True Crime Italien 2 - Adrian Langenscheid - E-Book

True Crime Italien 2 E-Book

Adrian Langenscheid

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Beschreibung

True Crime Italien 2 12 neue Kriminalfälle aus dem Land der Extreme Nach dem großen Erfolg von True Crime Italien war schnell klar: Ein Band reicht nicht aus, um die düstere Realität hinter Italiens schönster Fassade zu erfassen. Zu viele elektrisierende, schockierende, unfassbare Fälle mussten erzählt werden. Deshalb geht die Reise jetzt weiter – mit True Crime Italien 2. Bestsellerautor Adrian Langenscheid präsentiert erneut 12 wahre Kriminalfälle, die unter die Haut gehen. Packend, sachlich und ohne Effekthascherei offenbart er die dunklen Seiten eines Landes, das so oft mit Leichtigkeit, Leidenschaft und Lebensfreude verbunden wird. Serienkiller mit Doppelleben Blutige Rituale in abgeschotteten Gemeinden Justizskandale mit tödlichen Folgen Familiendramen, die zum Albtraum wurden Was treibt scheinbar normale Menschen zu brutalen Taten? Wie kann Schuld über Generationen schweigen? Und warum bleiben manche Wahrheiten lieber verborgen? Alle Fälle sind authentisch recherchiert – nüchtern erzählt, fesselnd aufbereitet. Langenscheids unverwechselbarer Stil verbindet journalistische Klarheit mit tiefem Gespür für menschliche Abgründe. Von Neapel bis Modena, von Palermo bis Turin – entdecken Sie in diesem zweiten Band noch tiefere Einblicke in eine Welt, die zwischen Schönheit und Schrecken schwankt. Wenn Sie True Crime lieben, aber nicht nur konsumieren, sondern mitdenken und mitfühlen wollen – dann ist dieses Buch Pflichtlektüre. Echt. Unverfälscht. Hochspannend.

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EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Adrian Langenscheid

TRUE

CRIME

ITALIEN 2

Wahre Verbrechen Echte Kriminalfälle

Impressum

Autoren: Adrian Langenscheid, Caja Berg, C.K. Jennar

Lektorat: Juno Dean

Ebook ISBN 978-3-98661-156-9

1. Auflage Dez 2025

© 2025 True Crime International/ Stefan Waidelich,

Zeisigweg 6, 72212 Altensteig

Coverbild: © Canva (canva.com)

Covergestaltung: Pixa Heros, Stuttgart

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Rechteinhabers und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Einige Dialoge und Äußerungen, der in diesem Buch auftretenden Personen sind nicht wortgetreu zitiert, sondern dem Sinn und Inhalt nach wiedergegeben.

Adrian Langenscheid

TRUE CRIME ITALIEN 2

Wahre VerbrechenEchte Kriminalfälle

Über dieses Buch:

Als man ihre Leiche fand, war der Körper so sehr entstellt, dass es schwerfiel, sie wiederzuerkennen. Einundvierzig Tage lang hatten sie sie gefangen gehalten, jeder Tag ein neuer Akt der Grausamkeit. Niemand hatte sie gerettet, niemand hatte ihr geholfen. Doch in diesem Buch wird ihre Geschichte erzählt – eine von vielen, die man nicht so leicht vergisst.

Über den Autor:

Adrian Langenscheid ist ein gefeierter Bestsellerautor und True Crime-Experte, dessen Bücher international die Spitzenpositionen der True Crime-Bestenlisten erobert haben. Gerade durch seine sachlich-neutrale Erzählweise trifft er den Nerv der Leser – seine Geschichten gehen tief unter die Haut. Jedes Kapitel legt schonungslos die grausame Realität echter Verbrechen offen – präzise, ungeschönt und dennoch zutiefst berührend.

Inhalt

Kapitel 1: Die Seifenmacherin

Kapitel 2: Der Bankier Gottes

Kapitel 3: Die letzte Verneigung

Kapitel 4: Der Frauenhasser

Kapitel 5: Der letzte Morgen

Kapitel 6: Du musst schuldig sein!

Kapitel 7: Das falsche Leben

Kapitel 8: Die Verkäuferin des Glücks

Kapitel 9: Das Gespenst von Corleone

Kapitel 10: Warum musste Mama sterben?

