Trojanische Hühner - Ado Graessmann - E-Book

Trojanische Hühner E-Book

Ado Graessmann

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Beschreibung

Studenten hatten die US Botschaft in Teheran besetzt und eine ganze Nation für 400 Tage in Geiselhaft genommen. Aus ehemaligen Freunden wurden Erzfeinde, Hass und Rache bestimmen seitdem ihr Handeln. Mike befand sich als CIA Agent in der US Botschaft und konnte mit Hilfe seines alten Freundes Ali fliehen. Als Studenten in Boston hatten beide ein intimes Dreierverhältnis mit Terri. Als Mike CIA Agent wurde ging Ali zurück nach Teheran und wurde Leiter des Atomforschungsprogramms. Sait hatte die Botschaftsbesetzung organisiert, als Student wurde er von der persischen Geheimpolizei SAVAC gefoltert, nach der Besetzung wurde er zum neuen Chef der Geheimpolizei ernannt und rächte sich an seinen Peinigern. Zur Tilgung der nationalen Schmach bekam die CIA von ganz oben den Auftrag Influenza Viren genetisch so zu manipulieren, dass sie ausschließlich Iraner infizieren können. Nach einem erfolgreichen Feldversuch an der eigenen Bevölkerung ließ Mike Hühner mit dem neuen hoch pathogenen S-152i Influenza Viren infizieren. Sein Fluchtweg aus dem Iran führte einst Mike durch ein Tal das an der Grenze zum Nachbarland liegt, wo Cave und seine Brüder Hühner züchten. In den Bergen über dem Tal ließ Mike die infizierten Hühner als Trojaner aussetzen. Die S-152i Influenza Viren breiteten sich ungehindert unter der Bevölkerung aus und lösten eine landesweite Epidemie aus. Die Büchse der Pandora war geöffnet und das Unheil verbreitete sich aus.

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Seitenzahl: 457

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Ado Graessmann

Trojanische Hühner

© 2020 Ado Greassmann

Verlag & Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg

978-3-7497-9799-8 (Paperback)

978-3-7497-9800-1 (Hardcover)

978-3-7497-9801-8 (e-Book)

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Im Haus des Polemarchos

Glaukon:

Gesetze werden zum Wohl der Allgemeinheit erlassen

Thrasymachos:

Du Narr, Gesetze werden zur Machterhaltung der Herrschenden gemacht

Zeus wollte sich rächen, die Menschen hatten Prometheus das Feuer gestohlen. Zur Hochzeit der Pandora mit Epimetheus, dem Bruder des Prometheus, schenkte er ihr eine Büchse mit der Auflage, die Büchse unter keinen Umständen zu öffnen, doch sie tat es.

Aus der Büchse entwichen alle Laster und Untugenden und so kam das Schlechte in die Welt und sie wurde zu einem trostlosen Ort.

Wieder wurde die Büchse geöffnet, es begann mit der Botschaftsbesetzung und das Unheil setzte sich fort.

1

In diesem Jahr kam der Herbst früher als sonst, obwohl es erst Anfang Oktober war, lag schon früh am Morgen ein weißer Schleier auf den Wiesen, in der Nacht hatte es den ersten Frost gegeben. Man konnte förmlich sehen, wie sich die Kälte von den Bergen herunter wälzte, die Berge, sie bilden die Grenze zum Nachbarland, einige sind fast zweitausend Meter hoch. Keiner von uns war je bis zu den Bergspitzen hinauf gestiegen, was sollten wir auch dort oben, Fremde wurden dort schon seit Jahren nicht mehr gesehen, die kamen auch nicht mehr. Die Bergspitzen waren schon seit einigen Wochen mit Schnee bedeckt, bei Sonnenuntergang verfärbt sich der Horizont immer leicht rötlich und der Schnee glitzert weithin sichtbar, auch in der späten Dämmerung besteht noch ein leichtes Leuchten, ganz oben, wo fast keine Bäume mehr wachsen, an den Bergspitzen. Bis zur nächsten Stadt sind es etwas mehr als fünfzig Kilometer. Zuerst bilden sich dunkle Wolken die zunächst oben hängen bleiben, sie verhüllen die Gipfel, dann gleiten sie langsam an den Hängen herab, wie Lawinen die sich um die eigene Achse drehen, um dann nach und nach langsam nach unten hinab zu sinken, bis in das Tal hinein und mit ihnen kommt auch immer die Kälte. Am späten Nachmittag erreichen sie die Höfe die weiter unten am Ende des Tales liegen, dann sind die Berggipfel wieder frei und der Nebel liegt dicht über der Erde, nicht höher als einen halben Meter, die eigenen Füße sind kaum noch zu sehen, es fühlt sich an, als würde man durch einen kalten Bach waten.

Was hinter den Bergen liegt und wie es dort aussieht, weiß keiner von uns so genau, nie hatte einer vom Dorf hinüber geblickt, über die Gipfel, in das andere Tal, keiner hatte jemals einen der Bewohner von dort gesehen, die sprechen angeblich anders als wir, die Leute im Nachbartal, im anderen Land, sie sollen aber auch den Koran in den Händen halten, so wird es wenigstens erzählt, zumindest dies haben wir gemeinsam mit den anderen.

Die Menschen hier in der Gegend sind alle Bauern und Farmer, von Reichtum keine Spur, die meisten von ihnen züchten Hühner, die tagsüber frei auf den Wiesen und Feldern herum laufen und dort nach Futter suchen, Zäune gibt es keine, Wölfe die früher manchmal in der Gegend auftauchten, wurden alle schon vor einigen Jahren erschossen, auch die Füchse lassen sich nicht mehr sehen.

Erst kurz vor der Dämmerung kommen die Hühner zurück in ihre Ställe, sie werden nicht gerufen, sie kommen von selbst, sie kennen den Weg und sie wissen, wann dort in ihren Trögen Futter für sie zu finden ist. In den Ställen ist es auch wärmer als auf den Wiesen, sie hocken auf ihren Stangen und rücken enger zusammen, so wird es noch molliger für sie. Nach Sonnenuntergang wird ihr Gegacker immer leiser, bis daraus so eine Art von Sing-Sang wird, und später, ja, dann sind sie alle stumm, bis zum nächsten Morgen. Schon bevor die Sonne aufgeht, hört man sie wieder, zu erst das Krähen der Hähne, wie zur Bestätigung dass sie noch da sind, und ihr Gegacker ist nicht mehr so zart wie am späten Abend zuvor, es klingt etwas herausfordernd und selbstsicher, auf den Höfen braucht keiner einen Wecker, sie stehen mit den Hühnern auf.

Cave war einer der Farmer, das Wichtigste was er besaß, waren seine Hühner, auch einige Ziegen und eine alte Kuh gehörten ihm, die Milch die sie geben reichte gerade mal so für den eigenen Bedarf. Sein Hof liegt am weitesten von der Stadt entfernt und ist den Bergen am nächsten, er ist der Jüngste, er hat noch drei Brüder und eine Schwester.

Alle Farmer des Tales gehören zu einer Sippe, den Hamudas. Seine Schwester hatte vor einigen Jahren einen Neffen geheiratet, die züchteten auch Hühner, wie alle Familienmitglieder, ihre Farm ist die nächstgelegene, etwas südlich von Cave, nur einige Kilometer entfernt, von seinem Grundstück aus konnte er die Gehöfte der anderen nicht sehen, das Tal macht unterhalb seiner Farm eine Biegung nach Westen und Berge versperren den Blick in das weitere Tal. Sein ältester Bruder hatte als erster eine Farm gegründet, nahe an der Stadt, er ist zehn Jahre älter als Cave.

Die Haupteinnahmen der gesamten Sippe waren die Hühnereier, die Hamudas verkauften täglich mehr als zwanzigtausend Eier und versorgten die ganze Stadt damit. Kurz vor Sonnenaufgang kam immer ein Lastwagen aus der Stadt, der Fahrer war seit Jahren immer der gleiche, er sammelte die Eier ein, in Kisten verpackt, zu je hundert Stück. Zuerst die von Cave, meistens waren es fünfzig Kisten, seine Farm war die kleinste, sein ältester Bruder lieferte den größten Anteil ab. Geld bekamen sie zunächst nicht, der Fahrer übergab ihnen nur eine Quittung, erst Ende des Monats erfolgte die Zahlung.

