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Try to love you ist der erste Teil der Try to-Reihe. Für das Wohl der Familie musste Amelia Moretti ihr Leben in Deutschland hinter sich lassen. Wegen der Entscheidung ihres Großvaters muss sie Alessandro Russo heiraten. Sie hat keine andere Wahl, damit kein Blut fließt tut sie was von ihr verlangt wird. Doch umso mehr Zeit vergeht, desto schneller holt ihre Vergangenheit sie ein, von der sie selbst nichts wusste. Alles hatte sich von heute auf Morgen verändert. Die Menschen, die sie immer geliebt und denen sie immer vertraut hatte, sind nicht die, für die sie, sie gehalten hatte. Sogar der Mann, den sie heiraten soll, verbirgt einiges vor ihr.
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Seitenzahl: 417
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Try to love you
Aleyna Özbostanci
Try to-Reihe:1
Aleyna Özbostanci
Try to love you
Try to-Reihe:1
Roman
©2024 Aleyna Özbostanci
Die in diesem Buch dargestellten Figuren sind fiktiv. Jegliche Ähnlichkeit mit lebenden oder realen Personen ist zufällig und nicht vom Autor beabsichtigt.
Herausgeber: Aleyna Özbostanci, Rheingoldstraße 19, 47229 Duisburg
Druck: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin.
Liebe Leser:innen,
dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.
Deshalb findet ihr auf der letzten Seite eine Triggerwarnung.
Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch!
Ich wünsche euch allen viel Spaß beim Lesen!
Dieses Buch widme ich allen, die nicht an mir gezweifelt haben.
Ich habe euch lieb.
Lie·be /Liébe/
Substantiv, feminin [die]
• starkes Gefühl des Hingezogen seins; starke, im Gefühl begründete Zuneigung zu einem [nahestehenden] Menschen
"mütterliche, kindliche, reine, innige Liebe"
• auf starker körperlicher, geistiger, seelischer Anziehung beruhende Bindung an einen bestimmten Menschen, verbunden mit dem Wunsch nach Zusammensein, Hingabe o. Ä.
"die wahre, große Liebe"
Prolog
Alessandro
1. Kapitel
Amelia
2. Kapitel
Amelia
Alessandro
3. Kapitel
Amelia
4. Kapitel
Alessandro
Amelia
5. Kapitel
Alessandro
6. Kapitel
Amelia
7. Kapitel
Amelia
Alessandro
8. Kapitel
Amelia
Alessandro
9. Kapitel
Amelia
Alessandro
10. Kapitel
Amelia
11. Kapitel
Alessandro
12. Kapitel
Amelia
13. Kapitel
Alessandro
14. Kapitel
Amelia
15. Kapitel
Alessandro
16. Kapitel
Amelia
17. Kapitel
Alessandro
18. Kapitel
Amelia
19. Kapitel
Alessandro
20. Kapitel
Amelia
21. Kapitel
Alessandro
22. Kapitel
Amelia
23. Kapitel
Alessandro
24. Kapitel
Amelia
25. Kapitel
Amelia
26. Kapitel
Amelia
Alessandro
27. Kapitel
Amelia
28. Kapitel
Amelia
Alessandro
29. Kapitel
Amelia
30. Kapitel
Amelia
Alessandro
31. Kapitel
Alessandro
32. Kapitel
Alessandro
33. Kapitel
Amelia
34. Kapitel
Alessandro
35. Kapitel
Amelia
36. Kapitel
Amelia
37. Kapitel
Amelia
38. Kapitel
Alessandro
39. Kapitel
Amelia
Alessandro
40. Kapitel
Amelia
Epilog
Amelia
Danksagung
Triggerwarnung
Es war ein kalter Tag im Februar. Wie jeden Tag, hatte ich meine Arbeit im Büro erledigt und normalerweise wäre ich jetzt nach Hause gefahren, um mich etwas zu entspannen. Normalerweise bezahlen die meisten auch pünktlich ihr Geld, aber es gibt immer jemanden, der aus der Reihe tanzt. Dieses Mal ist es nicht nur einer, sondern zwei. Es ist nicht genug, dass wir seit Monaten von den Morettis Geld erwarten, was sie anscheinend nicht bezahlen können, dann taucht noch ein Vollidiot auf, der geschworen hatte, uns unser Geld in drei Monaten wieder zu geben. Um die Angelegenheit der Morettis kümmerte sich mein Großvater höchstpersönlich. Er hatte mir nur erzählt, dass er die Familie schon länger kennt und da er ganz genau weiß, dass ich bei sowas keine Ausnahmen mache, kümmert er sich drum. Soll er machen, wie er es für richtig hält. Ich jedenfalls bin auf dem Weg, um von Lorenzo unser Geld zu holen.
Nach zwanzig Minuten Autofahrt bin ich an einer Kneipe angekommen. Es war nicht viel los, obwohl es schon zehn Uhr abends ist. Neben mir hielt ein schwarzer Jeep. Edoardo und Francesco stiegen aus. Zwei von vielen Männern, die für uns arbeiten. Sie nickten mir kurz zu und gingen voraus. Ich ließ all meine Männer immer vor mir laufen. Man kann keinem vertrauen. Die Person, die hinter mir laufen darf, muss mein volles Vertrauen haben und bis jetzt ist da niemand, außer mein Großvater und meine Schwester.
Ich betrat die Kneipe langsam und schaute mich um. Leer. Nur zwei Männer mittleren Alters saßen an der Theke. Sie drehten sich um als sie das Geräusch der Tür hörten. Als sie mich erblickten, wich ihnen die Farbe aus ihren Gesichtern. Jeder kannte mich hier. Und wenn ich komme, heißt das nichts Gutes. Ich nickte zu Tür, beide standen sofort auf und rannten Richtung Tür. Francesco ging in das Hinterzimmer, während Edoardo die Toiletten durchging, um sicher zu gehen, dass niemand anderes noch da ist. Ein paar Minuten später kam er zurück und nickte mir als Bestätigung zu.
„Ich schwöre bei der heiligen Mutter Maria, ich gebe euch euer Geld, sobald ich es habe!“, flehte Lorenzo, während Francesco ihn zerrend zu mir brachte. Ich hatte mich auf einen Stuhl gesetzt und schaute das Szenario vor mir an. Francesco hatte ihn vor mir auf die Knie gebracht.
„Das kommt mir sehr bekannt vor Lorenzo.“, antwortete ich.
„Ich flehe dich an! Ich habe Familie. Bitte tu mir nichts.“
„Immer das gleiche…wir haben auch Familie. Was machen wir jetzt?“ Ich nahm meine Waffe raus und zielte auf ihn.
„Soll ich deine Familie beschützen, indem ich dich umlege? Oder soll ich dich beschützen, indem ich deine Familie umlege? Oder du bringst mir jetzt mein Geld, dann passiert niemandem etwas.“ Ich drückte die Pistole an seinen Kopf und er flehte weiter.
„Per favore…“ (Bitte)
„I miei soldi…“ (Mein Geld) Ich ließ nicht locker. Er schwört schon seit zwei Wochen und das dulde ich nicht. Man sollte nur so viel nehmen, wie man auch zurückzahlen kann. Ich habe ihn nicht angebettelt, dass er von mir über zehntausend Euro leihen soll. Er selbst war es. Ich stand auf und wurde langsam aggressiver. Ich sollte jetzt eigentlich zuhause sein und ein Glas Whisky trinken.
„Hast du das Geld oder nicht?“, brüllte ich ihn an.
„Ich…ich…“, fing er an zu stottern. Ich packte ihn an seinem Hemd, damit er mich ansieht.
