Und der Himmel sah zu. Kindheits- und Jugenderinnerungen von 1933 – 1993 - Mobiler Hilfsdienst Meerbusch e. V. (Hsg.) - E-Book

Und der Himmel sah zu. Kindheits- und Jugenderinnerungen von 1933 – 1993 E-Book

Mobiler Hilfsdienst Meerbusch e. V. (Hsg.)

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Beschreibung

Dieses Buch handelt von Sehnsucht, von Geborgenheit, aber auch von Angst und Not aus der Kriegs- und Nachkriegszeit. In diesem Buch träumt ein junger Bursche von der Marine, während andere jungen Männer bereits Soldaten sind und davon schreiben, wie sehnsüchtig sie wieder nach Hause wollen. Dieses Buch erzählt aber auch von den Sorgen der Mütter und der Hartnäckigkeit, mit der Kinder der Welt begegnen, in die sie geboren werden. Und letztendlich ist es auch ein Buch über Güte und menschliche Wärme, verschenkt in finsteren Zeiten. Diese gesammelten Erinnerungen sind es wert, nicht vergessen zu werden. Sie sind Teil unserer Geschichte, unserer Gegenwart und unserer Zukunft. Einer der Erzählerinnen war die Weitergabe ihrer Erfahrungen an die nachfolgende Generation ein tiefes Anliegen, das sich in dem von ihr gewählten Titel widerspiegelt: »Das darf nie wieder passieren.«

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EPUB

Seitenzahl: 195

Veröffentlichungsjahr: 2013

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Ähnliche


Und der Himmel sah zu

Kindheits- und Jugenderinnerungen von 1933 – 1993

Herausgegeben und getragen durch den Mobilen Hilfsdienst Meerbusch e. V.

Redaktionsteam:

Sigrid Brennecke

Mechthild Dielmann

Angelika Gewehr

Erny Hildebrand

Wilma Kohlschein

Ute Krewani

Eri Krippner

Monika Kristen

Brigitte Kümper

Friedhelm Rating

Sigrid Westermann

Engelsdorfer Verlag Leipzig 2011

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar.

Copyright (2011) Engelsdorfer Verlag Leipzig

Alle Rechte beim Autor

www.engelsdorfer-verlag.de

eISBN: 978-3-86268-671-1

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Gebet einer Mutter

Die Todesnachricht

Russland-Feldzug

Feldpostbriefe – die Todesahnung

Marine – ein Jugendtraum

Grundausbildung auf Rügen

Tiefflieger in der Bucht von Concarneau

Angriff im Kanal Heiligabend 1943

1945

1946 / 1948

Ein Schiff wie ein Geschöpf

(Über-)Leben im Dritten Reich

Unter den Flügeln eines Schutzengels

Von Java nach Meerbusch

Und dann noch eine Familie gründen

Brief eines Soldaten von der Front

Und der Himmel sah zu

Ein Sowjetstern als Fluchthelfer

Verstehen Sie Platt?

Das darf nie wieder passieren

Flucht über die zugefrorene Ostsee

Tante Finchen

Kindheit – ein wahres Abenteuer

September

Bombenangriffe

Der Überfall

Ostern in unserer Familie

Es wurde erzählt von Hunger und Not

Gnade der späten Erinnerung

Leben in der Großfamilie

Lungenkrank – ein Nachkriegsschicksal

Alkoholkrank – und ich wusste so wenig

Duo Infernal

Die Reihenerfolge der Texte ergab sich aus den Geburtsjahren der Erzählerinnen und Erzähler beziehungsweise AutorInnen. Es beginnt mit dem „Gebet einer Mutter“ von Marianne Kubis, die 1888 geboren wurde und endet mit den Erinnerungen einer 1954 geborenen Mutter, die sich in „Duo infernal“ an die Streiche ihrer Kinder erinnert. Sigrid Westermann ist zugleich die Enkelin von Marianne Kubis.

