Trialog - Martin F.J. Becker - E-Book

Trialog E-Book

Martin F.J. Becker

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Beschreibung

Drei Menschen suchen nach einem Sinn im Sein und besprechen ihre Vergangenheit. Sie planen eine Nacht im Wald, in der Natur um ihrem Ursprung ein wenig näher zu kommen. Am Feuer erzählen sie sich Geschichten wel- che sie erlebt haben, Geschichten welche sie bewegt haben, Geschichten welche sie erfunden haben. Geschichte, Drama, Ballett im Trialog. Die Nacht wir immer düsterer, die Geräusche, die Stimmung und die Umgebung haben ihren Einfluss und verändern den Lauf der Nacht. Was gedacht war als heiteres Experiment endet im Perpleximent.

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Seitenzahl: 161

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Ähnliche


Kapitel 1 An der Bar
Kapitel 2 Was nehmen wir mit?
Kapitel 3 Sumpf im Strumpf
Kapitel 4 Das Rudel
Kapitel 5 Nachtlager
Kapitel 6 Froschschenkel (Palavern am Lagerfeuer)
Kapitel 7 Im Mondschein sind wir ganz klein
Kapitel 8 Der elfte Tag im Monat
Kapitel 9 So nah und so fern
Kapitel 10 Mein Leben in der Zivilisation
Kapitel 11 Dschungeltripp
Kapitel 12 Die Eintagsfliege
Kapitel 13 Whisky oder Gin?
Kapitel 14 Warum ist die Wurst krumm?
Kapitel 15 Skelett mit Pfeil und Bogen
Kapitel 16 Runzelwerk
Epilog: Die Maus im Haus

Trialog

Eine Nacht im Wald

von

Martin F.J. Becker

Kapitel 1 An der Bar

Die Bar ist voll. Ich möchte ein Bier bestellen, doch ich komm nicht an den Tresen. Ich bin ungeduldig, ich möchte nun ein Bier. In dritter Reihe stehe ich, meine Backe klebt am Mantel eines Gastes, im Rücken zieht die Kälte der Eingangstüre unter meinem Hemd den Rücken hinauf.

Wie komme ich an mein Bier? Kenne ich jemanden in der ersten Reihe?

Mein Blick scannt die Gäste. Im Normalfall kenne ich immer jemanden, heute nicht. Klar!

Ich versuche es mit allem Charme, Entschuldigung hier, Entschuldigung da, ich höre nur wie die Leute sich nerven, Drängler, wir wollen auch bestellen, steh hinten an du Ego.

Ok, in dem Fall muss ich mich wohl gedulden, irgendwie die Gäste mit Bier ignorieren und warten. Irgendwie warten. Ich könnte in die nächste Kneipe gehen, warum nicht? Hier kenne ich ja eh niemanden. Hier bekomme ich nicht mal ein Bier, was soll´s?

Geduldig stehe ich da, besser gesagt, lehne ich an irgend welchen Kleidungsstücken, welche mein Gesicht belästigen, Gelächter da, Gelächter dort, ich mitten drin, alleine, ohne Gelächter, ohne Bier, genervt.

Plötzlich höre ich meinen Namen, plötzlich durchflutet eine seltsame Wärme meinen Körper, mein Name! Ich kenne jemanden! Wer wird es wohl sein? Ein Freund, ein Feind, ein Irgendwer, der Kellner, der Taxifahrer, mein Chef, Arbeit macht Spass aber bitte nicht jetzt.

Weder noch. Ein entfernter Bekannter in erster Reihe hat meine Not erkannt und mir ein Bier bestellt. Leider einer, auf den ich kein Bock habe, bei dem ich nie weiss, was ich mit ihm sprechen soll.

Immerhin sitzt er auf einem Barhocker, er barhockt! In der ersten Reihe gibt es vier Hocker, alle besetzt, die anderen in der ersten Reihe, und in der zweiten Reihe und in der dritten sowieso, stehen, er hockt. Wahrscheinlich ist er schon im Nachmittag gekommen um seinen Sitzplatz zu verteidigen oder reservieren oder einfach nur, um den ganzen Nachmittag und den halben Abend Wein und Bier zu bestellen und der Barmaid schöne Augen machen. Schöne, trübe Augen, je später der Abend, desto, hmm, ungenierter.