„Das ist eine ganz einfache Frage. Ja oder nein!“, brüllte ich ihn erneut an. Ich hob die Hand, mit der ich die Waffe hielt, um ihn zu schlagen, bis ein Geräusch meine Aufmerksamkeit erregte. Ich stoppte in der Bewegung und sah die Panik in seinen Augen. Das Geräusch kam eindeutig aus der Küche.
„Was war das?“, fragte ich ihn. Doch Francesco war schon auf dem Weg. Lorenzo begann zu zappeln und Schweiß lief über sein Gesicht.
„Nichts! Da ist niemand! Bitte nicht!“ Gerade als Francesco an der Tür ankam, öffnete sie sich von der anderen Seite. Ein kleines Mädchen kam aus der Küche. Ich versteckte meine Waffe hinter meinem Rücken. Edoardo und Francesco sahen mich an und ich nickte kurz. Sie wussten, dass ich Frauen und Kindern nichts antue. Ich war anders als mein Vater. Er hätte das Kind vor seinen Augen umgebracht, aber ich bin nicht wie er.
„Padre, sia tutto a posto?“ (Papa, ist alles in Ordnung?), fragte das Mädchen zitternd.
„Alina, va tutto bene!“ (Alina, es ist alles in Ordnung!)
Wie ich es hasse, wenn solche Leute Familie und Kinder haben. Sie ist noch zu jung, um allein zu leben. Ich zog ihn hoch auf die Beine und ließ ihn los.
„Alina, torna dentro, per favore. Arrivo subito.“ (Alina, geh wieder rein, bitte. Ich komme sofort.) Er lächelte sie so an, als hätte ich ihm nicht vor zwei Minuten eine Pistole an den Kopf gehalten. Das Mädchen nickte und ging langsam dorthin zurück, wo sie herkam. „Wenn du ihr etwas antun willst, dann bring mich um und tu ihr nichts.“, flehte er weiter. Ich atmete tief aus.
„Wie alt?“, fragte ich. Ich musste keinen Namen nennen, er hatte mich schon verstanden.
„Acht.“ Ich sicherte meine Waffe und steckte sie wieder weg.
„Ab sofort wirst du so lange für uns arbeiten, bis deine Schulden bezahlt sind. Ich schicke morgen meine Männer. Vermassele es nicht.“, sagte ich im strengen Ton.
„Grazie mille! (Vielen Dank!) Ich…ich werde alles tun, um meine Schulden zu bezahlen.“
Wir verließen die Kneipe mit leeren Händen. Ich hatte keine andere Wahl, wenn es um Kinder geht, bin ich schwach. Sie haben nichts Falsches getan. Sie sind unschuldige Engel, die noch nicht wissen, wie das Leben funktioniert. Vor allem habe ich selbst eine kleine Schwester. Für sie würde ich töten. Zum Abschied nickten mir Edoardo und Francesco zu, bevor wir in unsere Wagen einstiegen.
Den ganzen Weg nach Hause fragte ich mich, was aus mir wird. Ist es falsch nicht wie mein Vater zu sein oder ist sein Lebensweg der falsche? Und wann wird Großvater das Geld von den Morettis holen?
„Amelia, wir müssen dringend mit dir reden.“
Das war das Erste, was aus dem Lautsprecher meines Handys ertönte. Ich war noch an der Universität, weil ich eine Hausarbeit abgeben musste. Wir hatten Ende März und mit dieser Hausarbeit beendete ich auch diese Klausurphase und damit auch ein weiteres Semester.
„Hallo, Padre. (Vater) Freut mich auch sehr deine Stimme nach langer Zeit wieder zu hören.“ Ich meine, er ist seit 2 Monaten wegen „geschäftlichen Angelegenheiten“ nicht zu erreichen und anstatt zu fragen, wie es mir geht, beginnt sein erster Satz mit „wir müssen reden.“ Was erwarte ich eigentlich noch von dem Geschäftsmann Bernardo Moretti.
„Ich meine es ernst, Amelia. Komm sofort nach Hause! Es ist wichtig.“, machte er mich wütend am Telefon an und legte auf. Was denkt er sich eigentlich? Wenigstens hat er den Weg nach Hause gefunden. Meine Mutter tat immer so, als würde sie sich keine Sorgen machen, aber ich wusste ganz genau, dass sie mich anlog, nur um mich zu beruhigen. Trotzdem hatte ich dieses komische Gefühl in mir und das gefiel mir gar nicht. Immer wenn ich ein komisches Gefühl habe, folgte immer das Schlechte.
Möge Gott uns vor dem Bösen schützen. Ich packte meine Sachen und machte mich auf den Weg nach Hause. „Wird schon schiefgehen.“, redete ich mir selbst ein.
Nach circa einer Stunde war ich zu Hause. Ich betrat den Flur unseres großen Hauses und hörte schon laute Stimmen aus dem Wohnzimmer. „DAS IST DOCH NICHT DEIN ERNST!“, erklang die Stimme meiner Mutter. Wenn wir uns bei einer Sache sicher sind, dann das, wenn Linda Moretti schreit…ist es vorbei. Sie hat recht. Genau das macht mir gerade Sorgen. Meine Eltern streiten sich sehr selten und wenn, dann hält der Zorn nicht lange. Meine Eltern haben nämlich aus Liebe geheiratet. Meine Mutter ist halb Italienerin und halb Deutsche. Das hatte sogar zu Problemen geführt, weil mein Großvater sie nicht als Schwiegertochter akzeptieren wollte. Für ihn war sie eine Deutsche und keine Italienerin. Mein Vater hatte für meine Mutter gekämpft und irgendwann hat mein Großvater lockergelassen. Trotzdem zeigte er Ihr immer die kalte Schulter. Ihr war das jedenfalls egal, denn sie durfte endlich mit ihrer großen Liebe zusammen sein.
Desto näher ich kam, umso lauter wurden die Stimmen und ich erkannte auch noch andere Stimmen.
„Was ist hier los?“, fragte ich und betrat das Wohnzimmer.
Stille. Jeder schaute mich an. Meine Mutter, mein Vater, mein Onkel Armando, der ältere Bruder meines Vaters und mein Großvater, Giovanni Moretti. Alle sahen mich an, doch keiner sagte ein Wort. Die Stille, die hier in diesem Raum herrschte, fing an mich zu bedrücken. Ich konnte es nicht mehr aushalten und brach das Schweigen. „Nonno? Tio? (Großvater / Onkel) Was eine Überraschung. Wann seid ihr nach Deutschland gekommen?“ Mein Großvater und mein Onkel lebten in Italien, sie sind selten hier in Deutschland, deswegen hatte ich kein gutes Gefühl bei der Sache.
„Amelia, mein Kind. Komm her, wir haben auf dich gewartet.“ Okay. Jetzt kriege ich Angst. Amelia und mein Kind in einem Satz aus dem Mund meines Großvaters zu hören, ist ungewöhnlich. Sehr ungewöhnlich. Mein Großvater war schon immer kalt und distanziert. Er hatte es nie direkt gesagt, aber ich werde niemals vergessen, wie er mich an meinem 14. Geburtstag ansah und „Du bist deiner Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten“, sagte. Er hatte es nur mir gesagt, keiner hatte es mitbekommen und es sind schon neun Jahre vergangen. Als Kind macht man sich keine Gedanken, aber desto älter ich wurde, umso mehr verstand ich. Trotzdem finde ich, dass ich meiner Mutter nicht so sehr ähnle, wie jeder behauptet. Die gewisse Ähnlichkeit ist da, ja, aber nur wenig.
„Ich hoffe es ist nichts Schlimmes passiert, Nonno. Muss ich mir Sorgen machen?“, fragte ich meinen Großvater, nachdem ich mich gegenüber von ihm auf die Couch gesetzt hatte. Ich sah in Richtung meiner Mutter, um etwas aus ihrem Gesicht zu lesen, doch sie saß nur da und hielt ihren Blick gesenkt. Die Nervosität stieg von Minute zu Minute mehr. Kann denn keiner seinen Mund aufmachen und endlich sagen was hier los ist? Als hätte er meine Gedanken gelesen, fing mein Großvater an zu reden.
