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Schon immer war es ein gewagtes Unterfangen mit dem Konstrukt zwischen Eltern und Kindern, Kindern und Eltern. Es gibt keine Hauptfigur in dem Roman. Nur lauter gleichwertige Helden: zufällig bekannt miteinander, ungünstig verwandt, halbwegs befreundet, speziell liiert. Einen Sommer lang. Wie halten sie es mit sich und anderen aus? Vieles wird vermieden, verschwiegen, nicht gefragt, wegen der Angst, wegen des verdrehten Taktgefühls, wegen der Scham. Aus seiner Haut kann niemand. Bemühungen gehen aneinander vorbei. Es kommt zu einem Mord, der einer Aufklärung nicht standhalten würde. Konflikte werden gelebt. Gelöst werden sie nicht. Daher gibt es nicht das Ende. Geschichten hören nicht einfach auf. Die Menschen in ihnen leben weiter. Gelegentlich stirbt einer.
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Seitenzahl: 596
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
»Das wär doch was«, sagt Max. »Ich lese das gleich noch mal, nicht ganz klar, ob das ernst gemeint sein soll oder was. Genauso ist es. Aber super Mitbringsel für Gero. Was soll ich sonst schenken. Die kriegen sowieso einen Haufen Müll von allen. Ich bin kein Müllschenker. Allenfalls ein Müllschlucker.« Er lacht vor sich hin. Redet immer mit sich. Ist ja sonst keiner da.
Er bleibt im Flur vor dem großen Spiegel stehen. »Oder was sagst du?« Den Kopf schiefgelegt, lächelt er sich an. Doch, doch, eigentlich sieht er richtig gut aus. »Die werden Augen machen. Rechnet ja keiner mit mir, witzige Idee. ‚Ich schenke euch weiter nichts. Ihr habt ohnehin schon alles. Und bekommt heute außerdem jede Menge Unrat. Das hier ist was ganz Spezielles, weil das nämlich gar nicht schlecht ist. Schade, dass es nicht von mir geschrieben ist, haha. Und es passt, glaub ich, ziemlich gut, auch für die Braut im … sechsten Monat – oder wie weit bist du? Ich darf doch du sagen? Wäre toll, wenn du mir deinen Namen verrätst, Schwiegertöchterlein.‘«
So probt Max seine Ansprache an den Sohn und die junge Frau, auf die er nicht neugierig ist. Hochzeit, Vollidioten, sterben einfach nicht aus. Staunen werden die. Max bringt immer alles in Erfahrung, was er wissen will, wär doch gelacht. Ist schließlich Familie, da darf man hingehen, braucht keine explizite Einladung. Erscheinen wie ein Deus ex machina, da ist er, alle Blicke auf ihm, dem nichts entgeht. Und den man nicht einfach übersehen sollte. Zumal er mit Frieden im Gepäck aufwartet.
Zurück im Wohnzimmer, setzt er sich unter die Stehlampe mit dem schwarzen Halbrundschirm und liest den Artikel ein zweites Mal.
Kinder, Kinder
Was ist das für ein egoistisches Unterfangen, Kinder in die Welt zu setzen, anstatt zu verhindern, dass das geschieht. Zumindest in den Regionen der Erde, wo das möglich und steuerbar ist. Im Grunde müssten doch alle wissen, was sie damit anrichten. Was denken sich Eltern, wem sie einen Gefallen tun? Es darf die Vermutung ausgesprochen werden: (Zukünftige) Eltern denken darüber nicht nach. Angeblich unterliegen wir alle einem unbezähmbaren Fortpflanzungstrieb, unsere Gene schreien nach Weitergabe. Muss man daran glauben? An diesen animalischen Urdrang? Vielleicht. Denn wie viele Paare unterziehen sich einer aufreibenden und quälenden In-vitro-Fertilisation, einer künstlichen Befruchtung, dreimal, fünfmal, zehnmal, für viel Geld, mit wenig Erfolg. Nur, um ein Kind zu bekommen. Dann das große Thema der Leihmutterschaft. Ein Kind um fast jeden Preis. Wozu bitteschön das Ganze? Wissen wir alle nicht, was danach kommt? Für uns selber und erst recht für die Kinder? Haben wir alle tatsächlich so wenig Phantasie? Oder so viel vergessen? Besser wird unsere Welt nicht, und klüger werden die Menschen nicht. Mein Kind soll es einmal besser haben als ich – so ein Unsinn. Wenn dem Kind nicht das Gleiche widerfährt wie mir, dann eben etwas anderes, auf jeden Fall Unerfreuliches. Wie naiv sind wir denn alle. Später erinnerte sogenannte schöne Kindheiten – alles Quatsch, dümmlicher Selbstbetrug zum Zwecke der Auslöschung oder Übermalung früherer Grusel- oder Ohnmachtsjahre. Was man alles so überstanden hat. Idealisierungstendenz. Pipi Langstrumpf ist eine lustige Utopie. Astrid Lindgrens Kindheit wie auch die folgenden Jahre waren alles andere als schön für sie.
