Umbra vitae. Gedichte. Mit Holzschnitten von Ernst Ludwig Kirchner - Georg Heym - E-Book

Umbra vitae. Gedichte. Mit Holzschnitten von Ernst Ludwig Kirchner E-Book

Georg Heym

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Beschreibung

Er starb mit nur 24 Jahren und gilt als einer der bedeutendsten Lyriker des Expressionismus: Georg Heym wandelt durch eine Welt voller Abgründe und Verfall, sein lyrischer Horizont ist bewölkt bis verfinstert. Doch den Schatten des Lebens (lateinisch: umbra vitae) hat er in magische, ekstatische Verse von unerhörter Sprachkraft gebannt, die noch heute in ihren Bann ziehen. Diese Sammlung erschien erstmals postum 1924 mit den auch hier reproduzierten 46 Original-Holzschnitten von Ernst Ludwig Kirchner.

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Seitenzahl: 38

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Georg Heym

Umbra vitae

Nachgelassene Gedichte

Mit 46 Holzschnitten vonErnst Ludwig Kirchner

Anaconda

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© 2022 by Anaconda Verlag, einem Unternehmen

der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlagmotiv: Ernst Ludwig Kirchner, Umschlag­-

abbildung zu »Umbra Vitae« von Georg Heym, 1924

(Holzschnitt), Stapleton Collection / Bridgeman Images

Umschlaggestaltung: www.katjaholst.de

Satz und Layout: InterMedia – Lemke e. K., Heiligenhaus

ISBN 978-3-641-29846-3V002

www.anacondaverlag.de

Umbra Vitae

Die Menschen stehen vorwärts in den Straßen

Und sehen auf die großen Himmelszeichen,

Wo die Kometen mit den Feuernasen

Um die gezackten Türme drohend schleichen.

Und alle Dächer sind voll Sternedeuter,

Die in den Himmel stecken große Röhren,

Und Zauberer, wachsend aus den Bodenlöchern,

Im Dunkel schräg, die ein Gestirn beschwören.

Selbstmörder gehen nachts in großen Horden,

Die suchen vor sich ihr verlornes Wesen,

Gebückt in Süd und West und Ost und Norden,

Den Staub zerfegend mit den Armen-Besen.

Sie sind wie Staub, der hält noch eine Weile.

Die Haare fallen schon auf ihren Wegen.

Sie springen, dass sie sterben, und in Eile,

Und sind mit totem Haupt im Feld gelegen,

Noch manchmal zappelnd. Und der Felder Tiere

Stehn um sie blind und stoßen mit dem Horne

In ihren Bauch. Sie strecken alle Viere,

Begraben unter Salbei und dem Dorne.

Die Meere aber stocken. In den Wogen

Die Schiffe hängen modernd und verdrossen,

Zerstreut, und keine Strömung wird gezogen,

Und aller Himmel Höfe sind verschlossen.

Die Bäume wechseln nicht die Zeiten

Und bleiben ewig tot in ihrem Ende,

Und über die verfallnen Wege spreiten

Sie hölzern ihre langen Fingerhände.

Wer stirbt, der setzt sich auf, sich zu erheben,

Und eben hat er noch ein Wort gesprochen,

Auf einmal ist er fort. Wo ist sein Leben?

Und seine Augen sind wie Glas zerbrochen.

Schatten sind viele. Trübe und verborgen.

Und Träume, die an stummen Türen schleifen,

Und der erwacht, bedrückt vom Licht der Morgen,

Muss schweren Schlaf von grauen Lidern streifen.

Der Krieg

Aufgestanden ist er, welcher lange schlief,

Aufgestanden unten aus Gewölben tief.

In der Dämmrung steht er, groß und unbekannt,

Und den Mond zerdrückt er in der schwarzen Hand.

In den Abendlärm der Städte fällt er weit,

Frost und Schatten einer fremden Dunkelheit.

Und der Märkte runder Wirbel stockt zu Eis.

Es wird still. Sie sehn sich um. Und keiner weiß.

In den Gassen fasst es ihre Schulter leicht.

Eine Frage. Keine Antwort. Ein Gesicht erbleicht.

In der Ferne zittert ein Geläute dünn,

Und die Bärte zittern um ihr spitzes Kinn.

Auf den Bergen hebt er schon zu tanzen an,

Und er schreit: Ihr Krieger alle, auf und an!

Und es schallet, wenn das schwarze Haupt er schwenkt,

Drum von tausend Schädeln laute Kette hängt.

Einem Turm gleich tritt er aus die letzte Glut,

Wo der Tag flieht, sind die Ströme schon voll Blut.

Zahllos sind die Leichen schon im Schilf gestreckt,

Von des Todes starken Vögeln weiß bedeckt.

In die Nacht er jagt das Feuer querfeldein,

Einen roten Hund mit wilder Mäuler Schrein.

Aus dem Dunkel springt der Nächte schwarze Welt,

Von Vulkanen furchtbar ist ihr Rand erhellt.

Und mit tausend hohen Zipfelmützen weit

Sind die finstren Ebnen flackend überstreut,

Und was unten auf den Straßen wimmelnd flieht,

Stößt er in die Feuerwälder, wo die Flamme brausend zieht.

Und die Flammen fressen brennend Wald um Wald,

Gelbe Fledermäuse, zackig in das Laub gekrallt,

Seine Stange haut er wie ein Köhlerknecht

In die Bäume, dass das Feuer brause recht.

Eine große Stadt versank in gelbem Rauch,

Warf sich lautlos in des Abgrunds Bauch.

Aber riesig über glühnden Trümmern steht,

Der in wilde Himmel dreimal seine Fackel dreht.

Über sturmzerfetzter Wolken Widerschein,

In des toten Dunkels kalten Wüstenein,

Dass er mit dem Brande weit die Nacht verdorr,

Pech und Feuer träufet unten auf Gomorrh.

Die Morgue

Die Wärter schleichen auf den Sohlen leise,

Wo durch das Tuch es weiß von Schädeln blinkt.

Wir, Tote, sammeln uns zur letzten Reise

Durch Wüsten weit und Meer und Winterwind.