Einmal im Monat wählte Cave etwa hundert Hühner zum Schlachten aus, so blieb sein Bestand konstant, meist waren es die älteren Tiere, solche, die nicht mehr so richtig legen wollten, aber ihr Fleisch war immer noch zart und bekömmlich. Die brachte er selbst in die Stadt zum Markt, mit seinem alten Lastwagen, lebend in kleinen Holzkisten. Dort kannte er seit Jahren einen Händler, der alle seine Hühner auf einmal abnahm und Cave dafür direkt bezahlte, nach dem Tagespreis, verhandelt wurde nie, mit dem Geld kaufte Cave Sachen die seine Familie dringend benötigte und die er nicht selbst herstellen konnte.

Heute, an seinem dreißigsten Geburtstag war Cave wie immer weit vor Sonnenaufgang aufgestanden, bevor die Hühner sich rührten, er hatte sich einen Eimer mit kaltem Wasser über den Kopf geschüttet, Wasser gab es hier im Überfluss, am Fuß des Berges hatte sich ein kleiner See gebildet, der durch das Schmelzwasser gespeist wird, das Wasser ist auch im Sommer noch immer eiskalt aber klar wie Kristall, am südlichen Ende des Sees befindet sich ein Ablauf, dort bildet sich ein Bach, der sich langsam am Hang entlang schlängelt und hinter dem Haus verläuft, etwas Wasser leitete Cave davon über einen schmalen Kanal in einen Brunnenschacht hinein, so hatte er immer genügend davon, auch im Sommer, wenn für Wochen kein Regen fiel.

Während der Schneeschmelze wird der Bach immer etwas breiter, das klare Wasser tritt dann über die Ufer, nimmt die Farbe der Erde an, füllte er seine Hände damit und hielt es gegen die Sonne, dann sah es so aus, als würden tausend Diamanten darin tanzen. Doch zu einer richtigen Überschwemmung kam es bisher nie, das Wasser staut sich nicht weiter auf, es fließt immer durch das Gefälle rasch weiter ins Tal hinab, wird dort zu einem breiten Fluss, der auch die Stadt mit Wasser versorgt.

Nachdem er den Kopf mit einem Handtuch abgetrocknet hatte, sammelte Cave die noch warmen, frisch gelegten Eier ein, verpackte sie sorgfältig in die leeren Kisten, die der Fahrer am Vortag abgeladen hatte.

Ein kleiner heller Streifen am Horizont verdrängte die Finsternis, wurde langsam breiter und lies die Berggipfel erscheinen. Vor Caves Augen herrschte noch Dunkelheit, aber das Licht wird schon bald mit aller Macht die Dunkelheit durchbrechen. Er trug nur ein Hemd, hatte eine alte ausgeblichene Jeans an, Jeans die waren eigentlich verboten, aber wer sollte dies hier oben schon kontrollieren, dafür war er auch zu unbedeutend, als dass sich jemand darum gekümmert hätte. Er hatte weder Socken noch Schuhe an, er liebte den direkten Kontakt mit der Erde, auch wenn er sich manchmal dadurch kleine Verletzungen zuzog, an spitzen Steinen oder an abgeschnitten Grashalmen. Im Herbst mähte er und seine Frau immer das Gras, als Futter für seine Tiere im Winter.

Seine Füße konnte er noch nicht sehen, aber jede ihrer Bewegungen hören, wie ein zartes Rascheln, das die Stille der Morgendämmerung durchbricht.

Der Hof lag geräuschlos im Schatten unter ihm, selbst seine Hühner schliefen noch, alle waren lautlos. Da es noch sehr früh war, und er nichts weiter zu tun hatte, setzte er seinen Spaziergang in Richtung Berge langsam fort. Eine Eidechse saß regungslos vor ihm auf einem Stein, Kopf und Schwanz nach oben gestreckt, sie wartete wohl auf die aufgehende Sonne um sich aufzuwärmen, als er jedoch leicht mit dem Fuß gegen den Stein stieß, war sie plötzlich verschwunden, sein Blick verlor sich in der Dunkelheit des beginnenden Tages.

Er hatte für seine Verhältnisse viel erreicht, seitdem er als sechzehnjähriger mit Nasrim, der gleichaltrigen Tochter seines Onkels, verheiratet ist.

Sein Vater hatte sechs Brüder und drei Schwestern, alle waren verheiratet und jede Familie hatte wenigstens fünf Kinder. Seine Vermählung wurde vom Familienrat beschlossen, sie beide waren damals erst zehn Jahre alt gewesen. Gegen diese Entscheidung konnte kein Einspruch erhoben werden, die Familie war sehr gläubig, wie alle Bewohner der Stadt und die Gesetzte wurden sehr streng eingehalten, besonders seit die Mullas das Sagen hatten. Keine Frau ging mehr unverschleiert auf die Straße, Kosmetikartikel waren aus den Regalen verschwunden, auch in der Wohnung trugen die Frauen immer ein Kopftuch, die Haare seiner Mutter hatte er nie gesehen.

Bis zur Hochzeit traf er Nasrim nur selten und hatte so gut wie nie allein mit ihr gesprochen, es waren fast immer nur wenige Höflichkeitsfloskeln, immer war eine weitere Person im Zimmer die aufpasste, dass nichts Unrechtes geschehen konnte, schon ein längerer Händedruck wäre zu viel gewesen.

Wann immer er zu Besuch kam, war auch Nasrims Haar mit einem Kopftuch bedeckt, es schien schwarz zu sein, einmal bei einem Besuch bei ihrer Familie ragte eine kleine Strähne unter dem Kopftuch hervor, sie bemerkte es sofort und schob sie wieder zurück, auch ihre Beine und Füße hatte er nie gesehen, sie waren immer bedeckt.

Beide hatten niemals zuvor einen engeren Kontakt mit dem anderen Geschlecht, nur seine Mutter hatte ihn manchmal umarmt und auf die Stirn geküsst, das war auch schon alles.

Keiner in der Familie hatte jemals mit Cave über Sex gesprochen, er hatte zwar oft davon geträumt, aber alles erschien ihm nur verworren, so unwirklich, eben nur ein Traum, das Wort Verhütung hatte er nie in seiner Familie gehört.

Auch Nasrim war unwissend, zwar hatte sie öfters beobachtet, wenn ihre Brüder morgens kurz zur Toilette gingen, dann ragten ihre Schlafanzughosen vorne weit nach oben und wenn sie zurück kamen, waren die Erhebungen wieder verschwunden. Sie hatte sich immer schlafend gestellt, auf dem Bauch liegend, mit einem geschlossen und einem offenen Auge und so ihre Brüder beobachtet, doch was sie da sah, konnte sie nicht so richtig einordnen. In der Schule wurde viel gemunkelt, aber keiner wusste so wirklich richtig bescheid.

Dies änderte sich in ihrer Hochzeitsnacht. Cave sah zum ersten Mal in seinem Leben eine nackte Frau, sehen war vielleicht zu viel gesagt, es war stockdunkel, sie befanden sich im Schlafzimmer seiner Tante, sie hatte ihnen das Zimmer für die eine Nacht zur Verfügung gestellt und dafür bei ihrer Schwägerin geschlafen, Beide waren schon seit Jahren verwitwet, ihre Männer waren mit dem, was die Mullas behaupteten, nicht immer ganz einverstanden und hatten sich hierzu auch in der Öffentlichkeit geäußert. Vor einigen Jahren wurden sie am frühen Morgen von den Sittenwächtern abgeholt und verschwanden auf nie mehr wiedersehen. Alle Nachforschungen verliefen sich im Sand, keiner wollte etwas wissen, gehört oder gesehen haben und nach Jahren wurden sie zu Witwen erklärt.

Die Weisheit alter Zeiten war längst vorüber, einst lebte hier ein Mann, sein Name war Zarathustra, er war weder Prophet noch war er Gott. Propheten, die verkünden Gottes Wort und lassen keine Fragen und keinen Zweifel zu, er tat dies nicht, er war auch nicht Vermittler zwischen Gott und den Menschen, wie dies die Geistlichen für sich in Anspruch nehmen. Sie versprechen nach Belieben das Paradies, oder drohen mit der Hölle, so machen sie sich selbst unentbehrlich für das jenseitige Wohlergehen des einzelnen.

