Trinity - Tödliche Liebe - Audrey Carlan - E-Book

Trinity - Tödliche Liebe E-Book

Audrey Carlan

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Beschreibung

Ein Kampf um Liebe und Tod. Der dritte Band der Trinity-Serie Gillian Callahan hat alles verloren: ihre große Liebe, ihre Freiheit – und vielleicht sogar bald ihr Leben. Ihr Körper ist in der Gewalt des Mannes, der von ihr besessen ist, der keine Skrupel kennt und der nur eines noch will: Gillians Herz. Doch niemand wird es je schaffen, die Liebe zwischen ihr und ihrem Verlobten Chase zu zerstören. Sie weiß, dass Chase sie verzweifelt sucht und die Polizei alles tun wird, um sie zu finden. Können sie das Rennen gegen die Zeit gewinnen? Die neue Serie von der Autorin des Mega-Bestsellers Calendar Girl!

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Das Buch

Gillian Callahan hat alles verloren: ihre große Liebe, ihre Freiheit – und vielleicht sogar bald ihr Leben. Ihr Körper ist in der Gewalt des Mannes, der von ihr besessen ist, der keine Skrupel kennt und der nur eines noch will: Gillians Herz. Doch niemand wird es je schaffen, die Liebe zwischen ihr und ihrem Verlobten Chase zu zerstören. Sie weiß, dass Chase sie verzweifelt sucht und die Polizei alles tun wird, um sie zu finden. Können sie das Rennen gegen die Zeit gewinnen?

Die Autorin

Audrey Carlan schreibt mit Leidenschaft heiße Unterhaltung. Ihre Serie »Calendar Girl« stürmte auf Anhieb die Bestsellerlisten in den USA wie auch in Deutschland und wird als das neue »Shades of Grey« gehandelt. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und zwei Kindern in Kalifornien.

AUDREY CARLAN

TRINITY

Band 3

TÖDLICHELIEBE

Roman

Aus dem Amerikanischen von Christiane Bowien-Böll

Ullstein

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ISBN 978-3-8437-1485-3

Deutsche Erstausgabe im Ullstein Taschenbuch

1. Auflage Februar 2017

© für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2017

© 2015 Waterhouse Press, LLC

Titel der amerikanischen Originalausgabe: Trinity – Soul

Umschlaggestaltung: zero-media.net, München

Titelabbildung: © FinePic®, München

E-Book: LVD GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten.

Für Eric, meinen Mann.

Du wirst immer alles für mich sein, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Du bist mein wahrer Seelengefährte.

Ich gebe dir mich, mit Körper, Geist und Seele.

Für immer.

KAPITEL 1

Sie ist fort, aber ich kann sie immer noch spüren. Meine Seele sehnt sich nach ihrer anderen Hälfte. Wenn Gillian tot wäre, wüsste ich es, denn dann würde auch ich aufhören zu existieren. Mit halber Seele kann man nicht leben. Ich bin so müde, aber ich kann nicht schlafen, nicht, solange sie irgendwo dort draußen ist. Es ist jetzt schon drei Tage her – und es gibt kaum Spuren. Austin ist immer noch bewusstlos. Die tödliche Dosis Etorphin, die ihm in die Halsvene gespritzt wurde, hat er zwar knapp überlebt, doch bis jetzt ist er nicht aufgewacht. Jeder Tag, der vergeht, ist ein weiterer Tag, den meine Geliebte bei einem Wahnsinnigen verbringen muss.

Ich habe darauf bestanden, dass das Hotel geschlossen wird. Zum Ausgleich für die Unannehmlichkeit wurde jedem Hotelgast eine Übernachtung von seiner Rechnung abgezogen. Der beste Hinweis stammte von einem Paar. Ziemlich genau um die Zeit, als Gillian entführt wurde, gingen die beiden den Weg entlang, der hinter dem Brautzimmer verläuft. Sie meinten, sie hätten einen Mann in Arbeitsuniform gesehen, der einen Wäschewagen vor sich herschob. Das Hotelpersonal hat uns bestätigt, dass die Mitarbeiter vom Wäscheservice sehr viel unauffälliger auftreten und nicht die grauen Hausmeisteruniformen tragen, sondern das schwarzweiße Outfit des Hotelpersonals. Alle Mitarbeiter waren angewiesen, sich um diese Zeit nicht in der Nähe der Hochzeitsparty aufzuhalten, es sei denn, meine Assistentin Dana würde sie anfordern.

Das Pärchen erinnerte sich nur, dass die Person männlich und weiß und recht stattlich war. Das heißt, der Mann war entweder übergewichtig oder sehr durchtrainiert. Abgesehen von seiner sehr hohen Statur, etwa einen Meter neunzig, konnten die beiden uns keine weiteren Details nennen. Leider engt das die Suche nach dem Täter ganz und gar nicht ein. Solange Austin nicht wieder zu sich kommt, stecken wir in einer hoffnungslosen Sackgasse. Niemand anderer außer ihm hat dem Entführer direkt gegenübergestanden, und nun liegt er bewusstlos in einem Krankenhausbett hier in Cancún, Mexiko. Der Stadt, in der ich die Frau meines Lebens hätte heiraten sollen. Und in der meine Mutter ihren letzten Atemzug getan hat.

Ein qualvoller Schmerz zieht durch meinen Körper und raubt mir den Atem. Zum x-ten Mal schlucke ich und verkrampfe dabei unwillkürlich die Hand auf dem Bauch. Ich darf jetzt nicht durchdrehen. Ich muss stark bleiben. Mehr kann ich Gillian nicht geben. Essen ist unmöglich, ich kann nichts bei mir behalten. Kaffee ist meine einzige Rettung. Wie von selbst ballen sich meine Hände zu Fäusten, als ich mit leerem Blick auf das Bett mit dem schlafenden Austin starre. Ich schließe die Augen. Plötzlich kommt sie wieder zu mir.

Rotes Haar ergießt sich über ihre Porzellanhaut. Das Handtuch verbirgt die untere Hälfte ihres Körpers. Sie taucht eine Zehe in das dampfende Wasser. Ich streichle sie mit Blicken, betrachte die Rundung ihrer Schultern, die sanfte Kurve ihres Rückens, dort, wo er sich zur Taille verjüngt. Mein Blick bleibt an der Wölbung ihres Hinterns hängen. Sie hat da zwei kleine Grübchen, in denen sich das Licht fängt. Lust wallt in mir auf, und ich wünsche mir nichts mehr, als die Lippen auf diese wundervolle Stelle zu drücken und vielleicht ein wenig zuzubeißen, bis Gillian schnurrt wie eine Katze.

Mit einer Hand wischt sie ihre feuerrote Lockenmähne über eine Schulter nach vorne und entblößt ihren Rücken. Er zieht mich magisch an. Ein geheimnisvolles Leuchten umgibt meine Frau. Sie dreht den Kopf leicht zur Seite, und ich kann ihren schwanengleichen Hals sehen, aber – irgendetwas stimmt nicht. Mein Blick wandert weiter, als sie das Handtuch fallen lässt, und meine Gedanken wechseln die Richtung. Ihr herzförmiger Po ist wunderbar. Meine Liebste wendet mir das Gesicht halb zu – doch ihre Augen sind dunkle, leere Höhlen und blicken gequält. Sie strahlen nicht wie sonst. Das perfekte, atemberaubende Smaragdgrün ist verschwunden.

Ich keuche auf. Unfähig, mich zu rühren, beobachte ich, wie etwas Rotes über ihren perfekten Rücken läuft wie Farbe über eine Leinwand. Sie hebt das Kinn, und jetzt sehe ich das grässliche dunkle Loch, dort, wo ihre Kehle sein sollte. Als sie mir das Gesicht ganz zuwendet, ist es von riesigen Blutergüssen entstellt. Es ist geschwollen und voller Blutkrusten.