Vorwort

Wie leben junge Menschen in schweren Zeiten? Welche Fähigkeiten entwickeln sie, um mit besonderen Problemen umzugehen? Was machen sie aber auch mit ihrer Lebenslust? In diesem Buch erzählen zum Teil hochbetagte Senioren, was sie während der faschistischen Diktatur des Dritten Reiches, im Zweiten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit erlebt und wie sie sich gefühlt haben. Sie berichten von Ereignissen, die unvergesslich für sie geworden sind. Manches, wie ein Bombenangriff in einem Minensuchboot, Fluchterlebnisse oder gar eine Kindheit in Java erscheinen uns aus heutiger Sicht fremd und sehr weit weg. Anderes wiederum wie eine erste große Liebe oder die Sorge um Kinder oder Eltern verblüffen, weil sie uns – obwohl in einem gänzlich anderen historischen Kontext – doch auch wieder ganz vertraut vorkommen.

Die Texte sind Auszüge aus Lebensgeschichten, die im Rahmen eines Geschichtsschreiberprojektes entstanden sind. Im Verlauf dieses Projektes haben ehrenamtliche Geschichtsschreiber ältere Menschen in Meerbusch besucht, biografische Interviews geführt und anschließend die persönliche Lebensgeschichte der Erzähler und Erzählerinnen aufgeschrieben, um sie für deren Familien zu erhalten. Insgesamt dauerte dieses vom Arbeiter-Samariter-Bund Düsseldorf und dem Mobilen Hilfsdienst Meerbusch e.V. organisierte Projekt neun Monate und endete mit der öffentlichen Übergabe der entstandenen Lebensbücher an die Erzähler und Erzählerinnen.

Für die Erzählenden war das Projekt heilsam. Es tat gut, das eigene Leben noch einmal ausbreiten zu können, gehört und verstanden zu werden und auch Erfahrungen weitergeben zu können. Schmerzvolle Erlebnisse konnten mitgeteilt und damit auch geteilt werden, während gleichzeitig wieder entdeckte Erinnerungsschätze neue Lebensfreude brachten. Für die Schreibenden war es spannend, wie Geschichte durch die persönlichen Erinnerungen der Erzählenden plötzlich lebendig und nachvollziehbar wurde. Zugleich wurden eigene Erinnerungen wach gerufen. Die Erzählungen zogen Kreise.

In einem zweiten Projekt des Mobilen Hilfsdienstes Meerbusch e.V. widmete sich ein kleiner Kreis der Geschichtsschreiber deshalb der Aufgabe, aus den erzählten Lebensgeschichten bewegende Passagen auszuwählen, um sie mit diesem Buch einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Angeregt durch die Erzählenden steuerten die Mitglieder dieses Autorenkreises zudem Erinnerungen und Dokumente aus ihren eigenen Lebensgeschichten bei.

Sigrid Brennecke

Mobiler Hilfsdienst Meerbusch e.V.

Erny Hildebrand

Leiterin der Autorengruppe

Marianne Kubis

1888 geboren, verbrachte Marianne Kubis, geborene Kupka, ihre Kindheit im Kreis Kosten, Teil der damals preußischen Provinz Posen. Nach der Heirat lebte sie bis zu ihrem Tode 1962 in Dortmund. Beide Weltkriege erlebte sie sehr bewusst mit. Ihr hier veröffentlichtes Gebet schrieb sie im II. Weltkrieg und in großer Sorge um ihre Söhne.

Gebet einer Mutter im Krieg

Aus Eving von meinen Lieben

Hat mich der Tommy vertrieben.

In Bischofsheide in dem Tal

Fand ich Ruhe überall.

Vier Söhne sind in den Krieg geschickt:

Der eine steht in Russland auf Wache gewiss.

Der zweite schwer verwundet liegt,

der jammert sicher bitterlich.

Der dritte, der gefallen ist,

welch Schmerz das für mich Mutter ist.

Der vierte muss nach Russland gehen,

wer weiß, ob ich ihn noch einmal werd wieder sehen.