Die Zarathustrier, die müssen Gott auch nicht dreimal täglich anbeten, auch Bestechungen führen nicht ins Paradies. Jeder trägt selbst die Verantwortung für sich, nur durch gutes Denken, durch gutes Reden und durch gutes Handeln kommt man dort hin. Nur wer Gutes tut, kann Gutes erwarten, wer Böses tut, dem kann auch nur zwangsläufig Böses widerfahren. Wenn das Heil nur durch das eigene Handeln bestimmt wird, wofür braucht man dann noch Priester?

Dies ist anders bei den heutigen geistlichen Herren, sie erheben den Anspruch auf alleiniges Wissen, versprechen nach Belieben das Paradies, oder drohen mit der ewigen Verdammung, so machen sie sich unentbehrlich, Zweifel wird nicht geduldet. Ungläubige zu töten sichert das Paradies.

Auch Persepolis wurde nicht von Sklaven gebaut, alle Menschen waren gleich, auch Frauen, wenn aber alle gleich sind, warum sollten dann Kriege geführt werden?

Aber wo sind nur die alten Weisheiten geblieben?

Sie konnten ihre Umrisse nur vage erkennen, aber betasten konnten sie sich, und da erkannte Nasrim, was die Veränderung in den Hosen ihrer Brüder bewirkt hatte, sie konnte es anfassen und war überrascht von der Größe und der Härte des pulsierten etwas, es erweckte ihre Neugier und ein plötzliches, unbekanntes Verlangen danach.

Sie hatten sich langsam gegenseitig im Stehen die Kleider ausgezogen. Cave löste als erstes ihr Kopftuch, dann den Knoten von Nasrims Haar, es fiel ihr über ihre Schultern den Rücken hinab, er konnte es hören wie es herabfiel, ein feiner Duft wie von Jasmin stieg in seine Nase und er konnte den seidenen Glanz des Haares fühlen. Nasrim hatte die Knöpfe seines Hemdes geöffnet und es langsam über seinen Kopf gezogen. Ihr schwarzer Umhang war leicht zu lösen gewesen, er fiel herunter und bedeckte den kalten Boden des Schlafzimmers, beide stellten sich darauf und plötzlich hatten sie nichts mehr an. Zum ersten Mal in seinem Leben berührten seine Hände ihre Brüste, er empfand es fast wie einen elektrischen Schock, der sich vom Kopf über seinen ganzen Körper ausbreitete, es war sonderbar schön und zugleich noch fremd, sie waren hart und trotzdem wieder weich. Seine Hände glitten ihren glatten Bauch hinab, auch Nasrim ging auf Erkundungstour, es war wie eine Reise in eine unbekannte Welt, keiner von beiden wehrte sich dagegen.

Als sie unter der Bettdecke lagen, hatten sie schnell die wesentlichen Unterschiede und deren Bedeutung erkannt, ihnen erschien alles anders als sie es aus den heimlichen Erzählungen von den Freunden aus der Schule kannten.

Ihre Berührung steigerte Caves Erregung, die er nicht mehr verbergen konnte, ihre Hand berührte ihn und noch bevor er in sie eindringen konnte, kam es bei ihm zur Explosion. Er war bestürzt und zugleich beschämt, darüber, dass seine Männlichkeit ihn so schnell verlassen hatte, auch Nasrim schien davon überrascht zu sein und begann ihn zu trösten.

Erst einige Stunden später fanden sie doch zusammen und Cave fühlte wie an Nasrims Beinen etwas herab lief, sie hatte sich weder beklagt noch Bedauern ausgesprochen. Am nächsten Morgen, als die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster traten, sah er die roten Flecken auf dem Bettlagen.

Zwei Wochen nach der Hochzeit zogen sie nach oben in das Tal, es war noch Niemandsland und für einen geringen Betrag wurde es auf Caves Namen überschrieben. Zum Start hatte er von seinen drei Brüdern jeweils hundert braune Hühner geschenkt bekommen und von seinem Onkel zwei Ziegen.

Einen alten Lastwagen hatte er auch seit einer Woche, als er die Straße zu seinem Bruder hinunter lief, sah er in einem schmalen Feldweg am Rande des Waldes den Laster stehen, ohne aber weiter darauf zu achten. Er setzte seinen Weg fort, die Straße war eigentlich keine richtige Straße, es war nur ein Schotterweg, ohne Asphaltierung. Als er am späten Nachmittag zurück kam, stand der Laster immer noch an der gleichen Stelle, da er sich auf seinem Grundstück befand, ging er hin um das Objekt näher zu betrachten. Es war ein Pritschenwagen mit einer offenen Ladefläche, beladen mit verschiedenen leeren Kisten, mit Seilen zusammen gehalten, und der Schlüssel steckte noch im Zündschloss. Er ging um das Auto herum und sah, dass es keine Nummernschilder hatte, wo kam es nur her, wer hatte es hier abgestellt, sicherlich sollte es ein nachträgliches Hochzeitgeschenk für ihn sein. Der Tank war noch zu einem Drittel gefüllt und als Cave den Zündschlüssel leicht nach rechts drehte, sprang der Motor sofort an.

Beim Rückwärtsfahren hatte er zunächst etwas Schwierigkeiten, obwohl er selbst vorher nie gefahren war, wusste er genau, was er zu tun hatte, es zahlte sich eben aus, dass er immer aufmerksam das Geschehen beobachtet hatte, wenn er auf dem Nebensitz saß, beim Eier Transport in die Stadt.

Die Hütte in die sie einzogen, stand seit Jahren leer, irgend jemand hatte sie vor längerer Zeit illegal gebaut und wieder verlassen, sie war im Kaufpreis eingeschlossen. Elektrizität gab es nicht, dafür war das Grundstück zu weit von der Ortschaft entfernt, aber hinter dem Haus, in einem kleinen Holzschuppen, stand ein alter Generator der für Licht sorgte. Treibstoff hierfür war genügend vorhanden, zwei große Fässer, die ebenfalls hinter der Hütte standen, waren fast noch randvoll gefüllt.

Das Haus hatte drei Zimmer und eine Küche, der Boden bestand aus gestampften Lehm, den sie zunächst mit einigen Kuhfellen bedeckten, die Wände aus dicken Holzstämmen, zwischen den einzelnen Holzbalken befand sich Moos, das hielt im Winter etwas die Kälte und im Sommer die Wärme ab. Feuer konnte nur in der Küche und im Wohnzimmer gemacht werden.

Einen Monat nach der Hochzeit war Nasrims Mutter mit nach oben zu ihnen gezogen, seitdem bewohnt sie das kleinste Zimmer im Haus. Sie war immer schwarz bekleidet, wodurch ihr blasses Gesicht noch mehr zum Vorschein kam. Sie kränkelte oft, beklagte sich über dieses und jenes, hatte immer Schmerzen, mal hier mal dort, schon seit vielen Jahren. Einmal war sie beim Doktor in der Stadt, Nasrim hatte sie dorthin gebracht, auf dem Hühnerlaster, der Fahrer hatte sie ohne Bezahlung mitgenommen, in den meisten Dörfern gab es keinen Arzt und wenn einer gerufen wurde, dann dauerte es fast immer einige Tage bis er kam, wenn überhaupt, meist erübrigte sich sein Besuch, die Patienten waren meist wieder gesund oder waren oft schon verstorben, bevor der Arzt eintraf. Die Verwandten nehmen es gelassen hin, es war eben ihr Schicksal, man wird geboren um wieder zu sterben, so will es eben Allah.

Der Doktor in der Stadt konnte ihr auch nicht richtig helfen, sie bekam von ihm einige Medikamente verschrieben, eingenommen hatte sie nie etwas davon. Mit der Zeit hörte kein Mensch mehr auf ihr Gejammer. Ihr Mann war schon vor vielen Jahren verstorben, woran weiß keiner mehr so genau, wahrscheinlich war sie die gesündeste von allen und hatte das ewige Leben, sie mochte es eben wenn sie jammern konnte, so wusste jeder, dass sie noch am Leben war und verhinderte damit, dass die anderen sich krank fühlten und ebenfalls jammerten, ein Kranker in der Familie war schon mehr als genug, das war wahrscheinlich ihre Strategie. Sie kümmerte sich um das Essen und darüber konnte man sich nicht beklagen. Sie war aber eine Frau die Konflikte suchte und die Harmonie scheute, das Essen am Abend war ihr oft zu salzig und das gleiche am nächsten Abend wieder zu süß, obwohl sie es selbst gekocht hatte, für logische Argumente bestand bei ihr kein Zugang, alle Bemühungen um Harmonie und um Verständnis waren aber meist umsonst, sie konnte mit wenigen Worten alles zerstören, so war sie nun mal, wir mussten mit ihr leben, waren dazu verdammt.