„Amelia, wie du wahrscheinlich mitbekommen hast, haben dein Vater und ich seit Monaten mit der Firma zu kämpfen.“ Was redet er da? Ich weiß von nichts.
„Wir haben harte Zeiten hinter uns und es hat uns viel Zeit und Geld gekostet, die Fehler deines Vaters gerade zu biegen.“ Die Fehler meines Vaters? Mein Vater war eigentlich bis jetzt immer gut in dem, was er tat. Dass er einen großen Fehler gemacht hatte, schockierte mich.
„Wie meinst du das Nonno? Ich verstehe nicht.“, fragte ich nach.
„Dein Vater hat Schulden gemacht, auf den Namen der Firma und um diese auszugleichen, hat er mehrere Aktien verkauft, was dazu geführt hat, dass es mit der Firma bergab ging.“ Ich sah meinen Vater schockiert an. Er wendete seinen Blick von mir ab. Ich wollte gerade etwas sagen, doch mein Großvater kam mir zuvor.
„Wir arbeiten schon seit Monaten daran und ein kleiner Teil des Problems wurde erledigt, deswegen war dein Vater für eine lange Zeit in Italien. Es ist besser geworden, aber wir schwanken immer noch.“
„Deswegen warst du seit zwei Monaten nicht zuhause.“, hörte ich mich leise sagen. Aber nicht leise genug, anscheinend hatte es jeder gehört.
„Wie auch immer…“, räusperte sich mein Großvater.
„Der große Teil des Problems ist noch nicht erledigt. Und jetzt kommst du ins Geschäft, Amelia.“
„Ich? Wie meinst du das? Was könnte ich denn bitte tun?“
Ich studiere International Management, wobei soll ich denn bitte helfen. Und außerdem ist die Firma in Italien und ich in Deutschland. Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Ich selbst war bis jetzt nur drei Mal in Italien, das bedeutet ich kenne mich dort gar nicht aus.
„Die Familie, bei dem dein Vater die Schulden gemacht hat, ist sehr bekannt in Italien. Sie besitzen viele Firmen weltweit, unter anderem die Firma Russo International.“, fügte Großvater hinzu.
„Russo International?“, wiederholte ich fragend.
„Russo International. Gegründet von Vincente Russo, der es dann später seinem Enkel, Alessandro Russo übergeben hat.“ Der Name Russo sagte mir etwas, ich glaube sogar ich hatte über sie in den italienischen Nachrichten gelesen. Ich lese ab und zu italienische Nachrichten oder schaue italienische Filme, damit ich die Sprache nicht verlerne. Ich rede mit meiner Vaterseite nur italienisch und das sehr selten, weil wir nicht gerade den besten Kontakt haben und meine Mutter hatte schon vor langer Zeit den Kontakt zu ihrer Familie verloren, weil diese gegen die Heirat meiner Eltern waren. Trotzdem verstehe ich nicht, wie ich bei dem Problem helfen kann und wie es mein Vater geschafft hat, dermaßen viele Schulden zu machen, dass die Firma fast Bankrott ging.
„Den Teil habe ich verstanden, aber ich habe immer noch nicht verstanden, wie ich helfen kann. Ich bin noch nicht mit meinem Studium fertig.“
„Wie ich bereits erwähnt hatte, ist die Russo Familie sehr bekannt in Italien. Wenn man sich nicht an seinen Teil der Abmachung hält, kann sehr schnell Blut fließen. Sie sind nämlich nicht nur sehr bekannt, sondern auch sehr gefährlich. Man sollte es sich zweimal überlegen, bevor man sich mit ihnen anlegt.“, sagte mein Großvater und warf einen zerstörenden Blick in Richtung meines Vaters.
„Und da dein Vater das nicht regeln konnte, habe ich mich mit den Russos getroffen, um einen Kompromiss zu finden, damit kein Blut fließen muss.“
„Du hast dich mit ihnen getroffen, Padre?“ Und zum ersten Mal hatte mein Vater was gesagt.
„Was haben sie gesagt? Konntest du es klären?“, fragte er hastig nach.
„Nun, ich konnte es klären. Wir sind zu dem Entschluss gekommen die Familien zu vereinigen und damit die Firmen auch.“
Ehm… vereinigen? Mein Puls schlägt 180… er meint doch nicht das, was ich denke, oder? Das ist lächerlich. Madre und Padre würden das nie erlauben…
„Amelia und Alessandro Russo werden heiraten.“
Hätte ich heute Morgen schon gewusst, dass mein Leben sich von heute auf morgen ändern würde, dann hätte ich mich wenigstens vorbereitet. Ich meine, die erwarten allen Ernstes, dass ich einfach so mein Leben und mein Studium hier in Deutschland aufgebe und einen Typen in Italien heirate? Was denken die sich? Nur weil mein Vater ein großer Geschäftsmann ist und ich aus einer wohlhabenden Familie komme, bedeutet das nicht, dass mein Leben einfach war. Ich habe wie alle anderen gelernt, um so gut wie möglich abzuschneiden. Ich bin jetzt im fünften Semester meines Studiums, für das ich schlaflose Nächte durch gelernt habe und das ist der Dank? Wow. Danke.
„Padre, das kannst du nicht ernst meinen.“, brach mein Vater das Schweigen.
„Und wie ich das ernst meine. Was gefällt dir mehr? Familien vereinigen oder eine Kugel einfangen? Ich habe die richtige Entscheidung für unsere Familie getroffen. Hättest du dich nicht mit den Russos angelegt, dann wäre das alles nicht passiert.“
„Da muss es einen anderen Weg geben. Sie studiert noch und sie ist doch noch viel zu jung.“, argumentierte mein Vater, aber wir alle wussten ganz genau, dass Großvater schon entschieden hatte.
„Bernardo, ich bitte dich. Sie ist 23 Jahre alt. In ihrem Alter hatten deine Mutter und ich schon zwei Kinder.“
Stille. Ich konnte nichts sagen. Ich öffnete meinen Mund mehrmals, aber ich fand einfach keine Worte. Ich? Nach Italien ziehen, mein Leben in Deutschland aufgeben und einen Mann heiraten, den ich noch nie getroffen habe.
Mit diesem Mann eine Familie gründen…
Nein… Nein… Nein…
NEIN.
Ich kann das nicht. Ich will das nicht. Ich werde das nicht.
Und auf einmal kam mein Überlebensinstinkt zum Vorschein, der mir vielleicht ein bisschen zu viel Mut gegeben hatte.
„Was passiert, wenn ich Nein sage?“, hörte ich mich fragen. Jeder schaute mich mit weit offenen Augen an, außer Großvater. Seine Augen zeigten keinerlei Emotionen. Okay, vielleicht bin ich etwas zu weit gegangen, aber in dem Moment war mir das egal. Ich meine, ich habe nichts falsch gemacht, aber ich muss für die Fehler meines Vaters büßen.
„Va bene.“ (Einverstanden/ Gut), war das Einzige, was Großvater von sich gab.
„Va bene?“, wiederholte ich fragend.
„Wenn du es nicht möchtest, dann wird es nicht geschehen.“, sagte er und zeigte immer noch keinerlei Emotionen. Wieso war das so einfach? Zu einfach. Bevor ich etwas erwidern konnte, redete er weiter, aber dieses Mal an meinen Vater gerichtet.