Ach, lieber Vater im Himmel oben,

schau auf das Elend von oben.

Mach mit dem Krieg ein Ende,

uns den lieben Frieden sende.

Dafür wollen wir Dich herzlich loben,

o lieber Vater im Himmel oben.

Die Todesnachricht

Kompaniechefs Blanke teilte Frau Kubis per Brief mit, dass ihr Sohn gefallen war. Im Gegensatz zu ihrem „Gebet einer Mutter“ enthält der unten abgedruckte Brief trotz allem Mitgefühl immer noch Durchhalteparolen.

25. August 1943

Sehr geehrte Frau Kubis!

Als Kompaniechef Ihres Sohnes Eduard trifft mich die schmerzliche Pflicht, Ihnen die Trauerbotschaft senden zu müssen, daß Ihr Sohn nicht mehr unter den Lebenden weilt. Er ist am 17.08.43 vor dem Feind geblieben. Noch stehen wir in härtestem Abwehrkampf, und es sind die ruhigeren Nachtstunden, in denen ich Ihnen diese Zeilen schreibe.

Nach Trommelfeuer und dreitägigen immer erneuten Angriffen gelang es dem Feind einen Einbruch zu erzielen. Der Pionierzug des Regiments trat zum Gegenschlag an und es gelang ihm, den Feind abzuriegeln. Da die Kämpfe hin und her wogten, war es uns leider nicht möglich gewesen, die sterbliche Hülle Ihres Sohnes zu bergen und es erfüllt uns alle mit tiefer Trauer, daß es uns nicht möglich war, ihm diesen letzten Kameradschaftsdienst zu erweisen.

Liebe Frau Kubis, ich weiß, daß es schwer, wenn nicht gar unmöglich ist, Worte des Trostes zu finden. Ich weiß auch, wie treu Ihr Sohn an Ihnen gehangen hat und wie er sich bemühte, Ihnen nach dem Bombenschaden zu helfen. Sein Heldentod erfolgte im Vorwärtsstürmen, und, wie mir Kameraden aus seiner Umgebung berichteten, traf ihn eine feindliche Granate so schwer, daß er in der gleichen Sekunde Besinnung und Leben verlor. Vielleicht kann Ihnen das eine Linderung Ihrer Schmerzen sein, daß Ihr Sohn ohne Qual sein Leben ausgehaucht hat. Er fiel als tapferer Soldat in treuer Pflichterfüllung und wir betrauern in ihm einen guten Kameraden.

Liebe Frau Kubis, wir nehmen alle an Ihrem Schmerz teil und im Namen der ganzen Kompanie sowie seiner Kameraden vom Pionierzug drücke ich Ihnen schmerzbewegt die Hand.

In stummer Anteilnahme

Ihr Blanke

Kompaniechef Blanke übersandte diese Urkunde an Frau Kubis mit einem Begleitschreiben, in dem er sie über den Tod ihres Sohnes Eduard informierte.

Zur Verfügung gestellt von Sigrid Westermann

Betty Schmitt

Russland-Feldzug

Betty Schmitt wurde schon als junge Mutter Witwe und musste zudem ihre vertraute Heimat verlassen. In der Zeit des Wirtschaftswunders fand sie an der Mosel einen neuen Lebensmittelpunkt und baute sich eine Existenz als Winzerin auf. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie in Meerbusch in der Nähe ihrer Tochter und verstarb wenige Monate nachdem sie mit großer Freude auf dem Weingut ihren 90. Geburtstag gefeiert hatte.

Mitte 1942 begann der Russland-Feldzug. Mein Mann erhielt erneut eine Einberufung und kam gleich an der Ostfront zum Einsatz. Meine Sorge um ihn war groß und wuchs beim Hören der täglichen Frontberichte. Im April war unser zweites Kind, Armin, zur Welt gekommen und über Weihnachten fand sich unsere kleine Familie endlich wieder einmal vereint, denn mein Mann durfte mit uns einen vierwöchigen Urlaub verbringen.