Keiner will mit ihm sprechen, alle Stammgäste haben schon mit ihm gesprochen, alle kennen ihn, grüssen freundlich mit “Hallo Miki” und sind froh, wenn Miki sie nicht in ein Gespräch verwickelt. Miki kann sehr hartnäckig sein, auch wenn du deinen besten Freund triffst, wenn du mit Miki am Tresen stehst, dann stehst du mit Miki am Tresen und keine weitere Person hat Platz.

Ohje und nun muss ich, des Bieres wegen, zu Miki an die Bar, muss ich den Abend mit Miki dastehen und Alkohol konsumieren. Manchmal spendiert Miki einen Grappa, je nach Laune und Alkoholpegel.

Miki ist Gartenarbeiter, genaueres weiss ich nicht, er kommt jeden Tag sein Feierabendbier trinken, sein Feierabendbier dauert meist bis spät in die Nacht. Dann ist Miki müde und betrunken. Dann wankt er nach Hause.

“Hallo Miki, wie schön dich zu treffen, danke fürs Bier!”

“Gerne geschehen, du warst ja sowas von verloren da an der Türe, aber easy, hör mal, ich habe dir was zu erzählen!”

Und so kannst du deinen Abend, welchen du gerne vergnüglich verbringen würdest, abschreiben und Miki zuschreiben. Oder du bist megaunfreundlich und setzt dich ab. In die dritte Reihe zurück, zurück auf Feld 1.

Mein Gehirn wägt ab und nach langem Denkprozess, rund eine tausendstel Sekunde lang, finde ich die Lösung. Ich bleibe bei Miki in der ersten Reihe, die zweite und die dritte hasst mich sowieso schon, da ich mich zu Miki vorkämpfen musste.

Mein Plan, ich stehe so neben Miki, dass das Geschwätz der anderen Gäste so laut ist, dass Miki und ich bemerken, dass ein elegantes Gespräch wohl sinnlos ist!

Miki sieht dies anders! Ich hänge fest! Alarm! Wer kann mich retten?

Niemand!

Ich bin verloren! Ich muss mich meinem Schicksal fügen, und mich von Miki Zutexten lassen. Des Bieres wegen.

Hinter oder neben mir höre ich einem Gespräch zu. Um einiges spannender als der Text von Miki.

“Als ich heute durch die Stadt fuhr, auf dem Weg zur Arbeit, da ist mir was merkwürdiges passiert, das habe ich noch nie erlebt! Komische Sache!”

“Was denn?”

Oh Mann, wie geht die Geschichte wohl weiter? Ich werde es nie wissen, denn Miki erzählte und erzählte, und wurde ungeduldig, als er bemerkte, dass ich ihm nicht die volle Aufmerksamkeit schenkte. Er wollte mir von seinem heutigen Garten erzählen, konnte nicht anders als jedes noch so kleine Detail zu erzählen und bestellt Bier nach Bier. Das ist mir natürlich recht!

“Oh, das kenne ich, so ist das mir zwar noch nie passiert aber ich habe einmal eine Katze angefahren, mit dem Auto, sie war zwar nicht tot, aber ihre Besitzerin schrie wie wenn sie tot wäre. Diese Geschichte kostete mir einige Nachmittage Gespräche mit ihr und 1500.- für die Tierärztin! 1500.-! Schock, sag ich dir!”

“Aber du hast sicher einen guten Job, wenn ich dich so ansehe, teure Schuhe, Hose auch nicht aus dem Supermarkt und von deiner Jacke träume ich schon lange!”

Oh nein, bitte Miki, nicht noch einen Garten, ich kenne mittlerweile jeden Grashalm in der Stadt, auch in der Agglomeration, Miki, ist gut so, du bist der beste Gärtner weit und breit und erst noch der fleissigste!, denke ich mir, und sage nichts. Feigling denke ich noch, dann rumpelt mich jemand an, mein Bier verschüttet, über Miki´s Hose, Hemd. Miki ärgert sich, schnauzt mich an und ruft der Barmaid, er wolle bezahlen.

Miki geht, verärgert, mit nasser Hose. Gut so, denn Miki hatte schon genug getrunken, Miki sollte nun ins Bett gebracht werden.

Und ich kam langsam in Fahrt. Das Bier schmeckte immer besser, noch eines, war mein einziger Gedanke.