Schon neun Monate nach der Hochzeit wurde sein erster Sohn geboren und noch weitere folgten in regelmäßigen Abständen, von Verhütung hatten beide ja noch immer nichts gehört und wenn Cave kam, verblieb er immer in ihr, so wurde sie immer wieder schwanger, sobald sie fruchtbar war. Alle Kinder wurden im Haus geboren, ohne ärztliche Unterstützung, Nasrims Mutter war durch die große Anzahl ihrer eigenen Geburten zur erfahrenen Hebamme geworden und nichts konnte sie erschrecken. In der Sippe war es so üblich, dass sich die Frauen gegenseitig Beistand bei der Geburt leisteten. Bei einigen von Caves Tanten verlief die Geburt komplizierter und einige der Kinder waren während oder kurz nach der Geburt verstorben. Daraus wurde wenig Aufstand gemacht und auch weiter nicht viel darüber geredet. Die Frauen wurden rasch wieder schwanger, dies verhalf das Geschehene schnell zu vergessen. Die Männer nahmen sowieso diese Ereignisse nicht so ernst, tranken ihren Tee und fühlten sich mehr als Unbeteiligte, nicht als Betroffene.

Nasrims Geburten hatten immer lange gedauert, die Wehen setzten schon frühzeitig ein und dauerten über Stunden, bei der ersten Geburt einen ganzen Tag. Cave war immer bis kurz vor der Geburt bei Nasrim geblieben, hatte ihre Stirn gekühlt und ihr gut zugesprochen, als die Geburt nahte wurde er von seiner Schwiegermutter aus dem Zimmer geworfen, er blieb vor der verschlossenen Tür stehen und bat Allah um seine Hilfe.

Im Haus schliefen seine Kinder gemeinsam in einem Raum, neben dem Zimmer von Nasrims Mutter, er und Nasrim hatten ihre Liegen im Wohnraum aufgestellt, die tagsüber als Sitzplätze Verwendung fanden, es war auch der einzige Raum im Haus der eine Feuerstelle hatte, mit Kamin und Abzug, nach oben, in der hinteren Ecke des Zimmers. Während des Sommers fällte Cave einige Bäume und bereitete daraus mit seinen Söhnen Brennholz für den Winter vor, die Holzscheite stapelten sie hinter dem Haus an der Wand in zwei Reihen auf, so kamen sie immer sicher über den Winter hinweg. Wenn die Nächte kälter wurden und der Frost durch das Haus zog, wurden alle Liegen in das Wohnzimmer geschoben, neben einander aufgestellt, um sich vor der Kälte zu schützen. Gegen Morgen, wenn das Feuer niedergebrannt war, zog die Kälte ein, oft war das Wasser in den Schüsseln zu Eis gefroren. Die Toilette war eine Grube, umgeben von drei Wänden mit einer Tür, ohne Verriegelung, darüber ein breiter Holzbalken, gleich hinter dem Haus, keiner hielt sich dort unnötig lange auf. Zweimal im Jahr wurde sie ausgepumpt, einmal im Frühjahr und noch einmal im Herbst, der Inhalt wurde als Dünger auf die Felder gekippt. Dann stank es für einige Tage, schon aus der Ferne war es zu riechen, aber niemand störte sich daran, so ist es eben mal auf dem Lande.

Wird man von der Notdurft auf dem Felde überfallen, dann geht man einfach in die Hocke, zieht die Unterhose herunter, bis zu den Knien und reinigt sich danach mit Gras.

An all dies erinnerte er sich im Morgennebel, etwa tausend Meter vom Haus entfernt, barfuß im feuchten Grase stehend, es war sein dreißigster Geburtstag und im Haus herrschte immer noch Totenstille als er oben an seinem Stammplatz ankam. Als es heller wurde, hörte er ein leises Gackern, erst nur leise Töne, dann konnte er es genau hören, es kam wirklich von Hühnern, doch die Geräusche kamen nicht von unten, vom Hühnerstall, wie er es erwarten konnte, sondern von oben, aus dem Nebel, vom Berg herunter. Sie kamen immer näher, eines löste sich aus dem Nebel bis er die Umrisse von mehreren Tieren schattenhaft erkennen konnte, es waren tatsächlich Hühner, sie waren anders, seine Hühner waren alle braun, aber die, die vom Berg herunter kamen waren alle weiß, soweit er zählen konnte waren es etwa zwanzig Tiere. Doch wo kamen sie her, auch seine Brüder hatten nur braune Tiere, aus dem Tal konnten sie also nicht stammen, aber wie sind sie hierhergekommen?

Hühner fliegen nicht gerne, nur kleine Strecken, auch Laufen ist nicht ihre große Leidenschaft, sie gehen nur kurze Strecken, so lange bis sie Futter finden, deswegen hatte er auch nie einen Zaun gezogen.

Kein Mensch setzt freiwillig Tiere aus und alle erschienen groß und gut genährt zu sein. Cave hatte auch niemand gesehen, auch keine Stimmen gehört. Fremde Geräusche hätte er sofort wahrgenommen, durch die Anordnung der Berge entsteht eine Art von Schalltrichter, der Geräusche verstärkt und widerhallen lässt, selbst leises Flüstern, auch wenn es von ganz weit entfernt käme, hätte er gehört.

Sie konnten auch keine trojanische Pferde sein, wer könnte sich schon im Bauch eines Huhnes verstecken, da war kein Platz, trotzdem befiel Cave ein gewisses Unwohlsein.

Sein Vater hatte immer zu ihm besagt, höre nur auf deinen Verstand und nicht auf deinen Bauch, von dem kannst du sowieso nichts Gutes erwarten, höchstens Blähungen, und was Vater sagte, war fast immer richtig. Leider war er zu früh verstorben, trotzdem fragte Cave ihn noch immer, wenn er allein war, Vater was würdest du mir raten, was würdest du machen, eine direkte Antwort bekam er nie, zumindest bisher noch nicht, trotzdem empfand er es tröstlich wenn er so mit ihm reden konnte. Leider hatte er nicht mehr miterlebt, wie seine Kinder sich aus dem Nichts eine Existenz aufgebaut hatten, sein Stolz wäre grenzenlos gewesen, war er doch für all seine Tage nicht mehr als ein armer Handlanger gewesen, der seine Familie nur mühselig über die Runden brachte. Oft gingen sie abends hungrig zu Bett und wurden oft auf den nächsten Tag vertröstet, doch der begann meistens so, wie der Tag zuvor geendet hatte.

Trotzdem, Cave hatte ihn niemals klagen gehört, er war ein gottesfürchtiger Mensch, und alles was die Mullas sagten, war für ihn unantastbar. Hätten sie wieder behauptet die Erde sei eine Scheibe, so wäre die Erde eben auch für ihn wieder eine Scheibe gewesen. Er konnte es sich sowieso nicht vorstellen, dass die Erde sich um die eigene Achse dreht, einmal am Tag, mit großer Geschwindigkeit schneller als der Schall. Er meinte nur, wenn die Erde sich so schnell dreht, warum spüre ich dann nichts davon. Wenn ich hinten auf einem Lastwagen sitze, dann fliegt mir ja schon bei langsamer Fahrt der Hut vom Kopf. Und noch eines, wenn dies alles stimmt, warum kann ich dann nicht mit einem Heißluftballon nach oben steigen, einige Stunden dort oben verbleiben, die Erde müsste sich dann unter mir weiter gedreht haben, ja und dann, nach der Landung müsste ich mich doch weit ab vom Startort befinden. Also mein Sohn hier stimmt irgend etwas nicht und keiner von uns hat je gesehen, dass die Erde sich dreht.

Cave meinte nur, Vater wenn du in den Himmel schaust dann siehst die den Mond, wenn du auf dem Mond stehst und von dort in den Himmel schaust, dann siehst du die blau leuchtende Erde. Menschen waren schon auf dem Mond und haben gesehen wie die Erde sich dreht.

