TV-Tod - Roswitha Wieland - E-Book

TV-Tod E-Book

Roswitha Wieland

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Beschreibung

Es ist der aufregendste Mord der Geschichte des Fernsehens. Beim Finale von Dancing VIPs verbrennt ein Supermodel. Live und vor Millionenpublikum. Es stellt sich heraus, dass das Kleid präpariert war. Profitänzerin Lara Klein gerät in Verdacht. Der Journalist Alexander Artner interviewt Lara und kommt ihr näher, als ihm zuerst lieb ist. Kurz darauf passieren zwei weitere Anschläge. Die Polizei ermittelt auf Hochtouren. Welche Rolle spielt der Sicherheitschef des Senders? Und jeder fragt sich: Wer ist das nächste Opfer?

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Über das Buch

Spektakuläre Morde live im TV!

Wer tötet vor und hinter den Kulissen?

Es ist der aufregendste Mord in der Geschichte des Fernsehens. Beim Finale von Dancing VIPs geht das favorisierte Supermodel in Flammen auf - live und vor Millionenpublikum. Schnell stellt sich heraus, dass es ein raffiniert durchgeführtes Verbrechen war!

Die konkurrierende Profitänzerin Lara Klein gerät in Verdacht. Der Journalist Alexander Artner interviewt Lara bei seinen Recherchen und kommt ihr dabei näher, als ihm zunächst lieb ist.

Obwohl die Polizei auf Hochtouren ermittelt, passieren zwei weitere Anschläge.

Welche Rolle spielt der Sicherheitschef des Senders?

Ist sterben gut für die Quote? Wie weit geht man dafür?

Und jeder fragt sich: Wer ist das nächste Opfer?

Inhalt

Über das Buch

I. Samstag

II. Sonntag

III. Montag

IV. Dienstag

V. Mittwoch

VI. Donnerstag

Die Autorin

Hinweise zur Darstellung dieses E-Books

REGIE

Puppen mochte ich nie. Ich konnte sie nicht ausstehen, diese gottverdammten Puppen. Wie sie dasaßen und dalagen mit ihren Kunsthaaren und den Kleidchen und den stumpfen Augen und den Pausbacken, immer leicht gerötet, als würden sie sich für ihre Erscheinung schämen. Puppen sind Darsteller der Regungslosigkeit. Tote Standbilder. Erst wenn man sich mit ihnen beschäftigt, erwachen sie zum Leben, aber nur scheinbar. Kinder brauchen Fantasie, um sie tanzen zu lassen. Um mit ihnen zu reden, ganz so als wären sie aus Fleisch und Blut. Was für eine Lüge! Große Puppen, kleine Puppen, falsche Menschen. Stillleben aus Plastik. Die erste Barbie habe ich mit dem Zippo meines Vaters bearbeitet. Ich habe sie in dem Spielzeuggeschäft ums Eck mitgenommen, versteckt unter meinem grünen Pullover. Keiner hat es gesehen. Ich bin mit dem Fahrrad zu diesem Bauernhof gefahren. Niemand dort. Es war Sonntag, und der alte Sepp hockte mit seiner Frau in der Kirche. Vater unser, der du bist im Himmel. Dass ich nicht lache! Ich saß alleine in der Scheune. Vor mir diese Puppe mit den weichen Gelenken, im Heu liegend. Die Haare haben sehr schön gebrannt. Ganz schnell. Husch. Der Bauernhof war bald vom Feuer umarmt. Die Rauchsäule hat man kilometerweit gesehen. Bis die roten Autos mit dem Geheul der Eile angefahren kamen, war ich längst wieder daheim. Ja, Leben ist Veränderung. Genau da komme ich ins Spiel. Transformation. Die verstehen das noch nicht. Aber Evelyn ist so eine Puppe. Eine Barbie-Frau. Etwas Scheinbares. Man muss sie mit dem Feuerzeug behandeln, das weiß ich. Damit sie echt wird. Rein. Jemand muss die Regie übernehmen. Und wenn nicht ich, wer sonst? Cut.

I

Samstag

»Das Parkett muss brennen«, hatte der Regisseur gebrüllt und mit den Händen gefuchtelt. »Ihr müsst alles geben, hört ihr, ALLES!«

Seine Crew reagierte kaum, sie kannte die Brandrede. Er hielt sie immer vor großen Live-Sendungen, immer musste es die größte Show aller Zeiten werden, immer sah das ganze Land zu, immer mussten sie zeigen, dass sie bei AustriaOne die Besten von allen waren, und immer musste irgendwas brennen, heute eben das Parkett. Dabei hatte Norbert Gratzer die Schreierei gar nicht nötig. Er war der beste Regisseur des Senders, insbesondere für Live-Shows, deswegen hätten sie den Abend auch ohne dieses Getue hingebracht, hatte ja auch alles wunderbar geklappt bis jetzt.