Kein Gedanke an Miki, vielleicht ein leichtes Schuldgefühl in der Magengegend. Meine leere Geldbörse hingegen hatte weniger Freude am Abgang von Miki.

“Dann kam ein Bär, frontal auf mich zu, ich schiss fast in die Hose, mein Handy steckte ich schnell in meine Tasche und rannte um mein Leben, der Bär nicht. Der blieb stehen, wie ich dann, in Sicherheit angekommen, bemerkte.”

“Ein Bär? Wo triffst du Bären an, hier im Wald, wohl kaum, oder?”

“Nein, nein, in Amerika war das, da war ich mit meinem besten Freund, im Wald bei den Bären, und wir haben uns beide fast in die Hosen gemacht, als dieser Bär andeutete, dass er nun losrennen würde!”

“Übrigens, ich heisse” abrupt wurde sein Satz von einem Bärengebrüll übertönt, ich konnte ihn nicht mehr hören. Stattdessen sah ich Miki reinkommen, betrunken und aggressiv.

Mikis Hände hatten die Grösse einer Schaufel, zwar nicht die einer Schneeschaufel, aber die einer normalen Bauschaufel. Zwar war Miki´s Körper verbraucht, geschunden von der schweren Handarbeit, aber Kraft hatte er wie ein wildes Tier.

Ein Bär!

Miki der Bär!

Es wurde stiller, nicht ganz still, einige Gäste waren so sehr mit sich selbst oder ihrem Gegenüber beschäftigt, dass sie gar nichts mitbekamen, andere gerieten in Panik und verliessen, ohne zu bezahlen, die Bar.

Miki stand da, um ihn herum war plötzlich viel Platz.

Reihe zwei und drei hat sich aufgelöst. Schnell!

Ich stand am Tresen, völlig schutzlos, und fühlte mich nackt. Miki bemerkte dies sehr schnell und bewegte sich in meine Richtung.

Bitte nicht, bitte, bitte nicht zu mir, ich möchte mich nicht schämen müssen, ich möchte nicht in Verbindung mit ihm gebracht werden! Morgen wird es heissen, dass er mein bester Freund sei und dass wir unsere ganze Freizeit zusammen verbringen würden.

Ich tat so, als ob ich ganz dringend auf die Latrine musste und ging pissen.

Wie gut kann das tun, war ich grad im Gedanken, als Miki ins Klo gewankt kam, den Spiegel fast von der Wand riss und sagte:

“So cool sehe ich dich heute noch, du bist mein liebster Mensch, das musst du wissen, ich mag dich tatsächlich sehr, auch wenn du nur ein kleiner Nichts bist! Hör mal, ich muss dir noch von dem Garten letzter Woche erzählen, du bist der einzige den meine Gärten interessiert, das spüre ich, so wie du zuhörst, bist du ein grosser Fan von mir!”

Dann torkelte er wieder raus. Ich blieb noch ein wenig, seine Bemerkung, dass ich ein grosser Fan von ihm sei, störte mich sehr.

Oh nein, das Gegenteil ist der Fall, mein lieber Schwan, du bist sowas von megaunwichtig für mich, ich finde dich so ein A, da gingen meine Gedanken nicht weiter, sie wurden unterbrochen, es wurde lauter in der Bar, an der Bar.

Miki liess sich nicht beruhigen.

Miki pöbelte alle an.

Frau,

Mann,

Kind, (nicht da, um diese Zeit)

Barmaid,

Barkeeper,

Chef.

Lass Miki in Ruhe, lass ihn seine Sucht befriedigen, lass ihn, Miki ist scheissaggressiv.

Der Bärentanz, bei uns im Quartier ein wiederbelebter uralter Brauch!

Das Bärengeflüster der Herren war verflogen, Bier hatten sie noch.

Miki, der Bär wütete! Was tun? Nicht mein Problem, nicht meine Verantwortung, und eben doch.

Abschiessen, keine Option, geschütztes Lebewesen!

Tot?

Tod?

Nicht mein Ding!

Miki auch nicht mein Bär!

Ich verlasse den Bärentanz, wanke nach Hause und starte in Gedanken in die neue Arbeitswoche. Mir graut es, wenn ich an meinen Arbeitsalltag denke, zu sehr zerrt er an meiner Energie, an meiner Persönlichkeit, an meinem Ich!