Zu Hause hatte eigentlich seine Mutter das Sagen, sein Vater mischte sich so gut wie nie in die Erziehung ein. Da der Vater aber nie eine Schule besucht hatte, war Cave so etwas wie ein junger Lehrer für ihn, er war sehr wissbegierig und er fragte ihn fast täglich, was er Neues in der Schule gelernt hatte. Cave dachte bei sich, da wäre ja noch etwas, in Physik hatte er gelernt, dass die Erde sich einmal im Jahr mit extrem hoher Geschwindigkeit um die Sonne dreht, der Lehrer meinte, dies hätte ein Mann vor vielen Jahren herausgefunden, nur dies hatte er nicht weiter erwähnt, er wollte seinen Vater nicht zusätzlich verwirren.

Als er so allein in der Kälte stand wurde er schwermütig und musste die Trauer um seinen Vater mit Macht verdrängen. Nun sei es drum, schließlich war dies schon sein dreißigster Geburtstag, vielleicht waren sie ja doch ein Geschenk von Allah, zum Geburtstag, so wie damals mit dem Auto, eine Art von Gottesbeweis, an den er nicht so richtig glauben konnte, da waren so viele Ungereimtheiten, vor allem warum sollte man Ungläubige töten und dafür einen Platz im Paradies erhalten, Ungläubige glauben ja auch an etwas, meistens ist es auch nicht viel anderes, ich glaube, wahrscheinlich gibt es weder ein Paradies noch eine Hölle, nach dem Ende gibt es auch keinen Neuanfang, und all die vielen Jungfrauen die angeblich im Paradies nur so auf die Märtyrer warten sollen, na ja, dies darf man aber nicht laut sagen, das Nachdenken können sie aber nicht verbieten oder kontrollieren, zumindest bis jetzt nicht.

Cave dachte bei sich, bei Geschenken sollte man nicht so kritisch sein, Geschenke sind eben nun einmal Geschenke, da soll man nicht zu viele Fragen stellen. Er drehte sich um und sah die Abdrücke seiner Füße im nassen Gras, die Zehen noch oben, zum Berg hin gerichtet. Auf dem Weg nach unten versuchte er gleich lange Schritte zu machen, damit seine Spuren genau parallel verlaufen, für die ersten Schritte gelang ihm dies auch, dann wurden sie länger und passten nicht mehr zusammen, es ging ja bergab, da wird man eben automatisch etwas schneller. Es war eine Art von Spiel, das er fast immer machte, wenn er nach unten ging, hierfür brauchte er niemanden, er konnte es alleine spielen. Als er zum Haus zurück ging, folgten ihm die weißen Hühner, so als sei es für sie das Selbstverständlichste auf der Welt, als hätten sie es schon immer so gemacht. Er schüttete Körner in einen Trog, sie waren wohl hungrig geworden, auf ihren Weg vom Berg herab und begannen sich sofort daran zu stärken.

Er hatte schon frühzeitig gelernt, dass man Geschenke teilen muss, daher verpackte er am Nachmittag je fünf weiße Hühner in drei Kisten und wies den Fahrer an, der am späten Nachmittag die Eier abholte, jeweils eine der Kisten bei seinen Brüdern und dem Schwager abzuliefern. Er behielt fünf davon für sich und die Neulinge wurden von seinen alten Hühnern nicht weiter beachtet und von ihnen auch aufgenommen. Was Cave nicht erahnen konnte, mit den weißen Hühnern kam auch das Unheil über seine Sippe und über die gesamte Region, sie waren doch Trojaner.

2

Ich bin Mike, ich sehe nicht aus wie man sich normalerweise einen Mike vorstellt, ich habe dichtes schwarzes Haar, eine lange krumme Nase, ausgeprägte Backenknochen und eine dunkle Haut.

Geboren bin ich in Palo Alto, einige Meilen südlich von San Franzisko, dort bin ich auch aufgewachsen. Meine Eltern besitzen eine große Orangenplantage, mein Vater hatte sie vor etlichen Jahren von seinem Vater übernommen, lauter Apfelsinenbäume, soweit das Auge reicht, für Äpfel ist es hier zu heiß und von Anfang Februar bis Anfang November fällt auch kein Regentropfen. Wasser wird für die Plantagenbesitzer zum Hauptproblem. Trinkwasser kommt aus einem Stausee nördlich von San Francisco, selbst dort wird an den Hängen das Gras schon nach wenigen Tagen hell wie Stroh, es ist die Heimat der Klapperschlangen, geht man durch das dürre Gras, dann kann man sie manchmal hören, ohne sie zu sehen, es ist ein sonderbares Klicken wenn ihre Hornschuppen am Schwanz gegeneinander schlagen, meist sind sie nicht aggressiv, man sollte ihnen nur nicht zu nahe kommen oder auf sie treten. Antiseren gibt es auf der Ranger Station, unten bei der Schildkröten Station, falls doch jemand einmal gebissen wird.

Langsam aber stetig sinkt in den Sommerwochen der Wasserspiegel und gegen Ende August ist der Stausee fast nur noch eine jämmerliche und trübe Wasserpfütze, selbst Fische können kaum mehr darin überleben.

Zu jeder Stunde wird im Radio verkündet, dass Rasen sprengen und Auto waschen verboten sind, Waschmaschinen sollen nicht mehr als einmal täglich benutzt werden, möglichst nachts, wenn der allgemeine Verbrauch etwas absinkt.

Da meine Eltern wohlhabend sind, konnte ich die besten Schulen besuchen. Ich war nicht das, was man einen Streber nennt, hatte aber in allen Fächern immer nur die Bestnote A. Ich weiß auch nicht wie und warum, aber ich musste nie wirklich richtig pauken, ich habe so etwas wie ein photographisches Gedächtnis und was ich einmal gehört und gesehen habe, verbleibt in meinem Gehirn verankert. Auch jetzt noch, wenn mir etwas nicht spontan einfällt, gebe ich meinem Gehirn den Auftrag danach zu suchen, dies klappt auch meistens und ich bekomme dann auch prompt die richtige Nachricht. Die Hausaufgaben hatte ich schon meistens während der Pause erledigt und hatte somit viel Zeit für mein Hobby.

Unser Wohnhaus war riesig, die Anzahl der Zimmer hatte ich nie wirklich gezählt, es wurden auch nicht alle benutzt, es war ein großes Herrenhaus und stammte aus dem neunzehnten Jahrhundert, aus Holz gebaut, mit brauner Farbe bestrichen, die alle Jahre ausgebessert werden musste, irgendwo musste immer etwas nachgestrichen werden, und einem großen Eingang. Bis zur Straße waren es etwa fünfhundert Meter. Die gepflasterte Auffahrt, umrandet von Bäumen, führte in einem großen Bogen bis vor dem Eingang und wieder zurück zur Straße, für die Familienautos gab es immer genug Parkstellen. In dieser Gegend waren die Grundstücke nicht eingezäunt, ein Hausschlüssel, wenn je einer existierte, wurde bisher nie benutzt, trotzdem wurde nie etwas gestohlen.

Mein Vater hatte mir eine kleine Werkstatt eingerichtet, in einem Seitenflügel des Hauses, für meine neue Leidenschaft, die ich nach meiner Rückkehr von unserer Schülerreise entwickelt hatte. Es begann mit einer Studienreise nach Italien, am Ende der zehnten Klasse. Unser Kunstlehrer hatte uns schon einige Monate vor Beginn der Reise auf verschiedene Kunstwerke aufmerksam gemacht, mit dem Schwerpunkt auf Marmor Skulpturen.

Er meinte Florenz und Rom, das waren zwischen Ende des fünfzehnten und dem beginnenden sechszehnten Jahrhundert der Nabel der künstlerischen und kulturellen Welt, was zu dieser Zeit geschaffen wurde, kann man nicht beschreiben, man muss es selbst gesehen haben. Die Hochrenaissance sei die Wiedergeburt der griechischen Kunst gewesen und führte zu nie wieder erreichten Schöpfungen, geschaffen für die Ewigkeit.

