8,99 €
True Crime Spanien – 14 wahre Kriminalfälle aus dem Land der Sonne True Crime-Bestsellerautor Adrian Langenscheid nimmt Sie mit auf eine erschütternde Reise in die dunkle Seite Spaniens. In 14 schockierenden Kriminalfällen enthüllt er die grausame Realität hinter den sonnigen Stränden, lebhaften Metropolen und der leidenschaftlichen Kultur des Landes. Spanien, bekannt für seine lebensfrohe Atmosphäre, birgt zugleich düstere Geheimnisse: Skrupellose Serienmörder, brutale Familiendramen, mysteriöse Entführungen und eiskalte Verbrechen, die die Nation erschütterten. Jeder Fall ist authentisch recherchiert und wird in gewohnt sachlicher, aber mitreißender Weise erzählt – ein Stil, der unter die Haut geht und gewaltige Emotionen weckt. Fassungslos, erschüttert, verblüfft – und dennoch gefesselt werden Sie hinter die Fassade eines Landes blicken, das weit mehr zu bieten hat als seine touristische Idylle. Echte Verbrechen. Wahre Abgründe. Tauchen Sie ein in Spaniens schockierende True Crime-Welt! « In True Crime Spanien öffnet Langenscheid die Tür zu den dunkelsten Winkeln der menschlichen Seele – brutal, ehrlich und gerade deshalb so stark » Dave Grunewald (Musiker / Influencer) « Sonne, Strand und Serienmörder » Franziska Singer (Darf's ein bisserl Mord sein? - Podcast) « Langenscheid zeigt: Auch unter der mediterranen Sonne gedeihen die dunkelsten Abgründe. » Alex (Wahre Verbrechen - Podcast)
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2025
Adrian Langenscheid
TRUE
CRIME
SPANIEN
Wahre Verbrechen Echte Kriminalfälle
Impressum
Autoren: Adrian Langenscheid, Caja Berg, C.K. Jennar
Lektorat: Juno Dean
Ebook ISBN: 978-3-98661-138-5
1. Auflage Februar 2025
© 2025 True Crime International/ Stefan Waidelich,
Zeisigweg 6, 72212 Altensteig
Coverbild: © Canva (canva.com)
Covergestaltung:@ Pixa Heros, Stuttgart
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Rechteinhabers und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.
Einige Dialoge und Äußerungen, der in diesem Buch auftretenden Personen sind nicht wortgetreu zitiert, sondern dem Sinn und Inhalt nach wiedergegeben.
» Die Hölle ist leer, alle Teufel sind hier. «
– William Shakespeare (1564–1616),Englischer Dramatiker
Adrian Langenscheid
TRUE CRIME SPANIEN
Wahre VerbrechenEchte Kriminalfälle
Über dieses Buch:
Als man ihre Leiche fand, war der Körper so sehr entstellt, dass es schwerfiel, sie wiederzuerkennen. Einundvierzig Tage lang hatten sie sie gefangen gehalten, jeder Tag ein neuer Akt der Grausamkeit. Niemand hatte sie gerettet, niemand hatte ihr geholfen. Doch in diesem Buch wird ihre Geschichte erzählt – eine von vielen, die man nicht so leicht vergisst.
Über den Autor:
Adrian Langenscheid ist ein gefeierter Bestsellerautor und True Crime-Experte, dessen Bücher international die Spitzenpositionen der True Crime-Bestenlisten erobert haben. Gerade durch seine sachlich-neutrale Erzählweise trifft er den Nerv der Leser – seine Geschichten gehen tief unter die Haut. Jedes Kapitel legt schonungslos die grausame Realität echter Verbrechen offen – präzise, ungeschönt und dennoch zutiefst berührend.
Inhalt
Kapitel 1: Operation Wasserlilie1
Kapitel 2: Die Tragödie live im Fernsehen26
Kapitel 3: Der Abgesandte des Königs48
Kapitel 4: Der kleine Gott70
Kapitel 5: Helena90
Kapitel 6: Weil sie Frauen liebt111
Kapitel 7: Das letzte Treffen131
Kapitel 8: Gefangen im Abseits151
Kapitel 9: Tödliches Glückspiel171
Kapitel 10: Kein Entkommen auf Ebene 4189
Kapitel 11: Der Mann, der alles weiß208
Kapitel 12: 100 Meter225
Kapitel 13: Ich habe keine Angst245
Kapitel 14: Das Monster von Machala260
Schlusswort des Autors280
Newsletter: 281
True Crime International: 282
» Die Ungerechtigkeit, die einem Einzelnen zugefügt wird, ist eine Bedrohung für alle. «
– Montesquieu (1689–1755), französischer Philosoph –
Kapitel 1: Operation Wasserlilie