»Nein! Gillian!«, schreie ich, aber kein Ton kommt über meine Lippen.

Sie schließt die Augen, und als sie sich vollständig umdreht, sehe ich die Katastrophe. Auf ihren Brüsten und ihrem Bauch sind überall blaue Flecken und getrocknetes Blut. Aus der klaffenden Wunde an ihrem Hals strömt noch mehr Blut.

Ich rufe, brülle, kämpfe verzweifelt gegen die Lähmung in meinen Gliedern. Aber ich kann mich nicht rühren.

Mit aller Willenskraft schicke ich ihr meine Liebe. Alles, was ich zu geben habe, meinen Schmerz, meine Trauer, meine Sehnsucht nach ihr. Ich brauche sie.

Ich öffne die Augen, und endlich sagt sie etwas: »Wach auf, Chase.«

Der Körper meiner Liebsten schimmert nur noch vage vor meinem inneren Auge und verschwindet schließlich ganz. Ein grelles Licht blendet mich, und ich spüre eine Hand auf meiner Brust.

»Chase!« Dana schüttelt mich. Ich stoße sie heftig von mir, springe vom Sessel auf und taumle rückwärts, bis ich an die Wand stoße, immer noch gefangen in diesem schrecklichen Traum. Drei Augenpaare sind auf mich gerichtet. Danas, Jacks und Austins.

»Du hast nur geträumt. Es ist alles in Ordnung«, flüstert Dana. Sie sieht aus, als würde sie gleich anfangen zu weinen.

Ich hole tief Luft und packe Austin am Arm. »Können Sie sprechen?« Ich schlucke die bittere Galle hinunter, die mir in der Kehle sitzt.

Austin blinzelt und leckt sich über die trockenen Lippen. Rasch bringt Dana einen Becher Wasser mit Strohhalm. Austin nimmt ihn zwischen die Lippen und saugt gierig. Ich wage kaum zu atmen, als ich ihm zusehe. Ein, zwei, drei große Schlucke, dann hebt er endlich den Kopf.

Seine Augen füllen sich mit Tränen. »Er hat sie«, bringt er rau heraus.

Ich schließe die Augen, zwinge mich, ruhig weiterzuatmen, und unterdrücke den Wunsch, Austin zu schütteln, anzuschreien oder alles im Umkreis von einer Meile mit den Fäusten zu bearbeiten. Stattdessen nicke ich nur.

»Ich habe ihn schon mal gesehen.«

Jack stellt sich an die andere Bettseite. »Wo?«

Austin schluckt. Das Sprechen scheint ihm weh zu tun. »Fotos. Du hast sie.« Er holt Luft, knirscht mit den Zähnen, dann schließt er die Augen. »Ms Callahan kennt ihn.«

Jack zieht sein Handy aus der Tasche und tippt aufs Display. »Meinst du die Fotos, die ich dir gezeigt habe?« Sogar ihm fällt das Sprechen offenbar schwer.

Austin schüttelt den Kopf. »Im Penthouse. Bei Ms Callahans Sachen, die wir für sie dort hingeschafft haben.« Als er weiterredet, kommt nur noch ein unverständliches Krächzen aus seiner Kehle. Dana reicht ihm den Wasserbecher, und er trinkt. Schließlich schiebt er den Becher weg, offensichtlich enttäuscht. Er versucht, sich aufzusetzen. »Ich muss da hin. Er ist auf den Fotos, die bei ihren Sachen sind. Blond, blaue Augen. Groß. Ein Riese.«

Ich drücke Austin zurück aufs Kissen, und Jack hält ihn an beiden Handgelenken fest, bevor er sich die Schläuche mit den lebensrettenden Medikamenten herausreißen kann. Der Arzt hat gemeint, Austin müsse eine Weile in der Klink bleiben, sobald er aufgewacht ist, und im Moment erhält er immer noch das Gegenmittel, das seine lebenswichtigen Funktionen stabilisieren soll.

Die vielen Apparate lösen einen schrillen Alarm aus. »Ich muss zu ihr!«, brüllt Austin. »Es ist meine Schuld. Er wird ihr was antun!« Seine Augen wirken fast schwarz, und er sieht aus, als würde er gleich durchdrehen.

Mehrere Ärzte stürmen herein. Einer hält eine Spritze hoch. »Alle raus!«

»Nein, nein! Er weiß, wer Gillian entführt hat! Er muss wach bleiben, wir brauchen ihn!« Ich schiebe mich an den Ärzten vorbei und versuche, zurück zu Austin zu gelangen, aber mehrere Hände greifen nach mir und halten mich fest.

Der Leibwächter packt mich am Arm. »Narbe. Eine Narbe. An seiner Hand. Wie ein Brandmal«, sagt er noch, bevor der Arzt den Inhalt der Spritze in den Infusionsschlauch drückt.

Ich sinke auf die Knie. Schließlich kommen mir die Tränen. Ich raufe mir die Haare und ziehe daran.

Zwei sehr starke Hände packen mich, schieben mich zur Tür hinaus auf den Flur und pressen mich gegen die weiße Krankenhauswand vor Austins Zimmer. »Chase, reißen Sie sich zusammen! Wir haben jetzt eine Spur!« Jack hält mich fest. Sein Blick ist hart und entschlossen. Sein Mund bildet einen dünnen Strich. »Wir müssen was unternehmen, ihre Freundinnen anrufen. Vielleicht kennen sie ihn.«

Sofort werde ich ruhig. Ich ziehe mein Handy heraus und wähle Marias Nummer.

»Chase?« Ihre Stimme klingt angespannt, als sie sich meldet. Die Mädchen sind alle außer sich vor Sorge. Sie warten und hoffen darauf, irgendetwas von Gillian zu hören.

»Maria, kennt Gillian einen Mann, der blondes Haar und blaue Augen hat und sehr groß ist?« Sie stößt einen überraschten Laut aus. Ich drücke das Telefon noch dichter ans Ohr. »Mit einer Narbe an der Hand, die aussieht wie eine Brandnarbe?«

»Dios Mio. Das könnte Danny sein.«

Ich beiße mir so fest auf die Unterlippe, dass ich Blut schmecke. Ein Schauer fährt mir über den Rücken. Das ist ein Zeichen. Wir sind nahe dran, etwas zu finden. »Danny wer?«

Die Verbindung wird schlecht. »Danny Mc … äh … Mc irgendwas. Bree … Kat? Wie hieß Danny noch mit Nachnamen?«

»McBride«, sagt Maria, und Jack, der schon sein Handy zückt, spricht ihre Worte mit.

»Daniel McBride«, brüllt mein Leibwächter in den Hörer. »An die Arbeit, Leute. Sofort! Was er beruflich macht, wo er wohnt, wo er Sport treibt! Ich will alles, was ihr über ihn habt. Ich will wissen, wer seine Eltern sind, seine Schulfreunde, was er heute Morgen gefrühstückt hat! Schnell!«

Zum ersten Mal seit Tagen kann ich wieder frei atmen. Wir haben eine Spur. Eine richtig gute. Gillian rückt näher. Es muss so sein, denn ich spüre ihre Nähe mehr als zuvor.

»Daniel McBride«, bringt Dana heiser heraus und ist plötzlich kreideweiß im Gesicht. Sie lehnt sich an die Wand. Tränen laufen ihr übers Gesicht. »Nein.« Sie schüttelt den Kopf. »Nein, das kann nicht sein!«, flüstert sie.