Unsere Studienreise begann in Florenz, wir waren in einem kleinen Hotel untergebracht, gleich neben dem Arno, zwei Nebenstraßen hinter der Ponte Vecchio, von meinem Fenster aus konnte ich die Brücke sehen. Am Flughafen in Pisa nahmen wir den Linienbus, und als wir in Florenz ankamen, war es schon dunkel, aber die Brücke überstrahlte die Umgebung, die Geschäfte waren noch geöffnet, ein Wunder dass die Brücke alles tragen kann, besonders bei den vielen Besuchern, die auf dem Scheitelpunkt des Brückenbogens stehen, dort sind keine Geschäfte, zwei kleine Plätze, auf jeder Seite einer, mit freien Ausblick auf den Fluss, danach neigt sich die Brücke nach beiden Seiten bis zu den angrenzenden Straßen. Der Regen der letzten Tage hatte den Fluss leicht anschwellen lassen, nur einige Ruderboote kämpften sich zur späten Stunde noch durch das trübe Wasser, die Liegestühle von der Badestelle an der linken Seite des Flusses waren alle unbesetzt.

Am nächsten Morgen stand ich in der Florentiner Akademie vor ihm, über fünf Meter ist er groß, aus weißen Marmor, der Meister, er war erst fünfundzwanzig Jahre alt, als er ihn aus einem Stein heraus erschaffen hatte, einige Bildhauer zuvor hatten sich schon damit befasst, aber die Arbeit aufgegeben, und nur grobes Stückwerk hinterlassen. Doch was hatte er daraus gemacht, die Vollkommenheit, ein menschlicher Gigant, von da an konnte ich ihm nicht mehr entkommen.

Er, der ihn erschaffen hatte, er ruht nun für ewig in einem Sarkophag aus braunen Granit, auf einem großen Sockel, an der Wand, am hinteren Ende der Kirche Santa Croce, dort ist er nicht allein, nur einige Schritte von ihm entfernt ruht auch noch der Dichter Dante und ihm gegenüber steht der Sarkophag mit den Überresten von Galileo Galilei, fast wäre er als Ketzer auf dem Scheiterhaufen gelandet, beim Vorzeigen der Folterwerkzeuge hatte er widerrufen, doch dann sagte er nur leise, mehr zu sich selbst, und sie dreht sich doch. Ich stand lange tief bewegt vor ihnen, noch Stunden nachdem ich die Kathedrale verlassen hatte, fühlte ich mich wie aufgewühlt.

Zuvor waren Steine nur einfach Steine für mich, dies hatte sich verändert, als ich vor dem Giganten stand, ich sah, wie dem toten Stein Leben und Würde eingehaucht wurde, und so begann meine Faszination für den Marmor.

Eine der Fragen die ich hatte war, wie ist der Marmor denn eigentlich entstanden?

Unser Lehrer erklärte uns, einst waren es die Schalen von Muscheln und anderen Tieren, die vor mehr als dreihundert Millionen Jahren in den Weltmeeren lebten. Sie hatten sich zum Schutz ein Gehäuse gebaut, aus einer einfachen chemischen Substanz, unser Chemielehrer hatte uns gesagt, es sei Calciumcarbonat, wir hätten es auch in unseren Knochen, das würde für die Stabilität unserer Knochen sorgen.

Als die Tiere starben fielen sie auf den Meeresboden, unzählbar viele, die Schalen der Tiere wurden zusammengepresst und durch den hohen Wasserdruck und einigen chemischen Reaktionen entstand der Marmor, weißer Marmor entstand aus weißen Schalen und farbiger wenn die Tiere farbige Schalen produziert hatten, und es gäbe über hundert verschiedene Arten davon.

Eine weitere Frage die ich stellte war, wenn Marmor immer auf dem Boden der Ozeane entstanden ist, wie kommt es dann, dass wir Marmorberge haben.

Der Lehrer meinte, weißt du, zu dieser Zeit gab es nur einen Kontinent, der zerbrach und neue Kontinente entstanden daraus und Teile des Meeresbodens wurden nach oben gedrückt, so entstanden die Marmorberge auf den neuen Kontinenten.

Als ich zurück kam, erzählte ich meinen Vater von meiner Begeisterung, einige Wochen später hielt ein Lastwagen vor unserem Haus, beladen mit vielen Marmorsteinen.

Ich hatte viel geübt, wurde aber nie ein guter Bildhauer, ich hatte aber gelernt wie beschädigte Skulpturen am besten wieder repariert werden können. Maler können Fehler leicht verbessern und neu gestalten, ist eine Nase zu groß oder zu klein, ein Finger nicht in der richtigen Position, so werden sie einfach neu gemalt und neu gestaltet, auch Modelle aus Lehm für Bronze Skulpturen können jederzeit und beliebig oft verändert werden bevor der Bronzeguss entsteht, daher nenne ich die Künstler auch die Kneter, aber mit den Steinen ist es ganz anders, was einmal weggeschlagen ist, bleibt für immer verschwunden und kann nicht mehr ersetzt werden. Man muss immer genau wissen was man macht, wenn man wieder neues Leben in einen Stein einhauchen will.

Nach der High-School ging ich zunächst an die Universität of California in Berkeley, ich hatte schon im Biologie Unterricht viel von den Viren gehört und mich dafür interessiert. Dort waren einige der bekanntesten Virologen, in der Stanly Hall, als Forscher tätig. Das Institut liegt gleich hinter dem Kampanile, mit Blick auf San Francisco und die Golden Gate Bridge, nach einem Jahr wechselte ich zur Harvard University nach Boston mit dem Schwerpunkt Biotechnologie und deren Nutzanwendung, als Nebenfach belegte ich Orientalistik und erlernte orientalische Sprachen. Sowohl in Berkeley als auch in Boston hatte ich Kunstgeschichte und praktische Kurse belegt, ich wurde zwar kein berühmter Bildhauer, hatte mir aber einen Namen als Restaurator und anerkannter Kunstkenner gemacht.

Ich sah sie zum ersten Mal in einer Kneipe, dort am Kanal, ganz in der Nähe wo ich wohnte. Es war nach einem langen Tag in der Uni, Vorlesungen, Übungen und Seminare, sie begannen um 7:30, die allgemeine Relativitätstheorie, der dreidimensionale Raum, die Zeit hinzugefügt ergibt die vierte Dimension. Wir kennen alle Zeit, Sekunden addieren sich an Sekunden, man kann es an der eigenen Uhr erkennen, unaufhörlich, eine nach der anderen. Und doch, so konstant wie es scheint, ist die Zeit nun auch wieder nicht. Ja auch sie ist abhängig, die Uhren ticken nicht immer gleichmäßig, mal gehen sie langsamer, mal gehen sie schneller, es kommt darauf an wo man sich befindet. Dort wo große Massen sind, vergeht die Zeit langsamer, bewegt man sich ins All, von der Erde weg, dann laufen unsere Uhren schneller, bei den modernen Navigationsgeräten wird dieses Phänomen berücksichtigt, wäre dies nicht der Fall, kämen wir nicht genau am gewünschten Ziel an. Würden die Uhren im All ein schwarzes Loch erreichen, dann würde es die Zeit nicht mehr geben.

Die Zeit existiert auch nicht seit Ewigkeiten, es gab einen Zustand ohne Zeit, bevor das Universum entstand, als nur Energie existierte, es gab noch keine Materie und diesen zeitlosen Zustand wird es wieder geben. Zuvor war das Nichts und Nichts wird wieder sein.

Nur sehr schwer vorstellbar, aber wir kennen es alle, wir müssen nur an uns selbst denken. Bevor ich war, war ich Teil des Nichts, wenn ich nicht mehr bin, bin ich wieder Teil des Nichts, was zählen da noch meine Knochen, auch die werden irgendwann vergehen.

Die nächsten Vorlesungen waren auch nicht einfacher, mir konnte nie jemand überzeugend erklären warum Elektronen negative geladen sind, man kann es aber spüren, man muss nur den Finger in eine Steckdose stecken. Sie bewegen sich auf festgelegten Bahnen um den Kern, man weiß nur nie wo sie genau sind, sie können sowohl Materie als auch reine Energie sein und sie haben noch eine Besonderheit, scheinbar können sie zur gleichen Zeit auch an unterschiedlichen Orten sein.

Ich betrat nach Sonnenuntergang die Kneipe, von der Metro Station aus sind es nur einige hundert Meter bis dorthin, meistens, wenn ich von der Uni kam, gönnte ich mir noch einen Drink, ein Bier vom Fass. Schon als ich mit der Rolltreppe nach oben kam, bemerkte ich den Regen, er hatte plötzlich eingesetzt, ohne Schirm, mit hochgezogener Kapuze, etwas durchnässt, betrat ich meine Stammkneipe.

