Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Schon als Kind träumte Nel von Afrika und verschlang jedes Buch, das sie über den Kontinent finden konnte. Dank ihrer Arbeit im Afrikareferat der Deutschen Stiftung für Internationale Entwicklung begleitete sie 1996 Olaf auf seinem Einsatz in Kamerun. Elf Jahre sollte sie dort bleiben. Ihr unkompliziertes pragmatisches Wesen und Unternehmungslust halfen ihr, Fuß zu fassen und in verschiedenen Bereichen des Natur- und Tier-schutzes zu arbeiten. Mit Michel, dem Libanesen und Felipe, dem Spanier, baute sie Jagdcamps auf. Für die GTZ hat sie eine Bibliothek zusammengestellt. In einer Lodge hat sie Gäste betreut. Bis sie schließlich den Franzosen Gregory kennenlernte. Mit ihm hat sie im Regenwald das Camp de Lognia geleitet und die Liebe gefunden. Er hat sie zu einer guten Wildhüterin gemacht. Bis sie fliehen musste. Und dennoch geht es weiter. Nel schreckt vor keinem Problem zurück. Sie meistert jede Herausforderung. Das Glück hängt an einem seidenen Faden, sagt sie, und jeder schöne Moment ist ein Geschenk des Lebens. Nach einem kurzen Aufenthalt in Frankreich lassen sich Gregory und Nel in Kambodscha nieder und suchen ein neues Projekt. Ohne Erfolg. Die Ehe geht auch in die Brüche. Nel kehrt nach Deutschland zurück, wo sie sich schwer tut, einen Job zu finden. Gregory erliegt in Phnom Penh einem Herzinfarkt. Nel lernt Olivier, einen Tierphotographen und -maler kennen. Ihre Liebe zu Afrika verbindet sie. Sie möchte nochmals an das grosse Glück glauben....
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 128
Veröffentlichungsjahr: 2019
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Und dennoch ...
Afrika - mon amour
Gisela Raeber
Impressum
Umschlagaquarell von Gisela Raeber
Der Baum, der sich zu beugen versteht,
Barcarole
Vogelgezwitscher erfüllt die erholsame Stille. Die hohen Baumwipfel wiegen sich lautlos. Vereinzelt durchdringende Sonnenstrahlen malen Arabesken auf den Boden. Man könnte sich fast im Elbsandsteingebirge glauben. Aber nein, irgendwo kreischt ein Papagei. Einige Affen hangeln sich durch die Bäume. Vom Fluss steigt der leise Gesang der Pygmäenfrauen herauf. Die feuchte Hitze ist drückend.
Nel gönnt sich eine kleine Pause. Ihr khakifarbenes Hemd klebt auf der Haut. Mit einem Taschentuch wischt sie die Schweißperlen von ihrer Stirn und streicht einige Haarsträhnen, die sich aus dem Pferdeschwanz gelöst haben, zurück. Durst. Sie holt ein großes Glas Wasser aus der Küche und trinkt in gierigen Schlucken.
Den ganzen Vormittag hat sie damit verbracht mit einigen Pygmäen, die Gregory und ihr hier im Camp für den Wildschutz zur Seite stehen, die fünfte Gästehütte fertigzustellen. Das Palmblätterdach ist halb vollendet.
„Komm Simossa!” ruft sie. Ein einjähriges Schimpansenmädchen springt herbei.
„Uuhh Uuhh Uuhh Uh Uh.” gluckst es und strahlt Nel mit seinen großen braunen Kulleraugen an. Im Handumdrehen klettert es auf ihren Rücken und schlingt die seidenweich behaarten Arme um ihren Hals. Dort wird es jetzt bestimmt für die nächste halbe Stunde bleiben.
„Du kleines Lausmädchen!” Nel setzt sich auf den Baumstumpf vor der Küche und tätschelt Simossas Kopf. Ein Lächeln spielt um ihren Mund. Sie ist glücklich.
In ihrem Kopf schwingt noch Jacques Offenbachs Barcarole, die Gregory heute zum Frühstück aufgelegt hat, bevor er mit dem Pick-up nach Yokadouma fuhr .
Le temps fuit et sans retourEmporte nos tendresses,Loin de cet heureux séjourLe temps fuit sans retour.Zéphyrs embrassés,Versez-nous vos caresses,Zéphyrs embrassés,Donnez-nous vos baisers!Vos baisers! Vos baisers! Ah!Belle nuit, ô nuit d'amour,Souris à nos ivresses,Nuit plus douce que le jour,belle nuit d'amour!Ah! Souris à nos ivresses!Nuit d'amour, nuit d'amour! Ah!