»Ich rufe gleich zurück«, sage ich zu Maria und schiebe mein Handy in die Tasche, bevor ich zu Dana gehe und ihr Gesicht in beide Hände nehme. »Du kennst ihn?«

Danas Augen sind weit aufgerissen. Ihr Gesicht verzieht sich zu einer schmerzvollen Grimasse. »Er … er ist mein Freund.«

Drei Tage. Vor drei Tagen hat er mich in diesem Zimmer eingeschlossen. Es gibt kein Licht, keine Heizung und keine Möglichkeit zu entkommen. Die Wände sind aus Beton, ohne Fenster, und es ist unglaublich kalt. So kalt, dass der Raum sich eigentlich nur unter der Erde befinden kann, vielleicht in einem Keller. Seit er mich entführt hat, hält Danny mich in einem mehr oder weniger tranceartigen Zustand. Das Einzige, was ich sicher weiß, ist, dass wir lange Zeit mit dem Auto unterwegs waren, bevor ich irgendwann hier aufgewacht bin. Gestern Abend hat Danny durchblicken lassen, dass wir zurück in den Staaten wären. Hat sogar gelacht, als er mir erzählte, wie er mich als seine schlafende Braut über die Grenze gebracht hat. Deshalb hatte er wohl auch einen Smoking an, als ich das erste Mal wach wurde. Damals war mir das alles noch nicht ganz klar, denn Danny hatte mich bis zur Nasenspitze mit Drogen abgefüllt. Er hat mir dann noch erklärt, dass er diesen Smoking bei unserer Hochzeit tragen würde, wenn es so weit wäre. Und im Übrigen sei Austin höchstwahrscheinlich gestorben, nach der Riesendosis Beruhigungsmittel, die er ihm verpasst habe. Chase’ Mutter wäre auf jeden Fall tot. Daran erinnere ich mich. Das Bild, wie sie da leblos saß, kehrt in einer quälenden Endlosschleife immer wieder in meine Gedanken zurück. Danny hat sogar noch damit angegeben, wie aufregend er es fand, Chase dieses Geschenk zu hinterlassen, zusätzlich zu einer verschwundenen Braut.

Der Knauf dreht sich mit einem Quietschen, dann öffnet sich die Tür. Ich kauere mich auf die Matratze, die in einer Ecke des Raums liegt. Danny hat die Schnüre gegen Ketten eingetauscht, mit denen ich an Händen und Füßen gefesselt bin. Die Ketten wiederum sind mit einem raffinierten Seilzugsystem verbunden. Immerhin kann ich herüber in die andere Ecke gehen, zu dem Eimer, den Danny mir als Toilette dagelassen hat.

»Du bist schon drei Tage hier, Prinzessin. Willst du jetzt ein braves Mädchen sein?« Dannys Lippen verziehen sich zu einem sadistischen Grinsen. Sein blondes Haar ist gleichmäßig bleistiftkurz rasiert, im Gegensatz zu gestern, als er noch einen Stufenschnitt hatte. Vielleicht ein weiterer Versuch, sein Äußeres zu verändern, falls Chase und seine Leute herausfinden, wer mich entführt hat. Oh mein Gott, ich hoffe, sie sind inzwischen dahintergekommen.

Ich gebe keine Antwort. Am ersten Tag habe ich noch mit ihm geredet. Seitdem kein Wort mehr. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Mein Magen knurrt laut. Seit drei Tagen habe ich nichts gegessen.

»Wie ich höre, hast du Hunger.« Danny stellt ein Tablett auf dem kleinen Couchtisch neben der Matratze ab. Ein Sandwich, ein Apfel und etwas, das aussieht wie ein Glas Milch, befinden sich auf dem Tablett. »Wenn du etwas isst, bekommst du eine Belohnung. Eine Wolldecke. Wie findest du das?«

Ich zittere. Mein weit ausgeschnittenes Hochzeitskleid ist alles, was ich anhabe. Keine Schuhe, kein BH, nur ein Slip aus Spitze und dieses Kleid. Ein tiefer Rückenausschnitt und transparente Ärmel sind wunderschön, aber nicht dafür gedacht, jemanden warm zu halten. Mir wird klar, dass ich etwas essen muss, wenn ich überleben will, bis Chase mich findet. Außerdem ist mir entsetzlich kalt. Seit Danny mich ziemlich unsanft in diese Betonkammer geschubst hat, klappern mir die Zähne. Er deutet auf das Tablett, und ich hocke mich vor den Tisch. Die Ketten rasseln, während ich mich wie eine hundertjährige Frau darauf zubewege. Meine Gelenke und Glieder fühlen sich steif an.

Danny lehnt sich an die Wand gegenüber. Er beobachtet mich, als ich nach dem Apfel greife und hineinbeiße. Er eignet sich wohl am wenigsten dazu, mit Drogen versetzt zu werden. Zumindest hoffe ich das. Seit ich hier bin, kämpfe ich gegen Lethargie, Übelkeit und Schwindel an. Entweder habe ich mich erkältet, oder ich stehe unter irgendeiner Droge. Wahrscheinlich Letzteres.

»Braves Mädchen«, sagt Danny herablassend. »Und jetzt wollen wir mal zur Sache kommen. Du wirst hier bleiben, bis ich dir glaube, dass du deine Fehler einsiehst, diesen reichen Wichser vergisst und erkennst, dass wir beide füreinander bestimmt sind.«

Das Apfelstück in meinem Magen scheint sich in reine Säure zu verwandeln. Gleich kommt es mir hoch.

»Das wird nicht passieren. Und wenn du mich für immer hier festhältst, Danny. Das ist doch verrückt. D-du hast eine Frau getötet!« Endlich schreie ich meine Angst heraus.

Danny fährt sich mit der Hand durch sein kurzes Haar. Früher habe ich sein Haar geliebt. Es fühlte sich so weich an und glänzte so schön, und das bei einem Mann. Frauen würden alles geben, um solche Haare zu haben. Aber jetzt wünsche ich mir nichts weiter, als mit den Fingern durch Chase’ dunkelbraune Locken zu gleiten. Mein Gott, er ist bestimmt halb verrückt vor Sorge. Es tut so weh, nicht bei ihm sein zu können. Ich kann den Schmerz und die Sehnsucht nach ihm kaum ertragen. Ich unterdrücke einen Schluchzer. Danny soll nicht wissen, wie groß meine Angst ist.

Danny presst die Lippen zusammen. »Ms Davis umzubringen war eine Kleinigkeit. Ich werde langsam richtig gut darin; allerdings habe ich erfahren, dass deine blöde Freundin noch lebt. Ein raffinierter Trick, das muss ich dir lassen, Prinzessin. Mich so reinzulegen. Das Mädel sah aus wie eine Doppelgängerin von Bree. Tja …«, er lacht in sich hinein, »jetzt ist sie eben tot.« Er zuckt mit den Schultern. Offenbar hat er überhaupt keine Gewissensbisse und kein bisschen Respekt vor dem menschlichen Leben.

»Wer bist du?«, flüstere ich.

Zwei Schritte, und er steht vor mir, legt die Hand um meinen Hals und drückt zu. Ich bekomme keine Luft mehr. »Ich bin dein schlimmster Alptraum, wenn du nicht Vernunft annimmst und tust, was ich sage!«, schreit er mir ins Gesicht. Ich spüre seinen Speichel auf meiner Wange.

Ich schaudere und versuche, den Kopf so weit wie möglich rückwärtszubewegen. Danny zieht mich am Hals zu sich heran, dann schmettert er meinen Kopf an die Betonwand. Lichter tanzen vor meinen Augen. Ich gleite an der Wand abwärts und sinke auf die Matratze. Danny setzt sich rittlings auf mich. Ich kann die Arme nicht bewegen, denn er drückt sie mir mit den Knien in die Matratze. »Siehst du, ich kann mit dir machen, was ich will.« Sein Finger zeichnet eine Linie von meiner Kehle nach unten, dann packt Danny brutal meine Brüste. »Weil. Du. Mir. Gehörst. Verstanden?« Er greift nach dem Halsausschnitt meines Kleides und reißt den Stoff bis zum Ansatz meiner Brüste herunter. »Du hattest schon immer heiße Möpse.« Er beugt sich vor und küsst mich auf den Hals und zwischen die Brüste. Tränen laufen mir übers Gesicht und tropfen auf die Matratze. Ich höre auf, mich zu wehren, blicke zur Decke und stelle mir Chase’ Gesicht vor. Seine wundervollen tiefblauen Augen.

