sehr interessant, in einem Ballon durch die Welt zu fliegen. Fühlen Sie sich da nicht manchmal wie Münchhausen?«

»So ähnlich«, stimmte Julian ihr zu. »Allerdings ist es mein Job, Ballon zu fahren, nicht nur mein Hobby. Ich fliege Touristen durch die Gegend oder beteilige mich an Wettfahrten. Reichtümer kann man nicht damit gewinnen, aber es ernährt seinen Mann. Und wenn ich im Ballon hoch über der Erde schwebe, losgelöst von allem, bin ich glücklich. Natürlich verstehen Sie das nicht, bezaubernde Durchlaucht. Sie müssten es einmal selbst erleben. Darf ich Sie zu einer Ballonfahrt einladen? Bitte, sagen Sie ja, machen Sie mir die Freude.«

»Ja, warum nicht?« Elena war fasziniert von diesem ungewöhnlichen Mann. Er sprühte ja nur so vor Lebens- und Abenteuerlust. Gebannt hörte sie zu, als er weitererzählte. Während sie an seinen Lippen hing, hatte sie das Gefühl, ein Hauch von Abenteuer würde sie streifen.

Julians Erzählungen entführten die junge Fürstin in eine fremde Welt voller neuer Wunder. Sie vergaß ihre finanzielle Misere, sie dachte auch nicht mehr an Alfred Sloot, der auf eine Antwort von ihr wartete. Sie lauschte Julian Farwick wie ein Kind, dem man ein wunderschönes Märchen erzählt.

Stundenlang hätte sie zuhören können und war fast enttäuscht, als Josef erschien und meldete, dass Farwicks Freunde gekommen seien, um ihn abzuholen.

»Schade, dass Sie schon gehen müssen«, bedauerte sie. »Es war sehr unterhaltsam, mit Ihnen zu frühstücken.«

»Danke für Ihre Einladung.« Er nahm ihre Hand und presste seine Lippen auf ihren Handrücken. Elena errötete. Das war kein Handkuss, wie er in der Gesellschaft üblich war. Aber vielleicht wusste Julian Farwick es nicht besser. Er war ja ein richtiger Naturbursche mit allen Ecken und Kanten.

»Wenn ich darf, werde ich wiederkommen«, versprach er. »Damit wir besprechen können, wann wir gemeinsam unseren Flug durch die blauen Lüfte starten werden.«

»Ich freue mich darauf.« Elena blickte ihm in die Augen und hatte das eigenartige Gefühl, in heißes, flüssiges Gold zu tauchen, an dem man sich verbrennen konnte.

»Ich bin jetzt schon gespannt, wo wir landen werden«, versuchte sie zu scherzen, obwohl ihr das Herz bis zum Halse schlug.

»Das ist eben das Spannende an dem Flug, genau weiß man das niemals zu sagen«, bekannte Farwick. »Vielleicht landen wir sogar im siebenten Himmel, wer weiß?«

Lachend ging er hinaus und ließ Elena in Verwirrung zurück. Was mochte er mit seinen Worten gemeint haben? War er nicht eigentlich ein bisschen frech und respektlos? Für ihn scheine ich wohl nicht die Fürstin von Havighorst zu sein, sondern nur eine Frau wie alle anderen, dachte sie.

Schon wie er mir die Hand geküsst hat, war unglaublich unverschämt. Und doch, es hatte ihr gefallen. Er war ein Mann, der alle Konventionen sprengte. Er ist aber auch ein Mann, bei dem man sich ganz als Frau fühlen kann, sann sie und erschrak über ihre eigenen Gedanken.

Anscheinend bekommt mir das Alleinsein nicht, dachte sie. Wie könnte es sonst passieren, dass ich mich Hals über Kopf zu einem wildfremden Mann hingezogen fühle?

Ob er sich wieder bei mir melden wird, fragte sie sich und spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte. Er hat es doch versprochen. Und wenn er ein Gentleman ist, wird er sein Versprechen auch halten.

In Elena war eine solche Unruhe, dass es sie nicht mehr in der Villa hielt. Richtig kribbelig fühlte sie sich vor Aufregung. Ob das am Frühlingsahnen lag? Hatte man nicht in jedem beginnenden Frühling das Gefühl, als würde auch das eigene Leben neu anfangen?