Kapitel 11: Das Massaker

Kapitel 12: Urlaubsreise in den Tod

Schlusswort des Autors

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True Crime International

» Die Unwissenheit ist die Mutter aller Verbrechen. «

- Honoré de Balzac (1799–1850), Schriftsteller-

Kapitel 1: Die Seifenmacherin

Faustina Setti sitzt am großen Holztisch in Leonardas kleinem Laden, das Herz klopft ihr bis zum Hals. Ihre runzligen Finger trommeln ungeduldig auf die Kante der Tischplatte, während Leonarda Cianciulli mit ruhiger Hand einen weiteren Brief für die Analphabetin aufsetzt. Die Feder kratzt über das Papier, taucht sachte in das Tintenfass, setzt erneut an. Die alte Jungfer verfolgt jede Bewegung ihrer Freundin mit fiebrigem Blick. Es ist fast geschafft. Bald wird sie ein neues Leben genießen und endlich die Freuden der großen Liebe erfahren, auf die sie 70 Jahre warten musste. Wie glücklich war sie doch, als Cianciulli ihr eröffnete, es gäbe einen Mann in Pola, der sie heiraten wolle. Sein Brief war freundlich, die Worte voller Versprechen. Natürlich war es da keine Frage: Faustina würde zu ihm fahren. Sie hat alles geopfert für diese Reise: All ihr Hab und Gut, jedes Kleidungsstück, das sie nicht am Leib trägt, ist zu Geld gemacht, um sicher in ihr neues Leben zu starten. Denn dass irgendwo da draußen jemand nach ihr verlangt, hätte sie nicht mehr gedacht. Solch Glück muss man beim Schopf packen. Da war ihr der Vorschlag der Wahrsagerin sehr logisch vorgekommen, niemandem von der Reise zu erzählen, damit keiner sie aufhalten könnte. Die Briefe würde ihre gute Freundin abschicken, sobald Faustina aufgebrochen war. So würde sich keiner Sorgen machen. Dann ist es endlich vollbracht: Cianciulli schiebt das letzte Blatt beiseite und lächelt. Faustinas Magen flattert, eine Mischung aus Aufregung und einem leichten Hungergefühl. Sie würde so gern sofort aufbrechen, doch den letzten Wunsch ihrer Freundin kann sie nicht abschlagen: Mit Wein auf das große Glück anzustoßen, ist eine gute Idee. Cianciulli erhebt sich und bringt zwei volle Gläser. Faustina lacht leise, ihre Wangen glühen, feierlich stoßen die Frauen an. Der Wein ist schwer und süß, er wärmt ihre Kehle, löst die Spannung aus ihren Schultern. Sie will noch einen Schluck nehmen, doch plötzlich fährt ein seltsames Gefühl durch ihren Körper. Ihr schwindelt es. Ein Zittern läuft durch ihre Arme, ihr Blick verschwimmt. Der kleine Laden scheint sich zu drehen, ihr Magen zieht sich zusammen. Ein Schatten kriecht an den Rändern ihres Blickfeldes hoch und breitet sich unaufhaltsam aus. Sie will aufstehen, doch ihre Beine gehorchen ihr nicht mehr. Ein dumpfes Dröhnen dringt an ihre Ohren. Dann fällt sie zu Boden. Kurz vorher schießt ein letzter Gedanke durch ihren Kopf: Hier stimmt etwas nicht. Doch niemals würde Faustina ahnen, dass sie in den nächsten Minuten mit einer Axt zerstückelt und anschließend zu Keksen verarbeitet werden wird. Aber eben das ist der einzige Ausweg, den ihre Wahrsagerin Cianciulli für sich sieht: Sie braucht ein Menschenopfer, um das Leben ihres Lieblingssohnes zu retten.

Es ist das Jahr 1893, und der Italiener Mariano Cianciulli ist verliebt. Emilia di Nolfi ist eine Schönheit. Sie ist im heiratsfähigen Alter, verfügt über alle Reize, die einem Mann den Kopf verdrehen können. Zahlreiche potenzielle Ehemänner aus gut situierten Verhältnissen werben um die junge Frau. Mariano hingegen stammt aus einer mittellosen Familie, besitzt einen schlechten Ruf und ist weitaus älter als ihre zahlreichen Verehrer. Er weiß um seine schlechten Chancen, und doch ist er von Emilia besessen, seit er sie das erste Mal in der kleinen, alten Stadt Montella gesehen hat. So beschließt er, sich zu nehmen, was er begehrt. Eines Sommerabends lauert er seiner Auserwählten auf, überfällt sie, zerrt sie in ein Feld und macht sich über sie her. Das junge Mädchen, das kaum weiß, was in einer Hochzeitsnacht geschieht, erkennt nicht, was Mariano vor hat. Sie glaubt, er wolle sie ausrauben. Stattdessen vergewaltigt er die attraktive Frau und lässt sie blutend auf dem Feld zurück. Nur mühsam kann sich Emilia aufraffen, kehrt nach Hause zurück und glaubt am nächsten Morgen zunächst, nur schlecht geträumt zu haben. Doch das Blut auf ihren Beinen bestätigt, dass sie etwas Schreckliches erlebt hat.