„Anscheinend haben wir deine Tochter immer unterschätzt, Bernardo. Ich habe dir immer gesagt, dass du sie strenger erziehen sollst, aber nein, was weiß ich denn schon. Du hast recht, sie ist noch zu jung. Wenn eine 23-jährige Frau nicht den Ernst der Situation sehen kann und auf unser aller Leben keinen Wert legt, dann hast du recht, Sohn. Sie ist zu jung. Wir reden hier von, „es wird Blut fließen“, aber deine Prinzessin sagt Nein. Wir reden hier von „sie werden uns umbringen“, aber deine Prinzessin sagt Nein. Anscheinend liebt sie uns nicht genug, um ihr Leben für unser aller zu opfern. Und deswegen wollte ich, dass du eine reine Italienerin heiratest.“
„Padre!“ (Vater!), sagte mein Vater, doch das hinderte Großvater nicht.
„Eine wahre Moretti würde alles tun, um ihre Familie zu beschützen. Sie würde keinen Moment lang zögern. Aber Nein, was weiß ich denn schon. Ich hatte es dir vor Jahren gesagt.“
„Padre, basta così!“ (Es ist genug!), mein Vater erhob seine Stimme. Und ich musste erstmal alles, was ich gerade gehört hatte, verarbeiten. Er hatte das wirklich laut ausgesprochen. Er hatte es zugegeben. „Sie ist nicht die Einzige, die das nicht akzeptiert. Ich werde meine Tochter doch nicht einem Russo geben. Eher gesagt verkaufen. Das kannst du nicht verlangen. Ich tue alles, was sie verlangen, aber meine Tochter bekommen sie nicht. Amelia ist eine Moretti. Eine wahre Moretti hat Ehre und Stolz, sie würde sich nicht verkaufen lassen.“ Mein Herz machte einen Sprung. Mein Vater hatte mich noch nie im Stich gelassen und jetzt würde er auf sein Leben verzichten, für mich.
Ich habe immer das bekommen, was ich wollte, und da kann ich mich das erste Mal revanchieren, aber sogar da ist ihm meine Meinung und mein Leben wichtiger. Ich fasse es nicht, dass ich das jetzt sagen werde…
„Nonno hat recht.“ In dem Augenblick, nachdem die Wörter meinen Mund verlassen hatten, drehten sich alle Köpfe erneut in meine Richtung und ein „Was?“ ertönte.
„Ich bin eine Moretti und wenn es in meinen Händen liegt, diese Familie zu beschützen, dann soll es so sein.“ Eher gesagt meine Eltern, aber das müssen die ja nicht wissen.
„Lia. Schatz.“, sagte mein Vater mit heiserer Stimme. Meine Eltern nannten mich meistens Lia, außer wir hatten eine ernste Diskussion, dann wurde es zu Amelia.
„Padre, es ist alles Okay. Wirklich.“, gab ich mit einem süßen Lächeln zurück. Und zum ersten Mal heute sprach meine Mutter. „Nein, Amelia. Nichts ist okay. Gar nichts ist okay. Bernardo sag du etwas, bitte. Das kann sie doch nicht ernst meinen.“, flehte meine Mutter.
„Ich habe mich entschieden Mama. Wann fliegen wir?“, fragend drehte ich mich zu Großvater. „Heute Abend ist die Maschine bereit.“, sagte er und ich meine ein kurzes Lächeln gesehen zu haben.
Drei Tage sind vergangen, seit dem Gespräch mit Giovanni Moretti. Ich kann den Mann nicht leiden, das wusste ich schon in der Sekunde, als er den Raum betrat. Der Sohn baut Scheiße und der Papi räumt auf. Ich kenne diese Art von Mann, die denken, dass sie alles besser wissen. Wissen sie aber nicht. In dem Moment, als er seinen Mund aufgemacht hatte, wünschte ich mir ich könnte ihn wieder zum Schweigen bringen. Alles, was er von sich gegeben hatte, war Bullshit. Dass mein Großvater sich das Ganze auch noch bis zum Schluss angehört hatte, ist unerklärlich. Mein Großvater ist ein weiser Mann, er weiß bestimmt was zu tun ist. Er hatte viel erlebt und viel gesehen, er sah Dinge aus einer anderen Perspektive. Wäre er nicht gewesen, wären meine Schwester und ich auf uns allein gestellt gewesen. Ich führe meine eigenen Firmen seit vier Jahren. Er hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin, und dafür bin ich unendlich dankbar. Meine Schwester Alice will mit unseren Geschäften nichts zu tun haben. Sie selbst fing, nach ihrem Kunst-Studium, in einer Kunst-Galerie an zu arbeiten. Mein Vater, Alfonso Russo, hingegen hatte den dreckigen Weg gewählt, den Weg, vor dem mein Großvater mich und Alice immer beschützen wollte. Mein Vater und seine Cousins sind ein Teil der Mafia, sie kümmern sich um die Drogen und um die Clubs. Wir gehören auch zur Mafia, aber erledigen eher Papierkram und kümmern uns um unsere Firmen. Ich selbst wollte nichts mit Drogen und dem anderen Kram zu tun haben. Meine Mutter, Valentina Russo, ist vor sechzehn Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekommen, damals war ich zehn und Alice acht Jahre alt. Sie war das Gegenteil von meinem Vater, sie hatte immer an das Gute geglaubt und jedem ihre Liebe geschenkt. Manchmal hoffte ich wirklich, dass sie dort, wo sie jetzt war, ihn nicht mehr sehen kann. Sie würde sich selbst Vorwürfe machen, mit diesem Mann einst ein Bett geteilt zu haben. Ihr gutes Herz könnte diesen Anblick nicht ertragen.
„Und was hast du vor, Nonno?“, fragte ich meinen Großvater, der im Wohnzimmer seine Zeitung las. „Jetzt gerade lese ich noch in Ruhe meine Zeitung, danach gehe ich vielleicht in den Garten.“, antwortete er mir, ohne seinen Blick von der Zeitung zu nehmen. „Ich meine wegen den Morettis.“, sagte ich, während ich mich auf das Sofa gegenüber von ihm setzte.
„Was soll denn mit den Morettis sein?“ Wieder schaute er mich nicht an.
„Giovanni und seine Familie kommen heute. Er denkt noch immer, dass ich seine Enkeltochter heiraten werde.“ Was nicht passieren wird.
„Wirst du das nicht?“
„Nein! Werde ich nicht.“ Was erwartet man von einer Familie, die ihre eigene Tochter verkauft. „Ich will niemanden heiraten, ich bin zufrieden mit meinem Leben und es ist noch viel zu früh.“, sagte ich und zog damit seine Aufmerksamkeit auf mich. „Alessandro, du bist 26 Jahre alt, von welchem früh redest du, mein Junge?“ Er schaute mich über seine Brille hinweg fragend an. „Warte, du bist für die Hochzeit?“
„Warum nicht, ich habe mich etwas über sie erkundigt und sie scheint eine sehr schlaue junge Dame...“
„Nein! Das war nicht unsere Abmachung, Nonno.“ Wütend stand ich auf.
„Ich erinnere mich nicht, mit dir eine Abmachung getroffen zu haben.“, sagte er ruhig und faltete seine Zeitung.
„Du hast mir im Büro, nach dem Gespräch mit Moretti gesagt, dass…“
„Dass Moretti nicht alles bekommen wird und dass er sich zu viel von dieser Vereinigung erhofft, ja, das habe ich gesagt.“ Da stand ich nun vor ihm und konnte nichts anderes als starren. Hatte mein eigener Großvater mich gerade verraten?