Bevor ich begreife, was los ist, werde ich von der Matratze hochgerissen, und Danny schlägt mir hart ins Gesicht. Der Riss in meiner Lippe, der von dem Überfall in meinem Brautzimmer stammt, springt wieder auf, und ich spüre einen metallischen Geschmack auf der Zunge. »Was erlaubst du dir? Glaubst du, du kannst einfach die Augen zumachen und an jemand anders denken, während ich dich streichle?« Danny schlägt mich erneut. Diesmal erwischt er mein linkes Auge. Es fängt an zu pulsieren. »Du blöde Schlampe! Du hast seinen Namen geflüstert.«

Danny steht auf und läuft von einem Ende des Raums zum anderen. Die Kammer misst nur ungefähr drei mal drei Meter, er läuft also nicht weit. Ich fühle nach, ob er mir außer einem blauen Auge noch andere Verletzungen zugefügt hat. Offenbar nicht. Ich taste mit der Zungenspitze über die Unterlippe und drücke mit dem Finger auf die geplatzte Stelle, damit sie aufhört zu bluten. Mit der anderen Hand halte ich den zerrissenen Stoff vor der Brust zusammen. Wenigstens hat er mir nicht das Kleid heruntergerissen. Ich fürchte, wenn er das tut, ist es vorbei. Dann wird er mich vergewaltigen.

Schließlich, nachdem er minutenlang vor sich hin gebrütet hat, bleibt Danny stehen und zeigt mit dem Finger auf mich. »Du wirst es lernen. Du wirst ihn vergessen.« Ich schüttele den Kopf. Ein Fehler. Er brüllt mich an, packt meinen Kopf aufs Neue und schlägt ihn gegen die Betonwand. Um mich herum wird es schwarz.

Warum, warum, warum kann sie nicht einfach auf mich hören? Himmel, der Typ hat ihr das Gehirn gewaschen. Was ist aus meiner perfekten Prinzessin geworden? Ich werfe die Tür zu ihrem Gefängnis zu, verriegle sie und schiebe den Schlüssel in meine Hosentasche. Ich steige die Treppe hinauf. Auf halber Höhe setze ich mich auf eine der kalten Betonstufen. »Verdammt!«

Okay, denk nach, Danny, denk nach. Ich will sie, seit sie mich vor über einem Jahr verlassen hat. Seitdem habe ich viel Zeit damit verbracht, mir vorzustellen, wie anders die Dinge sein würden, wenn ich sie erst wiederhätte. Sie will gevögelt werden wie eine Hure. Das soll sie kriegen, und zwar bald. Ich habe im Laufe der Jahre alles gevögelt, was mir unter die Finger gekommen ist, aber nicht meine Gillian. Meine perfekte Prinzessin. Sie verdiente was Besseres. Bis zu dem Tag, als sie nackt auf alle viere ging und mir ihren Wahnsinnshintern präsentierte. Da ist etwas in mir geplatzt. Der ganze Hass, den ich vor ihr zurückgehalten habe, ist hochgekommen. Ich musste an all die anderen Weiber denken, die ich gevögelt hatte. Nichts als gierige Schlampen, die es besorgt haben wollten, egal, von wem.

Aber nicht meine Gillian. Nein, sie wollte ich niemals beschmutzen wie diese Huren. Sie war anders, sie war perfekt und gebrochen, als wir uns begegneten. Irgendwann habe ich herausgefunden, was der Kerl vor mir mit ihr angestellt hat. Und dann habe ich fast ein Jahr gebraucht, bis sie mir gehörte. Ich habe sie behandelt wie die Königin, zu der ich sie am liebsten gemacht hätte. Sogar als ich sie dort, in dem Hotelzimmer, in ihrem Brautkleid gesehen habe, hatte ich solche Gedanken. Meine Prinzessin, da steht sie in ihrem weißen Kleid und wartet auf mich.

Tja, wenn sie glaubt, sie kommt hier wieder raus und geht zurück zu ihm, hat sie sich geschnitten. Ich werde sie brechen. Ist mir egal, wie lange es dauert. Sie wurde schon einmal gebrochen, von Justin. Ich werde mir einfach ein paar Scheiben von ihm abschneiden. Am Ende wird sie zur Vernunft kommen. Es wird ihr gar nichts anderes übrigbleiben, denn wenn ich sie nicht haben kann, wird sie keiner haben.

Ich stehe auf. Es wird Zeit, dass ich Pflaster oder Verbandszeug für ihren Kopf und ihre Lippe besorge. Dummes Biest. Wenn sie nur einfach anfangen würde, auf mich zu hören, dann müsste ich sie nicht zur Besinnung prügeln. Am Ende der Treppe schiebe ich den Riegel der verrotteten Holztür zurück. Draußen scheint die Sonne an einem strahlend blauen kalifornischen Himmel. Die Bäume, die das Grundstück umgeben, sind dicht belaubt. Meine Eltern legten keinen Wert auf Nachbarschaft. Wahrscheinlich, weil sie mich die ganze Zeit verdroschen und normale Leute wenig übrig haben für Menschen, die ihr Kind halb tot schlagen.

Am Rand des Grundstücks, weit weg vom Haus, hatte ich jedoch einen perfekten Zufluchtsort. Meine Eltern wussten nichts davon. Das Haus war damals schon mindestens hundert Jahre alt und verfügte über einen Luftschutzbunker. Einen kleinen betonierten Raum in der Erde, der wahrscheinlich einen Nuklearkrieg überstehen würde. Solche Dinge sind in Kalifornien nicht gerade üblich, aber damals war ich demjenigen, der dafür gesorgt hatte, extrem dankbar. Über die Jahre hat der Bunker sich als geniales Versteck erwiesen. Neben der Treppe gibt es sogar einen Schrank, wo ich meine Waffen, den Sprengstoff und einen Safe mit meinen Papieren aufbewahre – praktisch alles, was mir wichtig ist.

Das Haus selbst existiert natürlich nicht mehr. Ich habe es mitsamt den Leichen meiner Eltern abgefackelt, als ich vierzehn war. Stattdessen besitze ich jetzt ein Wohnmobil, das ich günstig erstanden habe. Es sieht nach nicht viel aus, aber es funktioniert. Ich habe einen Wasseranschluss legen lassen und beziehe Strom aus einem Generator. Auch wenn das alte Haus nicht mehr da ist, höre ich, wenn ich nachts wach liege, die Geister von damals, als ich meine biologischen Eltern umbrachte. Wir müssen weg von hier, und zwar bald. Wenn ich Gillian endlich so weit habe, ziehen wir los und leben irgendwo, wo es schön ist. Ich habe gespart. Das Geld aus der Lebensversicherung meiner Eltern, das mir mit achtzehn ausgezahlt wurde, ist zum größten Teil noch da, ebenso wie die Abfindung, die ich erhielt, weil ich meinem Land gedient hatte. Wenn man kein Zuhause hat, bezahlt man keine Rechnungen, also gibt man nicht viel aus. Ich lebe bescheiden, trotz meines Jobs als Buchprüfer und eines satten Gehalts. Tja, alles für diesen Augenblick – wenn ich die perfekte Frau finde. Ich wusste gleich beim ersten Date, dass sie die Richtige war. Sie hat zwar nie gesagt, sie würde mich lieben, aber mir war klar, dass das an Justin lag und an dem, was er ihr angetan hatte. Es wird Zeit brauchen, bis sie einsieht, wie gut es zwischen uns wird, und Zeit habe ich genug – den Rest meines Lebens.