Eine Woche später komme ich wieder in meine Lieblingsbar, der Tresen ist leer, dahinter steht freudig winkend die Barmaid, ihre besten Jahre sind wohl schon Jahrzehnte her, dennoch freue ich mich immer, wenn ich sie sehe. Mit ihr kann ich ganze Abende, Nächte verbringen und einfach, vorbehaltlos, ich sein und sprechen, zuhören, weinen, wüten.

Manchmal ist es ein Gefühl, von nach Hause kommen, nach einer langen, anstrengenden Reise, einer Reise mit viel Spass und Abenteuer und einem guten Ende.

Ich setze mich an die Bar und ein warmes, leicht brennendes Gefühl durchzieht meinen Körper, meine Seele. Die Barmaid schaut mich an und spürt genau, wie es mir geht. Sie lässt es mich zwar nicht wissen, aber ich bemerke, wie sie mich mustert, von Kopf bis Tresen anschaut und fragt:

“Bier?”

Ich nicke ihr zu, krame meine Münzen aus der Tasche und lege diese auf den Tresen. Ich bezahle immer sofort, man kann nie wissen, ob mich plötzlich der Freiheitswahn packt und ich die Bar unvermittelt verlasse!

Auch wäre es kein Problem, würde ich ohne zu bezahlen weglaufen, das würde sie dulden, wissend, dass ich wiederkehren würde. Sie ist einfach ein lieber Mensch mit grossem Herz.

Es ist schön, solche Liebe zu erfahren, Nächstenliebe, keine Triebliebe. Einfach einfache Liebe, von Mensch zu Mensch. Diese Liebe kannst du verlassen, wann du willst, kannst wiederkommen und sie dir wieder nehmen. Sie wird nicht wütend sein, sie wird keine Eifersucht haben, sie wird sich freuen, immer und immer, es ist ihr Job.

Mit dem Bier in der Hand stehe ich an der Bar und geniesse meinen Feierabend.

Mein Bier.

In aller Ruhe.

Hektik, bitte nicht! Kann ich nicht gebrauchen.

Da höre ich vertraute Stimmen. Hahaha, weisst du noch letzte Woche, der war schon recht besoffen.

“Hast du denn schon gebucht?”

“Was soll ich buchen?”

“Buchen”

Buchen, in meinem Kopf formt sich ein Wortgefecht, Buchen sollst du suchen, Eichen sollst du weichen, Buchen, was wollen die denn buchen? Die Worte sprudeln in meinem Haupt, wie verrückt Tanzen sie los.

Buchen.

Was Buchen?

Kuchen buchen!

Was Kuchen buchen?

Geht das?

Geht nicht.

Geht doch.

Suchen bei wem kann man Kuchen buchen.

Kann man Kuchen buchen, bei wem denn?

Bei dem kann man Flüge buchen.

Bei dem kann man Zimmer buchen.

Bei dem kann man Konzertkarten buchen.

Konzertkarten suchen, im Zimmer verloren.

Zimmer gebucht, Konzert gebucht, Karte verloren.

Flug verpasst, weil Karte suchen.

Suchen nach anderem Flug.

Kein Flug.

Zug!

Nachtzug.

Zimmer ist gebucht, Nachtzug steht da, Konzert gebucht, Karte weg, Flug weg, und der Kuchen?

Wer konnte den Kuchen buchen.

Fürs Konzert.

Kuchen essen am Konzert.

Ist es uns das wert?

Wertvoll?

Konzert voll.

Nicht toll.

Flug weg.

Karte weg.

Zug weg.

Zimmer weg.

Konzert voll.

Kuchen schmeckt.

Ganz entfernt höre ich den beiden weiter zu.

“Warum buchen? Spontan? Wohin? Ich kann mir zur Zeit keinen Urlaub leisten, alles wird teuerer, ich habe keine Ahnung ob ich jemals wieder in Urlaub fahren kann!”

“So schlimm?”

“Schlimmer!”

“Ich verstehe einfach nicht warum alles teurer wird, wie sollen wir das bezahlen, mit unseren Löhnen, du hast schon recht, das Geld ist zur Zeit recht knapp, auch bei mir. Aber immerhin können wir uns noch Urlaub leisten, zwar nicht mehr wie früher aber schon noch.”