Rosario Porto blickt auf ihre zitternden Finger, mit denen sie das Taschentuch in ihren Händen malträtiert. Unzählige Male hat sie das Stück Stoff hin und her bewegt, zusammengepresst und wieder losgelassen, bis sich viele kleine, ausgefranste Fädchen auf der einst glatten Oberfläche gebildet haben. Das kalte Neonlicht der Deckenlampe brennt in ihren geröteten Augen, als sie den Kopf hebt und ihr Gegenüber fixiert. „Asunta ist ein liebes Mädchen. Sie würde niemals abhauen“, sagt Rosario, dann bricht ihre Stimme. „Das stimmt“, pflichtet ihr Alfonso Basterra bei, bevor er seinen Arm über Rosarios Schultern legt und sie an sich drückt. Nach ihrer Scheidung gab es viele Meinungsverschiedenheiten zwischen dem einstigen Paar, doch dass ihre 12-jährige Adoptivtochter einfach wegläuft – da sind sie sich einig: So etwas würde Asunta niemals tun. Der diensthabende Polizist tippt alle Informationen der besorgten Eltern über das vermisste Kind in das dafür vorgesehene Formular auf seinem Computer ein. „Wann haben Sie Asunta das letzte Mal gesehen?“, fragt der Beamte. „Ich habe mich gegen 19:00 Uhr auf den Weg zu unserem Landhaus in Teo gemacht“, antwortet Rosario. „Asunta blieb daheim, weil sie noch Hausaufgaben zu erledigen hatte. Als ich um 21:30 Uhr zurückgekommen bin, war sie weg. Ich habe sofort ihren Vater angerufen. Aber Alfonso wusste auch nicht, wo sie stecken könnte. Wir haben einige ihrer Freunde kontaktiert, aber niemand hatte Asunta gesehen.“ Der Polizist nickt. Ein Blick auf seine Armbanduhr verrät ihm, dass es jetzt nach 22:30 Uhr ist. „Wir werden zunächst allen Kollegen im Streifendienst die Vermisstenmeldung zukommen lassen, damit sie die Augen offen halten“, erklärt der Beamte Rosario und Alfonso die nächsten Schritte. Doch noch bevor die Polizei von Santiago de Compostela weitere Maßnahmen ergreifen kann, wählt ein junger Mann in den frühen Morgenstunden des 22. Septembers 2013 den Notruf.
Im Jahr 2000 kommt in der chinesischen Stadt Yongzhou in der Provinz Hunan ein Mädchen zur Welt. Warum ihre Mutter die kleine Fang zur Adoption freigibt, ist nicht bekannt. Das Kind ist noch kein Jahr alt, als die wohlhabenden Eheleute Rosario und Alfonso im Juni 2001 von Spanien nach China reisen, um Fang kennenzulernen.
Rosario stammt aus einer angesehenen Familie. Ihre Mutter ist Universitätsdozentin für Kunstgeschichte, der Vater Jurist und Honorarkonsul von Frankreich. Nach dem erfolgreichen Abschluss ihres Jurastudiums arbeitet Rosario in der Kanzlei ihres Vaters. Ihre Eltern schenken Rosario eine großzügig geschnittene Wohnung in einem vierstöckigen Gebäude im besten Viertel von Santiago de Compostela, die eine ganze Etage einnimmt.
1990 lernt die 21-jährige Rosario den fünf Jahre älteren Alfonso kennen. Der Mann, der seinen Lebensunterhalt als freiberuflicher Journalist verdient, zieht schon bald zu Rosario in ihr geschmackvoll eingerichtetes Apartment. Sechs Jahre später gibt sich das Paar das Ja-Wort. 1997 tritt Rosario in die Fußstapfen ihres Vaters, als man sie zur Konsulin von Frankreich ernennt. Jetzt fehlt den erfolgreichen Eheleuten nur noch eines zu ihrem Glück: Nichts wünschen sie sich sehnlicher als ein eigenes Kind. Doch Rosario leidet an systemischem Lupus Erythematodes. Bei dieser chronischen Autoimmunerkrankung greift das Immunsystem fälschlicherweise körpereigenes Gewebe an. Dadurch kann es zu Entzündungen verschiedener Organe oder auch Gelenken kommen. Der Arzt rät Rosario von leiblichen Kindern ab – zu groß sei das Risiko von Komplikationen während der Schwangerschaft. Doch ihren Traum von einer eigenen Familie wollen Rosario und Alfonso so schnell nicht aufgeben. Deshalb beschließen sie, einem Waisenkind ein Zuhause zu schenken.
Zu jener Zeit ist es ungewöhnlich, ein Kind aus China zu adoptieren. Doch die sinkende Geburtenrate und strengen Adoptionsgesetze in Spanien machen es schwer, ein Kind aus dem eigenen Land zu adoptieren, und so ziehen manche kinderlose Paare eine Auslandsadoption in Erwägung – vorausgesetzt, sie können die Kosten von mindestens 10.000 Euro aufbringen. Rosario und Alfonso sind Vorreiter, als sie beschließen, Fang nach Spanien zu holen. Sie haben keinerlei Schwierigkeiten, die Behörden davon zu überzeugen, dass sie gute Eltern seien und der verstoßene Säugling zusätzlich von einer liebevollen Verwandtschaft umgeben sein wird. Ein Psychologe attestiert dem Ehepaar zudem, „freundlich, entspannt, emotional ausdrucksstark, kooperativ, anpassungsfähig und fürsorglich“ zu sein.
Vom ersten Moment an ist das Paar von dem Säugling mit den großen, braunen Augen und den samtschwarzen Haaren verzaubert. Für ihre neun Monate ist Asunta viel zu schmächtig und kleiner als gleichaltrige Babys.