Und vielleicht schenkt der Frühling mir sogar eine neue Liebe, dachte sie.

In diesem Augenblick wurde ihr klar, dass sie Alfred Sloot nicht heiraten konnte. Sie fühlte sich noch zu jung, um für immer auf Liebe zu verzichten. Im Inneren ihres Herzens sehnte sie sich nach einem Mann, den sie lieben konnte. Dieser Mann würde Alfred Sloot niemals sein.

Elena zog das beigefarbene Winterkostüm an, setzte sich ein braunes Samtkäppchen aufs Haar und fuhr mit ihrem weißen Cabrio in die Stadt. Sie wollte einen Stadtbummel unternehmen. Das würde sie sicher von ihren verwirrten Gedanken ablenken.

Da sie die Stadt gut kannte, fand sie auch rasch einen Parkplatz. Zunächst suchte sie ihre Lieblingsboutique auf, die immer die neueste Mode aus Italien brachte. Da ihre Erscheinung schon auffallend genug war, bevorzugte die Fürstin gedämpfte Farben.

Die Besitzerin begrüßte die vornehme Kundin erfreut. Wie immer bediente sie die Fürstin persönlich und zeigte ihr die Modellkleider des römischen Modeschöpfers Tonelli. Elena verliebte sich sogleich in ein champagnerfarbenes Kleid, das mit großen altmodischen Blumen in sanften Farben bedruckt war. Es war ein romantisches Kleid, zu dem ein breitrandiger Strohhut gehörte, dessen Hutband aus dem gleichen Stoff wie das Kleid geschnitten war. Obwohl Elena sich im Grunde das teure Modellkleid nicht leisten konnte, kaufte sie es doch in einer Anwandlung von Trotz.

»Wir werden das Modell wie immer an Ihre Adresse senden«, versprach die Dame und geleitete die Fürstin zur Tür. Elena fühlte sich bereits viel besser. Als Nächstes suchte sie eine Parfümerie auf. Zu dem neuen Kleid wünschte sie sich ein aufregend blumiges Parfüm und ein Make-up in sanften Farben.

Nach all diesen Frustkäufen, die im Grunde überflüssig waren, fühlte sich Elena hochgestimmt. Sie genoss es, dass bewundernde Männerblicke sie streiften, und suchte ein elegantes Café auf, in dem sie sich an der Salatbar bediente.

So gestärkt suchte sie ihren Coiffeur auf, ließ sich eine blonde Strähne ins Haar bleichen und es zu einer kessen Pagenfrisur schneiden.

Erst gegen Abend fuhr sie zufrieden nach Hause. Sie hatte kaum ihr Kostüm mit dem dunkelblauen Kaminkleid aus Samt vertauscht, als Julian Farwick anrief. Er bedankte sich nochmals für den herzlichen Empfang und bat die Fürstin um ein Rendezvous.

*

»Wie schön alles von hier oben aussieht!«, schwärmte die junge Fürstin. Sanft glitten sie mit dem Ballon durch die klare Luft. Elena betrachtete entzückt die grünenden Felder und Wälder. Unter ihnen dehnte sich die Landschaft wie ein impressionistisches Gemälde in sanften Farben.

»Ich wusste, dass es Ihnen gefällt, Durchlaucht.« Seine Hände umfassten mit schützender Geste ihre Schultern. Julian Farwick stand dicht hinter ihr, so dicht, dass sie den herben Duft seines Rasierwassers spüren konnte. Ihr Herz begann unruhig zu klopfen, was nicht allein auf den aufregenden Flug zurückzuführen war. Es war Julians männliche Ausstrahlung, die sie in den Bann zog. Von ihm ging eine eigenartige Faszination aus. Allein der dunkle sonore Klang seiner Stimme ließ sie bis ins Innerste erbeben. Und sie erschauerte, als sie seinen heißen Atem in ihrem Nacken spürte.

»Ist Ihnen auch nicht kalt, Durchlaucht?«, erkundigte er sich fürsorglich.