Die Tänzer waren empfänglicher gewesen für die Anfeuerung der Regie, zumindest die prominenten, von denen im Finale jetzt nur noch zwei übrig waren. Allerdings waren sie auch ohne Zutun schon aufgekratzt genug. Die Profitänzerinnen wussten, was Adrenalin konnte, und spornten ihre Schützlinge ohnehin ständig an. Gerade eben ließen sie sie abwechselnd scheinboxen und am Stand trippeln.

Na also, murmelte der Regisseur, der jetzt wieder vor seinen Monitoren im Regieraum saß, tonlos in sich hinein, geht doch, wenn man ihnen ein bisschen Feuer unterm Hintern macht. »Auf die Eins«, sagte er laut und zeigte auf den Schirm mit der Totalen.

Im Atrium saßen knapp vierhundert Gäste. Der Studiosaal war dunkel. Erhellt nur durch den Spot, der dem Paar folgte, das nun seine Position auf dem Parkett einnahm für die Rumba. Lara Klein und ihr Tanzpartner David Stürmer blieben in der Mitte der Tanzfläche stehen und stellten sich einander gegenüber, Auge in Auge. Die Band spielte Bésame Mucho an, ein mexikanisches Liebeslied. Verzagtheit im Viervierteltakt, hatte Laras Vater immer gesagt. Er hatte ihr alles beigebracht, daheim in ihrer Tanzschule. Gratzer ließ die Hauptkamera heranzoomen.

Laras rotes Paillettenkleid war rechts bis in die oberste Etage geschlitzt, es funkelte wie eine zweite Haut, besetzt mit Rubinsplittern. David, ein Fußballstar, stand aufrecht, stolz, das Kinn weit oben, so sah er aus, wenn er vor einem Ländermatch die Bundeshymne sang.

»Und jetzt zeigen wirs ihnen«, zischelte Lara David zu und warf den Kopf in den Nacken. Einen Augenblick lang hielt sie noch inne, dann fixierte sie ihn mit einem provokanten Blick, spannte sich und explodierte. Aus dem Nichts heraus drehte sie am Stand fünf, sechs, sieben Pirouetten. Das Kleid sprühte Funken.

Es sah so leicht aus, wie sie um die eigene Achse wirbelte, ballerinenzart und gleichzeitig kraftvoll. David führte sie mit der linken Hand, wie es die Choreografie vorsah. Er stand da, schwarze Hose, schwarzes Hemd mit Fledermausärmeln, bog den Rücken durch und bewegte die Schultern im Rhythmus der Musik. Lara hatte es ihm gut eingetrichtert. Der lateinamerikanische Spirit lag ihm, David hatte so eine leichte Anstößigkeit in der Bewegung, viel zu schade für den Strafraum, wie gemacht für die Rumba. Die Rumba war ein lasziver Tanz, eine liederliche Spielart, wie ein Journalist mit einer Vorliebe für derlei Sprachspielchen geschrieben hatte. Vom Standpunkt der Tänzer aus waren es fließende Bewegungen, die eine perfekte Schritttechnik voraussetzten. Nur dann war es die Balz der Eleganz.

Bésame … Bésame mucho. Como si fuera esta noche la última vez …

Das Publikum gab Zwischenapplaus. In der Luft lag ein Gemisch aus Herzklopfen und Spannung. Lara liebte das. Sie war völlig in dem Tanz verschwunden, zu einem Teil der Musik geworden, nur Körper, nur Bewegung. Sie rollte die Hüften, wie man das sonst vielleicht von Kubanerinnen kannte, die abends durch die Straßen von Havanna gehen. Jeder Schritt eine Ansage, jede Armbewegung eine Körperbeherrschung. Ihre schwarzen Haare waren nach hinten gekämmt und zu einem Dutt aufgesteckt, sie schimmerten im Licht wie lackiert. Rote Pailletten, eine einsame Schweißperle auf der Stirn, sie zeigte Dekolleté, viel Bein, sie füllte den Saal aus mit ihrem Knistern. Im Finale durfte es keinen Fehler geben, nicht dieses Mal.

Bésame … Bésame mucho. Que tengo miedo a perderte, perderte después …

Laras Oberschenkelmuskel trat hervor, als sie sich in Pose warf, bis David ihr den Weg freigab, den Kopf leicht geneigt, und sie davonschwebte, als gäbe es unter ihren Highheels keinen Boden. Es sah aus, als brauchte sie auch keinen. David war gut, er hatte verstanden, dass es bei der Rumba darum ging, die Frau in den Vordergrund zu stellen. Das Werben um ihre Gunst verlangte Präzision in jeder Sekunde, und die lieferte er, das hatte er am Ball gelernt, beim Dribbeln wars genauso, nur ohne Frau.

Bésame … Bésame mucho, mucho, mucho, mucho …

Ihr Tanz neigte sich dem Ende zu. Norbert lächelte im Regieraum, großartige Bilder, ja, sie waren die Besten von allen. Er sah kurz zum Generaldirektor hinüber, der saß mitten im Publikum, auf ganz bescheiden und er war entspannt. Auch in den Rängen zufriedene Gesichter.