Das junge Mädchen schweigt zunächst über diese Gräueltat, versucht, ihr gut betuchtes Leben mit den zahlreichen Verehrern, den vielen Teestunden und Tänzen auf Bällen fortzuführen. Doch als es nicht mehr zu verbergen ist, dass sie schwanger ist, stellen ihre Eltern sie zur Rede. Im Italien Ende des 19. Jahrhunderts herrschen strenge Moralvorstellungen. Für viele Familien ist es unvorstellbar, dass eine ledige Frau ein uneheliches Kind zur Welt bringt. So sitzen Mariano und seine Familie am nächsten Abend um den Esstisch in Emilias Elternhaus, um zu besprechen, wie er die Dinge wieder in Ordnung bringen könnte: Sie zwingen die junge Frau, ihren Peiniger zu heiraten. Mariano Cianciulli ist arbeitslos, oft betrunken, doch schließlich ist er der Vater des noch ungeborenen Kindes. Nach einer diskreten Zeremonie mit einem Priester zieht die einst privilegierte junge Frau in eine schäbige Wohnung und ist dem Spott der Stadtbewohner ausgesetzt. Während der Schwangerschaft und auch noch Jahre danach, bis zu seinem Tod, schlägt Mariano seine Frau. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Emilia keine Mutterliebe für ihre Tochter empfinden kann, die am 14. April 1894 das Licht der Welt erblickt. Leonarda Cianciulli wird eine schwere Kindheit erleben, deren Details sie Jahrzehnte später in einer Autobiografie festhalten wird. Wie viel davon der Wahrheit entspricht, ist heute nicht mehr nachzuvollziehen.

Das Verhältnis zu ihrer Mutter ist schlecht, Emilia ignoriert ihre Tochter oft, die dadurch ein einsames und unglückliches Leben führt. Aus heutiger Sicht würde man dies als psychischen Missbrauch klassifizieren, der in der Vergewaltigung der Mutter und der anschließenden Zwangsheirat seinen Ursprung hat. Doch Ende des 19. Jahrhunderts interessiert sich niemand für ein vernachlässigtes Mädchen. Als ihr Vater stirbt und die Mutter erneut heiratet, verschlechtert sich das Verhältnis noch mehr. Zudem scheint Cianciulli an einer Form von Epilepsie zu leiden. Im Alter von 13 Jahren ist ihr Unglück so groß, dass sie keinen anderen Ausweg mehr sieht, sich eine Schlinge bastelt und damit versucht, sich zu erhängen. Doch das Vorhaben schlägt fehl. Cianciulli überlebt mit blauen Flecken am Hals und verliert für eine Weile das Sprechvermögen. Nur wenige Monate später versucht das Mädchen erneut, sich umzubringen. Auch dieser Versuch scheitert.

Als die junge Frau schließlich einsam und unglücklich ins heiratsfähige Alter kommt, wendet sich das Blatt in ihrem Leben. Ihre Mutter ist längst auf der Suche nach einem potenziellen Ehemann, der mit ausreichendem sozialen und finanziellen Status das Leben der jungen Frau und ihrer Familie aufbessern soll. Doch Cianciulli ist nicht an der Auswahl ihrer Mutter interessiert, denn sie hat sich bereits verliebt. Ihr Auserkorener ist Raffaele Pansardi, der einen schlecht bezahlten Job als Landvermesser hat. Ihre Mutter tobt, verflucht die Ehe und wünscht ihr, sie solle ein Leben in Leid verbringen. Die abergläubische Tochter zweifelt keine Sekunde daran, dass von nun an ein Fluch auf ihrem Leben liegt. Dennoch lässt sich Cianciulli nicht von ihrem Vorhaben abbringen, bricht stattdessen den Kontakt zu ihrer Mutter ab und heiratet Raffaele gegen deren Willen.

Im Jahr 1921 zieht sie mit ihrem Ehemann in Raffaeles Geburtsstadt Laura, in der Gemeinde Potenza in der italienischen Region Kalabrien. Cianciulli arbeitet hier als Reinigungskraft in einer Bank. Das Paar ist arm, die Familie kann nicht helfen, und an ihrem Arbeitsplatz lauert das große Geld – eine zu verlockende Gelegenheit. So versucht Cianciulli, ein Konto mit einem exorbitanten Geldbetrag zu eröffnen. Der Betrug fliegt jedoch schnell auf, und sie wird dafür für mehr als ein Jahr ins Frauengefängnis geworfen. Nach ihrer Freilassung im Jahr 1927 will Cianciulli nicht mehr in Potenza bleiben und besteht auf einen Umzug nach Lacedonia, einer kleinen Gemeinde in der Provinz Avellino. Hier findet sie erstmals Freunde in der Nachbarschaft und pflegt ein enges Verhältnis zu Roma, die in den Wäldern der Umgebung leben. Sie lernt das Handlesen und die Kunst der Wahrsagerei. Cianciulli ist abergläubischer denn je, kann den Fluch, den ihre Mutter einst über ihr Leben ausgesprochen hat, nicht vergessen. Sie lässt sich selbst von Wahrsagern das Leben vorhersagen. Doch die Aussagen sind allesamt ein schlechtes Omen: „In deiner rechten Hand sehe ich ein Gefängnis, in deiner linken Hand eine Anstalt für Straftäter“, lautet Überlieferungen zufolge eine von ihnen. Auch wird Cianciulli prophezeit, dass ihre Kinder jung sterben werden.