Gregory hatte sogar zu singen versucht. Fürchterlich falsch! Im Gedanken daran grinst sie.
„Ich schufte zwar hier wie eine Besessene. Ich würde mal wieder gerne ins Konzert gehen oder in einem schicken Restaurant speisen.“ denkt sie. „Aber alles in allem habe ich hier im Regenwald meine Lebensaufgabe gefunden. Wenn ich mich da erinnere, wie alles anfing...“
Der Traum von Afrika
Ihre Eltern hatten sie Petronella getauft, nach ihrer Großmutter. Das konnte in Petra oder Nelly verkürzt werden. Doch sobald sie reden konnte, bezeichnete sie sich selbst als Nel. Dabei blieb es. Der Name war schön kurz, klang energiegeladen und niemand sonst hieß so. Das gefiel ihr. Schon als Kind hatte sie einen Sinn für das Besondere.
Sie war zehn, als ihr ein Bildband über Zentral-afrika in die Hände fiel. Sie schaute sich die Fotos an und war fasziniert von den exotischen Tieren, der dunklen, glänzenden Haut der Menschen, den kriegsbemalten Männern, den in farbenfrohe Boubous gekleidete Frauen mit imposantem Kopfschmuck. Sie träumte von Savannen ohne Horizont und dichten Tropenwäldern, animiert durch ein subtiles Spiel von Licht und Schatten. Immer wieder holte sie das dicke Buch heraus und blätterte darin. Jedes Mal entdeckte sie etwas Neues, den klugen Gesichtsausdruck eines Affenbabys, die geometrischen Streifen des Zebras, die stolze Mähne des Löwen, das Angst einflößende Profil des Nashorns. Sie konnte sich nicht satt sehen.
„Dort möchte ich einmal hin“, vertraute sie ihrer Mutter an.
„Das ist aber sehr weit weg“, war die Antwort.
„Na und? Es gibt doch Schiffe und Flugzeuge.” Nel gab sich mit der Antwort ihrer Mutter nicht zufrie-den. Wie sollte sie auch verstehen, was in den Köpfen von frustrierten, im kommunistischen System eingepferchten Erwachsenen vorging?
Wenn Nel in ihrem Buch blätterte, konnte sie förmlich das Kreischen bunter Vögel und das Rauschen des Wasserfalls hören. Ihre Nase saugte den Modergeruch des Urwaldbodens auf. Beim Anblick der trockenen, sonnendurchfluteten Steppe wurde ihr ganz heiß. Obwohl draußen der Dezemberschnee leise fiel.
Ihr Wunschzettel ans Christkind war kurz. Er umfasste nur ein einziges Wort „Afrikabücher“.
„Afrika“, flüsterte sie. „Wenn ich groß bin, will ich nach Afrika.”
Als Ungarn 1989 die Grenze öffnete floh Nel mit ihrem damaligen Partner Klaus aus der DDR und kam über Österreich „nach drüben“, nach Westdeutschland. Fünfundzwanzig Jahre alt war sie gerade und erlebte Auffang- und Flüchtlingslager, Ablehnung wie auch Großzügigkeit seitens der Bundesbürger.
Nel und Klaus ließen sich in Bad Honnef bei Bonn nieder. Es galt einen neuen Anfang in dem völlig anderen Deutschland zu suchen, sich durchzukämpfen, seinen Platz zu finden.
Mit Klaus war sie schon im Kindergarten befreun-det. Er war der Nachbarsjunge. Später drückten sie zusammen die Schulbank, fingen beide das Betriebswirtschaft Studium an und hatten vor der Flucht schon einige Jahre zusammen gelebt. Klaus war unternehmungslustig, offen und sehr sportlich aber absolut nicht belastbar. Er schob jede Schwierigkeit auf Nel ab. Schlussendlich kam sie sich fast wie seine Mutter vor, die sich immer um alles für ihn kümmern musste.
Ein Jahr war in der Zwischenzeit vergangen. Täglich ging Nel in die Uni, hatte auch einen kleinen Job als Serviererin gefunden. Es war nicht leicht, sich als Ossi hier am Rhein zu behaupten.