»Schlusspose!«, rief der Regisseur, als müsste er das irgendwem hier sagen. Die Kameraleute waren alle auf Position. Sie wussten, was jetzt kam. Der Moment, wenn Lara diese abgefahrene Figur mit dem Fuß machte, deshalb hatte sie diese fürs Tanzen völlig unpraktischen Highheels an. Das hatten sie mehrfach geprobt, es brauchte den richtigen Winkel, um gut im Bild zu sein.

Lara hatte mit David wochenlang auf diesen Augenblick hingearbeitet. Es hatte vor zwanzig Jahren ein Tanzpaar gegeben, Nicole Hansen und Donnie Burns. Damals hieß es, sie tanzten wie vom andern Stern. Und einmal erfanden die beiden am Ende einer Rumba eine Schlusspose, in der Hansen das Bein hochwarf und ihrem Donnie den Fuß auf die Brust setzte, den Stöckel direkt auf den Solarplexus, die Zehenspitzen hart an seinem Kehlkopf. Den Kopf hatte sie vorgereckt, beide Arme seitlich nach hinten gestreckt, alle zehn Finger abgespreizt. Aggressiv, die Leidenschaft im Angriff. Er stand in Schräglage gegen ihr Bein gestemmt, die Arme ebenfalls nach hinten weggestreckt. In dieser Stellung verharrten sie, eine Momentaufnahme der Hochspannung. Sie standen wie eine Statue, gehauen aus einem einzigen Stein. Die Weltmeisterpose. Lara und David hatten genau das geübt.

Die letzten Töne von Bésame mucho erklangen. Die letzten Drehungen, die letzten Takte. Lara verlagerte ihr Gewicht auf das linke Bein und ging ein wenig in die Knie. Gleichzeitig schleuderte sie das rechte Bein in einer dramatischen Geste nach oben, zeigte damit in den Himmel, dort waren sie, die Sterne, die sie sich holen würde. Ja! Und jetzt. Ihr Schuh landete auf Davids Brust, gefährlich nah an seinem Kehlkopf. Sie stand. Sie hielt die Pose. Das Publikum jubelte. Was für ein Finale, was für ein Paar! Und genau in dem Moment knickte Laras linkes Bein ein, gab einfach unter ihr nach. Sie ruderte mit den Armen um ihr Gleichgewicht, aber es nützte nichts, sie fiel. Aus wars mit der aggressiven Leidenschaft. Sie plumpste auf den Boden. Der Aufprall erzeugte ein dumpfes Geräusch.

Aufschreien im Publikum, das Oooooch der Enttäuschung. Sie fing sich schnell, rappelte sich auf, aber trotz ihres ungebrochenen Bühnenlächelns konnte man sehen, was in ihr vorging. Wut und Resignation. Bis hierher war sie gekommen, fehlerfrei und grandios und jetzt hatte sie den Schluss vergeigt. David half ihr auf, in einem Augenblick der Unbeherrschtheit schlug sie seine Hand weg.

»Danke, meine Süße«, sagte Gratzer im Regieraum.

»Meinst du danke für ein verhautes Ende oder danke, das war besser als die ganze Schlusspose?«, fragte die Regieassistentin, bekam aber keine Antwort.

Einer der drei Wertungspromis, das Ekel in der Jury, grinste bissig und sortierte schon seine Schildchen. Die Kollegin aus der Musical-Abteilung zog die Schultern hoch. Sie wusste, wie sich so was anfühlt. Was solls, passierte jedem.

Lara stand wieder. Demonstrativ nahm sie Davids Hand, um die Geste von vorhin vergessen zu machen. Sie war außer Atem, ihre Wangen waren rot vor Scham und Zorn, aber ihr Lächeln war intakt.

Natürlich gab es einen Riesenapplaus. Ein paar Leute standen sogar von ihren Sitzen auf.

So hört sich Mitgefühl an, dachte Lara, möchte nicht wissen, wie viele das wirklich ehrlich meinen.

Der Applaus ebbte langsam ab. Isabella Rathbauer kam auf die Bühne. Die Moderatorin hatte sich das Selbstvertrauen von Menschen abgeschaut, die sonst mindestens die Oscars moderierten. Nichts brachte sie aus der Ruhe. Sie konnte auf Kommando sehr traurig oder sehr glücklich sein. Und auch so einiges andere, wie Lara im Flurtratsch des Senders gehört hatte.

Isa kam strahlend auf das Tanzpaar zu. »Ach, meine Lieben, so ein Pech, alles okay? Ist dir hoffentlich nichts passiert, Lara?« Ihre blonden Strähnen, die sich wie zufällig aus der Hochsteckfrisur gelöst hatten, tanzten auf und ab. Ihr goldenes Kleid saß wie angegossen.

»Alles gut, danke«, sagte Lara und strahlte zurück. Sie holte gerade Luft, um irgendwas Witziges zu sagen, das den Sturz verharmlosen würde, doch Isa streckte schon David das Mikro entgegen. »Das muss ja ein kleiner Schock gewesen sein, David, nicht wahr, hast du dich wieder erholt? Muss sich ja wie ein verschossener Elfer angefühlt haben.«

David grinste. »Keine Ahnung, ich hab noch nie einen Elfer verschossen.« Das Publikum lachte und applaudierte. Lara lachte mit. Danke David, dachte sie.