Zwei Wochen lang kämpfen sich Rosario und Alfonso durch den chinesischen Bürokratie-Dschungel. Nachdem sie alle erforderlichen Rechnungen beglichen haben, halten sie die spanischen Ausweispapiere in den Händen, die ihrem Adoptivkind seinen neuen Namen Asunta Fong Yang Basterra Porto bescheinigen. Endlich können sie mit ihrer kleinen Tochter nach Spanien reisen.
Von ihren Mitmenschen ernten Rosario und Alfonso Lob und Bewunderung – immerhin haben sie ein Kind in Not gerettet und geben ihm die Chance, in einem wohlhabenden Umfeld aufzuwachsen. Rosario tritt sogar gelegentlich im lokalen Fernsehen auf, wo sie Interessierten von ihren Erfahrungen mit der Adoption eines Kindes aus dem Ausland berichtet. Ihren Ehemann Alfonso beschreibt sie als „geduldig, locker, verständnisvoll und humorvoll; einen starken Charakter, der seine eigenen Entscheidungen trifft“.
In der kommenden Zeit in ihrer neuen Familie legt Asunta an Gewicht zu, bleibt aber dennoch von zierlicher Gestalt. Jedes Mal sind Rosario und Alfonso krank vor Sorge, wenn sich Asunta mit einer der üblichen Kinderkrankheiten angesteckt hat. Doch Asunta erholt sich immer schnell. In solchen Situationen stehen der Familie stets engagierte Mediziner in einem der renommiertesten Krankenhäuser der Stadt zur Seite. Das gut situierte Ehepaar ist nicht darauf angewiesen, in ein öffentliches Gesundheitszentrum zu gehen, wo Asunta ein beliebiger Kinderarzt zugeteilt werden würde.
Schnell zeichnet sich ab, dass es sich bei Asunta um ein ganz besonderes Mädchen handelt. Sie ist intelligenter als ihre Klassenkameraden. Der Schulstoff langweilt und unterfordert sie. Als der Wechsel auf die weiterführende Schule ansteht, überspringt Asunta deshalb sogar ein Schuljahr. Die Eltern informieren sich eingehend über intellektuell besonders begabte Kinder, um die Talente ihrer Tochter bestmöglich zu fördern und um ihren Bedürfnissen gerecht zu werden. „Gut gefördert sind diese Kinder eine feine Sache“, sagt Alfonso einmal gegenüber Freunden, „aber sie können auch ein Problem sein.“ Asunta, die Spanisch und Galicisch spricht, bekommt auch Privatunterricht in Englisch, Französisch und Chinesisch; die deutsche Sprache lernt sie in der Schule. Zudem erhält Asunta exklusive Ausbildungen in Ballett, Geige und Klavier. Ihre Ballettlehrerin berichtet später: „Sie hat uns einmal erzählt, wie ihre Samstage aussahen. Sie stand um 07:00 Uhr auf, machte von 8:00 Uhr bis 10:00 Uhr Chinesisch, kam von 10:15 Uhr bis 12:30 Uhr zum Ballett und dann bis zum Nachmittag Französisch. Und dann gab es noch Geigen- und Klavierunterricht.“ Ihre Freizeit verbringt Asunta auf klassischen Konzerten oder im Theater. Ihr Umfeld empfindet Asunta als ein glückliches Mädchen. Sie ist talentiert, diszipliniert und scheint Spaß an dem zu haben, was sie tut.
Stolz verfolgen Rosario und Alfonso alle Fortschritte und Erfolge ihrer Tochter. Als Rosario einmal mit geschwellter Brust die Liste der außerschulischen Aktivitäten von Asunta präsentiert, unterbricht diese ihre Mutter und faucht: „Das mache ich nur, weil du das willst!“
Gegenüber fremden Menschen ist Asunta eher schüchtern und zurückhaltend. Ganz anders hingegen soll sie sich zu Hause verhalten. Übermütig stolziert sie in ihrem Ballettkostüm durch das Apartment der Familie, spielt ihren Eltern Streiche und zerrt an deren Nerven, wenn sie politische Reden nachäfft. Hat Asunta Kummer, vertraut sie sich ihrer Patentante oder ihrem Kindermädchen an, die später sagt, dass die Familie auf sie einen idyllischen Eindruck machte.
Doch das Bild der sorgenfreien und glücklichen Eheleute mit ihrem hochbegabten Adoptivkind bekommt erstmals im Jahr 2009 tiefe Risse. Rosario lässt sich in eine psychiatrische Klinik einweisen. Sie ist in schwere Depressionen verfallen, wirkt teilnahmslos und in sich gekehrt. Rosarios Gedanken kreisen darum, wie sie ihrem Leben am besten ein Ende setzen kann. Zudem soll sie sich in ständiger Konkurrenz zu ihrer eigenen Mutter gefühlt haben, die sie als „charmant schrecklich“ beschreibt. Ein Bekannter bestätigt, dass diese „eine Persönlichkeit wie ein Rasenmäher“ habe. Rosarios Mutter ist die treibende Kraft und unangefochtenes Familienoberhaupt; die Beziehung zwischen den beiden Frauen ist angespannt. Daneben notiert die behandelnde Psychiaterin in Rosarios Krankenakte: „Sie reagiert sehr gereizt auf ihre Tochter, die ihr ständig auf die Nerven geht.“ Öffentlich ist nicht bekannt, warum Rosario sich nach nur zwei Nächten selbst aus der psychiatrischen Klinik entlässt. Dennoch scheint sie sich auch ohne ärztliche Hilfe wieder zu fangen.