Tatsächlich wird die Frau im Laufe ihrer Ehe insgesamt 17-mal schwanger. Drei der Babys werden tot geboren, zehn weitere sterben im Säuglings- oder Kleinkindalter. Nur vier von Cianciullis Kinder werden das Erwachsenenalter erreichen. Für die abergläubische Frau sind diese vielen Schicksalsschläge nur weitere Beweise für den Fluch ihrer Mutter. So entflieht sie psychisch immer mehr in die Welt des Übernatürlichen: Später schreibt sie in ihren Memoiren über diese Zeit: „Fast jede Nacht träumte ich von den kleinen weißen Särgen, die einer nach dem anderen von der schwarzen Erde verschluckt wurden. Deshalb habe ich Magie studiert, ich habe Bücher über Handlesen, Astrologie, Beschwörungen, Verhexungen und Spiritismus gelesen. Ich wollte alles darüber lernen: Zaubersprüche, um sie neutralisieren zu können.“ Ihren vier überlebenden Kindern gegenüber tritt sie überfürsorglich und beschützend auf, weswegen sie als nette, umgängliche Frau und hingebungsvolle Mutter bekannt ist.

Doch im Jahr 1930 ereilt sie ein weiteres Unglück: Ein Erdbeben zerstört ihr Haus, und die Familie ist erneut gezwungen, umzuziehen. Von nun an soll Correggio, eine Gemeinde in der Provinz Reggio Emilia ihr Zuhause sein. Hier scheint sich Cianciullis Leben endlich zum Guten zu wenden. Die Menschen in der Gemeinde heißen sie und ihre Familie herzlich willkommen, Raffaele und seine Frau werden sehr beliebt. Sie hat Freunde, gibt Dinnerpartys und amüsiert sich bei zwanglosen Besuchen in der Nachbarschaft. Cianciulli wird für ihre Weisheit, ihren Scharfsinn und ihren Humor geschätzt, junge Frauen suchen immer wieder Rat bei ihr. Die vierfache Mutter beginnt sogar ein neues Hobby und schreibt Gedichte. Sie geht weiter zu Wahrsagern, um sich ihr Leben voraussagen zu lassen. Doch aus dieser Leidenschaft lässt sich auch Kapital schlagen. Die jetzt 36-Jährige eröffnet einen kleinen Laden, in dem sie nicht nur selbstgemachte Produkte wie Kekse, Kuchen und Seife verkauft, sondern anderen auch aus deren Hand liest und die Zukunft vorhersagt. Jeder, der vor einer lebensverändernden Entscheidung steht, besucht Cianciulli. Es sind wohl die ruhigsten und glücklichsten Jahre im Leben der Frau.

Dann bricht 1939 der Zweite Weltkrieg aus. Millionen von jungen Italienern sehen sich dem Schicksal gegenüber, in einen Krieg ziehen zu müssen. Das italienische Heer umfasst zu dieser Zeit 1,6 Millionen Soldaten, ein Großteil von ihnen wird ab Sommer 1940 aktiv an die Front geschickt. Cianciullis jüngere Söhne Bernardo und Beagio besuchen noch das Gymnasium, ihre Tochter Norma geht auf eine Klosterschule. Doch ihr Lieblingssohn Giuseppe ist bereits im wehrpflichtigen Alter und studiert gerade in Mailand. Jetzt sind ihre Befürchtungen groß, dass er eingezogen wird. Für die bereits vom Schicksal gebeutelte Frau ist es ein grauenvoller Gedanke, ihn und vielleicht später auch die anderen Söhne auf den Schlachtfeldern zu verlieren. Sie erinnert sich an die Weissagung, dass alle ihre Kinder jung sterben werden. Die Frau, die dem Aberglauben nähersteht als jeder anderen Realität, sieht nur einen Ausweg: Cianciulli glaubt, sie muss ein Menschenopfer bringen, um ihren Lieblingssohn Giuseppe vor dem Tod zu bewahren. Ein Leben für das andere ist ihre Lösung. Und so schmiedet sie ihren perfiden Plan.