Trotzdem war es nicht das, was ihr zu schaffen machte. Sie hatte vielmehr das Gefühl, daß ihr Leben mit Klaus ihr langsam entglitt.
Sie verstanden sich zwar noch immer gut, aber Liebe konnte das doch sicher nicht sein. Gab es das große, das überwältigende Glück? Sie wusste es nicht, und wenn sie untätig darauf wartete, würde sie es höchstwahrscheinlich niemals finden. Über eines war sie sich klar: wenn sie mit Klaus zusammen war, verspürte sie kein Kribbeln mehr, schlug ihr Herz niemals höher.
Gedankenverloren rührte sie in der Gemüsesuppe, die sie zum Abendessen zubereitete.
In den letzten Tagen wirkte Klaus des Öfteren abwesend. „Ich muss mit ihm reden“, sagte sie sich. „Ich kann so nicht weitermachen. Das Routineleben, das wir derzeit führen, befriedigt mich absolut nicht. Wir sollten uns vielleicht trennen.“
Als Klaus an diesem Abend heimkam, machte Nel einen bekümmerten, fast niedergeschlagenen Eindruck.
Klaus bemerkte es gar nicht. Er hatte andere Sorgen.
„Ich habe mir heute das Buch Jenseits von Afrika von Tania Blixen gekauft. Hast du das mal gelesen?“ Nel deutete auf das dicke Buch, das auf dem Tisch lag, und fügte kopfschüttelnd hinzu: „Was für eine dumme Frage, natürlich nicht.”
„Nein, natürlich nicht!“ Klaus ahmte ihren ironischen Ton nach. „Aber ich kenne die Anziehungskraft, die Afrika, die Wildnis und das Abenteuer auf dich ausüben. Die teile ich nicht mit dir, das weißt du. Ich brauche Sicherheit, Geborgenheit, ein geregeltes Leben.”
„Eben Klaus! Seit unserer Kindheit sind wir die besten Freunde, und ich habe immer auf dich zählen können. Wir haben so viel miteinander geteilt, so viel unternommen und können auf schöne Momente zurückblicken. Aber ich frage mich, ob ich glücklich bin. Richtig glücklich. Ich weiß nicht, wie sich das anfühlt. Weißt du es?
„Glück ... meinst du nicht eher Liebe. Ich glaube, du fragst dich, was Liebe ist.”
„Ja. Und ich zweifle daran, daß Liebe das ist, was wir füreinander empfinden. Wir sind beide einfach automatisch in diese sehr bequeme Zweisamkeit gerutscht.”
„Du hast vielleicht Recht.” Klaus nickte versonnen. „Zwanzig Jahre kennen wir uns schon, sind durch dick und dünn zusammen gegangen, haben uns immer gut verstanden. Wir sind tolle Freunde, aber ...
„Aber so echt geknistert hat es nie.” vervollständigt Nel seinen Satz.
Klaus nickte und blickte sie offen an.
„Daß du das gerade heute auf den Tisch bringst. Ich glaube...“, er zögerte.
„Was glaubst du?“
„Ich... ich glaube, ich bin dabei, mich in eine Studienkollegin zu verlieben. Seit drei Wochen überlege ich mir, wie ich es dir beibringen soll und habe bisher den Mut dazu nicht aufgebracht.”
Nel schaute ihn erstaunt an, dann hellte sich ihr Gesicht auf. Sie stupste ihn in die Seite, und beide brachen in Lachen aus.
„Das trifft sich ja bestens. Ich freue mich für dich. Wie wär’s also, wenn wir uns trennen und dabei gute Freunde bleiben. Ist das ein Vorschlag?“ fragte Nel.
„So einfach hätte ich mir das im Traum nicht vorgestellt.” erwiderte Klaus, sichtlich erleichtert. „Ich stand vor einem großen Problem, das ich hin und her wälzte, ohne einen Ansatz zur Diskussion zu finden. Und du legst mir die Lösung einfach in den Schoß.“
Er legte die Arme um Nel und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Über ihre Schulter schaute er in den Suppentopf.