Im Alter von 22 Jahren traten erstmals psychische Probleme bei Rosario auf. Zu dieser Zeit war sie als Erasmus-Austauschstudentin nach Frankreich gereist. In dem fremden Land hielt sie es allerdings nur kurze Zeit aus, bevor sie wieder zurück in ihre Heimat flüchtete. „Niemand wusste, wer ich war. Hier in Santiago, wo mein Vater Dozent war, behandelten sie mich mit mehr Rücksicht“, erzählte Rosario später. Schon zuvor hatte die junge Frau kaum Selbstbewusstsein und nach ihrem Frankreich-Aufenthalt immer wieder mit Angstzuständen und depressiven Verstimmungen zu kämpfen. In ihrem öffentlichen Lebenslauf behauptet sie allerdings, ihr Studienjahr in Frankreich abgeschlossen zu haben und im Anschluss an der London „High School of Law“ studiert zu haben – eine Institution, die es gar nicht gibt, wie die britische Tageszeitung „The Guardian“ später berichtet.
Asunta ist mittlerweile elf Jahre alt, als ihre Adoptivmutter 2011 beschließt, das wissbegierige Mädchen für zwölf Monate auf eine Schule nach England zu schicken. So kann Asunta neue Kontakte knüpfen und gleichzeitig ihre Englischkenntnisse aufpolieren. Rosario selbst hatte als Jugendliche ebenfalls eine Lehranstalt im englischen Oxford besucht. Eine Zeit, die sie wohl in guter Erinnerung behalten hatte. Über den Verlauf von Asuntas Aufenthalt in England ist nichts bekannt.
Anfang des Jahres 2013 trennen sich Rosario und Alfonso. Familie, Freunde und Bekannte sind schockiert. Niemand hatte vermutet, dass es Streitigkeiten zwischen den Ehepartnern gibt. Zwar hatten die beiden in den vergangenen Monaten einige Hürden zu bewältigen gehabt, aber nach außen machten sie den Eindruck, als bildeten sie eine unerschütterliche Einheit. In Wahrheit war Rosario offenbar unglücklich in ihrer Ehe. Einst voller Bewunderung für ihren Mann soll sie ihn nach mehr als 20 Jahren Beziehung als unsozial, teilnahmslos und unberechenbar empfunden haben. Einer Freundin gegenüber gesteht Rosario, dass sie Alfonso, den sie einen leistungsschwachen Hausmann nennt, satthabe. Hals über Kopf stürzt sich Rosario in eine Affäre mit einem erfolgreichen Geschäftsmann. Als Alfonso in Rosarios E-Mail-Postfach schnüffelt, erfährt er von den Seitensprüngen seiner Ehefrau. Nach der pikanten Entdeckung zerbricht die Ehe. Kurzerhand packt er seine Koffer und zieht aus der gemeinsamen Wohnung aus. Zunächst kommt Alfonso bei Verwandten unter. Drei Wochen später kehrt er zurück und zieht in ein kleines Apartment, das sich direkt um die Ecke von Rosarios Residenz befindet. Alfonso selbst sagt, dass er nur einen Wunsch habe: Er will seine Asunta glücklich aufwachsen sehen und immer in ihrer Nähe sein können.
Rosario und Alfonso setzen sich mit ihrer Tochter zusammen und erklären ihr, dass sie sich scheiden lassen wollen, versichern ihr aber gleichzeitig, dass sie Asunta beide weiterhin von ganzem Herzen lieben würden. Das 12-jährige Mädchen überlegt einen Moment, bevor sie fragt: „Wer wird dann jetzt kochen?“. Bis zur Trennung hatte Alfonso sich als Hausmann betätigt, sich um Asunta gekümmert, Wäsche gewaschen, und vor allem hatte er dafür gesorgt, dass die Familie jeden Abend eine köstliche Mahlzeit auf dem Tisch hatte. Eine Bekannte sagt später über Rosario: „Ich bezweifle, dass sie jemals auch nur ein Ei gekocht hat.“ Während Alfonso den Haushalt schmiss, sorgte Rosario mit ihrer Tätigkeit als Anwältin für den Lebensunterhalt der Familie. Alfonso selbst hatte als freiberuflicher Journalist nur unregelmäßige Aufträge und damit ein schwankendes Einkommen. Die Trennung von Rosario stellt Alfonso somit auch vor finanzielle Schwierigkeiten. Der Umstand, dass Rosario ausgerechnet eine Affäre mit einem gut betuchten Mann angefangen hatte, lässt Alfonso nur noch wütender werden. Alfonso empfindet den Liebhaber seiner Ehefrau als vulgär – vor allem deshalb, weil dieser ebenfalls verheiratet ist. Er bombardiert Rosario täglich mit E-Mails, in denen er sie an all die Dinge im Haushalt erinnert, die sie nun allein zu verrichten hat. Alfonso weiß, dass Rosario Schwierigkeiten hat, sich selbst zu organisieren, und er sie so, wohlwissend um ihre Defizite, unter Druck setzen kann. Es ist nicht bekannt, wie Asunta auf die Trennung und die Streitigkeiten ihrer Eltern reagiert und welchen Einfluss die äußeren Umstände auf das Mädchen und ihre Entwicklung haben.
