Über den Freitod / Über die Unsterblichkeit der Seele - David Hume - E-Book

Über den Freitod / Über die Unsterblichkeit der Seele E-Book

David Hume

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Beschreibung

Warum soll der Freitod gegen Gottes Gesetz verstoßen, da er in der Welt geschieht und doch kein "erschaffenes Wesen ... die Ordnung der Welt stören" kann? Und wie soll die Seele unsterblich sein, wo doch "alles zwischen Seele und Körper gemeinsam" ist, also "die Existenz des einen von der Existenz des anderen" abhängt? Zwei scharfsinnige, ja ketzerische Beiträge des schottischen Philosophen zu existentiellen Fragen.

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Seitenzahl: 56

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David Hume

»Über den Freitod« und »Über die Unsterblichkeit der Seele«

Zwei Essays

Aus dem Englischen übersetzt von Holger Hanowell

Reclam

2018 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Covergestaltung: Cornelia Feyll, Friedrich Forssman

Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen

Made in Germany 2018

RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

ISBN 978-3-15-961332-1

ISBN der Buchausgabe 978-3-15-019471-3

www.reclam.de

Inhalt

Über den FreitodÜber die Unsterblichkeit der SeeleZu dieser AusgabeZeittafelZu Autor und TextenLiteraturhinweise

Über den Freitod

Ein beträchtlicher Vorteil, den die Philosophie bietet, besteht in dem unübertrefflichen Gegengift, das sie gegen Aberglaube und falsche Religion an die Hand zu geben vermag. Sämtliche anderen Heilmittel gegen diese schädliche Krankheit sind vergeblich oder zumindest in ihrer Wirkung ungewiss. Schlichter gesunder Verstand und Lebenserfahrung, die für sich genommen den meisten Herausforderungen des Lebens genügen, erweisen sich hier als unwirksam: Die Geschichte wie auch die tägliche Erfahrung liefern Beispiele von Leuten, die, obwohl sie über die größten Fähigkeiten verfügen, Geschäftliches und andere Angelegenheiten zu regeln, ihr ganzes Leben dem schlimmsten Aberglauben erlegen sind. Selbst Heiterkeit und eine sanfte Veranlagung des Gemüts, die in jede andere Wunde Balsam träufeln würden, bieten kein Heilmittel gegen ein so tödliches Gift. Dies können wir insbesondere beim schönen Geschlecht1 beobachten, das, obwohl es für gewöhnlich mit diesen reichen Gaben der Natur gesegnet ist, erfahren muss, dass viele seiner Freuden durch diesen hartnäckigen Eindringling zunichtegemacht werden. Hat jedoch erst einmal die gesunde Philosophie vom Verstand Besitz ergriffen, so ist der Aberglaube erfolgreich ausgeschlossen; und man kann mit Recht behaupten, dass ihr Triumph über diesen Feind nachhaltiger errungen ist als über die meisten Laster und Unvollkommenheiten, die zur menschlichen Natur gehören. Liebe oder Zorn, Ehrgeiz oder Habgier haben ihre Wurzeln in der Gemütsart und den Empfindungen, die die gesündeste Vernunft kaum je zu verbessern vermag. Aberglaube jedoch, da er sich auf falsche Annahmen gründet, muss sofort immer dann verschwinden, wenn die wahre Philosophie richtigere Ansichten über die höheren Mächte erweckt hat. Der Wettbewerb zwischen Krankheit und Arznei gestaltet sich hier ausgeglichener: Und nichts vermag Letztere daran zu hindern, sich als wirksam zu erweisen, es sei denn, sie ist trügerisch und verfälscht.

Es dürfte hier überflüssig sein, die Verdienste der Philosophie hervorzuheben, indem die verderbliche Veranlagung desjenigen Lasters dargestellt wird, von dem die Philosophie den menschlichen Geist heilt. Der abergläubische Mensch, so sagt Cicero*2, ist in jeder Lebenslage erbärmlich, in jedem Ereignis seines Lebens; selbst der Schlaf, der sämtliche anderen Sorgen der unglücklichen Sterblichen vertreibt, bietet ihm Anlass zu neuem Schrecken, sobald er seine Träume untersucht und in jenen nächtlichen Visionen Voraussagen zukünftigen Unheils entdeckt.3 Ich möchte hinzufügen, dass, obschon nur der Tod allein seinem Elend ein Ende setzen kann, er es nicht wagt, an diesen Zufluchtsort zu eilen, sondern ein elendigliches Dasein noch verlängert, aus der eitlen Furcht, er könne seinen Schöpfer beleidigen, indem er sich einer Macht bedient, mit der jenes wohlmeinende Wesen ihn ausgestattet hat. Die Gaben Gottes und der Natur werden uns von diesem grausamen Feind entrissen, und ungeachtet dessen, dass uns nur ein Schritt aus den Gefilden des Schmerzes und Kummers führen würde, ketten uns die Drohungen dieser Furcht an ein verhasstes Dasein, und diese Furcht selbst trägt hauptsächlich dazu bei, dieses Dasein erbärmlich werden zu lassen.