Kurz darauf, im Februar erreichte mich eine Schreckensnachricht. Am 1. Februar 1943 hatte mein Mann eine Verwundung am rechten Unterkiefer mit Verlust der Zähne erlitten. Es folgte ein längerer Lazarett-Aufenthalt in Bernkastel-Kues und ein vierwöchiger Genesungsurlaub zu Hause. Ohne, dass die Zähne ersetzt worden waren, musste er zurück an die Front. Bei diesem Abschied haben wir uns zum letzten Mal gesehen.

Schon früher hatten wir uns nach Möglichkeit täglich geschrieben. Die Briefe habe ich zum großen Teil aufgehoben und seitdem mit großer Betroffenheit viele, viele Male gelesen. Natürlich gab er weiterhin seine Anweisungen zur Bestellung des Hofes. Er schrieb aber auch oft über die Grausamkeiten des Krieges, ohne jedoch Einzelheiten zu beschreiben.

Groß war seine Sehnsucht nach uns, seiner Familie und der Heimat. Sein letzter Brief ist besonders traurig. Dort berichtet er, dass er unter schrecklichen, unbeschreiblichen Umständen für einen Tag in russische Gefangenschaft geriet, aber befreit werden konnte. Einzelheiten wollte er mir später erzählen. Dieser letzte so traurige Brief trägt das Datum seines Todes, den 12. Oktober 1943.

Am 26. Oktober 1943 erhielt ich seine Todesnachricht. Der Überbringer war ein Mann, dem diese Aufgabe übertragen worden war. Bereits zweimal hatte ich ihn beobachtet, als er in Nachbarhäusern eine Todesnachricht überbrachte. Als er sich mit meinen Eltern unserem Haus näherte, wusste ich sofort, was geschehen war und verlor die Fassung.

Einige Zeit später erhielt ich ein Foto vom Grab meines Mannes auf einem Friedhof nahe Kiew.

Für mich begann nun eine schwierige Zeit. Ich hatte wenig Geld, zwei kleine Kinder zu versorgen und die nie endende Arbeit in Haus, Stall, Feld und Weinberg. Außerdem musste ich meine tiefe Trauer verarbeiten – und mein Leben als Alleinerziehende neu ordnen.

Aufgeschrieben von Gerti Paschmanns

Hans Krippner

Feldpostbriefe – die Todesahnung

Hans Krippner war einer meiner Halbbrüder; ihre Mutter verstarb an Krebs und mein Vater heiratete später meine um 18 Jahre jüngere Mutter. Sie war auch seinen Söhnen eine liebevolle und geliebte „Muttl“, wie die Brüder sie nannten. Hans, im 2. Weltkrieg ein junger Soldat, schrieb viele Briefe an seine Freundin Illa, die später seine Frau wurde. Das junge Paar litt besonders unter der langen Trennung voneinander, denn ältere oder verheiratete Kameraden bekamen vordringlicher Urlaub, um in die Heimat fahren zu können. Im Mai des letzten Kriegsjahres wurde Hans in Berlin tödlich getroffen als er einen verwundeten Kameraden aus dem Geschützfeuer retten wollte. Aus seinen Briefen, zitiere ich hier einige Passagen.

Brief aus dem Arbeitsdienst, Hans war 19 Jahre alt.Gerolzhofen, 03. 09. 39

(…) wenn Du diesen Brief erhalten wirst, glaube ich sicher – nachdem nun England den Krieg an uns erklärt hat – daß ich fort bin. (…) Du schreibst mir, daß Dein Papa auch fort gemußt hat. Da seid Ihr nun allein zu Hause. Aber Ihr wißt doch, wo er sich befindet, nicht wahr! Von meinem Bruder habe ich schon lange nichts mehr gehört. Ihr dürft Euch aber keine solchen Sorgen machen, so daß Ihr nachts nicht schlafen könnt. Das ändert doch auch nichts an der jetzigen Lage.