Irgendetwas hat mich dazu gebracht, hierher zurückzukommen, zu diesem verdammten Loch tief in der Erde. Und ich bin froh darum. Niemand kann mein Mädchen schreien hören, und niemand wird uns finden, während ich daran arbeite, dass sie wieder mein wird. Da liegt sie jetzt auf der Matratze in der Betonkammer, immer noch in dem teuren Hochzeitskleid. Das macht mich total an – der Schmutz und das Blut auf dem feinen Stoff.

Ich sollte ihr ein paar Klamotten besorgen. Ein Gedanke führt natürlich zum nächsten, und ich stelle mir vor, wie ich ihr das Kleid ausziehe. Als ich vorhin ihre Brüste angefasst und sie geküsst habe, da ist mir die Hose verdammt eng geworden. Ich muss Gillian haben, ich muss sie nehmen, und das bald. Es ist nur eine Frage der Zeit. Wenn ich ihren Duft spüre, diesen Geruch nach Vanille und Kirschen, und das Salz auf ihrer Haut schmecke … Es ist, als käme ich nach Hause. Und jetzt bin ich zu Hause. An dem Ort, an dem ich aufgewachsen bin.

Bald wird Gillian mich genauso lieben wie ich sie. Dafür werde ich sorgen. In der Zwischenzeit muss ich etwas unternehmen, damit sie sich säubern kann. Ich habe keine Lust auf eine ungewaschene Frau. Bis ich ihr so weit trauen kann, dass ich ihr erlaube, im Wohnmobil zu duschen, werden wir uns wohl mit Feuchttüchern behelfen müssen. Ja, ich werde mich um mein Mädchen kümmern. Langsam, Zentimeter für Zentimeter, werde ich ihr das Kleid herunterziehen und sie reinigen. Bis sie bereit für mich ist. Wenn ich ihre Haut genug berührt und gestreichelt habe, so wie sie es mag, dann wird sie mich anflehen, sie zu ficken. Es kann nicht sein, dass sie nicht mehr weiß, wie es zwischen uns war. Wie gut es sich angefühlt hat, wenn ich in ihr war. Das waren die einzigen Momente, in denen alles andere verschwand. Die Schreie in meinem Kopf, die Dämonen, die mir sagen, was ich tun soll, dass ich anderen Menschen weh tun, dass ich Gillian zurückholen soll. Das alles war weg.

Ich brauche bloß Sex mit meiner Prinzessin, dann wird alles Schlechte vergehen. Mein rasender Zorn, der ganze Wahnsinn, all das wird verschwinden. Sich auflösen. Solange ich sie habe, kann ich sein, wie ich wirklich bin. Das will ich zurückhaben. Diese Ruhe nach dem Sturm. Genau das ist Gillian immer für mich gewesen, seit dem ersten Tag, als wir uns im Fitnessstudio begegneten. Vielleicht habe ich gleich das kaputte kleine Mädchen in ihr erkannt. Wahrscheinlich hat sie den kaputten kleinen Jungen in mir angesprochen. Wenn wir zusammen waren, war alles gut. Mein Geist wurde still. Ich konnte schlafen, arbeiten, duschen, ohne an früher zu denken. Daran, was meine Eltern mir angetan haben, wie alle weggeschaut, die blauen Flecken nicht gesehen haben und auch nicht die Angst und den Schmerz in meinen Augen. Nachdem ich sie umgebracht hatte, waren meine Eltern körperlich verschwunden. Ihre Fäuste waren weg, aber nicht ihre Stimmen. Ich kann sie immer noch hören. Sie rufen mir Schimpfnamen zu, brüllen mich an, machen mich fertig, sagen mir, ich sei hässlich, ein schlechter Sohn, ein böser Mensch.

Der ganze Mist löste sich in nichts auf, wenn ich bei meinem Mädchen war. Deshalb brauche ich sie. Unbedingt. Sie ist meine Rettung, und wenn ich erst mal wieder in ihr drin bin, wird sie sich erinnern. Ich gehöre zu ihr. Ich war es, der die einstweilige Verfügung gegen Justin erwirkt und dafür gesorgt hat, dass er sie lange Zeit nicht mehr belästigte. Bis er sie dann eines Tages wieder angefasst hat. Natürlich war es ein Kinderspiel, ins Haus seiner Eltern einzubrechen – wo er seinen vom Gericht angeordneten Hausarrest verbrachte, um sich von der Prügelei mit Gillians Bodyguard zu erholen – und ihn im Schlaf zu erwürgen. Habe es einfach nach Selbstmord aussehen lassen. Keine große Sache, ich habe seinen Gürtel benutzt. Die einzigen Fingerabdrücke, die sie finden können, sind seine eigenen. Ich habe zwei Gürtel zusammengefügt, einen für den Dachbalken und einen für Justins Hals. Dann habe ich seine Leiche genommen, seinen Kopf durch die Schlinge geschoben, die Länge des Gürtels abgeschätzt und sachte den Stuhl unter ihm weggekickt. Als ich hinausging, pendelte sein Körper immer noch hin und her. Habe sogar ein Foto gemacht, um es Gillian zeigen zu können. Ich will es ihr als Geschenk überreichen. Vielleicht wenn wir unser neues schönes Leben angefangen haben, irgendwo am Meer, weit, weit weg von hier.

KAPITEL 2

Ich träume wieder von ihr. Nur ist sie diesmal am Leben, strahlend und wunderschön. Ihr mahagonifarbenes Haar gleitet seidenweich durch meine Finger und breitet sich wie ein Fächer auf dem weißen Laken aus. »Baby«, raune ich und reiße plötzlich die Augen weit auf. Ein Hauch von Vanille liegt in der Luft, und ich blicke mich um. Voller Panik suche ich nach ihr. Die Stewardess bietet Jack ein Getränk an und geht dann an mir vorbei. Eine Duftwolke umgibt sie. Genau so riecht Gillian. Dieser Vanilleduft ist ein Teil von ihr, wie eine zweite Haut. Aber es ist nicht sie. Es war nur wieder ein Traum. Immer wieder nur ein Traum. Entweder wird sie gerade gefoltert, und ihr Körper besteht nur noch aus klaffenden Wunden, oder sie ist so schön wie eh und je, und ich bin es, der gefoltert wird, weil ich ständig ihr Bild vor mir sehe. Letzteres ist mir lieber.

Jack hat Dr. Madison, Gillians Therapeuten, darüber informiert, was mit ihr passiert ist, und um ein Rezept für ein Schlafmittel gebeten. Er kennt mich gut. Die einzigen Momente, in denen es mir gelingt, diese zwei kleinen Pillen herunterzuwürgen, sind die, wenn ich mich in eins meiner Flugzeuge setze. Wir sind auf dem Weg nach Hause. Ich habe das Gefühl, dass es das Richtige ist. San Francisco ist der Ort, wo wir jetzt sein sollten. Auch wenn Daniel McBride sein Opfer vielleicht nicht dorthin gebracht hat, sollten wir alle Kräfte an diesem Ort konzentrieren. Das FBI ist inzwischen mit einbezogen, weil McBride bei der Entführung sowohl Staats- als auch internationale Grenzen überschritten hat. Thomas Redding, Marias Freund, ist nach wie vor der leitende Ermittler. Dafür musste ich allerdings bei ein paar wichtigen Leuten in Washington meine Kontakte spielen lassen. Was soll’s. Ich werde zum Ausgleich Geld spenden. Egal, welche Kampagne diese Blutsauger gesponsert haben möchten, solange ich nur meine Verlobte zurückbekomme.

Mein Gott. Meine Verlobte. Sie sollte längst meine Frau sein. Mrs Gillian Davis. Vor vier Tagen hätten wir heiraten sollen, bis dieser Dreckskerl sie mir gestohlen und meiner Mutter die Kehle durchgeschnitten hat. Der Knoten in meinem Magen zieht sich schmerzhaft zusammen, und ich beuge mich vor und presse die Hand auf den Bauch.