Isabella Rathbauer drehte sich mit dem Mikrofon in der Hand zur Kamera und sprach jetzt zu den achthunderttausend Menschen, die daheim vor dem Fernseher saßen. »Meine Damen und Herren, das war der erste Finaltanz und gleich so eine Bombe. Was für eine Show! Diese Rumba, besser gehts nicht, oder? Vergessen wir den blöden Ausrutscher, erinnern wir uns an die Perfektion davor.« Sie drehte sich zu Lara und David und klatschte ihnen Beifall. »Sie haben gesehen, was die beiden geleistet haben und wie sehr sie sich in den wochenlangen Trainings angestrengt haben. Hören wir, was die Jury zu sagen hat.« Sie wandte sich an die drei, die am Tisch saßen und Notizen machten. »Bitte seid nicht allzu streng mit unserem schönen Paar, ja?« Sie hob den Zeigefinger.

Nacheinander zeigten die drei von der Jury ihre Schildchen. Zweimal die Neun von den beiden Damen, einmal die Sieben, garniert mit einem bissigen Grinsen.

»Das macht fünfundzwanzig! Und damit ist alles noch offen!«, rief Bella. »Und jetzt, liebe Zuseherinnen und Zuseher daheim, darf ich unser zweites Superpaar ankündigen. Evelyn und René. Unser Supermodel hat sich ja bisher mehr als gut geschlagen.«

Supermodel, dachte Lara, während sie ihr unverändert strahlendes Lächeln an den Parkettrand trug, ewig dieses Trara wegen einer, die sich auf dem Laufsteg über die Zehen steigt, hier ist die Hirth kein Mannequin, und wenn sie noch so oft von der Vogue auf uns herunterschaut, hier ist sie nichts anderes als Profitänzerin, genau wie ich, der Promi ist der René mit seinen Schnulzen, aber den lassen sie völlig untergehen neben ihr.

»Kamera zwei«, kommandierte Norbert, und Evelyn von Hirth kam ins Bild, wie sie mit ihrem Schlagersänger aus Tirol die Showtreppe herunterschritt. Sie sah einfach fantastisch aus.

Die Moderatorin empfing die beiden und stellte sich zwischen sie. »Und an dieser Stelle wird es besonders spannend. Denn es geht hier nicht nur um Sieg oder Niederlage im Finale von DancingVIPs. Es geht um eine große Zukunft. Hier bei uns auf AustriaOne. Wer heute gewinnt, gewinnt – eine eigene Show! Ich darf es hiermit ankündigen: Dinner&Dance. Ja! Und eine der beiden Finalistinnen wird diese neue Show ab nächster Woche moderieren. Lara Klein« – die Kamera zoomte sie heran – », die bei ihrer Rumba wirklich vollen Körpereinsatz gezeigt hat. Oder Evelyn von Hirth« – Großaufnahme des Weltklasseprofils – », die die Laufstege zwischen Mailand und Paris für die nächste Zeit gegen unsere Showbühne eintauschen könnte. Eine dieser beiden großartigen Frauen wird Dinner&Dance moderieren und das Publikum, ja, genau Sie, meine Damen und Herren daheim, entscheiden, ob das Lara oder Evelyn sein wird. Lara oder Evelyn. Sie sind die Jury!« Sie zeigte in die Kamera.

Applaus im Publikum. Isa Rathbauer zeigte ihre glanzweißen Zähne. »So, jetzt darf ich unsere Evelyn und den René aufs Parkett bitten. Kommt her. Genau. Ihr seid bereit? Der Paso Doble ist euer letzter Tanz in diesem wunderbaren Finale von DancingVIPs. Viel Glück. Es geht los.«

Das Licht im Saal wurde gedimmt. Der Spot richtete sich auf die zwei, die sich in der Mitte des Parketts postiert hatten. Der Paso Doble ist ein spanischer Tanz, wird aber von der Tradition her den lateinamerikanischen Tänzen zugeordnet. Das Paar interpretierte einen Stierkampf mit all seiner Dramatik. Evelyn symbolisierte die Kappa, das rote Tuch. Ihr schwarzes Kleid zu den hellblonden Haaren war ein Geschenk ihrer Freundin Stella McCartney. Die Musik begann. René Moserer trug das Kostüm eines Toreros, mit goldrot bestickter Weste. Er passte blendend zu seiner Partnerin, hier stand er, der Held der Arena.