„Mein Junge, du bist jetzt 26 Jahre alt, das Einzige, was du machst, ist arbeiten. Den ganzen Tag bist du im Büro.“
„Nonno. Ich bin glücklich. Ich brauche keine Frau und schon gar nicht eine Moretti.“
„Du bist nicht glücklich. Du lebst nur dein Leben. Es kann sich nicht nur alles um die Arbeit drehen, mein Sohn. Das Leben kann viel schöner und erträglicher sein, wenn man jemanden hat. Deine Mutter würde sich auch nur das Beste für dich wünschen.“ Ich hob meine Hand, um ihm zu signalisieren mit dem Reden aufzuhören, doch das hinderte ihn nicht. „Würde sie sehen, was du für ein Leben führst, dann wäre sie traurig und enttäuscht gewesen.“
„HÖR AUF!“, brüllte ich. Er erhob sich vom Sofa und sah mich mit einem Blick an, den ich schon lange nicht mehr gesehen hatte. Eine Mischung aus Enttäuschung und Wut. Ich hasste diesen Blick, er hatte mich einmal so angesehen, als ich gegenüber meiner Schwester so aggressiv wurde, dass sie eine Panikattacke hatte. Seitdem habe ich mich bei allem angestrengt, nur um diesen Ausdruck nicht mehr sehen zu müssen.
„Alles, was ich bis jetzt getan habe, war zu deinem Besten.“
„Ich weiß Nonno…“
„Lass mich ausreden.“ Ich schwieg.
„Das Einzige, was ich je verlangt habe war, dass du gut in der Schule bist, damit du eines Tages die Firma übernimmst und nicht dein Vater. Sonst habe ich dir immer freie Hand gelassen. Jetzt stehst du vor mir, hebst deine Hand, brüllst mich an und protestierst gegen meine Entscheidungen? Habe ich dich so erzogen?“
„Nein, hast du nicht.“, kam es wie aus der Pistole geschossen und ich wendete meinen Blick ab.
„Du wirst diese Frau heiraten. Ich habe meine Entscheidung getroffen, denn ich werde nicht zusehen, wie du dein Leben zerstörst.“
„Nonno...“
„Darüber wird nicht mehr diskutiert. Es ist alles gesagt.“ Er drehte mir den Rücken zu und ging Richtung Tür.
„Komm heute bloß nicht zu spät zum Essen.“, sagte er über seine Schulter hinweg und verließ den Raum.
*
Ich bin zu spät. Ganze zwei Stunden. Dieses Mal bringt er mich um. Ich war im Büro, um noch die restliche Arbeit zu erledigen und habe dabei die Zeit aus den Augen verloren. Wie jedes Mal. Ich klingelte an der Tür und Sekunden später öffnete Caterina, die jahrelange Hausangestellte meines Großvaters.
„Alessandro. Komm herein. Sie sind alle im Wohnzimmer. Sie warten auf dich.“, sagte sie mit ihrer feinen Stimme und nahm mir mein Jackett ab.
Caterina war wie eine Großmutter für mich. Meine Großmutter starb vor meiner Geburt an Krebs, deshalb konnte ich sie nie kennenlernen, aber dafür hatte ich Caterina immer an meiner Seite. Nach dem Tod meiner Mutter ist sie nicht mehr von meiner Seite gewichen und hat sich noch mehr um mich gekümmert.
„Grazie Mille!“ (Vielen Dank!), sagte ich und ging in Richtung Wohnzimmer. Je näher ich kam, desto lauter wurde das Gelächter. Es gefällt mir nicht. Gar nicht. Ich hielt an der Tür und starrte in Richtung der Sitzecke. Mein Großvater sah mich und rief nach mir. „Alessandro, komm, begrüß unsere Gäste.“, lächelte er. Vielleicht gefällt es mir doch. Er hat anscheinend nicht gemerkt, dass ich zwei Stunden zu spät bin.
„Ciao, Alessandro! Wie ist es dir die letzten Tage ergangen?“, fragte Giovanni und ich musste es mir verkneifen, ihm eine reinzuhauen.
„Signore Giovanni.“, nickte ich.
„Das ist mein Sohn Bernardo und seine Frau Linda.“, stellte er vor. Ich nickte.
„Und das ist meine Enkeltochter Amelia.“, sagte er mit Stolz und ich nickte erneut.
„Da du ja jetzt da bist können wir uns an den Tisch setzen. Kommen sie, zum Esszimmer geht es hier entlang.“ Großvater führte die „Gäste“ zu dem Essbereich.
Am Tisch nahm ich die Moretti Familie in den Fokus. Anscheinend war ich so sehr auf Giovanni fokussiert, dass ich die anderen gar nicht wahrgenommen habe. An den Enden des Tisches saßen rechts mein Großvater und links Giovanni. Giovanni war Mitte fünfzig, hatte graue Haare und war klein. Er trug einen grauen maßgeschneiderten Anzug und ein weißes Hemd. Giovanni war der einzige Moretti, der seinen Mund nicht hielt. Er sprach die ganze Zeit mit meinem Großvater und sie amüsierten sich auch noch.
Neben mir saß Bernardo Moretti im schwarzen Anzug. Er war mittelgroß, etwas trainiert und hatte dunkelbraune Haare. Er war der ruhige Typ und ein guter Zuhörer. Natürlich, sein Vater hatte alles geregelt und rettete seinen Hintern. Ich wäre auch still gewesen. Gegenüber von Bernardo saß eine ebenfalls mittelgroße, schlanke Frau. Sie hatte schulterlanges, hellbraunes Haar. Sie trug eine weiße Bluse und einen beigefarbenen Rock, der ihre Figur betonte. Linda Moretti. Sie war ebenfalls ruhig und hatte kein Wort gesprochen, langsam zweifelte ich, ob sie überhaupt reden kann. An den Gesichtsausdrücken der beiden erkannte ich, dass sie ebenfalls gegen diese Vereinigung waren, aber sie sagten nichts.
Ich wand meinen Blick von ihr ab und richtete ihn nach vorne. Große grüne Augen, die wie Smaragde strahlten, musterten mich. Sie hatte helle Haut, lange dunkle Wimpern, lange hellbraune Haare, die fast bis zur Hüfte reichten und dünne, rosafarbene Lippen. Sie trug ein langes, schwarzes, figurbetontes Seidenkleid mit einer Schulter frei und der süße Duft ihres Parfüms lag in der Luft.
Amelia Moretti.
Dunkelbraune Augen beobachteten mich und hielten den Blickkontakt. In seinen Augen sind keine Emotionen zu sehen. Er wich meinem Blick nicht aus und hielt ihm stand, vielleicht um seine Macht damit zu zeigen, er wollte seine Dominanz beweisen. Ha! Nicht mit mir. Ich bin diejenige, die ihr Leben aufgeben musste und er denkt allen Ernstes, dass er die Oberhand hat? Was denkt er sich. Um uns herum bekommt niemand unser Blickduell mit. Bis mich ein Geräusch aus meinen Gedanken holt. „Amelia!“ Hastig drehte ich meinen Kopf, um die Stimme einem Gesicht zuzuordnen. Mein Blick huschte zu Signore Vincente. „Amelia, mein Kind. Ist alles in Ordnung?“, fragte er mich mit einem besorgten Blick. Ja, alles bestens. Warum denn auch nicht? Ist ja nicht so, dass an meiner Situation etwas Unnormales ist. Ich setzte mein bestes Lächeln auf. „Es ist alles in Ordnung. Das Essen ist sehr köstlich.“, versuchte ich das Thema zu wechseln. „Es freut mich sehr, dass es dir gefällt. Unsere Köche sind sehr gut.“ Lächelnd nickte ich. „Ich muss sagen, obwohl du in Deutschland geboren und aufgewachsen bist, ist dein italienisch ausgezeichnet. Hast du italienisch in der Schule gehabt?“, fragte er mich neugierig und eins muss ich sagen, obwohl ich diese ganze Situation hasse, kommt mir Signore Vincente aufrichtig vor. Er fragte nicht aus Höflichkeit, sondern weil es ihn interessierte. „Unsere Amelia ist ein sehr schlaues Mädchen, sie war immer eine der besten in der Klasse.“, antwortete mein Großvater. Doch Signore Vincente sah mich immer noch fragend an, damit wollte er andeuten, dass er eine Antwort von mir erwartete. Ich richtete mich auf. „Nein, ich hatte kein Italienisch in der Schule, aber dafür lese ich viel, rede mit meiner Familie oder ich schaue italienische Filme. Sonst rede ich deutsch im Alltag.“
„Molto bene.“ (sehr gut), antwortete er mit einem warmen Lächeln und es ist bis jetzt das Aufrichtigste, was ich seit Tagen gesehen hatte. Ich erwiderte es mit meinem schönsten Lächeln.