Vor dem Kindermachen stellen sich alle, vornehmlich Frauen, immer nur jenes niedliche Baby-Betüteln vor, Kindchen-im-Arm-Wiegen, Utschi-Butschi-Bubu-Gebrabbel in albernem Pieps-Tonfall, jenes Sich-kümmern-Dürfen um etwas Schwaches, Kleines, das man beruhigen und sattmachen kann – wie erfüllend das ist. Weil man sich groß fühlen kann, erwachsen und endlich mit Macht ausgestattet, die nirgends sonst so gelebt werden kann. Ich habe ein Kind – wenn ich diesen Satz sagen kann, erhöht er die Selbstsicherheit, macht stolz, macht mich wichtig. Denn Kind braucht mich, ist so wunderbar hilflos, auf mich angewiesen, mir ausgeliefert. Würde ich nicht für es sorgen, wäre es gar nicht lebensfähig. Ein Kind brauche ich nur für mich selbst, es hilft meinem Ego. Vielleicht sogar, um nicht allein zu sein. Um eine Aufgabe zu haben. Weil ich ja sonst keine habe. Weil ich mich unvollständig fühle ohne Kind(er), so richtig komplett und ernstzunehmen ist man doch erst mit Kind(ern). Weil ich meinen Eltern beweisen will, es besser hinzukriegen als sie. Weil ich überzeugt bin, mit einem (weiteren) Kind meine unglückliche Beziehung zu retten. Eltern brauchen ein Kind fürs eigene Wohlgefühl, für die eigene Aufwertung. Kindchen beruhigen und sattmachen – reicht nicht lange, hält nicht lange vor. Der Hunger wächst, die Unruhe nimmt zu. Das, was Kinder brauchen, kriegen sie nicht. Kind macht Arbeit, ja, gewiss, aber das mache ich doch gern. Kind will überleben, fordert lautstark, kleiner Egoist, jetzt schon – solange es so süß ist, stöhne ich nur ein bisschen. Kind testet Grenzen aus, ab jetzt muss es meine Grenzen kennenlernen. Puh, so wollte ich das aber nicht. Kind wird unverschämt, hält sich an nichts. Wo liegen die Fehler. Das wächst sich ja aus zu einem eigenständigen Menschen, hat selbst Gedanken, die meinen nicht mehr entsprechen, überhaupt entspricht es gar nicht mehr meinen Bedürfnissen und Vorstellungen. Hoppla, so aber nicht. Jetzt ist mal Schluss. So war das nicht gedacht. Ist leider missraten, diese Nummer 1. Komm, machen wir noch eines, das wird bestimmt einfacher, haben wir ja schon Erfahrungen und machen das eine oder andere bei Nummer 2 garantiert besser, weil die Überforderung dann wegfällt. Ich schaffe mir Kinder an, so wie Möbel, oder das Meerschweinchen. Ich, ich, ich. Was Eltern sich einst so zauberhaft vorgestellt haben, reift heran zu vollendeter Enttäuschung. Natürlich: Es gibt Ausnahmen.