Bei denen, die von den Unglücksfällen des Lebens heimgesucht wurden und sich daher gezwungen sahen, dieses todbringende Heilmittel anzuwenden, hat man festgestellt, dass sie, falls sie durch die unpassende Fürsorge ihrer Freunde dieser Todesart beraubt wurden, die sie für sich selbst eingeplant hatten, selten eine andere Art riskieren oder ein zweites Mal so viel Entschlusskraft aufbringen, um ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen. So groß ist unser Entsetzen vor dem Tode, dass er, wenn er sich in irgendeiner anderen Form darbietet als derjenigen, mit der der Mensch seine Vorstellungskraft zu versöhnen sucht, neuen Schrecken erhält und den schwachen Mut des Menschen überwältigt. Kommen indes die Drohungen des Aberglaubens zu dieser natürlichen Furchtsamkeit hinzu, so kann es kaum verwundern, dass sie den Menschen all seiner Gewalt über sein Leben beraubt, denn viele Freuden und Vergnügungen, zu denen wir durch eine starke Neigung hingeführt werden, werden uns durch diesen grausamen Tyrann entrissen. Bemühen wir uns an dieser Stelle, den Menschen wieder in seine ihm angeborene Freiheit einzusetzen, indem wir sämtliche üblichen Argumente gegen den Freitod überprüfen und auf diese Weise aufzeigen, dass diese Tat womöglich frei ist von jeglicher Schuldzuweisung oder jeglichem Tadel, und dies in Übereinstimmung mit allen alten Philosophen.

Wenn der Freitod ein Verbrechen ist, dann muss er eine Pflichtverletzung sein, entweder gegenüber Gott, unserem Nächsten oder uns selbst.

Um zu beweisen, dass es sich beim Freitod um keine Pflichtverletzung gegenüber Gott handelt, mögen die folgenden Betrachtungen vielleicht ausreichen. Um die Welt der Gegenstände lenken zu können, hat der allmächtige Schöpfer allgemeine und unveränderliche Gesetze geschaffen, durch die alle Körper, vom größten Planeten bis zum kleinsten Partikel der Materie, in ihrer jeweiligen, ihnen zugedachten Sphäre und Funktion erhalten werden. Um die belebte Welt lenken zu können, hat er alle lebenden Geschöpfe mit körperlichen und geistigen Kräften ausgestattet, mit Sinnen, Affekten, Trieben, Gedächtnis und Urteilsvermögen, durch die sie in dem Lauf des Lebens, der für sie vorbestimmt ist, angetrieben und gelenkt werden. Diese beiden verschiedenen Prinzipien der materiellen und belebten Welt beeinträchtigen sich ständig gegenseitig und hemmen oder beschleunigen die Wirkungsweise des jeweils anderen. Die Kräfte des Menschen und aller anderen Lebewesen werden durch die Natur und die Eigenschaften der sie umgebenden Körper eingeschränkt und geleitet, und die Modifikationen und Bewegungen dieser Körper werden unablässig durch die Handlungsweise sämtlicher Lebewesen verändert. Der Mensch wird auf seinem Weg über die Oberfläche der Erde durch Flüsse aufgehalten, und Flüsse stellen, wenn sie entsprechend umgeleitet werden, ihre Kraft zur Verfügung, um Maschinen in Gang zu setzen, die wiederum dem Menschen zum Nutzen gereichen. Obgleich jedoch die Aufgabenbereiche der materiellen und lebendigen Kräfte nicht gänzlich voneinander getrennt sind, erfolgt daraus keine Zwietracht oder Unordnung in der Schöpfung; im Gegenteil, aus der Vermischung, Verbindung und Gegensätzlichkeit all der verschiedenen Kräfte der unbelebten Körper und der lebenden Wesen entsteht jene erstaunliche Eintracht und Verhältnismäßigkeit, welche das sicherste Argument für eine höchste Weisheit bietet.