»Oh mein Gott, sind die gut!«, entfuhr es Lara. Sie stand neben David am Rand des Parketts und sah ihren Kontrahenten zu. »Es tut mir so furchtbar leid, dass ichs versaut habe«, sagte sie und vergrub den Kopf an seiner Brust. Er winkte ab. Macht nichts, sollte das heißen. »Geh, Lara, mir kann das sowas von egal sein, ich brauch keine Balletteinlagen fürs Stadion. Mir tuts nur leid für dich, du könntest ja deine eigene Sendung bekommen.«

Die Regie schickte Kamera zwei und vier hinter dem tanzenden Paar her. »Bleibt an ihr dran, ich will ihre Beine und ihr Gesicht«, dirigierte Gratzer die Kameramänner, die ihn über Kopfhörer im Ohr hatten. Sie verfolgten Evelyn quer über die Tanzfläche, ihren schlanken Körper, ihre Füße in den zarten Tanzschuhen und immer wieder Nahaufnahme. Sie schien sich überhaupt nicht anzustrengen. Im Gegenteil, sie badete im Rampenlicht. Jede Bewegung wirkte, als wäre sie für sie ausgedacht worden. Sie und ihr Tanzpartner fegten über das Parkett. Als Einheit. Die Choreografie war kompliziert, aber jeder Schritt saß, der Schlagersänger war nicht ungeschickt.

Lara und David waren nach hinten gegangen, in den Vorhof der Hölle, wie alle den Raum nannten, in dem die Tänzer auf ihre Auftritte hinzitterten. Obwohl nur noch die letzten zwei Paare um den Sieg kämpften, waren auch alle ausgeschiedenen Tänzer da, die Truppe war komplett. Es würde zum Abschluss noch eine gemeinsame Einlage geben.

Die Profikollegen empfingen Lara wie ihre Königin, verbeugten sich vor ihr und trösteten sie. Sie war die Beste von ihnen, das war im Insiderkreis gar keine Frage und niemand gönnte ihr das Missgeschick. Die Hirth war nicht schlecht, aber mehr am Schönsein interessiert als am Tanzen. Sie war keine von ihnen, schon deshalb drückten alle Lara die Daumen. Wenn auch wahrscheinlich vergebens, ihr Sturz am Schluss würde sie den Sieg kosten. Jetzt hingen ihre Blicke an den riesigen Monitoren, die das Fernsehbild zeigten. Es war still, insgeheim dachten alle, was Lara aussprach: »Ich glaub, das wird eng.«

Die Blonde hatte die besseren Karten und Lara hatte sie ihr praktisch selbst zugeschoben. Evelyn konnte sich in Szene setzen, das musste man ihr lassen. Und sie hatte den Favoritenbonus mit ihrem Modelflair. Vermutlich wurde sie auch vom Sender bevorzugt. AustriaOne hatte mit ihr die Gelegenheit, ein international bekanntes Model als Moderatorin für die nächste Show zu bekommen. Es ging zwar um Dinner und Dance, aber wen kratzte schon die tänzerische Perfektion, wenn sich so ein blonder Mund beim Dessert die Lippen leckte. Warum sollten sie Lara nehmen, die die bessere Tänzerin, aber zwanzig Zentimeter kleiner war als Evelyn und glamourmäßig einfach nicht so viel hermachte.

Ein Feuerstoß flammte am Rand der Bühne auf, als die Musik einen Tusch hören ließ. Pyrotechnik gehörte zur Show. Sie setzten sie allerdings nur bei manchen Tänzen ein, wie jetzt bei Evelyn, was Lara gleich wieder wurmte. Warum hatten sie und David nicht auch ein paar optische Spezialeffekte bekommen?

Die Band spielte den klassischen Paso Doble mit neuen Facetten, gemixt mit Passagen aus Michael Jacksons Thriller. Evelyn und René machten sich den Tanz zu eigen. Choreografisch waren die Schritte soso, aber die Show lag beiden. Er hatte die Arme hochgestreckt, den Kopf dazwischen eingezogen und die Beine geschlossen, als stünde er nie anders als in Stierkämpferpose auf der Bühne, wenn er seine Alpenhits trällerte. Sie wand den Vorzeigekörper und ließ ihre Schenkel wirken, den Rest überließ sie ihrem Busen, den das Kostüm aus dem Dekolleté presste, als sollte er mit der Fliehkraft der nächsten Drehung herausspringen. So sah es zumindest Lara, das Publikum hatte einen milderen Blick. Man sah diese Frau seit Jahren auf Plakaten, die Parfüms bewarben, Mode oder Luxustaschen. Der letzte Auftrag von Louis Vuitton hatte ihr eine höhere siebenstellige Summe eingebracht. Die Klatschspalten waren voll mit Fashionshootings und Interviews. Das Gesicht der Wienerin war allen vertraut. Und die Menschen, die sie nicht persönlich kannten, liebten sie auch, sogar die Frauen. Mit achtundzwanzig war sie eine Ikone.

Evelyn schaffte es mühelos, die Synkopen genau richtig zu erwischen, sie tanzte, als gehörte der Saal nur ihr. Die Haare offen, die Lippen blutrot glänzend. Niemand konnte den Blick abwenden. Sie drehte sich zur Seite, stoppte ab, legte mit ihrem Partner wieder den zackigen Grundschritt aufs Parkett und bei jeder Pose wurde ihr Elfenbeinhals noch ein Stück länger. Die Menge klatschte. Evelyn huschte ein Hauch von einem Lächeln übers Gesicht, Siegessicherheit mit einem Anflug von Ich-bin-euch-ja-so-dankbar. So sehen die aus, die überall in der ersten Reihe stehen. Man konnte die Zuversicht von der Mimik ablesen. Diese Königin ließ sich vom Volk bewundern.