Faustina Setti ist eine siebzigjährige Analphabetin, die trotz ihres hohen Alters den Traum von der großen Liebe noch nicht aufgegeben hat. Die alte Jungfer besucht Leonarda Cianciulli regelmäßig, um sich in Liebesdingen einen Rat zu holen. Die beiden Frauen verbindet eine jahrelange Freundschaft. Faustina vertraut ihrer Wahrsagerin und ist in gewisser Weise verzweifelt. Das macht sie zu einem perfekten Opfer, entscheidet Cianciulli, denn niemand würde die alte Frau vermissen. So erklärt sie Faustina eines Tages, sie habe einen potenziellen Ehemann für sie gefunden, der jedoch in Pola wohne, eine Stadt, die damals im Königreich Italiens lag, heute jedoch zu Kroatien gehört. Um ihre Behauptung zu untermauern, übergibt die Wahrsagerin der Liebeswilligen einen Brief des Verehrers, in dem er sie bittet, zu ihr zu kommen. Faustina glaubt ihrer Kupplerin alles. Sie versetzt ihr Hab und Gut, zahlt Cianciulli für ihre Bemühungen 30.000 Lire (nach heutigem Standard wäre das ein Wert von rund 11.000 Euro) und macht sich bereit für die Reise. Zudem folgt sie dem Ratschlag, niemandem von dem Vorhaben zu erzählen. Stattdessen solle sie Briefe hinterlassen, die Cianciulli nach ihrer Abreise verschicken würde. Da Faustina Analphabetin ist, besucht sie ihre Beraterin, um ihr diese zu diktieren. Dazu gehört auch der Entwurf eines Testaments, in dem die Wahrsagerin die Begünstigte ist. Als alles erledigt ist, wäre es Zeit zum Aufbruch in ein neues, glücklicheres Eheleben, und die langjährige Wegbegleiterin besteht darauf, dass die beiden Freundinnen noch einmal auf ihr Glück anstoßen. Was Faustina nicht weiß: Das Getränk ist vergiftet. Ebenso hat sie keine Ahnung, dass es den neuen Liebhaber in Pola gar nicht gibt. Dass irgendetwas nicht stimmt, kann ihr erst bewusst geworden sein, als das Gift bereits wirkt, sie sich aber weder bewegen noch schreien kann. In diesem Zustand greift Cianciulli zur Axt und schlägt drei Mal auf den reglosen Körper ein, bis die alte Frau stirbt. Das Menschenopfer ist vollbracht, um ihren Sohn zu schützen.

Doch der Mord an der arglosen Frau soll nicht das grausamste Detail in dieser Geschichte sein. Es ist die Art und Weise, wie die Täterin die Leiche entsorgt. Sie zerteilt den Körper in neun Teile und fängt das Blut in einem Behältnis auf. In ihren Memoiren schildert sie später, was danach geschieht: „Ich warf die Stücke in einen Topf und fügte sieben Kilogramm Ätznatron hinzu, die ich gekauft hatte, um Seife zu machen. Anschließend rührte ich, bis ich eine dunkle, dickflüssige Masse hatte, die ich in mehrere Eimer verteilte, den Rest leerte ich in eine Jauchegrube. Ich wartete, bis das Blut geronnen war, dann trocknete ich es im Ofen, mahlte es und vermischte es anschließend mit Mehl, Zucker, Schokolade, Milch, Eiern und ein bisschen Margarine. Daraus machte ich jede Menge knusprige Kekse, die ich an meine Gäste und Besucher verteilte, aber Giuseppe und ich haben auch davon gegessen.“ Faustina ist nicht nur tot, die Mörderin macht Kekse aus ihr, die alle in ihrer Umgebung aßen.

Theoretisch könnte hier das Morden stoppen, denn Cianciulli hat ein Leben geopfert, um das ihres Sohnes zu schützen. Doch das soll nicht der Fall sein. Es ist umstritten, warum die 46-Jährige sich weitere Opfer sucht. Einige Theorien besagen, sie wolle auch ihre anderen beiden Söhne schützen, andere behaupten, dass Geldgier das Motiv gewesen sei. Fakt ist jedoch, dass Cianciulli noch zwei Frauen umbringen wird.

Ihr zweites Opfer ist Francesca Soavi, eine ältere und von Geldsorgen geplagte Lehrerin, der die Wahrsagerin einen Posten als Leiterin einer Mädchenschule in Piacenza in Aussicht stellt. Wie schon bei ihrem ersten Opfer überzeugt sie Soavi davon, niemandem von dem bevorstehenden Umzug zu erzählen, sondern Nachrichten an Freunde und Verwandte zu schreiben, die im Nachhinein verschickt werden würden. Für ihre Dienste bekommt sie dieses Mal 3.000 Lire (rund 1.100 Euro nach heutigem Stand). Am 5. September 1940 verabreicht Cianciulli auch der 53-jährigen Witwe vergifteten Wein und tötet die Frau mit der Axt, bevor sie deren Körper ebenfalls verarbeitet.