“Du glücklicher!”

“Schau mal, dort an der Bar, das ist doch der Typ mit dem schrägen Freund. Lass uns zu ihm gehen, da sind noch zwei Plätze frei bei ihm.”

“Hallo, ist hier noch frei?”

“Ah hallo, ja da ist noch niemand.”

“Kommt dein Freund noch?

“Welcher Freund denn?”

“Na der Typ von letzter Woche der so sehr betrunken war, dass er fast die Bar auseinander nahm.”

“Der ist nicht mein Freund, der ist Stammgast hier, von Zeit zu Zeit spendiert er mir ein Bier, anstrengend sag ich euch!”

“Dachten wir uns auch!”

“Was treibt euch hier her, ihr seid selten hier?”

“Ja, wir trafen uns vor zwei Wochen, per Zufall, in der Bar nebenan, und beschlossen, dass wir uns wieder sehen wollten, in der folgenden Woche, am selben Ort, aber die machten dort Betriebsferien, also sind wir hier her gekommen, ist auch ganz ok hier!”

“Ihr kennt euch erst seit zwei Wochen?”

“Ja!”

“Cool!”

“Kann man sagen.”

“Bier?”

“Ok.”

Der Abend endete später als geplant, die drei verstanden sich blendend, erzählten und schwatzten. Als die Bar schliessen musste, verliessen sie diese und plauderten draussen noch weiter, bis ihnen zu kalt wurde.

„Treffen wir uns bald wieder?“

„Gerne, aber wo? Wieder hier in der Bar?“

„Wo anders?“

„Ja, irgendwo, wo dieser komische Typ nicht hin kommt!“

“Lasst uns in den Wald gehen, Feuer machen uns Geschichten erzählen und so.”

“Was ist denn los bei dir? warum willst du in den Wald? Andere wollen von der Brücke springen, du willst in den Wald gehen, mit 2 fremden Gestalten, du kennst uns gar nicht, und willst die Nacht mit uns verbringen?”

„Warum nicht? Ihr seht nicht gefährlich aus!“

„Kleider machen Leute!“

„Im Ernst, was hält ihr davon, in den Wald zu gehen?“

“Ich finds eine gute Idee, ich bin dabei.”

“Ich auch.”

“Wann?”

“Hmm, wir werden sehen, wird sich sicher eine Nacht finden lassen.”

„Also, treffen wir uns nächste Woche nochmals hier und besprechen unser Projekt?“

„Machen wir .“

“Also, bis nächste Woche, same time same place!”

Eine Woche später stehen wir, wie verabredet, am Tresen. Mein Blick scannte die anderen Gäste, das mache ich gerne. Anderen Menschen zuschauen und in eigenen Gedanken abtauchen.

Im hintersten Eck sitzt eine ältere Person. Wahrscheinlich macht sie das Gleiche wie ich, unsere Blicke kreuzen sich.

Die blassen Augen schauen mich an, ohne Vorwurf, ohne Urteil, ohne Kalkül, schauen mich an, nicht traurig, nicht wütend, nicht fordernd, sie schauen mich einfach an, liebevoll und erwartungsvoll. Ich weiss gar nicht, wie ich diesen Blick interpretieren soll, weiss nicht, was er ausdrücken soll, ist es nur leere, ist es Verzweiflung, ist es Reinheit? Ich kann es nicht beschreiben, zumindest hat dieser Blick erreicht, dass ich verwirrt war. Und dies war sicherlich das Letzte, was dieser Blick wollte.

Blicke kreuzen sich, Blicke gehen sich aus dem Weg, wenn Blicke töten könnten, Blickkontakt.

Blickkontakt war da, mehr Kontakt als gewünscht!

Muss man denn immer Wünsche der andern erfüllen, die eigenen werden zwar nie erfüllt, so fühlt es sich auf jeden Fall an, wenn man zu wünschen beginnt.

„Was mir diese Woche nicht mehr aus dem Kopf wollte, war deine Idee, in den Wald zu gehen. Wie kommst du auf so etwas? Wir befinden uns in mitten einer grossen Stadt, weit und breit kein Wald, nicht mal in den entferntesten Gedanken, und du kommst mit Wald! Hast du genug von der Stadt?“

“Ja, ich spüre, ich brauche nun eine kurze, kleine Auszeit, sozusagen ein Sabbatical, mit Wesen wie euch, Wesen die ich nicht kenne, vielleicht komische Wesen, sicherlich aber angenehme und ehrliche Wesen.”