Mitte Februar 2013 kommt es zur einvernehmlichen Scheidung der beiden Eheleute. Auch ihr Verhältnis zueinander verbessert sich in den kommenden Wochen. Während Alfonso eine psychologische Beratung in Anspruch nimmt und sich um Asunta kümmert, erhält er im Gegenzug von seiner Ex-Frau weiterhin finanzielle Unterstützung. Asunta verbringt ihre Zeit zum Teil in der Wohnung ihrer Mutter und zum anderen Teil in dem kleinen Apartment ihres Vaters, das nur wenige Gehminuten von ihrem Zuhause entfernt ist. Wann immer er will, darf Alfonso seine Tochter sehen.
Im Juni 2013, sechs Monate nach der Trennung, erleidet Rosario einen Nervenzusammenbruch, der sich sogar mit körperlichen Symptomen bemerkbar macht. Sie klagt über Schwindel, ihr Gang ist unsicher, und eines ihrer Augenlider hängt herab.
Möglicherweise fühlt sich Rosario hilflos. Vielleicht ist sie erleichtert, als Alfonso in dieser schwierigen Situation sofort in die Klinik eilt und ihr am Krankenbett die Hand hält. Mag sein, dass sie deshalb einem Pakt mit Alfonso zustimmt. Der 49-Jährige verspricht seiner Ex-Frau, dass er sich nicht nur um Asunta, sondern auch um sie kümmern werde. Dafür müsse sie aber ihre Affäre mit dem anderen Mann beenden. Rosario stimmt zu.
Als Rosario aus dem Krankenhaus zurück nach Hause kehrt, hilft Alfonso ihr bei der Verrichtung der alltäglichen Dinge. Die Mahlzeiten, gekocht von Alfonso, nehmen er, Rosario und Asunta von nun an wieder gemeinsam ein. Es scheint alles wie vorher zu sein – bevor Rosarios Affäre aufflog und ihre Ehe zerbrach. Alfonso denkt derweil sogar darüber nach, wieder mit seiner Ex-Frau zusammenziehen.
Kurz vor den Sommerferien kommt es zu einem Zwischenfall, der bis heute ungeklärt ist. In der Nacht vom 4. auf den 5. Juli 2013 schreckt Rosario aus dem Schlaf hoch. Sie hört seltsame Geräusche aus dem Zimmer ihrer Tochter und rennt zu Asunta. Sie ist vor Schreck wie gelähmt, als sie einen fremden Mann am Bett der 12-Jährigen stehen sieht. Seine Hände stecken in Latexhandschuhen und umschließen fest den zierlichen Hals des schreienden Kindes. Rosario stürzt sich auf den Eindringling und reißt ihn von dem Mädchen weg. Der Unbekannte flieht daraufhin aus der Wohnung. Rosario sagt aus, dass sie versehentlich den Schlüssel außen in der Wohnungstür hatte stecken lassen und es dem Einbrecher so möglich gewesen war, unbemerkt in das Apartment einzudringen. Allerdings konnte sich Rosario nicht erklären, wie es dem Fremden gelungen war, in das Gebäude zu kommen. Eine Idee für ein mögliches Motiv haben die Eltern hingegen schnell: Sie vermuten, dass der Unbekannte von dem Safe in Rosarios Wohnung mit mehreren tausend Euro Bargeld wusste. Die Polizei verständigen Rosario und Alfonso nach diesem angsteinflößenden Vorfall jedoch nicht. Am kommenden Tag schreibt Asunta einer Freundin eine WhatsApp-Nachricht, in der sie ihr berichtet, dass in der Nacht jemand versucht habe, sie umzubringen. Danach spricht Asunta aber nicht mehr mit ihr über das schreckliche Erlebnis. Während eines Ausfluges einige Tage später erzählt Asunta einer anderen Freundin und deren Mutter von dem fremden Mann an ihrem Bett, der versucht hatte, sie zu erwürgen. Die Frau ist schockiert über die Erzählung des Mädchens und kontaktiert Rosario. Die Frau drängt Asuntas Mutter, den Vorfall bei der Polizei zu melden. Rosario macht sich daraufhin auf den Weg zur Polizeiwache in Santiago – entscheidet sich letztlich aber dagegen, eine Anzeige zu erstatten. Immerhin würden Einbrüche nur selten aufgeklärt und der Täter habe nichts gestohlen. „Asunta war ein ängstliches Mädchen. Ich wollte nicht, dass sie sich in ihrem eigenen Zuhause unsicher fühlte“, versucht Rosario ihre Entscheidung später zu begründen. Rosario versucht, die Mutter von Asuntas Freundin zu besänftigen, indem sie ihr vorgaukelt, die Polizei werde sich nun um die Angelegenheit kümmern.