„Ah, die leckere Gemüsesuppe deiner Mutter. Dann lass uns doch jetzt zuerst mal essen. Ich habe einen Mordshunger. Dabei können wir in Ruhe weiterreden. Und was hältst du davon, wenn wir anschließend ins Kino gehen um unsere Scheidung zu feiern?“ er malte mit den Fingern Anführungszeichen in die Luft. „Auf dem Programm steht „Jenseits von Afrika“ mit Meryl Streep und Robert Redford. Erzähl mir nur nicht, daß du das noch nicht wusstest.“
Der Afrika-Virus
Nach ihrer Trennung von Klaus mietete Nel ein Zimmer bei einer sehr netten alten Dame und widmete sich ausschließlich ihrem letzten Studienjahr der Betriebswirtschaft. Sie büffelte wie verrückt.
Ihr Diplom in der Hand, nahm sie eine Stelle im Afrikareferat der Deutschen Stiftung für Internationale Entwicklung (DSE) in Bad Honnef an. Dort wurden Fachkräfte für ihren Einsatz in den sogenannten Dritte-Welt-Ländern vorbereitet. Die Kurse umfassten unter anderem landeskundliche, kultur- und alltagsbezogene Themen sowie internationale und lokale Sprachen.
Hier fühlte sie sich wohl. Der Bildband über Afrika fiel ihr ein und ihr Kindertraum vom schwarzen Kontinent. Ihr größter Wunsch war damals, im Regenwald zu leben und Tiere zu beobachten, die Menschen dort kennenzulernen. Dieses erste Buch über Afrika war nicht das einzige geblieben, das sie las. Tania Blixen und ihre kenianische Farm hatten sich dazugesellt. Aber auch Wilbur Smith und seine Abenteuer in Südafrika. Und natürlich historische Werke und wunderschöne Bildbände.
An einem der DSE Kurse nahm Olaf teil, der sich bei der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) auf ein Projekt im Kongo vorbereitete. Er lud Nel zu einem Kaffee auf einer Rheinterrasse ein. Dies war der Anfang zu langen Diskussionen, und bevor Olaf in den Kongo abreiste, gab er ihr seine Adresse. Dann hörte Nel nichts mehr von ihm und warf drei Jahre später seine Karte fort. Zwei Tage danach stand er plötzlich in ihrem Büro. Er sollte jetzt eine Aufgabe in Burundi übernehmen. Der Vertrag war auf drei Jahre festgelegt. Nel und Olaf knüpften dort an, wo sie vor drei Jahren aufgehört hatten. Sie verbrachten viel Zeit miteinander und redeten lange. Als Olaf dann nach Burundi flog, versprach Nel ihm, ihn dort während ihres Urlaubs zu besuchen. Und so landete sie Weihnachten 1993 zum ersten Mal in Bujumbura auf afrikanischem Boden. In Ruanda schwelten gerade die Anfänge des Bürgerkriegs zwischen Hutu und Tutsi und griffen auch auf Burundi über.
Olaf war Geologe und seine Aufgabe umfasste den Umwelt- und Naturschutz im Landesinneren, wo auf über eintausend Höhenmetern ein sehr angenehmes Klima herrschte.
Nel verbrachte mehrmals dort ihre Ferien mit ihm. Auf ihrem letzten Flug nahm sie eine neue Projektausschreibung für Südost-Kamerun mit. Sie war vor einigen Tagen auf ihrem Schreibtisch im Afrikareferat gelandet. Nel dachte, das wäre etwas für Olaf, insbesondere da sich sein Burundiaufenthalt dem Ende näherte.
Olaf war von dem Projekt angetan, bewarb sich und wurde für den Posten eingestellt. 1996 machte er eine Schnuppertour nach Kamerun. Die vom WWF unterstützte Aufgabe bestand unter anderem darin, im Südosten des Landes Schutzgebiete für die Naturwälder auszuweisen. Zusammen mit dem Dzanga-Sangha Nationalpark in der Zentralafrikanischen Republik, dem Nouabalé-Ndoki-Nationalpark im Norden des Kongos und dem Lobéké-Park in Kamerun sollte hier ein großes grenzüberschreitendes Naturreservat geschaffen werden. Das Projektgebiet in Kamerun, etwa so groß wie Hessen, war zu dieser Zeit fast noch ein weißer Fleck auf der Landkarte.
„Das ist ein ganz schwieriger Standort, und die Arbeit ist wirklich anspruchsvoll.” berichtete Olaf bei seiner Rückkehr. „Es sind so viele verschiedene Instanzen involviert. Wenn ich dahin gehe, dann nicht allein. Da musst du mitkommen“.
Der Vorschlag fiel bei Nel auf fruchtbaren Boden. Bereits bei ihrem ersten Besuch in Burundi hatte sie der Afrika-Virus erwischt.
