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Daniel Kehlmann

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Beschreibung

Bestsellerautor Daniel Kehlmann ist auch ein leidenschaftlicher Kinogänger, der Arthouse-Filme ebenso anschaut wie Blockbuster. Das E-Book versammelt seine wichtigsten Texte über Filme, Kritiken von «Der Terminator» mit Arnold Schwarzenegger und «Der Antichrist» von Lars von Trier, Essays über Jim Jarmusch und Wolfgang Becker. In einem abschließenden, für dieses Buch geführten Gespräch erläutert Daniel Kehlmann sein Verhältnis zum Film.

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Seitenzahl: 43

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Daniel Kehlmann

Über Kino

Herausgegeben von Michael Töteberg

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Über dieses Buch

Bestsellerautor Daniel Kehlmann ist auch ein leidenschaftlicher Kinogänger, der Arthouse-Filme ebenso anschaut wie Blockbuster. Das E-Book versammelt seine wichtigsten Texte über Filme, Kritiken von «Der Terminator» mit Arnold Schwarzenegger und «Der Antichrist» von Lars von Trier, Essays über Jim Jarmusch und Wolfgang Becker.

 

Über Daniel Kehlmann

Jim Jarmusch und der Ritter

Über «Ghost Dog»

Ein Kunstwerk kann seine Zeit nicht verlassen. Auch die Verleugnung der Gegenwart ist ein Bezug zu ihr, der gleiche Text geschrieben zu zwei unterschiedlichen Momenten wäre nicht derselbe: Nirgendwo ist das besser dargestellt als in Borges’ Geschichte von Pierre Menard, dem zeitgenössischen Autor, der Wort für Wort den Don Quixote nachschreibt und damit ein völlig neues Werk schafft. Der Künstler ist zu seiner Gegenwart verurteilt und Rimbauds Ausruf, man müsse absolut modern sein, letztlich eine Tautologie. Denn was bleibt uns anderes übrig? «It is said that what is called ‹the spirit of an age› is something to which one cannot return. That this spirit gradually dissipates is due to the world’s coming to an end. For this reason, although one would like to change today’s world back to the spirit of one hundred years or more ago, it cannot be done. Thus it is important to make the best out of every generation.» Dieses Zitat aus dem Lehrbuch der Samurai ist, wenn es gegen Ende von Jim Jarmuschs Ghost Dog – jenem Film aus dem Jahr 1999, der mit seltener Klugheit die Frage stellt, inwiefern eine Entscheidung gegen die eigene Gegenwart möglich ist – als Schrifttafel auftaucht, natürlich ebenso wenig antik wie Pierre Menards Beschreibung vom Kampf des Ritters gegen die Windmühlen.

Ghost Dog (Forest Whitaker in seiner besten Rolle) ist ein schwarzer Profikiller, der sich entschlossen hat, nach dem Kodex der Samurai zu leben, ein zweiter Don Quixote, den allerdings vom ersten unterscheidet, dass sein System tragfähig und seine Beherrschung der Situationen vollkommen scheint. Er arbeitet für den Mafioso Louie (John Tormey), der ihm, so glaubt er, einst das Leben gerettet hat. In Louies Auftrag erschießt er einen verbündeten Gangster, woraufhin die Mafia Ghost Dog zum Abschuss freigibt. Wie das Hagakure es vorschreibt, geht Ghost Dog in die Offensive und vernichtet ganz auf sich gestellt zwei Mafiafamilien. Nicht töten allerdings kann er, seinem Kodex getreu, den Mann, dem er Loyalität geschworen hat. Also nimmt er das Magazin aus seiner Waffe und lässt sich von Louie erschießen: Besser, der Gefolgsmann stirbt als sein Herr. Eine simple Handlung. Kaum beschreibbar aber, welche Fülle an Witz, Intelligenz und filmischer Schönheit Jarmusch ihr abgewinnt.

Ghost Dog ist, wenn das Wort irgendeine Bedeutung hat, ein postmoderner Film. Er spielt mit Zitaten, er bezieht sich, sowohl inhaltlich als auch strukturell, auf Cervantes’ Roman und auf den Erzählband «Rashomon» des Japaners Ryunosuke Akutagawa. Ganz zu Beginn und dann immer wieder wird in diesem Buch gelesen, dessen erste Geschichte – die Vorlage zu Akira Kurosawas bestem Film – dasselbe Ereignis aus einer Vielzahl nicht übereinstimmender Perspektiven erzählt. Diese Anspielung ist kein Beiwerk, sondern essenziell: Leicht übersieht man, dass die zwei Rückblenden auf die Rettung Ghost Dogs durch Louie nicht übereinstimmen; in Ghost Dogs Erinnerung erschoss Louie einen Jugendlichen, der die Waffe auf Ghost Dog richtete, in der Erinnerung Louies aber hatte der Junge auf ihn selbst gezielt, er handelte also in Notwehr. Mit anderen Worten, Ghost Dog irrt sich, er schuldet Louie keinen Dank und keine Gefolgschaft. Seine Loyalität ist Verirrung, er stirbt für nichts. Wie der kastilische Ritter ist auch der schwarze Samurai eine lächerliche Figur, ein metaphysischer Versager: «The end», sagt die letzte Schrifttafel, «is important in all things.» Allerdings wird sein Beispiel des unzeitgemäßen Lebens nicht aufhören, Nachfolger in Bann zu ziehen: In der letzten Einstellung sitzt das kleine Mädchen, dem Ghost Dog seine Ausgabe des Hagakure geschenkt hat, lesend auf dem Küchenboden. Ihre Mutter will vorbei und rügt: «You’re in the way, honey.» Perline blickt auf, für eine Sekunde sieht die Kamera sie von unten, aus genau jener Perspektive, welche bisher für Ghost Dogs Meditationsmomente reserviert war. Unauffällig und doch mit höchstem Pathos wird uns mitgeteilt, dass Perline den Weg betreten hat.

Ghost Dog