Die Sommerferien 2013 verbringt Asunta mit ihrem Kindermädchen in deren Heimatdorf und im Anschluss mit ihrer Patentante in einem örtlichen Strandresort. Für Asunta sind es erlebnisreiche Wochen, in denen sie im Meer schwimmt und Stadtfeste besucht. Während der Ferienzeit verbringt die 12-Jährige nur eine Woche gemeinsam mit ihren Eltern, die aber jeden Tag mit ihrer Tochter telefonieren. Rosario und Alfonso nutzen die Sommerferien, um sich von den Strapazen der vergangenen anderthalb Jahre zu erholen. Neben ihrer Trennung hatten sie auch den Tod von Rosarios Eltern zu verarbeiten. Im Dezember 2011 war ihre Mutter gestorben, sieben Monate später trat ihr Vater seine letzte Reise an. Vor allem Asunta hatte der Tod ihrer Großeltern getroffen. Sie hatte viel Zeit mit ihnen verbracht. Doch in den Sommerferien macht Asunta, trotz der schweren Verluste, auf ihr Kindermädchen und ihre Patentante einen glücklichen und unbeschwerten Eindruck.
Der 21. September 2013 ist ein Samstag. Fast drei Wochen liegen die Sommerferien nun schon zurück, und der Alltag hat die Familie wieder fest im Griff.
Wie immer liegt Asunta bäuchlings auf dem bunten Teppich in ihrem Kinderzimmer. Vor sich hat sie zahlreiche Schulbücher ausgebreitet und arbeitet fleißig ihre Hausaufgaben ab, welche die Lehrer den Schülern über das Wochenende aufgegeben haben.
Am Mittag hatte Asunta zusammen mit ihren Eltern in der Wohnung ihres Vaters gegessen. Im Anschluss spielte das Trio eine Partie Karten, bevor sie sich gemeinsam eine Folge der Zeichentrickserie „Die Simpsons“ im Fernsehen anschauten. Als der Abspann über den Bildschirm flimmerte, machte sich Asunta auf den Weg in Rosarios Wohnung, während ihre Mutter noch bei Alfonso blieb.
Am späten Abend desselben Tages fehlt von dem Mädchen plötzlich jede Spur. Aufgeregt machen sich Rosario und Alfonso nach 22:00 Uhr auf den Weg zur Polizei, um ihre Tochter als vermisst zu melden. Als Alfonso mit dem Inspektor aus der Tür vor das Polizeigebäude in die warme Nachtluft tritt, um eine Zigarette zu rauchen, offenbart der Mann, dass er nur wenig Hoffnung hat, dass seine sonst so gehorsame Tochter noch lebt. „Asunta muss tot sein“, murmelt er traurig. „Ich hoffe nur, dass er sie nicht vergewaltigt hat.“
In den frühen Morgenstunden des 22. Septembers 2013 steigt ein junger Mann namens Alfredo Balsa nach einer durchzechten Nacht in einer Bar mit einem Kumpel in seinen Wagen. Der Mond erhellt die Umgebung, doch die großen Kiefern und Eichen, die sich entlang der Bergstraße drängen, verschlucken alle Helligkeit. Im Scheinwerferlicht erspäht Alfredo plötzlich am Straßenrand etwas Seltsames. Zunächst glaubt der junge Mann, dass dort jemand eine Vogelscheuche entsorgt hat. Alfredo tritt auf die Bremse und setzt zurück. Das will er sich genauer ansehen. Er richtet die Scheinwerfer des Autos auf den vermeintlichen Gegenstand, als seinem Beifahrer ein Schreckenslaut entfährt. Vor ihnen liegt keine Vogelscheuche. Vor ihnen liegt auf einer leicht abfallenden Böschung ausgestreckt ein Mädchen; nur zwei Meter von der Straße entfernt.
Alfredo und sein Kumpel steigen aus dem Auto und nähern sich vorsichtig dem leblosen Körper. Das barfüßige Mädchen trägt eine graue Jogginghose, die mit Schlammflecken übersät ist und einen dunklen Fleck um den Schritt herum aufweist. Das weiße T-Shirt ist über den Bauchnabel gerutscht. Der linke Arm ist nach oben gekrümmt; der rechte Arm steckt im Oberteil. Um die Gliedmaßen ist eine orangefarbene Schnur gewickelt – der Mörder hatte sein Opfer offensichtlich gefesselt.
Zaghaft tastet Alfredo nach dem Puls des Kindes, doch als er mit seiner Hand die eisigkalte Haut des Mädchens spürt, ist ihm klar, dass jede Hilfe zu spät kommt. Mit zittrigen Fingern wählt Alfredo den Notruf und berichtet dem Disponenten am anderen Ende der Leitung von seinem grausamen Fund.
Die herbeigeeilten Kriminalbeamten wissen sofort, dass vor ihnen, auf einem Bett aus Kiefernadeln, der Leichnam von Asunta liegt, die in wenigen Tagen ihren 13. Geburtstag gefeiert hätte. Aus der Ferne betrachtet scheint es, als würde der tote Körper des Mädchens über dem Boden schweben, und ihre Körperhaltung erinnert an die Form einer Blume. Dieser Anblick führt dazu, dass der leitende Kriminalpolizist die Suche nach dem Mörder von Asunta „Operation Wasserlilie“ tauft. Neben der Tatsache, dass der Name der Ermittlungsgruppe an Asuntas Heimat Asien erinnern soll, erklärt der Kriminalist gegenüber Journalisten: „Wir wissen, dass es sich um eine dort heimische Pflanze handelt, die sehr schön ist und von den Menschen sehr geschätzt wird. Wir halten diesen Namen für schön, und er erinnert an Asunta.“
Nachdem die Spuren am Fundort der Leiche gesichert sind, wird Asuntas Körper in ein rechtsmedizinisches Institut überstellt. Während die Ermittlungen auf Hochtouren laufen, finden sich Rosario und Alfonso am 24. September 2013 zum dritten Mal in nur anderthalb Jahren im Krematorium wieder. Diesmal halten sie Totenwache für ihre Tochter. Hinter einer Glasscheibe liegt der Leichnam von Asunta in einem schneeweißen Sarg, umgeben von prächtigen Kränzen und Blumenarrangements aus weißen Rosen und Lilien.