Heute Nacht habe ich von Dir geträumt. Wir haben ein rührendes Wiedersehen gefeiert nach so langer Zeit. Es war natürlich bitter für mich, als ich aufwachte und feststellen mußte, daß es nur ein Traum war.

Die Verdunklung ist ja nun über dem ganzen Reichsgebiet. Ist denn das wirklich so unheimlich? (…) Einen feindlichen Fliegerangriff wird Nürnberg-Fürth ja wohl nicht erleben, wie Warschau oder die anderen polnischen Städte. Zum Schutz der Arbeitsmänner gegen solche Angriffe mußten wir hier Schützengräben ungefähr 150 m von unserem Lager entfernt, ausheben.

Gotha, am 10. Januar 1940

Meine liebe Illa!

Heute bin ich nun so weit, daß ich Dir als Soldat den ersten Brief schreiben kann.

Wir kamen erst 1/2 6 Uhr abends in der Kaserne hier an, nachdem wir 11 Stunden auf der Bahn waren – stell Dir das vor, für 150 km hat dieser Zug so lange gebraucht!

An jeder dritten Stationen wurde mindestens eine halbe Stunde rangiert.

(…) Gestern abend wurden wir dann noch eingeteilt in Batterien – verwechsle das aber nicht mit den Dingern, mit denen man Taschenlampen zum Leuchten bringt.

Ich bin bei der 2.; da dürfen wir dann, wenn unsere Infanterieausbildung vorüber ist, mit schweren Flakgeschützen das Großdeutsche Reich verteidigen.

(…) Mein Zimmer ist in Ordnung. Wir sind neun Mann; mein Kamerad von der Hitlerjugend ist auch bei mir (…) Von der Kaserne aus haben wir eine halbe Stunde zu laufen, bis wir in die Stadt kommen. Eine Straßenbahn gibt es hier wohl auch, aber die fährt überall hin, nur nicht zu uns heraus. Also haben wir uns vorgenommen, nicht oft auszugehn. Das ist doch beachtlich!

(…) Meine Anschrift: Kan. Hs. Kr. / Gotha / Flak Eis. Abt. I/ 19 / 2. Batterie

Gotha, 17. Jan. 1940

(…) seit drei Tagen sind wir nun wirkliche Soldaten mit Karabinern, Stahlhelm und allem was eben dazu gehört. Diese Woche sollen wir auch noch vereidigt werden.

(…) Wir verdienen ausgezeichnet beim Militär. D.h. bis heute haben wir noch nichts bekommen; aber am 20. ist Zahltag. Da kriegen wir für jeden Tag 1 Reichsmark ab 1. Januar. 5 RM Putzgeld für die nächsten zehn Tage im Voraus. Außerdem wird uns jetzt während des Krieges unsere Wäsche umsonst gewaschen, während das früher bezahlt werden mußte. Das hat uns gestern unser Kammerunteroffizier mit großen Worten erzählt. Wir hätten gar nichts Besseres tun können, als zum „Barras“ zu gehen, meinte er.

Uns gefällt es hier in unserer Batterie ausgezeichnet. Die Ausbilder sind fast durchwegs „in Ordnung“. Nur gestern hat sich ein Unteroffizier etwas unbeliebt gemacht, weil er uns immer rund um den Exerzierplatz laufen ließ, wenn er glaubte, dass wir eventuell kalte Füße haben könnten. Das allein hätte uns nicht gestört; aber da darf man immer die Latte, die „nur“ 8 Pfund wiegt, schön in der rechten Hand halten und in der linken das Seitengewehr.