Während des ganzen Essens hatte Alessandro nicht einmal etwas gesagt. Er beobachtete uns alle und aß in Ruhe.
Nach dem Dessert räusperte sich Signore Vincente und sah in Richtung von Alessandro. „Alessandro, mein Junge. Zeig Amelia doch das Haus ein wenig.“ Dann sah er mich an: „Der Garten ist wunderschön und am Abend ist er noch schöner.“ Okay. Ich nehme alles zurück. Macht er jetzt einen auf Partnervermittlung? Seufzend stand Alessandro auf und sah zu mir rüber. Ich musste mir echt verkneifen, meine Augen zu verdrehen. Ich erhob mich ebenfalls und ging in seine Richtung. Er ging voraus und wir ließen die anderen hinter uns.
Dieses Haus. Moment, ich meine Villa, ist eine Perfektion.
Die Wände sind weiß und die Möbel sind aus dunkelbraunem Holz. An der Decke hängt ein riesiger Kronleuchter. Von dem Flur aus sind wir eine breite weiße Treppe hoch gegangen, diese ist mit einem roten Teppich belegt. Oben angekommen kann man in beide Richtungen abbiegen, Alessandro ist links abgebogen und ich folgte ihm. Bis jetzt hatte keiner von uns beiden etwas gesagt. Er lief in geringem Abstand vor mir und währenddessen sah ich mich um. An den Wänden hingen verschiedene große Gemälde, auf denen ausnahmslos Landschaften abgebildet waren. Außer ein großes Portrait am Ende des Ganges. Ich blieb stehen, um es mir anzuschauen. Es war eine Frau zu sehen, eine wirklich wunderschöne Frau, ich nehme an, dass sie zur Familie gehört. Sie hatte hellbraune Haare und wunderschöne braune Augen, etwa Mitte 30 schätzte ich. Ihr Lächeln war besonders. Ein wunderschönes Lächeln. Ich hörte ein Seufzen, das mich zurück in die Realität holte. Ein genervter Alessandro sieht mich an. Ich verdrehte meine Augen. “Das Einzige, was er kann, ist nur seufzen und genervt sein, möge Gott meine kommenden Tage erträglich machen. Amen.“, redete ich auf deutsch mit mir selbst. Das war der Vorteil, wenn man mehrere Sprachen beherrschte.
Er hob eine Augenbraue und sah mich weiter an. „Was hast du gesagt?“, fragte er mich mit seiner tiefen Stimme. Und auf einmal war ich glücklich gewesen, dass er während des Essens still gewesen war, weil, mein Gott, ich liebe Männer mit tiefer Stimme. „Ich habe gesagt, dass ich das Gemälde weiter ansehen möchte.“ Grinsend schaute ich ihn an, dann kam er auf mich zu. Er blieb vor mir stehen, sodass er mir in die Augen blicken konnte. Ich bin stolze 167cm, trotzdem muss ich meinen Kopf leicht in den Nacken legen, um ihn anzusehen. Er ist ungefähr zwei Köpfe größer als ich. Wie groß ist dieser Typ?
„Du lügst.“, sagte er und ich blinzelte mehrmals mit den Augen. „Aber bei einer Sache hast du recht, ich bin genervt.“ Warte was? Schockiert schaute ich ihn an. „Wo..her.. weißt du?“
„Du bist nicht die Einzige hier, die Deutsch kann“
Warte…. WAS? Er hatte auf deutsch geantwortet. Nein, mein Gedächtnis spielte einen Streich. Bestimmt hatte er auf italienisch geredet, aber ich habe es in meinem Kopf auf Deutsch übersetzt. Anders…
„Seufzen und genervt sein sind nicht die einzigen Dinge, die ich kann. Du solltest aufpassen, wo du was sagst, amore mio“ Und auf einmal war mein Rücken an der Wand. Wann bitte hatten wir uns bewegt? Ich schluckte und hielt den Blickkontakt zu ihm aufrecht. Erneut hörte ich, wie deutsche Wörter seinen Mund verließen. Ich malte mir das nicht aus.
„Woh...er... undd…wwie…“, ich kann es nicht fassen, ich stottere, ernsthaft!? Er war auf einmal gefährlich nah und führte seinen Mund zu meinem Ohr. „Nervös?“, fragte er mich und ich bekam Gänsehaut. Was passierte hier gerade? Ich betete, dass er nicht spürte, wie mein Körper auf ihn reagierte. Ich hatte bis jetzt noch keine feste Beziehung, weil ich mich immer auf die Schule konzentriert hatte, vielleicht reagierte ich deshalb so auf ihn. Mein Körper befand sich gerade in neuen Territorien. Und mein Verstand flüsterte mir zu „Renn.“
„Nnein. Iich bbin nicht ner..vös.“, ich biss mir auf die Zunge. Großartig Lia, push sein Ego noch mehr. Er zog seinen Kopf zurück und musterte mein Gesicht. Mit seiner rechten Hand stützte er sich an der Wand ab und die linke Hand berührte meinen Unterarm. Sein Haar war dunkelbraun und nach hinten gekämmt. Ich sah mir seinen Dreitagebart an, während der Duft seines Parfüms mich in einen Rausch versetzte. Er roch gut. Sehr gut, um genau zu sein. Wir musterten uns gegenseitig, bis sein Blick zum Portrait fiel. Sein Blick änderte sich und plötzlich stieß er sich von der Wand ab. „Wer ist sie?“, fragte ich neugierig. „Hat dich nicht zu interessieren.“, antwortete er genervt. „Gehört sie zur Familie?“, hakte ich nochmal nach. „Komm, wir gehen wieder runter zu den anderen. Genug für heute.“ Er ging Richtung Tür, doch ich bewegte mich keinen Schritt. Er merkte, dass ich ihm nicht folgte, hielt an und drehte sich zu mir. „Hörst du schlecht?“
„Du beantwortest meine Fragen nicht, warum sollte ich dann auf dich hören?“, gab ich provozierend zurück.
„Ich habe keine Zeit den Babysitter für kleine Mädchen zu spielen. Komm jetzt.“, sagte er und drehte sich um.
„Was ist mit der rechten Seite, da waren wir noch nicht?“
Seufzend drehte er den Kopf in meine Richtung. „Da gibt es nichts zu sehen. Es ist spät geworden, du musst doch bestimmt früh ins Bett.“ Mit offenem Mund starrte ich ihn an, während er sich umdrehte und weiter ging. „Ich bin eine erwachsene Frau, du musst weder Babysitter spielen, noch muss ich früh ins Bett. Im Gegensatz zu dir, habe ich den Kindergarten verlassen. ANSCHEINEND HABEN SIE DICH DA NIE ABGEHOLT, BESTIMMT, WEIL DEINE ELTERN MIT DEINER ERZIEHUNG ÜBERFORDERT WAREN.“, erhöhte ich meine Stimme und wurde schneller. Auf einmal packte er mich am Oberarm und drückte mich gegen die Wand. Ich sah Wut in seinem Blick. „Pass auf wie du mit mir redest und wenn du noch einmal deine Stimme erhebst, dann...“
„Was, dann?“, provozierte ich ihn.