“Mit Wesen am Tresen, das ist doch schön, oder?”

“Klar, mit gutem Wesen an gutem Tresen, erhöht aber auch die Spesen!”

“Spesen, hm, kannst du die abrechnen, Tresenspesen?”

„Heute verwandeln wir Bier in Spesen und sind zurück am Tresen.“

„Ich mag lieber Wein! Oder Prosecco!“

“Wer bist du? Fährst du Porsche, fährst du Rad, isst du Salat oder bist du Psychopath? Kannst du eventuell Spagat im im Quadrat? Isst du Spaghettis mit der Zange, mit der Kralle? Magst du Koralle?”

„Das sind schwere Fragen in schweren Zeiten, mit nicht so guten Zeichen. Ich bin müde, will nur schlafen, keine Wanzen plage, Flöhe verjagen, schlafen und morgen nicht versagen, klagen, anklagen, alles schon geschehen!“

“Isst du Broccoli?”

“Wie kommst du nun auf Broccoli?”

“Broccoli ist gesund und grün.”

“Ja, ich mag Broccoli, den werden wir aber kaum mit in den Wald nehmen, der wächst bei dieser Kälte nicht!”

“Bringst du uns noch drei Bier, für den Abgang?”

“Eher Abgang als Bier mit Abgesang!”

“Nein, die Bar ist nun wirklich geschlossen, ich bin froh, wenn ich nach Hause kann, ich bin heute sehr müde!”

Kapitel 2 Was nehmen wir mit?

“Was nehmen wir mit? Besteck? Teller? Holz? Feuerzeug?

Dolch oder Schweizer Sackmesser? Waffen? Schlafsack? Luftmatte? Rucksack? Stirnlampe? Solarladegerät? Kühlbox?”

“Bier? Wurst?”

“Oder Salat?”

“Etwas zu essen müssen wir sicher mitnehmen, etwas zu trinken auch! Und Sachen zum Grillieren wäre auch schön. Bier auch!”

“Eine Flasche Wein auch!”

“Gläser, Dosenöffner, Korkenzieher, Kronenkorkenöffner, Türöffner und sonst noch was?”

“Hei, wir gehen eine Nacht in den Wald um elegante Gespräche zu führen, wir brauchen keine Prosecco Gläser, auch werden wir keinen Grappa trinken, wir gehen nicht in die Kneipe ums Eck, wir gehen in den Tiefen Wald, weil wir die Tiere, die Pflanzen, die Natur leben oder erleben wollen!”

“Du hast schon recht, lass uns möglichst wenig mitnehmen! Wir brauchen keine Jagdgewehre, keine Seile, keinen Eispickel, wir brauchen vor allem gute Laune, gute Schuhe, und gute Kleidung.”

“Guter Einwand, gute Schuhe. Ich wäre nun mit meinen Nikes gekommen..”

“Nehmen wir doch einfach eine Wurst und Teig mit, Teig den wir um einen Ast wickeln und gut ist.”

“Und Marshmallow’s”

“Kindskopf!”

“Nein, Genuss!”

“Bienenwachskerze?”

“Öllampe?“

“Gasflasche und Öltank, hallo, seid ihr bescheuert? Das müssen wir alles tragen! Bleibt mal cool, wir gehen nicht auf den Campingplatz, wir gehen ins Überlebenscamp im Wald!”

“Überleben?, öh, ich will nicht überleben, ich will überlegen, ich will geniessen, nicht schiessen, ich will hören, sehen, riechen, und sein.”

“Will jemand singen, soll ich die Gitarre mitnehmen?”

“Nein!”

“Nein!”

“Lasst uns definieren, wer nimmt was mit. Rucksack oder Rollkoffer?”

“Bollerwagen?”

“Fahrradanhänger?”

“Wald!”

“Aber es gibt doch Waldwege, oder?”

“Klar, aber diese wollen wir ja nicht nehmen, wir wollen nicht am Gehsteig Campieren, wir wollen im Wald die Natur und die Einsamkeit, die Nacht geniessen!”