Virginia Cacioppo wird ihr drittes Opfer. Die Sopransängerin war einst eine Berühmtheit, die vom Publikum geliebt wurde. Doch der Ruhm ist verblasst, obwohl sich die 60-Jährige nach wie vor nach dem Applaus sehnt. Das macht sich Cianciulli zunutze und erzählt ihrer Kundin von einer möglichen Beschäftigung als rechte Hand eines reichen Theateragenten in Florenz. Wieder überredet sie ihr Opfer, niemandem von der Reise zu erzählen und alle Vorbereitungen geheim zu halten, bevor sie am 30. September 1940 auch ihr letztes Opfer auf dieselbe Art und Weise wie zuvor tötet. Über diesen Mord schreibt sie später: „Sie endete im Topf, wie die anderen zwei auch (…), aber ihr Fleisch war fett und weiß: Als ich alles aufgelöst hatte, fügte ich eine Flasche Parfum hinzu und kochte sie lange Zeit, bis ich eine sehr cremige Seife erhalten hatte. Ich verteilte Seifenstücke als Geschenk an Nachbarn und Bekannte. Auch die Süßigkeiten gelangen besser: Diese Frau war wirklich süß.“ Von dem arglosen Opfer erbeutet Cianciulli Berichten zufolge 50.000 Lire, Juwelen, Schuldverschreibungen und verkauft sogar sämtliche Kleidungsstücke und Schuhe.

Das dritte Opfer unterscheidet sich allerdings in einem wesentlichen Punkt von den anderen ermordeten Frauen: Virginia hat Familie, die kurz darauf misstrauisch wird. Ihre Schwägerin Albertina Fanti geht schließlich zur Polizei von Reggio Emilia, weil das Verschwinden sie sehr besorgt. Zudem weiß sie von einem Besuch bei der Wahrsagerin. Der Polizeipräsident leitet sofort Ermittlungen ein, denn in seinem Revier wurden bereits zwei weitere Frauen als vermisst gemeldet – die ersten beiden Opfer. Außerdem gibt es Hinweise aus der Nachbarschaft, dass eine Frau plötzlich zu Geld gekommen sei. Cianciulli hat auf ihrem Konto größere Geldsummen von „Freundinnen“ erhalten, was sie schnell ins Visier der Beamten rückt. Die Polizei durchsucht ihr Haus, findet den Schmuck der Sopransängerin und verhaftet die 46-Jährige.

In den ersten Verhören bestreitet die vierfache Mutter die Vorwürfe vehement und nutzt ihren guten Ruf in der Gemeinde als Verteidigung. Zudem glauben die Polizisten nicht, dass eine so schmächtige Frau allein fähig wäre, drei Menschen umzubringen. Der Verdacht fällt auf ihren Sohn Giuseppe, für den sie einst mit dem Morden begann, um ihn vor dem Tod zu bewahren. Dieses Damoklesschwert über ihrem Lieblingssohn, den sie doch nur retten wollte, lässt Cianciulli in aller Ausführlichkeit gestehen. Sie berichtet, wie sie die Frauen vergiftet, anschließend mit der Axt zerstückelt und verarbeitet hat. Doch immer noch fällt es den Beamten schwer, nachzuvollziehen, wie sie allein mit der Axt zugeschlagen haben soll. Was daraufhin geschieht, ist nicht vollständig verifiziert, aber man erzählt, dass die Mörderin sich in eine Leichenhalle führen lässt, um dort vor den staunenden Augen der Beamten eine Leiche mit geübten Schlägen zu zerhacken. Binnen Minuten ist der Körper fachgerecht zerteilt und quasi topfgerecht. Jetzt glauben die Polizisten ihr schließlich: Guiseppe kommt frei, und Cianciulli bleibt wegen dreifachen Mordes in Untersuchungshaft, wo sie auf ihren Prozess wartet.

Der Krieg verzögert den Verhandlungsbeginn, der erst im Jahr 1946 stattfindet. Während des Verfahrens zeigt die inzwischen 52-Jährige keinerlei Reue – im Gegenteil: Wenn Staatsanwälte und andere Gerichtsbeteiligte das eine oder andere Detail falsch darstellen, prescht die Mörderin vor und stellt die Dinge richtig, als sei sie stolz darauf. Zweifel an ihrer Zurechnungsfähigkeit kommen auf. Der Kriminalpsychologe Filippo Saporito bestätigt eine teilweise Unzurechnungsfähigkeit. Infolgedessen wird Leonarda Cianciulli zu 30 Jahren Gefängnis mit anschließender dreijähriger Verwahrung in einer Anstalt für geistig Behinderte verurteilt. Mit diesem Schuldspruch bewahrheitet sich das, was eine Wahrsagerin ihr einst prophezeite: „In deiner rechten Hand sehe ich ein Gefängnis, in deiner linken Hand eine Anstalt für Straftäter.“

Die dreifache Mörderin verbüßt jedoch nur 24 Jahre ihrer Strafe. Am 15. Oktober 1970 stirbt sie im Alter von 76 Jahren im Gefängnis von Pozzuoli nach einem Schlaganfall. Zuvor hat sie ein 700 Seiten langes Buch über ihr Leben verfasst und veröffentlicht, das den Titel „Confessioni di Un‘Anima Amareggiata“ (zu Deutsch: „Bekenntnisse einer verbitterten Seele“) trägt. Einige der Gegenstände, die sie für ihre Taten genutzt hat, sind ausgestellt. So können Axt und Topf der Seifenmacherin noch heute im Kriminalmuseum in Rom bestaunt werden.

» Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon. «

- Die Bibel, Matthäus 6,24

Kapitel 2: Der Bankier Gottes

Am Morgen des 18. Juni 1982 liegt ein dichter Nebel über der britischen Hauptstadt. Dicke Regentropfen prasseln auf das Kopfsteinpflaster, während Anthony Huntley zur Arbeit hastet. Der Weg des jungen Postangestellten bei der Zeitung Daily Express führt ihn entlang der Themse und unter der Blackfriars-Brücke hindurch. Am Ende des nördlichen Brückenbogens fällt ihm aus dem Augenwinkel ein gelborangenes Seil auf, das am Sanierungsgerüst aus Holzplanken und korrodierten Stahlrohren befestigt ist. Deutlich hebt es sich von der grauen Mauer ab und zieht unweigerlich Anthonys Aufmerksamkeit auf sich. Gegen 07:30 Uhr lehnt er sich über die Brüstung, um einen besseren Blick zu erhaschen. Doch die Szenerie, die sich ihm dort bietet, trifft Anthony so unvermittelt, dass ihm für einen Moment lang der Atem stockt. Am anderen Ende des Seils hängt der Körper eines Mannes; sein Kopf steckt in einer Schlinge. Reglos treiben seine Beine im trüben Wasser der Themse, während die Strömung an der leblosen Gestalt zerrt. Anthony weicht einen Schritt zurück. Er zögert einen Augenblick, dann rennt er los. Die Polizei – er muss sie sofort verständigen.

Eine halbe Stunde später erreichen Beamte der Wasserschutzpolizei in einem Boot den Toten. Aus der Nähe betrachtet erkennen sie, dass der leicht untersetzte, mittelgroße Mann etwa 60 Jahre alt sein muss. Sein schütteres Haar hat er schwarz gefärbt. Er trägt einen teuren Anzug, der an manchen Stellen seltsam ausgebeult erscheint. Ohne die Auffindesituation zu fotografieren, löst ein Polizist das Seil und zieht den Unbekannten mithilfe seiner Kollegen an Bord. Der geknüpfte Knoten, mit dem es befestigt war – nie wieder rekonstruierbar. Sie bringen den toten Körper an Land, wo die bereits eingetroffenen Mordermittler warten. Statt in einem rechtsmedizinischen Institut durchsuchen sie den Verstorbenen provisorisch am Ufer unter der Brücke.

Am Handgelenk des Mannes entdecken die Gesetzeshüter eine auffällig kostbare, goldene Armbanduhr. Sie notieren allerdings nicht, ob der Zeitmesser noch funktionstüchtig und – falls nicht – welche Uhrzeit er anzeigt. Gerald Posner hingegen schreibt in seinem Buch God´s banker (zu Deutsch: Bankier Gottes), dass die Ermittler sehr wohl festgestellt hätten, dass die Zeiger auf dem Ziffernblatt auf 01:52 Uhr stehen geblieben waren. Nach Fingerabdrücken sucht derweil niemand: nicht am Gerüst, nicht an der Kleidung, nicht an der Leiche selbst.

Bei dem Mann findet man Bargeld – umgerechnet rund 7.370 Pfund (entspricht heute inflationsbereinigt mehr als 30.300 Euro), verteilt auf verschiedene Währungen. Die Quellen geben die Höhe der Summe unterschiedlich an, es handelt sich aber immer um mehrere tausend Euro. Wieso hat der Fremde so viel Bargeld bei sich? Eine Frage, die sich keiner der Anwesenden stellt.

Der Tote trägt einen Reisepass bei sich. Scheinbar handelt es sich bei dem Verstorbenen um einen italienischen Staatsbürger namens Gian Roberto Calvini. Dass auf der Innenseite des Sakkos ein anderer Name steht, fällt zunächst niemandem auf.

Als die Beamten die Kleidung genauer untersuchen, stoßen sie auf die Ursache der merkwürdigen Ausbeulungen. Der Tote hat in seinen Taschen insgesamt über fünf Kilogramm Steine und Ziegelteile. Die Kriminalbeamten vermuten, dass die Steine von einer nahe gelegenen Baustelle stammen könnten. Ein Gesteinsbrocken steckt in seinem Hosenbund und drückt auf seine Genitalien. Auffällig erscheint den Kriminalisten, dass der Tote zwei Unterhosen übereinander trägt. Diese sind – sowie der Hosenboden seines Anzuges – durchtränkt mit einer fettigen Flüssigkeit, so als hätte er in Schmieröl gesessen.