Ich sah sie sofort, sie saß alleine an einem Tisch, gleich neben dem Eingang, hatte einen Softdrink vor sich zu stehen und las einen Artikel in einer wissenschaftlichen Zeitschrift, vom Format und vom Umfang der Zeitschrift her, konnte es die Wochenzeitschrift Nature sein, sie hatte die erste Seite umgeschlagen, so konnte ich die Titelseite nicht erkennen. In Nature werden meist nur kurze aber sehr anspruchsvolle Artikel veröffentlicht, maximal vier Seiten. Dies sprach dafür, dass die junge Dame eine Studentin im höheren Semester war, oder ebenfalls eine Wissenschaftlerin.

Wir hatten uns gesehen und doch nicht gesehen. Ich zog meine nasse Jacke aus und setzte mich an einen anderen Tisch, mit dem Rücken zur Wand, damit ich sie von der Seite sehen konnte. Der Barkeeper brachte mir ohne Aufforderung ein Bier, so wie immer. Sie hatte schwarzes Haar, eine spitze Nase, erotische Lippen und unter ihrem Pullover konnte ich ihre wohlgeformten Brüste erkennen. Ihre Beine hatte sie unter dem Tisch ausgestreckt, ihre Körpergröße konnte ich nur schätzen, so auf etwa 170 cm. Nachdem sie den Artikel gelesen hatte, trank sie den Softdrink aus, legte drei Dollarscheine auf den Tisch und verließ das Lokal ohne sich umzudrehen.

Am nächsten Tag, fasst zur gleichen Zeit, kam ich wieder zum abendlichen Drink, kurz nach neunzehn Uhr, es war fast wie ein Déjà-vu, sie saß wieder am gleichen Tisch, wieder mit einer Zeitschrift vor ihrer Nase. Als ich eintrat sah sie nur kurz auf, wir beide nickten nur etwas mit dem Kopf, eine Art von kurzer Begrüßung, sonst weiter nichts. So ging es fast die ganze Woche, bis ich es endlich wagte sie zu fragen, ob ich an ihrem Tisch Platz nehmen könnte, sie schien sich einige Sekunden zu überlegen was sie sagen sollte, dann nur ein kurzes Kopfnicken, das ich eindeutig als eine positive Zustimmung ansah.

Ich setzte mich auf den Stuhl genau ihr gegenüber, so bestand ein gewisser Abstand, aber auch wiederum eine gewisse Nähe, ohne aber aufdringlich zu erscheinen.

Sie blickte mir zum ersten Mal direkt ins Gesicht, sie sah, dass ich fast schwarze Augen habe, so schien es wenigstens bei der schwachen Beleuchtung, eine etwas zu kräftige Nase, ausgeprägte Backenknochen und eine dunkle Hautfarbe.

Sie dachte sich, der könnte ein Südländer sein, vielleicht ein Mexikaner, eine Schönheit ist er sicherlich nicht, aber trotzdem wirkt er irgendwie attraktiv, der könnte mir schon gefallen, na mal sehen was daraus wird.

Wie immer stand wieder unaufgefordert ein Glas Bier vor mir auf dem Tisch, so wie immer.

Aus der Nähe sah sie noch viel besser aus, Selbstsicherheit sprach aus ihren Augen, durch die etwas nach oben gezogenen Mundwinkel erschien es, als würde sie leicht lächeln und ihre Lippen erschienen mir noch verführerischer als aus der Ferne.

Es sind immer die komischsten Momente bevor man wagt ein Wort zu sagen, ich überlegte mir kurz, soll ich das Gespräch mit einem Kompliment beginnen, frag ich was sie so macht, oder vielleicht wie ihr Tag war.

Um das Gespräch zu beginnen, wählte ich die einfachste Methode, ich stellte ich mich kurz vor und sagte, ich bin der Mike, ich komme fast jeden Abend hierher, nach der Uni, zum Relaxen, auf ein Bier.

Habe ich mir schon gedacht, ich bin die Terri und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Molekularbiologie.

Nach einer Woche gingen wir zum ersten Mal von der Kneipe aus direkt zu mir in meine Bude. In der Hoffnung, dass sie nicht nein sagen würde, hatte ich schon am Morgen zuvor einige Blumen und zwei Weingläser auf den Tisch gestellt.

Ich zündete die Kerzen an, das Licht war gedimmt und der Weißwein hatte die richtige Temperatur, wir schauten uns beide etwas verlegen an und mussten nicht so genau wie und wo wir beginnen sollten.

Sie machte den Anfang, sagte kein Wort und stand plötzlich eng vor mir. Das erste was mir entgegenschlug war der liebliche Duft ihres Parfüms, ihre Augen waren dunkler als ich es in Erinnerung hatte. Mit beiden Händen umfasste sie seitlich meinen Kopf, ich spürte ihren Atem schon bevor ihre Lippen mich berührten, erst meine Wangen, dann erreichten sie langsam meinen Mund. Leichte impulsartige Wallungen stiegen in mir auf, dann ging alles sehr schnell, sie öffnete ihre dunkle Seidenbluse, darunter hatte sie keinen BH, ihre nackten Brüste berührten mich, zuvor hatte sie mir das Hemd geöffnet, so dass ich ihre Brustwarzen auf meiner nackten Haut fühlen konnte.

Unsere restliche Kleidung fiel zu Boden, bevor wir mein Zimmer mit dem Bett erreichen konnten. Sie legte sich auf den Rücken, sie bewegte sich leicht und rhythmisch und wortlos, ich verweilte dort so lange ich konnte.

Es war ein seltsames Erlebnis, früher wollte ich fast immer kurz danach entfliehen, diesmal war es anders, ich hatte das Verlangen nach Umarmung und nach Wiederholung, nach mehr, und so blieb es für immer, bis heute.

Das Examen war fast nur reine Formsache für mich, kurz danach wurde ich vom Geheimdienst angeheuert.

Top-Studenten bewerben sich nicht bei Top-Firmen, sondern Top-Firmen bemühen sich um Top-Studenten. So kam es auch, dass der Geheimdienst verdeckt mit mir Kontakt aufnahm, bevor ich noch das letzte Semester abgeschlossen hatte.

Die Anwerbung verlief sehr unspektakulär, es erschienen keine Männer mit Schlapphüten, oder in dunklen Mänteln, es kam nur einer, er nannte sich John und meinte nur, bei uns heißen sie alle irgendwie John, seinem Aussehen nach, hätte er auch Reklame für Zahnpasta machen können. Das Treffen fand auch nicht in einem finsteren Hinterzimmer statt, er hatte mir die Auswahl des Treffpunktes überlassen, so trafen wir uns in meiner alten Kneipe, gleich hinter der Metro.

Er erzählte mir auch nichts vom Vaterland oder von großen Idealen die verteidigt werden müssen, er meinte nur, wir brauchen hoch intelligente Leute, die Meister in ihrem Fach sind, denn sie sind unsere Zukunft.

Wir brauchen Wissenschaftler mit großen Ideen und Führungsqualität, deshalb bemühen wir uns um die Besten der Besten von den besten Universitäten des Landes, deren Werdegang wir schon lange vorher verfolgen, bevor wir mit ihnen Kontakt aufnehmen. Mein Boss war beeindruckt von deinen Leistungen, er meinte nur, den Mann brauchen wir.

Wir sind in den letzten Jahren etwas ins Hintertreffen geraten, die andere Seite hat extrem viel im Bereich der Biologie investiert und sich ganze Arsenale aufgebaut, dem können wir bis jetzt nichts Gleichwertiges gegenüber stellen.

Wie gesagt, wir sind schon einmal ins Hintertreffen geraten, plötzlich kreiste ein Mann in einer Kugel über uns im Weltall, wir waren schockiert und fühlten uns gedemütigt, jetzt sind wir ihnen wieder die Überlegenen, unsere Männer standen bisher als die einzigen auf dem Mond, sie sind sogar dort mit dem Auto herum gefahren, so wurden wir wieder die Besseren. So etwas wie damals darf uns nicht noch einmal widerfahren und du kannst uns dabei helfen. Wir bieten dir fast absolute Forschungsfreiheit und unbegrenzte Mittel an. Bei uns brauchst du keine Forschungsmittel zu beantragen, du musst nur sagen was du brauchst.