„Hier bietet sich eine Gelegenheit, auf die du schon so lange wartest.” fügte Olaf lachend hinzu. „Und widersprich mir bloß nicht.”
Nel ließ sich für zwei Jahre von der DSE beurlauben und bereitete gemeinsam mit Olaf die Reise vor.
Da es sich um einen festen Arbeitsvertrag handelte, konnten sie viel Gepäck mitnehmen. Koffer und Kisten wurden verladen, sogar eine Wasch- und eine Nähmaschine waren dabei.
Eine Ruine
Im Juni 1996 kam Nel allein in Kameruns Hauptstadt Yaoundé an. Olaf musste vorher beruflich noch eine Woche nach Burundi zum vollständigen Abschluss des vorigen Projekts.
Da in Yaoundé derzeit ein großer internationaler Kongress stattfand, waren alle Hotels belegt und die GTZ brachte Nel am Stadtrand in einem riesigen Haus unter, dessen Besitzer gerade in Europa seine Ferien verbrachte. Es gab dort neun Schlafzimmer, jedes mit einem eigenen Bad, was wohl einiges über die Größe aussagte. Dazu eine Meute Doggen, die ständig kläfften und verköstigt werden mussten.
Da saß sie nun und wartete und langweilte sich und stellte sich zum zwanzigsten Mal die Frage, ob Olaf überhaupt irgendwann erscheinen würde.
Er traf tatsächlich nach acht Tagen ein. Und dann brachen sie sofort nach Yokadouma auf, in den Südosten des Landes nicht weit von der Grenze zur Zentralafrikanischen Republik.
Die Stadt und die ganze Gegend lebten hauptsächlich vom Holzabbau in den nahegelegenen Tropenwäldern. Die angesiedelten, vor allem europäischen Holzfirmen, betrieben hier den sogenannten selektiven Holzeinschlag.
Sechshundertfünfzig Kilometer betrug die Entfernung von Yaoundé. Einhundertfünfzig davon waren asphaltiert.
Danach gab es nur noch Piste, riesige Schlaglöcher, tiefe Fahrrinnen und Brücken mit maroden Brettern. Täglich donnerten hier in beiden Richtungen bis zu siebenhundert Holzlaster durch. Sie brachten ihre Ladung in die Hafenstadt Douala zur Verschiffung.
Zwölf Stunden dauerte im Durchschnitt die Fahrt von der Hauptstadt bis nach Yokadouma. Es war ratsam unterwegs einmal zu übernachten, weil die Route einfach zu aufreibend war.
In Yokadouma angekommen, machten sich die beiden auf die Suche nach einem Haus. Die ersten Monate verbrachten sie in einer bescheidenen Herberge. Sie belegten dort zwei Räume, einen für Kisten, Koffer, Hausrat und sonstige Artikel, die sie mitgebracht hatten. Den anderen benutzten sie als Schlafzimmer mit Bett, Tisch und einer primitiven Dusche. Eine Glühbirne baumelte von der Decke, der einzige verfügbare Stuhl wackelte bedrohlich.
Die LKW-Fahrer waren dort Stammgäste. Wenn sie im Morgengrauen ihre Fahrt aufnahmen, wurden Olaf und Nel von dem Lärm der Holzlaster und ihrem Abgasgestank geweckt. Das alles wirkte deprimierend auf Nel, die außer Ferien in Burundi noch keine Afrikaerfahrung hatte. Manchmal fragte sie sich, was sie hier überhaupt mache und kam sich vor wie im falschen Film.
Endlich im September fand Olaf ein Haus. Aber was für eines! Eine Ruine, die aus der Kolonialzeit stammte und im ehemaligen administrativen Teil der Stadt auf einem Hügel gelegen war. Groß war es, mit riesigem Grundstück, aber völlig heruntergewirtschaftet. Kein Strom. Kein Wasser. Das Dach war eingefallen, die meisten Fenster und Türen fehlten. Sie waren wohl irgendwann als Brennholz verwendet worden.
„Olaf, wie sollen wir denn hier bloß leben? Das ist doch völlig desolat. Hier muss alles, aber auch alles, erneuert werden.” hielt Nel ihm entgegen. „Zuerst diese miese Herberge und jetzt ein Trümmerhaufen. Da habe ich mich zwei Jahre beurlauben lassen und falle hier allmählich einer Depression zum Opfer.“