»Sir? Ist alles in Ordnung?« Jack greift besorgt nach meiner Schulter.

Ich stoße seine Hand weg. »Ja. Was zum Teufel habt ihr rausgefunden? Habt ihr irgendwas?«

»Chase, es ist erst ein paar Stunden her. Wir landen gleich am San Francisco International Airport. Dann werde ich mehr wissen.«

Dann wird er mehr wissen. Als würde damit der Schmerz, der in jeder einzelnen Zelle meines Körpers wütet, verschwinden. Wo ist sie? Endlos kreisen die Gedanken in meinem übermüdeten Gehirn. Sie ist nicht wirklich weg. Dieser Sadist hat sie irgendwo versteckt, und ich werde sie finden, und sie wird am Leben sein und gesund.

Wir verlassen das Flugzeug. Ein Wagen steht schon auf der Landebahn bereit. »Bring uns zur FBI-Zentrale«, sage ich zu Jack.

Er presst die Lippen zusammen. »Sir, wir werden uns mit Detective Redding und Agent Brennen an einem sicheren Ort ganz in der Nähe treffen. Falls wir gleich wieder losfliegen müssen, ist besser so, dachte ich.«

»Ja, danke, Jack. Gute Idee.« Gott sei Dank gibt es jemanden, der noch bei klarem Verstand ist. In meinem Kopf tobt ein Wirrwarr aus Gefühlen. Ein ganz neuer Zustand für mich. Gillian bringt viele unbekannte Saiten in mir zum Klingen, und die emotionale ist die schwierigste. Bevor ich ihr begegnete, habe ich nie einen Gedanken daran verschwendet, was die Leute von mir dachten, wofür ich mein Geld ausgab, was die Medien sagten oder schrieben, und ganz sicher war ich nicht daran interessiert, echte Freundschaften zu schließen. Das war mir einfach egal. Es war Gillians Einfluss, der mir bewusst machte, wie leer und oberflächlich mein Leben war, bis sie es mit Licht und Liebe erfüllte. Sie bringt mich dazu, dass ich der Mann sein will, auf den sie stolz sein kann.

Im Moment bin ich allerdings eher im Begriff, mich wieder in den gewieften Geschäftsmann, den anspruchsvollen, dominanten Milliardär zu verwandeln, der keine Bedenken hat, mit Geld um sich zu werfen, damit er bekommt, was er will. Solange es nur dazu führt, dass Gillian wieder in meinen Armen und in meinem Bett liegt und mein Leben wieder vollständig ist. Dafür werde ich Himmel und Hölle in Bewegung setzen, ich werde jeden aus dem Weg räumen, der die Ermittlungen behindert, und so viel Macht und Einfluss und Geld aufwenden wie nötig. Ich will nur eines: Gillian, die zarte Rothaarige mit den Wahnsinnskurven. Ich gehöre ihr, mit Körper, Geist und Seele.

Jack bringt uns zum Flughafenhotel. Als wir die Lobby betreten, führt uns der Hotelmanager am Empfangstresen vorbei direkt zum Aufzug. »Mr Davis, danke für Ihren Besuch in unserem Haus. Als Ihr Mitarbeiter uns heute Morgen anrief, haben wir sofort sichergestellt, dass alles zu Ihrer Zufriedenheit vorbereitet ist. So wie angeordnet.« Ich ziehe die Brauen zusammen. Ich weiß nichts von irgendwelchen Anordnungen. Der Mann blickt zu Jack und dann wieder zu mir. »Äh, Computer, sichere Internetverbindung und permanenter Zugang zur Penthouse-Suite für einen gewissen Detective Thomas Redding und einen Agent Brennen.«

Ich nicke nur und richte den Blick auf das Display mit den Etagennummern. Im fünfunddreißigsten Stock hält der Aufzug an. Die Tür öffnet sich zu einem kleinen Flur hin. Links befindet sich eine zweiflügelige Tür, rechts ebenfalls. »Wie gewünscht haben wir Ihnen beide Zimmer reserviert. Sie werden völlig ungestört sein, Sir. Hier sind Ihre Schlüssel.« Er streckt mir die beiden Karten hin, nachdem er die Türen zu einem der Suiten geöffnet hat.

Das Zimmer, das wir betreten, ist geräumig und hat eine grandiose Aussicht. Aber ich mache mir nichts weiter daraus. Kann Gillian aus ihrem Käfig hinausschauen? Ist sie in einen Turm gesperrt, irgendwo hoch über den Wolken? Oder sitzt sie in einem verdreckten Verlies ohne Licht? Eine Gänsehaut überläuft mich. Ich werfe mein Jackett über die Lehne eines Sessels und gehe zur Bar, wo ich mir zwei Fingerbreit Macallan einschenke, in einem Zug austrinke und die nächsten zwei Fingerbreit in ein frisches Glas fülle. Ich sehe Jack an und deute auf das Glas. Er kommt, nimmt das Glas und leert es ebenfalls in einem Zug. Dann holt er tief Luft und gibt mir das Glas zurück.

»Noch einen?« Ich weiß, dass ich mehrere brauchen werde, um die Nacht zu überstehen. Jack schüttelt den Kopf. Um ehrlich zu sein, hat es mich überrascht, dass er überhaupt einen Drink angenommen hat. Er trinkt normalerweise gar nichts, wenn er arbeitet, aber so wie die Dinge stehen, bleibt er vorne mit dabei, bis Gillian gefunden ist. Ich kenne Jack sehr gut. Er wird es nicht wagen, mich im Stich zu lassen, bevor Gillian nicht in Sicherheit ist. Er ist mein Fahrer und mein Leibwächter, aber ich kenne den Mann seit meiner Kindheit.

Es klopft dreimal an der Tür, und Jack verlässt den Raum. Kurz darauf kommen Thomas, Maria und eine weitere Person, bei der es sich wahrscheinlich um Agent Brennen handelt, ins Zimmer. Der Agent ist ein unscheinbarer Typ in einem graubraunen Anzug, der etwas formlos an ihm hängt. Mit dem weißen Schnauzer und dem Vollbart, hinter dem die untere Hälfte seines Gesichts verschwindet, ähnelt er eher Colonel Sanders, dem bekannten Restaurantbesitzer, als einem seriösen Federal Agent mit jahrelanger Militärerfahrung. Ich schließe die Augen und bete, dass sich hinter diesem Großvatergesicht die Mentalität eines Samurai-Kriegers verbergen möge.

Marie stürmt an den beiden Männern vorbei, schlingt die Arme um mich und drückt mich an sich. Ich halte sie, ohne den Druck zu erwidern. Ich fühle mich innerlich tot. Es gibt keine Frau außer Gillian, die mich trösten könnte.

Maria weicht ein Stück zurück, hält aber mit ihren eisblauen Augen meinen Blick fest. »Sie lebt«, raunt sie so leise, dass nur ich es hören kann.

»Ja, du hast recht.«

Sie nickt und holt tief Luft.

Stirnrunzelnd blickt Jack zu dem italienisch-spanischen Temperamentsbündel hinüber. »Weshalb ist sie hier?«

Er spricht aus, was ich denke.

Maria wirbelt herum und stemmt eine Hand in die Hüfte. Ihre schwarze Mähne fliegt ihr um den Kopf, als wäre sie statisch aufgeladen. »Das ist mein Mann.« Sie deutet auf Thomas. »Und er«, sie deutet auf mich, »ist der Verlobte meiner besten Freundin. Die wiederum vermisst wird. Ich habe jedes Recht, hier zu sein. Sie haben Glück, dass ich entwischen konnte, ohne dass die anderen beiden was mitbekommen haben. Und jetzt cállate. Es gibt Neuigkeiten.« Sie setzt sich, beugt sich vor und presst die Handflächen aneinander. »Mach schon, Tommy.«

Thomas holt erst einmal tief Luft. »Chase Davis, Agent David Brennen.«

Ich schüttele dem Mann die Hand. Er hat einen ziemlich festen Griff. Starker Typ, starker Verstand … hoffentlich.