Ich kannte den Aufwand aus meiner Zeit an der Universität von California in Berkeley, der erforderlich ist, um Forschungsgelder zu erhalten. Fast ein Drittel ihrer Zeit verwenden die Wissenschaftler für ihre Anträge und im Durchschnitt wird nur jeder zehnte Antrag unterstützt und ist auch nur auf wenige Jahre begrenzt. Nur deine wissenschaftlichen Ergebnisse darfst du nicht so einfach veröffentlichen, hierfür ist immer die Zustimmung der Firma erforderlich, aber dein Salär wird sehr großzügig sein, mehr als dir jede Universität jemals anbieten kann und der Vertrag muss ja auch nicht für alle Ewigkeiten sein, wenn es dir bei uns nicht gefallen sollte.

Ich erbat mir eine Woche Bedenkzeit, dann stimmte ich zu, nicht aus Patriotismus heraus, überzeugend war für mich die versprochene Forschungsfreiheit, auch Terri hatte keinen Einwand gegen den Vertrag. Dann brachte mir die Firma die Grundregeln des Geheimdienstes bei, das Wort Moral ist dabei kein einziges Mal gefallen

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Sait war Student im vierten Semester, er wollte eigentlich Chirurg werden, so wie sein Vater. Beide Elternteile stammten aus sehr reichen, einflussreichen Familien und hatten die besten Schulen in der Stadt besucht. Beide begannen im gleichen Jahr an der Universität zu studieren, der Vater Medizin, die Mutter Kunst, dort hatten sie sich auch zum ersten Mal getroffen. Sein Vater hatte seine Fachausbildung als Chirurg an der John Hopkins Universität in Baltimore begonnen und dort nach vier Jahren abgeschlossen. Als er zurück kam, hatten sie geheiratet und zehn Monate später wurde Sait geboren, seine jüngere Schwester verstarb einige Wochen nach ihrer Geburt, so wuchs er als Einzelkind auf, besuchte ebenfalls nur ausgewählte Schulen und begann mit dem Medizinstudium an der gleichen Universität, an der sein Vater Chef der chirurgischen Klinik war. Mit dem Studium hatte er keine Schwierigkeiten, er hatte wohl das naturwissenschaftliche Verständnis von seinem Vater geerbt, von seiner Mutter den Blick für das Schöne.

Sein Vater hatte Talent, ruhige Hände und als Arzt hatte er eine Art von siebtem Sinn für die Chirurgie. Als Direktor der Chirurgischen Abteilung wurde er schnell als begnadeter Chirurg bekannt und hatte die Prominenz des Landes als Patient.

Sait hatte ihn oft bei der Arbeit beobachtet, hinter dem OP Saal führte eine steile Treppe zum darüber gelegenen Stockwerk, dort befand sich ein kleiner Raum mit einer großen Glaskuppel in der Mitte, einige Stühle standen immer kreisförmig herum, die Kuppel war genau über den Operationstisch platziert, sie ruhte auf einem stabilen Sockel und die Studenten konnten bequem davor sitzen. Sie befand sich etwa vier Meter über dem OP-Tisch und ermöglichte den Ablauf der Operationen genauestens aus der Vogelperspektive zu verfolgen und das Geschehen in der unmittelbaren Umgebung zu beobachten.

Saits Vater stand immer auf der linken Seite neben dem Patienten, ihm gegenüber befanden sich zwei Assistenten, die meist nur die Haken halten mussten, um einen freien Zugang zum Operationsfeld zu ermöglichen, rechts neben ihm stand immer die OP-Schwester, sie war immer dieselbe, ihr Gesicht hatte er nie richtig gesehen, sein Vater und sie, die waren ein eingespieltes Team, sie wusste immer genau welches Instrument er als nächstes benötige, nahm es vom Beistelltisch und reichte es ohne Aufforderung in seine rechte Hand, er gab ihr das Gebrauchte zurück, alles lief sehr harmonisch ab.

Nur die Assistenzärzte wechselten fast täglich, die mussten die benötigte Anzahl von Pflichtoperationen erreichen. Der Narkose Arzt stand immer hinter dem Kopf des Patienten, der war meist auch der gleiche, sein Vater bevorzugte, wenn möglich, immer nur mit dem gleichen Personal zu arbeiten, die Schläuche ragten dem Patienten aus dem Mund, Monitore und Überwachungsgeräte überprüften die Atmung und den Kreislauf. Der Blick auf das Gesicht des Patienten wurde von oben durch ein weißes Tuch verhindert, das über einen großen Metallbügel lag, nur der Narkosearzt konnte es sehen.

Sein Vater hatte schon graue Haare und Falten im Gesicht und an den Händen, wenn er operierte war dies nicht zu erkennen. Der Mundschutz, und die Haube über dem Haar verdeckten dies, die sterilen Gummihandschuhe reichten über den unteren Anteil des OP-Kittels hinweg und verhinderten so die Sicht auf die Falten seiner Hände.

Eigentlich, vom Alter her, hätte er sich schon seit einigen Jahren im Ruhestand befinden müssen. Er hatte aber einige mächtige Beschützer und keiner in der Universität wagte einen Einspruch zu erheben, wenn es um seine Verlängerung ging, er hatte das absolute Sagen in der Klinik, operieren war für ihn so eine Art von Sucht, von der er nicht lassen konnte.

Er war öfters beim Herrscher als Gast in dessen Palast, für ausgelesene Gäste gab es auf den Empfängen immer etwas besonders, der Herrscher ließ sich von einem Lakaien aus einer mit Samt ausgelegten Schatulle eine Goldmünze reichen, die er dann in die geöffneten Hände des Gastes fallen ließ, ohne selbst die Hände des Beschenkten zu berühren. Der verneigte sich nur, murmelte einige Dankesworte, trat einige Schritte zurück, immer noch mit gebeugten Rücken, bevor er sich umdrehte, um Platz für den Nächsten zu machen.

Der gesamte Ablauf erfolgte nach einem exakt vorgeschrieben Protokoll und jeder Gast bekam zuvor genaue Anweisungen wie er sich zu verhalten hat und was er sagen konnte, Fragen durften keine gestellt werden, man befragt den Herrscher nicht, man antwortet nur.

Sein Vater hatte schon einige von diesen Goldmünzen, die wurden im Haus auf Samtkissen in einer Vitrine zur Schau gestellt und jeder der als Gast zu uns kam, musste diese vor dem Tee bewundern, und jedes Mal erzählte er dazu eine andere Geschichte.

Wenn sein Vater operierte wurde nicht viel gesprochen, es wurden auch keine Witze gerissen, sie waren ein eingespieltes Team, er und die OP-Schwester, nur ihre Nase konnte er einige male sehen, sie war gleichmäßig geformt und schien zum restlichen Teil des verhüllten Gesichts zu passen.

Sait erinnerte sich noch genau an den Tag, an dem er zum ersten Mal selbst an einer Operation teilnehmen durfte, er war der einzige Student dem dies ermöglicht wurde. Zuerst erfolgte die Prozedur des Händewaschens, mindestens fünf Minuten beide Hände mit Seife und Bürste bearbeiten. Der Wasserhahn musste mit dem Ellenbogen geschlossen werden, um die Hände nicht wieder zu kontaminieren, der grüne OP-Kittel wurde gereicht und eine Schwester hielt die sterilen Handschuhe so entgegen, dass er mit angelegten Fingern hinein fahren konnte, ohne die Außenseite zu berühren, somit blieben sie auch steril.

Es war eine einfache Blinddarm Operation, der Patient war schon narkotisiert und lag vor ihm auf dem Tisch. Dieses Mal stand sein Vater auf der anderen Seite des Tisches.

Zuerst wurde ein Wattebausch mit einer langen Pinzette in eine Jodlösung getaucht und damit der Operationsbereich bestrichen, zur Desinfektion. Weiße, sterile Tücher bedeckten den OP Bereich und waren mit Klemmen an der Bauchhaut befestigt.

Die OP-Schwester reichte Sait das Skalpell und sein Vater deutete an, wo und wie lang er den ersten Schnitt legen musste.

Sait nahm das Skalpell in seine rechte Hand und berührte leicht die Haut des Patienten, ohne den Schnitt zu führen. Sein Vater bemerkte das Zögern und meinte nur, wenn du dich entschlossen hast zu schneiden, dann tu es auch, und zwar ohne zu zögern.