Lara schluckte. Sie sah David von der Seite an. Sogar er war fasziniert von Evelyn. Ja, sie würde das Rennen machen, da war sich Lara sicher. Wieder würde es nur für Platz zwei reichen. Sechsmal hatte sie schon mitgemacht, immer bis ins Finale, nie bis zum Sieg. Sie war die Ewigzweite bei dieser Show. Die Silberprinzessin. Und immer war das Voting verdammt knapp gewesen. Vom Können her besser als alle anderen zehn Paare, aber gereicht hatte es doch nicht. Offenbar war sie doch nicht so beliebt, wie sie dachte. Sie ballte die Faust.

Vorne auf der Bühne zum Publikum hin zischten wieder Pyroeffekte auf, die die Darstellung anheizten. Der Paso Doble nahm Fahrt auf. Evelyn hatte sogar dabei noch den Nerv, eine Augenbraue zu heben – Gratzer erwischte sie in Nahaufnahme –, um ihrem Tanzpartner zu zeigen: Ja, wir sind auf der Zielgeraden. Das geht sich locker aus. Wir sind die Besten. The winner takes it all.

Es war genau in diesem Augenblick. Es knisterte etwas an ihrem schwarzen Kleid. Ein Geräusch, das niemand hörte. Unten vom Saum her materialisierte sich ein hellweißer Punkt, der sich blitzartig zu einer winzigen Stichflamme auswuchs und nach oben schoss. Es war wie ein scharfes Züngeln. Niemandem fiel die Flamme auf, zu der sich andere gesellten. Vier, fünf grellweiße Flämmchen, die ebenfalls nach oben schossen. Evelyn selbst war so gefangen von ihrem Tanz, dass sie gar nicht bemerkte, wie ihr Kleid von unten her zu brennen begann. Es dauerte ein paar Sekunden, bis die Zuschauer mitbekamen, was da passierte. Evelyns Organzakleid stand bis zu ihren Hüften in Flammen. Jetzt sah sie es, spürte die Hitze. Sie stand da, schrie, ihr Tanzpartner neben ihr, erstarrt. Evelyn schrie, schrie –

Die Zuschauer waren im Schockzustand. Die Frau auf dem Parkett schlug um sich, auf ihre Schenkel, ihren Bauch, versuchte, das Feuer mit den Händen zu ersticken. Aber es war zu spät. Ihre Schreie wurden noch spitzer, sie drehte sich, stand immer noch. Die Feuerzungen leckten sich nach oben, über das Top des Kleides zu den nackten Schultern und erfassten Evelyns offene Haare. Es loderte auf, wie Stroh, das Feuer fängt. Drei Sekunden später sah man die Frau auf dem Parkett nur mehr als Fackel.

Hier verbrannte ein Supermodel live im Fernsehen. Jetzt schrie man auch im Publikum. »Tut denn keiner was! Hilfe!«

Viele sprangen auf, die einen rannten Richtung Parkett, um zu helfen, die anderen Richtung Ausgang, um zu fliehen.

Der Kameramann war so geschockt, dass er weiterfilmte, die brennende Tänzerin in ihrem Todeskampf.

Der Regisseur, der im Regieraum nicht mitten im Geschehen war und die Monitore wie Filter zwischen sich und der Realität hatte, sprang so heftig auf, dass sein Sessel nach hinten umfiel. Er deutete mit dem ganzen Arm immer wieder auf das Flammenbild. »Draufbleiben!«, schrie er, »auf jeden Fall draufbleiben!«

Ein Produktionsassistent schnappte sich das Tischtuch vom Pult der Jury. Er hechtete zu Evelyn und schlug mit dem Tuch nach ihr. Männer aus dem Publikum zogen ihre Sakkos aus und sprangen auf die Tanzfläche. Irgendjemand hielt sie zurück, sie konnten nicht helfen, ohne sich selbst zu verletzen. Die Hitze war jetzt meterweit zu spüren, sie zog einen Bannkreis um Evelyn. Der Produktionsassistent roch verbranntes Fleisch und versengte Haare, er taumelte zur Seite und würgte.

»Feuerlöscher!«, rief jemand links von der Bühne. »Wo ist der verdammte Feuerlöscher?«

»Hilfe!«

»Raus hier!«

»Weg da!«

»Schnell!«

»Ein Arzt, ist hier irgendwo ein Arzt?«

»Wir brauchen einen Sanitäter!«

»Hilfe!«

»Ruft doch wer die Rettung!«

»Dort drüben! Der Feuerlöscher!«

»Komm schon!«

»Drück drauf!«

Schaumfontänen quollen aus dem roten Druckbehälter. Ein paar Menschen im Publikum saßen immer noch auf ihren Plätzen, starr, die Münder offen, unfähig, sich zu bewegen. Sie sahen aus wie Zuschauer in einem Actionfilm. Das konnte nicht wahr sein. Das gabs einfach nicht. Das war alles nur Show. Nicht echt. Ein Bühnentrick.