„Provoziere mich nicht. Ich warne dich, spiel nicht mit meiner Geduld.“ Ich zog meinen Arm weg und stellte mich aufrecht hin. „Ich habe auch keine Lust auf das ganze hier, aber man kann doch anständig reden oder nicht?“
„Sagt die, die mich als Kindergartenkind bezeichnet.“
„Du hast angefangen mit dem Babysitter spielen und jetzt bin ich die Schuldige?“
„Hör einfach auf! Ich gehe jetzt, mach was du willst.“, sagte er und stürmte ins Treppenhaus. Soll er doch zur Hölle fahren. Das war ein großartiges erstes Kennenlernen und er soll mein zukünftiger Ehemann sein? Signore Stimmungsschwankungen? Super.
„Noch ein Drink.“
„Russo, das ist schon dein sechstes Glas. Es reicht langsam.“
„Halts Maul, Fratelli.“, machte ich meinen Freund an. Was weiß der Pisser denn schon? Er muss nicht heiraten.
„Übertreib es nicht, so schlimm kann sie doch nicht sein, Kumpel.“ Ich sah ihn nur noch ungläubig an.
„Oder doch? Sag mir nicht sie ist eine dieser Tussi Frauen, die an ihrem Prosecco Glas herumnippelt.“ Warum nannte ich diesen Mann nochmal meinen Freund? Stefano Fratelli, Besitzer einer der reichsten Öl Firma Italiens, benutzte Ausdrücke wie „herumnippeln“. Wir hatten uns vor fünf Jahren auf einer Wohltätigkeitsgala kennengelernt und seitdem werde ich diesen Mann nicht mehr los. „Ich wünschte sie wäre so eine, dann hätte ich wenigstens einen Grund, der gegen diese Hochzeit spricht. Aber nein, sie muss ja anständig, hübsch und klug sein…“
„Mamma Mia! Anständig, hübsch und klug? So ist das also.“, sagte er grinsend.
„Grins nicht so dämlich! Und nein, das sind die Wörter von Großvater.“, antwortete ich wütend.
„Soso…Großvaters Wörter ha…“ Ich nahm das Kissen neben mir und traf ihn mitten in sein hässliches Gesicht.
„Verpiss dich, Fratelli!“
„Geht wohl schlecht, ich wohne hier, Russo.“ Stimmt. Wir tranken in seinem Haus.
„Okay, dann verpisse ich mich, denn mit dir ist es nicht auszuhalten.“ Ich wollte aufstehen, doch alles um mich herum drehte sich. Ich musste mich wieder hinsetzen. „Kommt davon, wenn du nicht auf mich hörst. Ich habe dir gesagt, dass du nicht übertreiben sollst.“ Es drehte sich immer noch alles und dieser Penner redete die ganze Zeit ununterbrochen. Gott, kann dieser Typ nicht einmal seine Fresse halten?
„Jetzt im Ernst, was ist dein Problem? Wieso kannst du sie nicht leiden?“ Er wird nicht lockerlassen. „Erstens sie ist eine gottverdammte Moretti, zweitens ich könnte ihrem Großvater jeden Moment eine Kugel verpassen und drittens ich mag sie nicht. Ich kann sie nicht leiden. Sie ist eine verwöhnte Göre. Wie sie sitzt, wie sie redet oder wie sie schaut, alles gespielt. Ich weiß es ganz genau.“ Ich atme tief ein und fahre mit meiner Hand über mein Gesicht. „Und außerdem will Großvater auch noch, dass ich mit ihr etwas unternehmen soll. Ich habe ja auch nichts Besseres zu tun.“ Nachdem ich Sie letzten Abend dort oben im Gang zurückgelassen hatte, sagte ich Großvater, dass etwas Wichtiges dazwischengekommen sei. Neben den Gästen hatte er es sich nicht anmerken lassen, aber ich hatte seinen Zorn deutlich gespürt. Beim Abschied sagte er mir klar und deutlich, dass ich mit Amelia viel Zeit verbringen werde. Ein leises Lachen holt mich von meiner Erinnerung zurück. Obwohl er versuchte es sich zu verkneifen, sah ich ganz genau wie er lacht.
„Ich erinnere mich nicht einen Witz erzählt zu haben.“, sagte ich mit genervter Stimme. Wäre ich nicht betrunken, säße ich jetzt im Auto. „Es ist lustig. Der große Alessandro Russo, der von jedem gefürchtet wird, regt sich über eine 23-jährige Frau auf. Wie war sie nochmal? Klug, hübsch und…“
„Fratelli, sag noch ein Wort und ich schwöre bei der heiligen Mutter Maria, du bist tot.“
„Okay, okay! Ich ärgere dich doch nur. Es ist spät geworden, wir sollten schlafen gehen. Schaffst du es selbst zum Gästezimmer oder…“
„Ja, geh du schonmal. Ich bleib hier noch etwas sitzen.“, antwortete ich erschöpft.
„Gute Nacht, Russo“, sagte er, während er sich umdrehte und sich auf den Weg machte.
„Fahr zur Hölle, Fratelli.“, rief ich ihm hinterher.
„Ich dich auch Russo“, rief er zurück.
Stille. Die Stille, die ich gebraucht habe. Ich schloss meine Augen um einfach abzuschalten. Bis mein Handy anfing zu klingeln. Ich öffnete langsam die Augen und nahm mein Handy, das auf dem Tisch lag. Ich sah auf den Bildschirm und wusste schon, was auf mich zukommen wird.
„Nonno?“
„Mein Sohn, ich hoffe ich störe dich nicht um diese Uhrzeit.“ Wie viel Uhr hatten wir eigentlich? Ich nahm das Handy von meinem Ohr, um auf die Uhrzeit zu schauen.
02:35 Uhr. Warum sollte er mich noch so spät anrufen?
„Ist alles in Ordnung? Geht es dir gut?“, fragte ich.
„Mir geht es gut mein Sohn, ich wollte dir was mitteilen.“
„Um diese Uhrzeit?“ Was könnte denn so wichtig sein, dass es nicht bis morgen früh warten kann?
„Ich habe für dich und Amelia ein privates Schiff vorbereiten lassen. Morgen gehst du nicht zur Arbeit.“ Ich schloss meine Augen und stieß laut die Luft aus. „Nonno, ich kann morgen nicht. Ich muss morgen ins Büro, ich habe Meetings…“, versuchte ich ihn zu überreden. „Alles schon geklärt. Ich habe deine Sekretärin Maria kontaktiert und sie kümmert sich drum.“ Hat er nicht. „Warum kontaktierst du meine Sekretärin, ohne mein Wissen?“
„Weil ich dein Großvater bin und du, dank mir, dort arbeitest.“ Gut. Sehr gut. Sie hat es allen Ernstes geschafft, meinen Großvater, um den Finger zu wickeln, sie wird noch sehen. „Hol sie morgen gegen 16 Uhr ab und verbringt eine schöne Zeit miteinander. Benimm dich!“ Ohne auf meine Antwort zu warten, legte er auf. Am liebsten würde ich mein Handy gegen die Wand werfen. Ich habe nichts Besseres zu tun als mit dem Fräulein einen Tag zu verbringen. Ich stand auf und ging ins Gästezimmer. Morgen wird ein anstrengender Tag.
„NEIN! OMG!“, hörte ich meine beste Freundin schreien.