Erst nachdem die Polizisten mit ihrer Durchsuchung fertig sind und dem Toten das Jackett schief wieder zugeknöpft haben, greift einer der Ermittler zur Kamera und macht ein einziges Foto. Für die Kriminalbeamten besteht kein Zweifel: Der Tote muss sich selbst das Leben genommen haben. Bei einer raschen Obduktion bestätigt der Rechtsmediziner die Annahme der Polizei. Hinweise auf Fremdeinwirkung oder ein Gewaltverbrechen, so hält er schriftlich fest, seien nicht zu erkennen.

Die Londoner Beamten informieren ihre Kollegen in Italien über den Fund der Leiche und die ersten Ermittlungsergebnisse. Niemand stellt zu diesem Zeitpunkt die naheliegenden Fragen: Wie sollte ein älterer, korpulenter Mann aus eigener Kraft ein Baugerüst unterhalb einer Brücke, über einem fließenden Gewässer erklimmen? Und warum hätte er sich auf dem Weg in den Freitod ausgerechnet einen Ziegelstein in den Hosenbund schieben sollen, auf eine Weise, die nicht nur umständlich, sondern auch noch zutiefst entwürdigend wirkt? Für die Kriminalbeamten ist der Fall dennoch abgeschlossen – bis um 19:00 Uhr das Telefon klingelt. Der Anruf kommt aus Rom. Am Apparat ist der Leiter einer italienischen Sonderkommission. Er teilt seinen britischen Kollegen mit, dass der auf den Namen Gian Roberto Calvini ausgestellte Reisepass eine Fälschung sei. Der Tote, so die Vermutung, könne eigentlich niemand anders sein als der 62-jährige Roberto Calvi, Präsident der größten italienischen Privatbank Banco Ambrosiano in Mailand. Calvi ist seit einer Woche verschwunden. Ein Richter hatte deshalb einen Haftbefehl gegen ihn ausgestellt. Calvi war im Vorjahr wegen Betrugs verurteilt worden und sollte eigentlich in Italien auf seine Berufungsverhandlung warten. Tatsächlich bestätigt sich der Verdacht: Der Name Roberto Calvi ist in die Innenseite des Sakkos eingestickt.

Roberto Calvi kommt im April 1920 in Mailand als Sohn eines Bankangestellten zur Welt. In jungen Jahren ist er bekennender Faschist, der während des Zweiten Weltkrieges als Unterleutnant in der italienischen Armee dient. Von 1941 bis 1943 kämpft er an der Seite der Wehrmacht in der Sowjetunion.

Calvi ist ein blasser Mann, der sich hinter grauen, stets korrekt sitzenden Anzügen verbirgt. Den schwindenden Haarkranz färbt er jeden Morgen sorgfältig nach. Calvi ist ein ehrgeiziger, misstrauischer Mann, der meist eine harte Miene zur Schau stellt. Auf seine Mitmenschen macht er einen schroffen und verschlossenen Eindruck. Blickkontakt meidet Calvi, und wenn er doch einmal jemanden direkt ansieht, wirkt sein Ausdruck kalt. Calvi hat immer eine schwarze Aktentasche aus Leder bei sich, die mit einem Zahlenschloss gesichert ist. Darin: vertrauliche Unterlagen. Nicht einmal einem Banktresor traut er zu, sie sicher für ihn aufzubewahren.

Nach Kriegsende sorgt Calvis Vater dafür, dass sein Sohn eine Anstellung bei der traditionsreichen Privatbank Banco Ambrosiano bekommt. Calvi steigt an seinem Arbeitsplatz schnell auf. Seine Kollegen schätzen ihn für seine brillanten Analysen und sein sicheres Gespür für Zahlen. Die Führungsriege lobt Calvis Offenheit gegenüber Innovationen. Er setzt konsequent auf Computertechnik, lange bevor sie Standard wird. Er ist es auch, der Italiens ersten Aktienfonds ins Leben ruft. Unter Calvis Direktion steigt die Banco Ambrosiano zur führenden Privatbank Italiens auf. 1971 erreicht er den Höhepunkt seiner Karriere: Der mittlerweile 51-Jährige wird zum Generaldirektor des Hauses ernannt.

Anfang der Siebzigerjahre scheint Calvi alles erreicht zu haben, was man sich wünschen kann. Er steht auf dem Gipfel seiner Karriere mit einer makellosen Bilanz: Keine Skandale, keine schmutzigen Geschäfte. Er ist mit einer liebevollen Frau verheiratet und hat zwei gesunde Kinder. Mit seiner kleinen Familie lebt er in einem großzügigen Apartment in Mailand, unterhält eine Stadtwohnung in Rom und besitzt ein Landhaus nahe der Schweizer Grenze.

Die Dinge scheinen gut für Calvi zu laufen. Doch kaum ist er Generaldirektor der Banco Ambrosiano

---ENDE DER LESEPROBE---