Lara war aufs Parkett gelaufen. Irgendwer zog sie zurück. Sie schrie. »Neeeiiiin!« Dann ließ sie sich auf die Knie sinken, setzte sich auf ihre Fersen und blieb dort hocken.

Die anderen Tanzpaare liefen an ihr vorbei, ziellos, hilflos. Eine Frau stand im Weg, die Hand vor dem Mund, sie wurde von anderen angestoßen, rührte sich aber nicht vom Fleck. Die meisten hatten noch nicht realisiert, was da gerade geschehen war. Evelyn lag jetzt auf dem Boden, reglos. Das Schlimmste waren die Haare, die größtenteils vom Kopf gebrannt waren. Der Schädel war dunkelrot, ihr ganzer Körper rauchte.

Der Saal war ein einziges Durcheinander. Es wurde geschrien, Gäste und Fernsehleute hetzten kreuz und quer durch. Die Band stand wie vom Stab des Dirigenten versteinert. Der Produktionsleiter suchte den Generalintendanten. Er stand am Ausgang und gab mit einigermaßen ruhiger Stimme Anweisungen. Aber der Eindruck täuschte, er war nicht ruhig, er war nur der GI.

Der Sicherheitschef hatte permanent sein Handy am Ohr und schrie irgendwen an. In einigem Abstand um Evelyn hatte sich ein Kreis gebildet, näher als fünf Meter traute sich keiner an sie heran. Alle wollten etwas tun, niemand konnte. Bewegte sie sich? Wenigstens wissen, ob sie noch lebte. Ja, sie atmete. Atmete sie? Man musste die Frau doch retten, wiederbeleben.

Jemand rief: »Bringt einen Defibrillator! Herrgott, tut denn keiner was?«

Eine Frau bahnte sich einen Weg. »Ich bin Ärztin«, sagte sie, man ließ sie durch. Sie kniete neben Evelyn und prüfte, ob sie noch am Leben war. In diesem Zustand war das schwer einzuschätzen. Sie sah entsetzlich aus. Rohes Fleisch hing in Fetzen von ihrem Körper, das schöne Gesicht sah aus wie abgeschält und war fast schwarz. Die Ärztin wandte sich kurz ab.

»Gehts?«, fragte der Produktionsleiter, der sich den Weg zu ihr gebahnt hatte.

»Ich bin HNO-Spezialistin«, sagte sie, als müsste sie sich dafür entschuldigen, »aber ich habe im Turnus in einem Unfallkrankenhaus gearbeitet, ich kenn mich schon aus.« Sie sah ihn an. »Es kann sein, dass sie noch lebt, aber ich weiß nicht, ob da noch viel zu machen ist.«

Kurz vor zweiundzwanzig Uhr traf die Rettung mit Blaulicht und Sirene vor dem Haupteingang ein. Der Portier hielt die Glastür auf. Sanitäter kamen mit einer Bahre angelaufen. Der Portier wies ihnen mit beiden Armen die Richtung, durch das Foyer, vor zum großen Sendungssaal. Ein Notarzt rannte hinter ihnen her. In der Hand trug er einen roten Erste-Hilfe-Koffer. Seit dem Unfall waren neun Minuten vergangen. Aber niemand hätte jetzt sagen können, was das überhaupt war, Zeit. Alles passierte ohne linearen Ablauf, ineinandergeschoben, gleichzeitig. Es war wie bei einem Terroranschlag, wenn die Welt von einer Sekunde auf die andere nicht mehr so ist, wie man sie vorher kannte. Die Zeit hatte sich vom Geschehen abgekapselt. Vielleicht war es ein Terroranschlag.

Überall fassungslose Gesichter. Kopfschütteln. Vielen rannen Tränen über die Wangen herunter, Frauen wie Männer schluchzten. Mitarbeiter des Senders verfolgten die Arbeit der Rettungsleute, wollten etwas beitragen, standen aber mehr im Weg. Der Sicherheitschef hielt sich abseits, besah sich die Lage. Was war hier passiert? Hätte man es verhindern können? Hatte jemand einen Fehler gemacht? Er schüttelte den Kopf. Es war ein Unfall, so was kann niemand verhindern.

Lara hockte immer noch auf dem Boden und starrte vor sich aufs Parkett. Sie brachte das Bild nicht aus ihrem Kopf. Evelyn von Hirth hatte vor ihrer aller Augen Feuer gefangen und war in Sekundenschnelle verbrannt. Wie gab es das? Wie konnte das geschehen? Live, im Fernsehen?