»Nein, überhaupt nicht. Wir haben ja auch einen besonders schönen Tag erwischt.«

»Es ist genau das richtige Wetter für eine Fahrt«, bestätigte er. »Die Sicht ist sehr klar. Sehen Sie nur, dahinten liegt Havighorst. Gleich werden wir über die Villa hinweggleiten.«

Immer wieder bemerkte Elena Menschen, die stehen blieben und den Ballönern zuwinkten. Elena winkte übermütig zurück. Irgendwie vermittelte ihr dieser Flug ein ganz neues Lebensgefühl, ein rauschhaftes Erlebnis, als würde sie Champagner trinken.

Sie zuckte zusammen, als plötzlich ein Korken knallte. »Jetzt kommt die Taufe«, rief Julian fröhlich. »Das ist so Usus bei der ersten Fahrt. Im Allgemeinen erhalten die Täuflinge dann einen wohlklingenden Namen. Doch den besitzt du ja bereits, Fürstin Elena von Havighorst.«

Blick in Blick tranken sie den perlenden Champagner, während der Ballon ruhevoll dahinsegelte. Julian nahm Elena die Sektflöte sanft aus der Hand. Dann neigte er sich zu ihr und küsste sie auf den Mund.

»Gehört das auch zur Taufe?«, fragte sie errötend.

Julian lachte sein unbekümmertes, herzhaftes Lachen. »Nicht unbedingt«, gestand er. »Aber das Du gehört dazu. Du bist mir doch nicht böse, Elena?«

»Nein, Julian«, lächelte sie. »Wie könnte ich dir böse sein, nachdem du mir dieses wundervolle Erlebnis einer Reise durch die Lüfte vermittelt hast.«

»Jeder Mann, der dich sieht, muss den Wunsch verspüren, dich zu küssen«, raunte er mit aufflammendem Blick, schloss die Arme um sie und küsste sie temperamentvoll.

Elena schloss die Augen. Ein heißes Gefühl durchströmte sie, und der Eindruck zu schweben, keinen Boden mehr unter den Füßen zu haben, ließ ihr Herz erbeben. Sie konnte gar nicht anders als seine Küsse erwidern. Und sie machte sich nicht länger etwas mehr vor. Sie hatte sich rettungslos in Julian verliebt, auch wenn sie ihn erst seit einigen Wochen kannte und sie ihre Treffen an einer Hand abzählen konnte.

Über Wolken von Grün glitten sie dahin. Einige warme Sonnentage im Mai hatten das Grün hervorgezaubert und ein Meer von Blüten, die wie bunte Sterne aus der Tiefe leuchteten.

»An Liebe auf den ersten Blick habe ich nie geglaubt, Elena«, raunte der Mann zwischen verspielten Küssen. Mit seinen Lippen wanderte er über ihre Stirn, liebkoste die flatternden Augenlider, die pochende Ader an ihrer Schläfe, die samtenen Wangen, die rosigen Ohrläppchen und immer wieder ihren schönen vollen Mund.

»Erst seit ich dich gesehen habe, weiß ich, dass es sie gibt«, setzte er atemlos hinzu. »Ich muss dir das einfach gestehen. Selbst auf die Gefahr hin, dass du mich auslachst.«

»Ich lache dich bestimmt nicht aus, Julian.« Zärtlich strich die junge Frau ihm über die im Fahrtwind flatternden Haare. »Ich mag dich auch gern, bestimmt, Julian.« Das Wort Liebe, nein, das kam ihr nicht über die Lippen. Das war zu früh. Wusste sie denn, ob es Liebe war oder nur leidenschaftliches Begehren, das sie zu ihm zog?

»Ich darf dich also wiedersehen? Bitte, Elena! Ich muss dich einfach wiedersehen.«

»Wir werden uns wiedersehen«, entgegnete sie ganz im Bann seiner funkelnden Augen.

Sie landeten auf einer Wiese mit hohem Gras und bunten Wildblumen, die zu Havighorst gehörte. Lachend liefen sie Hand in Hand über die Feldwege. Und immer wieder wirbelte Julian die junge Fürstin ausgelassen herum, sodass sie ihm in die Arme fiel und sich küssen ließ.

Rentmeister Oliver Amendt hörte durch das geöffnete Fenster seines Büros Elenas glückliches Lachen. Er hob den Kopf und sah, wie die junge Fürstin am Arm des Ballonfahrers zur Villa ging. Ganz deutlich konnte er sehen, wie sie ihr strahlendes Gesicht Julian zuwandte. Sein Herz zog sich ganz schmerzhaft zusammen.