Gotha, den 21. Jan. 1940

(…) Zur Zeit geht es in unserer Kaserne etwas eng zu; denn wenn eine Kaserne, die für ca. 150 Mann eingerichtet ist, auf einmal für 300 Leute Unterkunft bieten soll, so ist das nicht zu verwundern. Wir mußten zusammenrücken; d.h. zusammen ist nicht der richtige Ausdruck; bei uns ging es in die Höhe. Es stehen nun 3 Betten übereinander und in einem solchen, das so hoch oben aufgebaut ist, schläft auch Dein Kanonier. (…) Die neuangekommenen Rekruten haben teilweise gar keine Betten und mußten heute Nacht auf Stroh schlafen. Dabei sind es lauter ältere Leute, ungefähr 30 bis 40jährige. Da sehe ich schon schwarz für uns; denn wenn keine Betten mehr kommen, dann müssen bestimmt wir Jungen ausziehen und für die älteren Jahrgänge Platz machen.

(…) Nur der Chef unserer Batterie, unser Hauptmann, scheint nicht sehr gut angeschrieben zu sein bei seinen Wachtmeistern und Unteroffizieren. Er ist nämlich mit Urlaub sehr, sehr sparsam. Im Zivilberuf ist er Richter und da findet er immer wieder irgendeine Vorschrift, die uns den Urlaub sperrt.

Hans Krippner

O.U., 29. 03. 40

(…) 2x2 Stunden Wache geschoben. Dabei war es ziemlich kalt, sodaß ich mich dazu gezwungen sah, Deinen lieben Namen so und so oft in den Schnee zu treten, damit meine Füße wieder einigermaßen warm wurden. Natürlich kam dann neben Deinen Namen der meinige und außen rum das bekannte Zeichen, das von einem Pfeil durchbohrt ist. Der nachfolgende Posten wird dadurch bestimmt ganz lyrische Gefühle bekommen haben.

O.U., 30. V. 40

(…) ich sitze hier vor unserem Zelt auf einem Schutzwall unseres Splittergrabens und versuche, so schön wie möglich die Buchstaben zu formen. Einen Tisch können wir uns bei dem jetzigen Zigeunerleben natürlich nicht leisten und ich muß deshalb die Knie als solchen nehmen. Nebenbei habe ich auch noch eine Packung Keks (englische) zu vertilgen. Unsere Verpflegung geht überhaupt meist nur auf Kosten der Engländer und Franzosen. Eben z.B. komme ich aus dem Bauernhaus, wo ich die schwierige Aufgabe hatte, ein Huhn zu braten – gefangen, geschlachtet und gerupft haben es zwei andere Kameraden meiner Geschützbedienung. (…)

Bei Nacht sind die Engländer so unverschämt und brummen mit ihren restlichen Vögeln in der Luft herum. Vergangene Nacht erst wieder haben so ungefähr 5 oder 6 feindliche Bomber ganz in der Nähe ihre Eier gelegt. (…)

Das Wetter ist seit 2 Tagen auch nicht mehr so wie früher. Alle paar Stunden ein Gewitter (…) Wie unsere Klamotten aussehen, kannst Du Dir gar nicht vorstellen; von uns selbst gar nicht zu sprechen. Wir sehnen uns alle nach einem schönen, warmen Bad, wie man es zu Hause hatte.

(…) Vor 3 Tagen lagen wir in der Nähe einer Stadt, die auch im Weltkrieg schwer umkämpft war, und bei der auch mein Vater lange Zeit in Stellung war. Wir hatten Gelegenheit, die damaligen Gräben zu sehen. Auch an einigen Soldatenfriedhöfen fuhren wir vorbei. In einem deutschen waren schätzungsweise 15 000 Gräber. Aber man muß sagen, daß sie ziemlich gepflegt aussahen. Wir hatten gestern, als wir in unsere jetzige Stellung einrückten, auch die traurige Pflicht, einen gefallenen deutschen Soldaten zu bestatten. Er lag im Straßengraben und hatte zwei Einschüsse, die ihn wahrscheinlich gleich getötet hatten. Es war der erste Deutsche, den ich im Kriege mit begraben half; drei Belgiern haben wir (früher schon) auch die letzte Ruhestätte bereitet.

(…) Mir tut schon das Kreuz weh von der ungewohnten Arbeit in solch einer Lage. Außerdem muß ich auch meinen Eltern noch ein paar Zeilen schreiben, damit sie sehen, daß ich noch am Leben bin.