Laras Herz durchschlug ihr fast die Brust. Sie bekam kaum Luft. Gedanken schossen ihr durchs Hirn, kleine Stichflammen, wie die auf Evelyns Kleid. Immer wieder dasselbe Bild. Evelyns brennende Haare, ihr schmerzverzerrter, schreiender Mund, ihre Arme, die um sich schlugen und gegen etwas ankämpften, das nicht greifbar war. Feuer war ein Feind ohne Körper, namenlos und mörderisch. Lara vergrub ihr Gesicht in den Händen und wimmerte. Das war kein Albtraum, das hatte tatsächlich stattgefunden. Ein Mensch in Flammen. Mitten auf der Tanzfläche. Es war so schnell gegangen und niemand hatte ihr helfen können. Evelyn musste unglaubliche Schmerzen gehabt haben. Lara konnte sich gar nicht vorstellen, wie sie gelitten haben musste. Bevor –

»Sie lebt!«, schrie jemand.

Der Notarzt hatte die Hals-Nasen-Ohren-Spezialistin abgelöst und ein schwaches Lebenszeichen festgestellt, bevor die Rettung Richtung Krankenhaus losgeprescht war. Die Nachricht verbreitete sich im Nu. Sie war nicht tot. Evelyn lebte noch.

In der Nachrichtenredaktion im zweiten Stock des Senders schmiss man nicht leicht die Nerven weg, aber brennende Menschen sah man auch hier nicht jeden Tag, noch dazu im eigenen Haus. Man zwang sich zu einem nüchternen Blick auf die Sache, Berichterstattung wie gewohnt. Aktualität im Bild. Das war Echtzeit-Action, so würden es vermutlich die vom Marketing nennen, aber die brauchte hier niemand. Diese Geschichte hatte keine Werbe-Teaser nötig, die hatten sie auf jeden Fall exklusiv.

Die Rädchen in der Redaktion liefen auf Hochtouren. Jeder wusste, was zu tun war, selbst jetzt. Die Leute tippten auf ihre Tastaturen ein. Aufgaben wurden verteilt, Ablaufpläne gezimmert. Der Moderator bereitete sich auf einen Live-Einstieg vor. Eine Make-up-Assistentin pinselte ihm beiges Puder ins Gesicht, während er stumm den Text, den er gleich vortragen würde, durchging.

Ein paar Kamerateams waren vor Ort im Saal, wo es passiert war. Mit einer Reporterin, die halbherzig versuchte, die Strähnchen aus ihrem Pferdeschwanz zu bändigen. Brandschutzbeauftragte schwirrten aus, um die Installationen für die Pyrotechnik und die Bühnenshow zu kontrollieren. Wer weiß, vielleicht war dort irgendwas passiert. Drei Polizisten in Uniform rundeten die Szenerie des Unfallorts ab. Einer redete in ein Funkgerät. Seit Evelyn weggebracht worden war, lag ernste Geschäftigkeit in der Luft. Alle suchten in dem Getümmel nach Antworten.

Im Nachrichtenstudio ertönte die Signation der News im Bild. Arnold Schafberger erschien auf dem Bildschirm.

»Guten Abend, meine Damen und Herren«, sagte der Sprecher. »Diese Sendung beginnt nicht wie sonst.« Auch er war nicht so gelassen wie üblich. »Es hat sich hier im Zentrum von AustriaOne etwas Schreckliches ereignet. Wenn Sie das Finale von DancingVIPs nicht verfolgt und jetzt erst eingeschaltet haben, darf ich kurz zusammenfassen: Das bekannte Model Evelyn von Hirth ist Opfer eines pyrotechnischen Unfalls geworden. Ihr Kleid hat während ihres letzten Tanzes mitten auf dem Parkett Feuer gefangen und die Tänzerin stand komplett in Flammen.«

Die Bilder der kleinen Stichflammen, die am Kleid hinaufschossen, wurden eingeblendet und züngelten noch einmal an der Tänzerin hinauf. Mehr zeigte man nicht. Nicht ihr Schreien, nicht ihre lodernden Haare. Der Kameramann war zu nahe an der Todesangst der jungen Frau dran gewesen, das konnte man dem Publikum aus Pietätsgründen und zu einer Sendezeit, in der Jugendliche zusahen, nicht zumuten, ohne dass ein Shitstorm losbrach.

»Wir wissen noch nicht mehr. Der Unfall ist erst vor ein paar Minuten passiert, im Studio laufen die Untersuchungen. Auch zum Gesundheitszustand von Frau Hirth können wir noch nichts Näheres berichten. Moment –« der Knopf im Ohr verriet ihm etwas Neues. »Ja, wie ich höre, haben wir eine Direktschaltung zum Geschehen. Unsere Reporterin Anita Kaiser hat Details.«

Die Regie blendete das Studiobild aus und zeigte die junge Frau mit dem Pferdeschwanz, die jetzt eine Schutzjacke mit dem Emblem des Senders trug, aus welchen Gründen auch immer. Bevor die Ursache nicht gefunden war, war man lieber vorsichtig.

»Ja, danke, Arnold. Ich stehe hier im Atrium von Austria One. Hier vorne sehen Sie das Tanzparkett von DancingVIPs