„Clara! Beruhige dich. Wenn du so rumschreist, dann erzähle ich dir nichts.“
„OKAY OKAY!“, hob sie ihre Hände und ich schüttelte den Kopf. „Ich bin nur geschockt. So viel darf ich mir doch erlauben. Du fliegst von heute auf morgen nach Italien, das Einzige, was du von dir gegeben hast, war, ich zitiere, „Es ist ein Familien Notfall, keine Sorge ich melde mich“ und vier Tage später berichtest du mir über einen Videoanruf, dass du heiraten wirst.“ Ich kenne Clara schon seit meiner Schulzeit und seitdem sind wir unzertrennlich. „Ich weiß, ich weiß, du hast recht mit allem, was du sagst, aber ich verspreche dir, es war für mich auch sehr spontan. Ich kam nach Hause und die haben mir gesagt, dass ich heiraten werde. Ich komme auch selbst noch nicht klar.“, erklärte ich ihr ruhig. „Lia, du hast alles übertroffen, ehrlich. Du wirst einfach zwangsverheiratet.“
„Es ist keine Zwangsheirat. Eher ein Friedensangebot… sowas in der Art.“, versuchte ich die Situation etwas zu lockern. „Lia, schau, bei einem Friedensangebot schüttelt man sich die Hand und kauft Blumen oder was auch immer. MAN HEIRATET NICHT!“, schrie sie den letzten Satz so laut, dass ich meine Kopfhörer rausnehmen musste. „Auaaa! Hör auf rumzuschreien. Das tat weh.“ Ich verstand ihre Sorge und ganz ehrlich, ich machte mir auch Sorgen. Am Anfang hatte ich noch Hoffnung, dass Alessandro ein verständnisvoller Mann sein könnte, aber seit unserer Begegnung stiegen meine Sorgen um meine Zukunft um einiges. „Tut mir leid. Ich bin aufgeregt, neugierig und schockiert zugleich.“
„Schon in Ordnung. Verständlich.“
„Und hast du ihn schon kennengelernt? Captain Italia.“, sagte sie mit einem dreckigen Grinsen.
„Captain Italia. Dein Ernst?“
„Ja, sorry, du hast mir den Namen meines zukünftigen Schwagers noch nicht verraten.“, schaute sie mich von der Seite an. Hatte sie jetzt wirklich zukünftiger Schwager gesagt? „Alessandro. Alessandro Russo.“
„Russo. Amelia Russo. Hmm, nicht schlecht. Hat was.“
„Hat es nicht.“
„Was denn? Sowas ist wichtig! Stell dir vor er hätte voll den hässlichen Nachnamen. Aber, hey, der Name Russo hat schon was an sich. Er klingt so mächtig.“
„Jap. Genau. Mächtig.“, wiederholte ich trocken.
„Jetzt erzähl mal. Du hast nicht auf meine Frage geantwortet. Hast du ihn schon getroffen oder nicht?“, fragte sie neugierig. Und dann erzählte ich ihr alles, was in den letzten vier Tagen passiert ist.
„Ich brauche ein Foto von Captain Italia!“
„Erstens, er ist nicht Captain Italia, wenn, dann Captain Stimmungsschwankungen. Zweitens, das ist das Einzige, was du zu sagen hast, nachdem was ich dir alles erzählt habe?“, fragte ich sie verwirrt.
„Sagen wir so, du musst ihn so oder so heiraten, dann soll er wenigstens gut aussehen. Oder nicht?“ Einerseits gebe ich ihr recht, aber was soll ich mit einem gutaussehenden Mann, dessen Charakter Müll ist?
„Warte! Wieso google ich nicht einfach? Wow, warum ist mir das nicht vorher eingefallen?“, sagte sie stolz. Ich verdrehte meine Augen, während meine Freundin meinen zukünftigen Ehemann googelte. Dabei fiel mir ein, dass ich gar nicht auf die Uhr geschaut hatte. Gestern Abend richtete mir mein Großvater aus, dass Alessandro und ich heute zusammen den Tag verbringen werden, und dass ich um 15 Uhr bereit sein soll. Signore Vincente soll wohl angerufen haben und hatte alles arrangiert. Schnell schaute ich auf die Uhr meines Handys und bekam Panik. Es war schon 14:15 Uhr. In Sekunden befand ich mich auf den Beinen. Ich musste noch duschen und mich fertig machen, für meine mentale Vorbereitung hatte ich keine Zeit mehr. „Claraa! Ich habe vergessen dir zu sagen ich muss mich gleich mit ihm treffen. Sein Großvater hatte gestern angerufen und alles geplant. Ich muss um 15 Uhr fertig sein.“, schoss es wie aus der Pistole aus mir raus. „OMG! Ein Dateeeee“, schrie sie. „Nenn es wie du willst, aber ich muss jetzt auflegen.“, sagte ich hastig. „OKAY! Du musst mir später alles erzählen und hab Spaß, ja?“, sagte sie fröhlich. „Hab dich lieb! Bye bye!“, sagte ich bevor ich auflegte. Die nächsten 40 Minuten verbrachte ich mit duschen, schminken und Haare stylen. Da ich keine Zeit mehr zum Glätten hatte, entschied ich, meine welligen Haare zu einem lockeren Dutt zu binden. Für den heutigen Tag hatte ich keine Informationen bekommen, deshalb wusste ich nicht, was wir heute unternehmen werden. Nur noch 5 Minuten bis zur vereinbarten Uhrzeit und ich hatte mich weder angezogen, noch wusste ich was ich anziehen sollte. War es möglich in 10 Minuten ein Zimmer in ein Schlachtfeld zu verwandeln? Ja, ist es. Mein Zimmer sah aus, als wäre hier drinnen eine Bombe eingeschlagen und das Schlimmste war, wir hatten schon 15:20 Uhr. Letztendlich entschied ich mich für eine hellblaue Röhrenjeans mit einem weißen Top und ein lockeres weißes Hemd darüber, weiß-braune Sandalen und eine kleine braune Tasche. Mir war es schon längst egal wie spät es ist. Soll er warten. Ein Mann sollte Geduld haben, oder nicht? Ich suchte mir Schmuck aus und verliess mein Zimmer. „Du bist noch hier?“, fragte mein Vater erstaunt. „Du solltest um 15 Uhr draußen sein. Wir haben schon 15:35 Uhr.“ Ich zwang mich wirklich, nicht meine Augen zu verdrehen. „Er soll sehen, dass es nicht einfach ist eine Moretti zu bekommen. Soll er warten.“, sagte ich selbstbewusst. Mein Vater erwiderte ein stolzes, aber auch trauriges Lächeln. „Lia, mein Schatz du musst das nicht machen. Ich hätte einen anderen Weg gefunden.“ Dabei sah er mir tief in die Augen. „Padre, alles wird gut! Ich glaube daran. Solange es euch gut geht, geht es mir auch gut. Das ist das Mindeste, was ich für euch tun kann.“, gab ich mit einem Lächeln zurück. „Kinder sollten sich nicht für die guten Taten ihrer Eltern revanchieren. Es ist unsere Aufgabe als Eltern, auf euch Acht zu geben, bis ihr in einem Alter seid, wo ihr das nicht mehr benötigt. Wir haben dich nicht in die Welt gesetzt, damit du unsere Fehler wieder geradebiegen sollst. Und egal was ist, egal wie alt du bist, du bist und bleibst immer meine Prinzessin. Vergiss das nie.“ Tränen stiegen mir in den Augen und ich umarmte ihn ganz fest. Mein Vater redete nicht viel, aber wenn er was sagte, dann war es besonders und es kam von Herzen. „Ich weiß. Ich habe dich lieb.“, war das Einzige, was ich erwidern konnte. „Ich dich auch, mein Schatz. Ich dich auch.“ Er ließ mich los.
„Und jetzt geh, aber pass auf dich auf, ja? Wenn was ist, ruf mich sofort an.“, sagte er mit einem Lächeln und ich gab ihm einen Kuss auf die Wange. Ich verabschiedete mich kurz von jedem und ging raus.