Vor dem Krematorium haben sich zahlreiche Reporter versammelt. Während Rosario und Alfonso in das Gebäude eilen, tritt Tareixa Navaza, eine bekannte Journalistin und Vertraute der Familie, vor die sensationslüsterne Meute, um einige Worte im Namen der am Boden zerstörten Eltern vorzutragen. Als einer der Pressevertreter jedoch andeutet, dass die Polizei gegen Rosario und Alfonso wegen des Todes ihrer Tochter ermittele, wird die Frau sichtlich wütend. Mit fester Stimme spricht sie in die ihr entgegengestreckten Mikrofone, dass sie die Familie gute kenne und durchs Feuer gehen würde, um ihre Unschuld am Tod der kleinen Asunta zu beweisen.
Unterdessen stehen Rosario und Alfonso vor der Glasscheibe und machen Fotos von der Szenerie – ein letztes Andenken an ihre Adoptivtochter, bevor die Flammen sie in Asche verwandeln werden. Während Alfonso sein tränenüberströmtes Gesicht in den Händen verbirgt, tritt ein Mann an Rosario heran und flüstert ihr etwas ins Ohr. Unbemerkt von Alfonso und den anderen Trauergästen folgt sie ihm hinaus ins Freie.
Nach einer Pressemitteilung verbreitet sich die Nachricht wie ein Lauffeuer: Während der Trauerfeier für Asunta ist Rosario von der Polizei festgenommen worden. Die Frau steht im dringenden Verdacht, ihre eigene Tochter ermordet zu haben. Allerdings können die Kriminalisten nicht mit physischen Beweisen wie Fingerabdrücken oder Faserspuren aufwarten. Dennoch haben die Beamten einen triftigen Grund für die Festnahme von Rosario. Hatte die Frau zuvor immer behauptet, sie habe sich am Abend des Verschwindens von Asunta allein in ihrem Wagen auf den Weg zum Landhaus der Familie in der Gemeinde Teo gemacht, beweist die Aufnahme einer Überwachungskamera an einer Tankstelle, dass auf dem Beifahrersitz ein Mädchen mit schwarzen, schulterlangen Haaren gesessen hatte. Der Zeitstempel der Videos zeigt, dass die Aufzeichnung zu einem Zeitpunkt entstanden ist, als sich Asunta, nach Angaben von Rosario, allein zu Hause befunden haben soll. Mit dem Widerspruch konfrontiert, ändert Rosario nun ihre Aussage. Jetzt sagt sie, dass es sich bei der Jugendlichen auf dem Beifahrersitz ihres Autos tatsächlich um Asunta handelte. An jenem Abend seien sie zunächst gemeinsam nach Teo aufgebrochen. Doch die 12-Jährige habe sich krank gefühlt. Andere Quellen berichten, Rosario habe gesagt, dass Asunta nach Hause und ihre Hausaufgaben machen wollte. So oder so: Rosario sei nach einem kurzen Aufenthalt im Landhaus der Familie umgekehrt und habe das Mädchen in der Nähe ihrer Wohnung abgesetzt, bevor sie sich allein auf den Weg machte, um einige Besorgungen zu erledigen. Rosario gibt bei ihrer Vernehmung an, dass sie zu einem Sportgeschäft gefahren sei, um dort etwas für ihre Tochter zu kaufen, das sie für den Ballettunterricht benötigte. Sie sei aber nicht in den Laden hineingegangen, weil ihr aufgefallen sei, dass sie ihre Handtasche in Teo vergessen habe. Also sei sie zurück zum Landhaus gefahren. Im Anschluss habe sie an einer Tankstelle gehalten. Getankt habe sie allerdings nicht, weil sie bemerkte, dass sie ihre Rabattkarte nicht dabeihatte.
Die Kriminalbeamten sichten die Aufzeichnungen von 33 Überwachungskameras. Keine der Kameras hatten Rosarios Wagen auf den Straßen von Santiago gefilmt, auf denen sie an jenem Abend gefahren sein will. Die Kriminalisten sind sich sicher: Rosario kam gemeinsam mit Asunta am 21. September 2013 kurz vor 18:00 Uhr am Landhaus in Teo an. Doch nur Rosario verließ das Anwesen lebend. Wenige Stunden später fanden Alfredo Balsa und sein Kumpel die Leiche des Mädchens – nur 5 Kilometer vom Landsitz der Familie entfernt.