»Setzen Sie sich. Gehen wir erst mal die Informationen durch, die wir haben.« Wir setzen uns. Zwei Couches stehen sich gegenüber, mit einem Tisch dazwischen. Jack stellt sich in Sichtweite hinter die Couch, eine Gewohnheit, die er sich beim Militär zugelegt hat. Er sagt immer, er möchte jederzeit auf dem Sprung sein. Ich stelle das nicht in Frage. Der Mann hat bei der Operation Desert Storm im Irak genug Attacken aus dem Hinterhalt erlebt. Er wird wissen, was er tut.

»Aufgrund der Informationen, die Sie uns heute Morgen geliefert haben, konnten wir ermitteln, dass Daniel McBride in Wirklichkeit Daniel Humphrey heißt.« Agent Brennen spricht laut und deutlich und sehr sachlich. Ein absoluter Widerspruch zu seinem Äußeren und seiner Kleidung. »Er wurde als Teenager adoptiert, nachdem seine Eltern bei einem Hausbrand gestorben waren.«

»Und er ist entkommen?«, frage ich. Dem Ton des Agenten entnehme ich, dass es mehr dazu zu sagen gibt.

Brennen nickt. »Ja, er war der einzige Überlebende. Damals fasste die Polizei es als tragischen Fall auf. Der Heizofen stand offen, ein Funke fiel auf den Teppich und so weiter. Der Junge, Daniel Humphrey, alias Daniel McBride, konnte sich gerade noch durch einen Sprung aus dem Fenster seines Zimmers retten. So ist er auch zu der Narbe an seiner Hand gekommen. Zumindest behauptet er das. Laut dem Bericht hat er wiederholt ausgesagt, er habe den Knauf seiner Zimmertür gegriffen und sich dabei verbrannt. Aber sehen Sie sich diese Fotos an.« Der Agent legt das Foto einer blassen, schmutzigen Hand auf den Tisch. »Betrachten Sie die Brandwunde.«

Ich blicke auf die Hand. Die Hand, die meiner Mutter die Kehle durchgeschnitten und Gillian entführt hat. »Die Wundfläche ist nicht rund«, sage ich schließlich.

Agent Brennen grinst, als hätte er im Lotto gewonnen. »Genau. Hätte er nach dem Türknauf gegriffen, wäre die Brandwunde rund oder würde den Umrissen des Türgriffs entsprechen. Diese Verbrennung zieht sich aber fast über die gesamte äußere Handfläche, so als hätte McBride sich mit einem sehr heißen Gegenstand die oberen Hautschichten verbrannt.«

»Worauf wollen Sie hinaus?« Ich habe keine Lust mehr auf Ratespiele. »Kommen Sie zum Punkt, Agent Brennen. Während wir hier reden, befindet meine zukünftige Frau sich in den Händen dieses Mannes.«

»Ich denke, er hat sich diese Brandwunde zugezogen, als er das Feuer gelegt hat. Was auch immer er in der Hand hielt, eine Fackel oder etwas in der Art, hat ihm dabei die Hand versengt.«

»Sie glauben, er hat seine Eltern getötet?«, fragt Maria atemlos.

Agent Brennen nickt. »Ja, das glaube ich tatsächlich. Meiner Meinung nach hat er sie genauso getötet wie die arme Frau in dem Yogastudio und Mr Davis’ Mutter. Nicht zu vergessen der Mordanschlag auf Mr Parks. Dieser Mann ist äußerst geschickt, extrem intelligent und sehr verschwiegen. Unser Profiler meint, dass ihn wahrscheinlich eine Art Liebeswahn mit Gillian verbindet.« Ich fluche lautlos. »Nein, Mr Davis, das könnte sich als Vorteil erweisen. Wenn McBride glaubt, sie gehöre ihm, bedeutet das, dass er sich tief mit ihr verbunden fühlt. Wahrscheinlich meint er sie zu lieben. Die Chancen stehen gut, dass er sie deswegen erst mal nicht umbringt.«

»Dann ist sie also vorerst in Sicherheit.«

Brennens Augen werden schmal. »Nein, das würde ich nicht sagen. Solange sie diese Gefühle nicht erwidert, wird er ihr weh tun. Er wird versuchen, ihre Verbindung zu Ihnen und zur übrigen Welt abzubrechen, so dass für sie alle Wege immer wieder nur zu ihm zurückführen.«

Ich schließe die Augen und atme tief durch. Schließlich stehe ich auf und beginne, auf und ab zu laufen. »Wie gehen wir weiter vor?« Ich spüre, wie sich um mich herum ein Energiefeld aufbaut. Ich bin voll konzentriert. Es ist das gleiche Gefühl wie vor der Übernahme einer vom Bankrott bedrohten Firma. Die Jagd hat begonnen. Wir werden Gillian finden.

Thomas loggt sich auf einem der Laptops ein, die Jack auf dem Couchtisch aufgestellt hat. »Also, sein Apartment haben wir schon überprüft«, erklärt er. Ich sehe ihn eindringlich an. »Dort war er nicht. Er hat offenbar sehr genügsam gelebt. Allerdings haben wir genügend Beweise für seine Bombenattacke auf das Fitnessstudio gefunden.« Ich treibe Thomas mit einer Geste an, schneller zu reden. »Er hat seinen Arbeitsplatz vor über einer Woche verlassen und wurde seitdem nicht mehr gesehen. Sein Chef sagt, er habe sich einen Monat unbezahlten Urlaub genommen. Reiseziel …« Er ballt wütend die Faust. »Mexiko.«

Natürlich. Meine Hochzeit, verdammt. »Na schön, das wissen wir jetzt. Was wissen wir noch nicht?«, frage ich barsch.

»Der Ort, an dem er aufgewachsen ist. Das Grundstück gehört ihm noch. Laut Google Earth befinden sich keine Gebäude darauf. Es wirkt verlassen.«

»Wo ist es?«

»San Diego.«

Ich drehe mich zu Jack um, aber der ist schon auf dem Weg zur Tür. Ruhig begebe ich mich zu dem Sessel, auf dem mein Jackett liegt, und ziehe es an.

»Was hast du vor?«, will Thomas wissen.

Ich blicke ihn an, als wüsste er gar nichts und wäre völlig unbedeutend. In diesem Moment hasse ich mich selbst, aber ich halte an dieser Version meines Selbst fest. Ich bin nicht der Mann, der herumheult, weil seine Verlobte entführt oder seine Mutter ermordet wurde. Ich bin der Mann, der tut, was nötig ist, um zu bekommen, was er braucht und was er will.

Jack erteilt über sein Handy Anweisungen, während die anderen uns aus der Hotelsuite folgen. »Lasst den Flieger auftanken, und gebt den Flugplan durch. Nonstop nach San Diego International. Bestellt zwei Autos, direkt auf die Landebahn. Wir sind in fünfzehn Minuten am Hangar.«

»Wir kommen mit«, sagt Thomas. Seine Wut scheint sich in Entschlossenheit verwandelt zu haben.

»Das habe ich mir schon gedacht.«

»Es ist ein verlassenes Grundstück. Kann sein, dass wir dort gar nichts finden. Morgen früh fahren wir als Erstes dorthin.«

Natürlich will er mir zeigen, dass er zu jeder Anstrengung bereit ist, und das weiß ich zu schätzen. Aber jetzt ist nicht der Moment für einen beruhigenden Klaps auf die Schulter. Jetzt geht es ums Ganze, und wir können uns keine Sekunde Ruhe gönnen, wenn wir rechtzeitig finden wollen, wonach wir suchen.