28. Juni 1940

(…) Der Krieg in Frankreich ist ja bekanntlich seit vier Tagen aus, und da dachten wir, nun geht’s entweder nach England oder wir kommen irgendwo in Ruhe; denn daß wir die verdient haben, darfst Du glauben. Ohne zu übertreiben, können wir wohl sagen, daß wir immer mit vorne dran waren. Einmal war es sogar so, daß wir noch vor den Panzerwagen und Tanks fuhren. (…) das Erlebte war so eindrucksvoll, daß es wohl niemand vergessen wird. Seit zwei Tagen sind wir nun tatsächlich in Ruhe. Eigentlich sollten wir mindestens eine Woche bleiben, aber heute morgen kam schon wieder die Ankündigung zum Weitermarsch.

Und wir hatten uns schon so gut eingerichtet mit Klamotten waschen, Fußdienst und Ähnlichem. Auch für unseren fabelhaften Radioapparat haben wir eine noch fabelhaftere Antenne gebaut, sodaß wir zu jeder Tages- und Nachtzeit prima Musik hören können. – Gerade z.B. ertönt das Lied vom „chambre séparée“. – Dabei wird dann immer alles ruhig, sogar unsere Sudetendeutschen hören auf zu essen – das ist nämlich ihre Hauptbeschäftigung.

Daß wir an der See in Stellung lagen, habe ich Dir doch geschrieben. Das war damals in der Nähe von Le Havre. Inzwischen haben wir nochmal bei Cherbourg einige Tage am Wasser gelegen. Und doch war es uns nicht ein einziges Mal möglich, im Meer zu baden. Erstens war die Küste immer so, daß sie vielleicht 100 Meter senkrecht abfiel, und zweitens war das Wasser von versenkten Schiffen so voll Öl, daß man bestimmt nicht sauberer aus dem Wasser heraus gekommen wäre (…) Ich bin nur gespannt, wann ich wieder einmal ein anständiges Bad nehmen kann. Aber da muß ich wohl erst warten, bis auch England klein beigegeben hat. Ich hoffe jedoch, daß das nicht mehr allzulange dauern wird. Ihr in der Heimat werdet auch mit Sehnsucht den Tag erwarten, der den Frieden für uns Deutsche bringen wird.

Hans erzählt, dass sein Brief noch in seiner Briefmappe liegt 14. April 1941

(…) da hatte ich nämlich keine Zeit mehr, ihn abzugeben, weil der langerwartete Stellungswechsel dazwischen kam. Zweieinhalb Tage sind wir dann unterwegs gewesen, haben hohe Gebirgspässe überquert und sind überhaupt durch eine wild-romantische Gegend gefahren. Es war nur bedauerlich, daß es nicht so schönes Wetter wie heute war. Am ersten Tag, es war Karfreitag - hat es in einem fort geschneit und am Samstag gab’s noch tüchtig Regen. Seit gestern mittag sitzen wir nun in der neuen Stellung – diesmal ist’s kein Acker sondern eine Wiese - und haben uns so wohnlich wie nur irgend möglich eingerichtet. Heute z.B. bauten wir uns einen feinen Tisch mit 2 Bänken; das Ganze wird von Weiden umgeben, und es sieht so gemütlich aus, daß sogar unser Leutnant es für fabelhaft erklärt hat. (…)

Am Abend, bevor wir aus der alten Stellung auszogen, bot sich unseren Augen noch ein seltenes, aber bedauerliches Schauspiel. Ein Messerschmitt-Zerstörer stürzte aus ungefähr 70 Meter Höhe ab, wobei sofort der eine Tank explodierte und die Maschine in hellen Flammen stand, sodaß niemand hinzu konnte um die Insassen zu retten.

(…) Die Städte und Dörfer sind hier allerdings nicht so sauber aufgebaut, wie Du es von Deutschland her kennst.

