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Francisco Cienfuegos versteht sich als Poet und betrachtet die Welt als solcher: fragend, staunend, suchend. Doch das ehemalige Gastarbeiterkind aus Spanien liefert hier viel mehr als nur ein Lyrikbuch. Er widmet sich einem grundlegenden Gefühl unserer schnelllebigen Gesellschaft: der Einsamkeit, in all ihren Facetten. Das Sein, die Heimat, die Fremde und die Liebe. Der Mensch, der sein Herz trägt – vom Atlantischen Ozean bis nach Offenbach am Main und noch viel weiter. Wo gehört ein Mensch hin? Wo sind seine Wurzeln und wie weit darf er sich ausbreiten? In welcher Farbe umhüllt einen die Einsamkeit, die keine Grenzen kennt? Francisco Cienfuegos' melodisch-melancholische Gedichte zeichnen in den 110 Seiten des Lyrikbuches Wege, Straßen und Alleen. Ausgänge aus der Einsamkeit. Seine Wörter klingen mal wie Flamenco, mal wie moderner Rock-Andaluza – Rhythmen, die berühren. Wenn das Alleinsein überhandnimmt. Mitten im Leben.
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Seitenzahl: 38
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... und bricht das herz die einsamkeit? | Reihe: Apollon
Die Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme. Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet dieses Buch in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.
Erste Auflage Februar 2018
© Größenwahn Verlag Frankfurt am Main, 2018
www.groessenwahn-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten.
ISBN: 978-3-95771-206-6
eISBN: 978-3-95771-207-3
Francisco Cienfuegos
Crónica de un sentimiento
poemas
IMPRESSUM
... und bricht das herz die einsamkeit?
Reihe: Apollon
AutorFrancisco Cienfuegos
Seitengestaltung Größenwahn Verlag Frankfurt am Main
Schrift constantia
Covergestaltung Marti O´Sigma
Coverbild Gustav Klink, Die Familie
Druck und Bindung
Print Group Sp. z. o. o. Szczecin (Stettin)
Größenwahn Verlag Frankfurt am Main
Februar 2018
ISBN: 978-3-95771-206-6
eISBN: 978-3-95771-207-3
An den Gesang meiner Mutter,
hinwegtröstend und tragend,
an die Verwandlungskraft der Hände meines Vaters,
die auch meine geworden ist,
und für all die Menschen,
die mich zu dem machen, was ich bin.
Für
Anna-Maria, Pablo, André,
María, Cristina, Marco
und
Ismael.
Francisco Cienfuegos
Es ist nicht unwesentlich, woran einer sich selbst erkennt, wo und worin und woran. Francisco Cienfuegos setzt an diese Stelle einen Ort, ein Ufer, an dem mit unsichtbaren Farben gemalt wird. Etwas soll dort laut werden, verlauten und sich offenbaren, ohne seinen provisorischen Charakter zu verlieren, was sicher nicht falsch ist auf dem Weg der lyrischen Selbsterkenntnis. So jedenfalls kommt das erste Gedicht dieses Bandes als Chiffre bei mir an. Klang in der Kapitelüberschrift und Laut als Thema des ersten Gedichts, wer mit nicht sehr viel die Bühne betritt (und jeder Gedichtband ist eine Bühne), knüpft wohl an etwas an, was in der deutschen Lyrik nach dem zweiten Weltkrieg Kahlschlag genannt wurde. Das war die Lyrik von Soldaten, die mit einer eisernen Ration an Wörtern auskommen wollten.
Von einem gebürtigen Spanier einer ganz anderen Generation würde man das vielleicht gar nicht erwarten, aber Klang und Laut als Eingangsthema verweisen darauf, dass auch er die Bühne ohne großes Gepäck betritt. Der Laut ist das Minimum dessen, was von einem Lyriker zu erwarten ist. In Grimms Wörterbuch wird zur Illustration des Lauts der Poet Gottfried August Bürger zitiert: »Ein Nachtigallmännchen wird locken die Braut, mit lieblichem tief aufflötenden Laut«. Am »ufer der verlaut(barung)« ist bei Francisco Cienfuegos dann aber auch der Klang zu Hause und bei dem prämodernen August von Platen ist schon alles beisammen, was bei dem postmodernen Cienfuegos wiederkehrt:
Mir geziemt der volle Becher,
mir der volle Klang der Lauten.
Beschrieben wir hier eine harte und prägende Erfahrung. Denn die Laute und der Klang sind die akustischen Attribute des Meeres und der Küste, deren visuelle Analogien Schwalbennester und weißleuchtender Kalk sind. Francisco Cienfuegos ist an der Atlantikküste Andalusiens zur Welt gekommen. Sein Vater arbeitete als Gastarbeiter in Frankfurt am Main und schon die erste mehrtätige »Reise nach Norden« war ein Trauma für das Kind. Kein Ozean, kein Meer, stattdessen katastrophale Wohnverhältnisse – sechs Personen in zwei Zimmern –, so wird einem die Welt der Kindheit genommen, die Identität, die bisherige Welterfahrung. An ihre Stelle tritt die Erfahrung eines heftigen kulturellen Bruchs, das Gefühl der Haltlosigkeit, der Desorientierung, der Heimatlosigkeit. Natürlich vor allem anderen auch der Verlust der Muttersprache. Sie kann als persönliche Fähigkeit, als konstitutive Spracherfahrung, nie ganz verloren gehen, aber die Umgebung in Frankfurt am Main, in Deutschland, spricht eine fremde Sprache, die Welt spricht mit einem Mal in unvertrauten Tönen, in unvertrauten Klängen.
Die Gedichte in diesem Band sind in vielfacher Weise das Echo dieser Grunderfahrung. Der Grund, dieses sehr deutsche Wort, für das man im Romanischen ein paar Wörter unterschiedlicher Bedeutung mehr braucht, zum Beispiel la causa oder el motivo ebenso wie el fundamento oder noch etwas ganz anderes: el suelo (der Boden). Als Kind kann man das nicht gleich lernen, man lernt vielleicht auf Deutsch bis zehn zu zählen und wenn man nicht weiterkommt, steht man da und ist blamiert.
So folgt auf die längste Zugfahrt, die nur nach Norden führte eine merkwürdige Zeiterfahrung, die des niemals Ankommens. Da hängt noch der abschiedsverdrossene Mantel über der Stuhllehne und der Dichter in seiner Vereinzelung fragt sich, wo das Eigene geblieben ist. Der Klang aber, eine Chiffre dafür, dass die Welt zu einem spricht, der Klang geht niemals ganz verloren. Bezeichnet er anfangs nur den schmerzvollen Verlust, kommt er plötzlich auch aus dem eigenen Zimmer, denn
ein Zimmer
kann ein Land sein
eine Insel
ein Krater im Gestein.