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Den Aufsatz "Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Reden" gehört zu den philosophischen Schriften Kleist und wurde von ihm unter dem Einfluss Kants geschrieben. Dessen ungeachtet liest sich der Aufsatz höchst unterhaltsam besonders wieder heute in einer Zeit der political correctness, die häufig nicht mehr als Denkfaulheit ist. Kleist plädiert für die lebendige, offene Rede, die häufig viel klarer und dann auch bedeutungsvoller und leidenschaftlicher ist, als zuvor mühsam im Hinterzimmer zusammengedachtes.
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Seitenzahl: 13
Veröffentlichungsjahr: 2010
Heinrich von Kleist
Über die allmähliche Verfertigung
der Gedanken beim Reden
© HörGut! Verlag, 2010
An R[ühle] v. L[ilienstern]
Wenn du etwas wissen willst und es durch Meditation1 nicht finden kannst, so rate ich dir, mein lieber, sinnreicher Freund, mit dem nächsten Bekannten, der dir aufstößt, darüber zu sprechen. Es braucht nicht eben ein scharfdenkender Kopf zu sein, auch meine ich es nicht so, als ob du ihn darum befragen solltest: nein! Vielmehr sollst du es ihm selber allererst erzählen. Ich sehe dich zwar große Augen machen, und mir antworten, man habe dir in frühern Jahren den Rat gegeben, von nichts zu sprechen, als nur von Dingen, die du bereits verstehst. Damals aber sprachst du wahrscheinlich mit dem Vorwitz2 , andere, ich will, daß du aus der verständigen Absicht sprechest, dich zu belehren, und so könnten, für verschiedene Fälle verschieden, beide Klugheitsregeln vielleicht gut nebeneinander bestehen. Der Franzose sagt, l'appétit vient en mangeant3 , und dieser Erfahrungssatz bleibt wahr, wenn man ihn parodiert, und sagt, l'idée vient en parlant4