Doch nicht nur das macht Rosario in den Augen der Beamten verdächtig. Kurz nachdem sie die Eltern über den Tod ihrer Tochter informiert hatten, fuhren sie mit Rosario zum Landhaus, um sich dort umzuschauen. Die Kriminalisten baten die 44-Jährige, nichts anzufassen, da es sich um einen potenziellen Tatort handeln könnte. Kaum waren sie im Haus, bat Rosario die Polizisten, auf die Toilette gehen zu dürfen, und eilte in das erste Stockwerk. Ein Beamter folgte ihr und erwischte die Frau dabei, wie sie sich am Abfalleimer im Bad zu schaffen machte. Er forderte sie auf, den Behälter sofort zurück auf den Boden zu stellen. Zaghaft kam Rosario der Aufforderung des Beamten nach. Der warf einen Blick in den Abfalleimer und sah ein Stück orangefarbene Schnur – die Kordel war von derselben Art wie die, mit der Asunta gefesselt worden war. Allerdings gelingt es den Forensikern nicht, herauszufinden, ob Asuntas Fesseln und das weggeworfene Stück Schnur im Landhaus von ein und derselben Rolle stammen.
Im rechtsmedizinischen Abschlussbericht ist zu lesen, dass im Blut und im Urin von Asunta eine hochgiftige Menge Lorazepam nachgewiesen werden konnte. Lorazepam findet Einsatz bei der Behandlung von Angstzuständen und Schlafstörungen und ist der Hauptwirkstoff des Medikamentes „Orfidal“ – ebenjenes Präparat, das Rosario regelmäßig einnimmt. Als Todesursache machen die Rechtsmediziner Ersticken aus. Die Ermittler glauben, dass dem Mädchen eine Überdosis verabreicht wurde, um sie wehrlos zu machen, bevor sie ermordet wurde.
Nach Aussagen einiger Zeugen, die der Polizei berichten, dass Asunta in den Monaten vor ihrem Tod manchmal wie benommen wirkte und nicht in der Lage war, auch nur einen Schritt geradeaus zu gehen, veranlassen die Kriminalisten eine weitere forensische Untersuchung. Im Labor wird eine asservierte Haarsträhne des ermordeten Mädchens analysiert. Die Experten können in den ersten drei Zentimetern des Materials den Wirkstoff Lorazepam feststellen. Da Haare in der Regel etwa einen Zentimeter pro Monat wachsen, kommen sie zu dem Schluss, dass die 12-Jährige in den vergangenen zwölf Wochen regelmäßig kleinere Dosen des Beruhigungsmittels zu sich genommen hatte.
Ein Aufschrei geht durch die Bevölkerung. Kaum jemand kann sich vorstellen, dass an den Vorwürfen gegen Rosario etwas dran sein könnte. „Ich verstehe es einfach nicht“, sagt eine Nachbarin gegenüber einem Reporter. „Ich habe nie gesehen, dass Rosario Asunta in irgendeiner Weise misshandelt hat.“
Derweil grübeln die Ermittler, wie Rosario es geschafft haben könnte, ihre ermordete Tochter am Straßenrand abzulegen – und das, ohne Schleifspuren auf dem Waldboden zu hinterlassen. Immerhin misst die zierliche Frau nur 1,42 Meter und ist damit kleiner als Asunta. Für die Kriminalisten besteht kein Zweifel: Rosario muss einen Komplizen gehabt haben.
Einen Tag nach Rosarios Verhaftung klicken auch bei ihrem Ex-Ehemann Alfonso die Handschellen. Allerdings haben die Ermittler keine physischen Beweise, die den 49-Jährigen mit dem Verbrechen in Verbindung bringen. Verdächtig macht ihn vor allem sein Alibi, das für die Ermittler konstruiert erscheint. Alfonso behauptet, dass er am Abend der Tat allein in seiner Wohnung gewesen sei. Zum Zeitpunkt des Mordes an Asunta, den der Rechtsmediziner zwischen 19:00 Uhr und 20:00 Uhr vermutet, habe er gekocht und im Anschluss ein Buch gelesen. Sein Handy war ausgeschaltet, so dass es den Ermittlern nicht möglich ist, anhand der Mobilfunkzellen-Ortung festzustellen, ob Alfonso sich am Abend des 22. Septembers 2013 tatsächlich ausschließlich in seiner Wohnung aufgehalten hatte. Auch Rosarios Handy war zum angenommenen Tatzeitpunkt ausgeschaltet, da, so behauptet Rosario, ihr Akku leer gewesen sei.
Die Kriminalbeamten entwickeln eine Hypothese, wie es zu dem Mord an der kleinen Asunta gekommen ist. Die Kriminalisten glauben, dass Rosario und Alfonso ihrer Adoptivtochter überdrüssig geworden waren. Ihre Tötung war ein sorgfältig geplantes Verbrechen, um sich des zunehmend lästig werdenden, vorpubertären Mädchens zu entledigen. Durch den Tod ihrer Eltern ist Rosarios ohnehin angeschlagene Psyche möglicherweise völlig aus dem Gleichgewicht geraten. Zudem sagt eine Psychologin, die Rosario in den Wochen vor Asuntas Ermordung betreut hatte, gegenüber der Polizei aus, dass diese sich von ihrer Adoptivtochter „überwältigt“ gefühlt habe. Die Ermittler sind sich sicher, dass Rosario die treibende Kraft bei der Planung des Mordes an Asunta gewesen war. In den Monaten vor der Tat verabreichte sie dem Kind Lorazepam, um Dosierung und Wirkung zu testen.