»Morgen früh kann Gillian tot sein.«

»Chase! Chase, ich bin es!«, schreie ich. Der Wind trägt meine Stimme zu dem Mann, der weit draußen allein auf einer Klippe steht. Er trägt einen eleganten Smoking, und sein dunkles Haar flattert im Wind. Tief unter ihm donnert die Brandung gegen die Klippen. »Chase!«, schreie ich wieder, aber er hört mich nicht. Der Sand ist nass und matschig, und meine nackten Füße versinken darin bei jedem Schritt. Sand, Steine, Muscheln bleiben in meiner Schleppe hängen und machen sie schwer. Ich zerre an dem Kleid, da lösen sich Stofffetzen. Kleine Satinstreifen werden in die Luft gewirbelt und bilden eine magische Wolke um mich herum.

Ich laufe schneller, aber Chase fängt an, in die andere Richtung zu gehen. Er hält den Kopf gesenkt und lässt die Schultern hängen.

»Chase!« Ich schreie, so laut ich kann. Mein Mann bleibt stehen. Endlich dreht er sich um und sieht mich. Er sieht mich. Selbst aus der Entfernung ist sein Lächeln überwältigend. Die Schleppe zieht wie verrückt an meiner Taille und ist inzwischen voller Schlamm. Ich versuche, mich des Mieders zu entledigen, und zerre wild an dem Satin. Weit entfernt höre ich, wie Stoff zerreißt – nein, geschnitten wird. Der Strand wankt unter meinen Füßen, und ich bemühe mich, nicht den Halt zu verlieren. Chase streckt die Arme aus. Ich bin schon ganz nah, aber nicht nah genug. Das Kleid zerrt mich immer wieder zurück, und ich falle rückwärts – nicht auf Sand, sondern auf etwas Weiches, Federndes. Mit aller Kraft versuche ich, mich aufzurichten, doch diesmal habe ich das Gefühl, als müsste ich mich gegen den Wind stemmen. Er drückt mich jedes Mal zurück auf den Boden. Ich kämpfe und kämpfe und versuche, auf die Füße zu kommen. Chase ist stehen geblieben. Er kommt nicht zu mir. Er ist nah genug, um zu sehen, wie ich mich abkämpfe, aber er kommt nicht.

Wieder zerre ich an dem Kleid. Endlich zerreißt es und gibt mich frei. Ich stoße gegen einen harten Körper – und öffne die Augen. Der Strand ist verschwunden. Der muffige Geruch von feuchtem Beton und Schimmel vermischt sich mit dem Geruch nach Männerschweiß und vertreibt die frische Meeresluft und den Strand, wo ich im Traum meinen Chase gesehen habe. Ich höre mich selbst keuchen. Am schweißfeuchten Hals eines Mannes. Nicht irgendeines Mannes. Meines Entführers.

»Gott sei Dank bist du endlich wach.« Ich spüre Daniels Lippen an meinem Hals.

Mir wird übel. »Was?«, keuche ich. Als ich merke, dass das Miederoberteil meines Kleides teils zerrissen, teils zerschnitten ist, versuche ich, Daniel wegzuschieben. Er hält mir eine Schere vor die Nase. Das Licht der Glühbirne, die an der Decke hängt, fängt sich darin. Wie ein verängstigtes Tier weiche ich zurück. Das Seilzugsystem erzeugt über meinem Kopf grässliche Geräusche, als Metall über Metall schrammt. Ich stoße mit dem Rücken an die eisige Betonwand. Instinktiv kreuze ich die Arme vor der Brust. Die Kälte des Raums dringt mir bis in die Knochen. Nachdem mein Oberteil zerrissen ist, sind meine Brüste entblößt.

Daniel verschlingt sie mit Blicken. Ich schlucke reflexhaft und kämpfe darum, mich nicht zu erbrechen. Wenn er mich berührt, könnte das passieren.

»Du warst schon immer wunderschön, Prinzessin, aber wenn ich dich jetzt so sehe, wie du nackt für mich dasitzt, fällt mir ein, was für eine gute Zeit wir miteinander hatten. Erinnerst du dich, wie ich mit dir geschlafen habe?«

Ich schüttele den Kopf. »Danny, nein, das willst du nicht.« Ich höre die Panik in meiner Stimme.

Er grinst breit. »Natürlich will ich. Aber du bist zu schmutzig. Ich habe dir was mitgebracht.« Er legt eine Packung Feuchttücher, ein weißes Tanktop und ein Paar Shorts auf der Matratze ab. Die Sachen könnten fast als Unterwäsche durchgehen. »Ich will, dass du dieses widerliche Kleid ausziehst und dich von Kopf bis Fuß reinigst, auch dort unten«, er blickt auf meinen Schoß, »bis du ganz sauber für mich bist. Wenn du dich brav verhältst, nehme ich dich vielleicht mit nach oben in mein Wohnmobil und liebe dich in einem richtigen Bett anstatt hier auf der Matratze.«

Ich verschlucke mich fast und versuche, ruhig weiterzuatmen. Ich darf jetzt nicht empört klingen. »Wann, Danny?«

»Du kannst es wohl nicht erwarten, mit mir in die Kiste zu springen, was?« Sein Grinsen wird immer breiter.

Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals zuvor ein solches Grinsen bei ihm gesehen zu haben. Das ist nicht der Mann, mit dem ich fast ein Jahr eine Beziehung hatte. Dieser Kerl ist eiskalt und berechnend, und er macht mir Angst. Der Danny, den ich kannte, war freundlich und lieb und hat mich wie ein zerbrechliches, wertvolles Kunstwerk behandelt.

»Danny, warum tust du das?«

Sein Gesicht verzieht sich, und seine Lippen bilden eine schmale Linie. »Du weißt, warum.« Weißglühender Zorn leuchtet aus seinen Augen, und ich habe das Gefühl, er könnte mir mit seinem Blick die Haut versengen. »Offenbar hat dieser reiche Wichser dich manipuliert und blind gemacht. Du hast wohl nur noch Diamanten gesehen und vergessen, was ein richtiger Mann ist. Wie es ist, wenn jemand da ist, der dich liebt und sich so um dich kümmert, wie es sich gehört.« Er macht ein paar Schritte, packt mich und zieht mich an seine Brust. Die Ketten klirren, als er mich an sich reißt. »Du wirst dich erinnern. Egal, wie lange es dauert. Du wirst wieder wissen, wie gut wir zusammenpassen. Wie vollkommen es sein kann, wenn es nur uns beide gibt, dich und mich.«

Brutal packt er meinen Kopf und presst seine Lippen auf meine. Als er versucht, mir seine Zunge in den Mund zu schieben, beiße ich fest zu.

»Blöde Kuh!«, brüllt er und schlägt mich mit dem Handrücken. Ich falle auf die Matratze. Wieder fängt eine Hälfte meines Gesichts an zu pochen. »Säubere dich, zieh das Kleid aus, und wisch auch noch den kleinsten Rest deines alten Lebens von deinem Körper. Damit ist es für immer vorbei. Und wenn du nicht ganz schnell Vernunft annimmst, Gillian, werde ich böse. Dann bin ich gezwungen, dir eine Lektion zu erteilen. Verstanden?« Er stützt ein Knie auf die Matratze, als er mein Kinn ergreift und hochzieht und mich zwingt, ihm in die Augen zu schauen. Verschwunden ist die Freundlichkeit von damals. Ich sehe nur noch blanken Hass in seinem Blick. Daniels Fingerspitzen graben sich schmerzhaft in meinen geprellten Unterkiefer. »Na, was ist?«, brüllt er mich an.

»Okay, okay, ich hab verstanden. Danke, Danny. Ich werde mich säubern«, bringe ich heiser heraus.

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