16. April 1941

(…) wie ich Dir schon erzählte, sind wir jetzt endlich etwas näher an die Front herangekommen. Man hört es bereits tüchtig krachen und sieht auch die Einschläge der Bomben und Granaten ganz gut. (…) In dem Land, in dem wir seit gestern früh sind, merkt man auch schon etwas mehr vom Krieg als dort, von wo aus ich Dir zum letzten Male schrieb. Die Ortschaften haben jetzt ein wenig ein anderes Aussehen als noch vor wenigen Tagen. Die Häuser sind sowieso nicht so stabil gebaut wie bei uns in Westeuropa. Und wenn dann mal eine Bombe reinhaut, dann fallen gleich ein Dutzend von den altersschwachen Buden zusammen. Die Bevölkerung, die zum großen Teil ja sehr arm ist, zieht daraus Nutzen und läßt alles mitgehen, was nicht niet- und nagelfest ist. Man ist tatsächlich manchmal erschüttert, wenn man sieht, wie die Leute hier hausen. Sie sind meistens nicht einmal in der Lage sich ein paar Zigaretten zu kaufen, obwohl ihre Heimat doch das Land des Tabaks ist. Und wenn wir dann etwas haben wollen, so kann man mit einer Schachtel Zigaretten allerhand anfangen.

(…) Sonst ist es hier auch nicht so begeisternd schön, wie man in Deutschland immer annimmt. Der “sonnige Süden” hat uns alle enttäuscht; heute z.B. regnet es wieder (…)

21. April 1941

(…) Vier Tage sind wir nun nicht in Stellung gewesen, sondern haben uns fast immer auf unserem Fahrzeug aufgehalten. Der Vormarsch geht hier nicht so flott wie voriges Jahr im Westen; das liegt aber an den schlechten Straßenverhältnissen. Man muß hier unten einen Paß nach dem anderen überwinden; und jeder ist ungefähr 2000 m hoch. Dann sind diese Paßstraßen teilweise gesprengt, sodaß unsere Pioniere immer erst wieder ausbessern müssen, denn man kann diese zerstörten Wege nicht einfach auf der Seite liegen lassen, weil es da entweder steil aufwärts oder runter geht.

Hans beklagt sich indirekt, dass er keine Post erhielt. 18. August 1942

(…) Zu beantworten habe ich nichts und außerdem liegt es mir nicht – ebenso wie Dir – in einem Brief allzuviel Gedanken auszubreiten. Dazu ist ein Feldpostbrief ja eigentlich auch nicht gedacht.

Er soll den Lieben daheim lediglich von Gesundheit und Wohlergehen der Soldaten berichten. Und das hängt mir schon bald zum Hals heraus. – (…)

Illa war am Postamt in Nürnberg tätig. 28. August 1942

Mein liebes Postfräulein,

In Deinem letzten Brief schriebst Du mir, daß es möglich werden könnte, daß Du auf 6 Wochen im Austausch nach Kiel oder nach der dortigen Gegend kommst.

Würde Dir das denn Spaß machen? Es ist zwar sehr schön, wenn mal ein bißchen Abwechslung in die Bude kommt und wenn man auch einmal einen anderen deutschen Gau kennen lernt. Aber hast Du da denn nicht etwas Angst, ausgerechnet in solch ein gefährliches Gebiet zu kommen, wo der Tommy beinahe so gut wie zu Hause ist. Mir wär’s schon lieber, Du könntest daheim bleiben; dann brauchte ich wenigstens keine Sorge zu haben, daß Dir was passieren könnte. (…)

Bedenken, daß ich inzwischen vielleicht unerwartet Urlaub kriegen könnte, brauchst Du nicht zu haben. Es ist im Augenblick nicht die geringste Hoffnung dazu.

(Anmerkung von mir: Kiel wurde wegen des Hafens von Anfang an schwer bombardiert. Unsere Familie nahm für einige Monate ein Kieler Schulkind in Pflege.)

29. August 1942

(…) wie steht es denn mit Deiner vorübergehenden Austauschversetzung nach Kiel?