In der Regel ist das Experiment Kind sehr bald schon gescheitert, scheitert täglich neu. Weil Eltern uneins sind, um die Erziehung konkurrieren, mit sich selbst zu tun haben und Kind dabei lästig ist. Entweder weil wir unser Kind zuschütten, erst mit Spielzeug, später mit Markenklamotten, mit Terminen, damit Kind auf nichts verzichten muss, keine Chance verpassen darf, Ballett und Reiten, Klavierunterricht und Fußball, Kinderyoga und Kampfsport, für Freunde keine Zeit mehr, weil wir nicht aufhören können mit unserer Behüterei und mit unserer altruistisch verbrämten Dominanz. Weil wir mit allerhand materiellem Schnickschnack unsere eigenen emotionalen Defizite übertünchen müssen. Weil wir gar nicht lieben können, gar nicht wissen, wie das geht, weil wir es selber nie erfahren durften. Oder weil wir doch alles richtig machen wollten, weil das in achtundzwanzig Ratgebern steht, verdammt nochmal. Oder weil wir beizeiten aufgegeben, unser Kind vernachlässigt oder bekämpft haben, weil seine Entwicklung als eigenständiges Wesen uns, wie gesagt, nicht passte, weil uns die Mühe um es endlos und undankbar und kraftraubend erschien. Weil dieses Kind meist recht schnell unsere Macht durchschaut hat, mussten wir es misshandeln, missbrauchen, missachten, lauter Misswörter, sorry. Das Nicht-Wahrnehmen spielt auch eine Rolle. Mitunter bemerken wir in unserer Selbstfixierung gar nicht, dass unserem Kind etwas fehlt. Es fehlt ja immer nur uns etwas.
Ich werde dafür sorgen, dass mein Kind glücklich heranwächst. Guter Vorsatz in einer miserablen Welt. Und mit meinem eigenen gesammelten Unvermögen. Wie will ich das denn machen? Wenn ich scheitere, merke ich es wahrscheinlich nicht einmal.
Sofern eine erfolgreiche Befruchtung nicht aus völliger Gedankenlosigkeit – ups, hätte ich vielleicht doch aufpassen sollen? – heraus geschieht und aus anschließender Abtreibungsgegnerschaft, wird sie doch der Natur überlassen oder gar herbeigewünscht auf Grund jenes Nichtweiterdenkens, jener Verendung der eigenen Gedanken auf dem Wickeltisch des zukünftigen Kindes. Ist das nicht verantwortungslos, heute mehr denn je, wenn wir uns unsere heruntergewirtschaftete Erde ansehen, wenn wir dank unserer Gier, ebenso wie unserer Trägheit, vor allem dank unserer Gleichgültigkeit die klimatischen Katastrophen stetig forcieren, immer nur herumfaseln, oder auch einfach leugnen – geht ja schließlich auch –, wenn wir uns, bis alles hinüber sein wird, weiterhin sauber die Köpfe einschlagen – nein, nicht unsere, das passiert ja zum Glück woanders –, solange dem Testosteron nicht per Gen-Schere der Aggressivitätsfaktor herausgeschnitten wird – woran wohl eher die Frauen forschen müssten. Andererseits: Frauen sind auch nicht ohne. Frauen verstümmeln eigenhändig ihre kleinen Mädchen. Frauen erziehen die späteren trefflich abgerichteten Terroristen. Alles zum Glück nicht bei uns.
Einige unter uns machen Kinder, weil sie später einmal versorgt werden möchten, im Alter, damit die Kinder später die Kümmerer sind, wenn wir uns wieder in die Windeln machen. Ist doch angemessen, so eine nette kleine moralische Verpflichtung der Nachkommen, organisatorisch, finanziell, pflegerisch, aus lauter Liebe – gibt es da etwa Unterschiede innerhalb dieser Ursachen? Sollen sich bloß nicht davor drücken. Blüht uns selber schließlich auch mit den eigenen Eltern. Heime werden nicht mehr bezahlbar sein. Eine fröhliche Zukunft für mein Kind? An dessen späteres Erwachsensein ich leider zu denken versäume. Es geht niemals um mein Kind, sondern ausschließlich um mich. Einsamkeit im Alter ist beinahe vorprogrammiert. Dafür oder dagegen sind doch Kinder gut. Altersvorsorge.
Ja, noch ein Aspekt, der uns statistisch zum Kinderkriegen nahezu verpflichtet: die spätere Rente. Wer soll die bezahlen, wenn nicht die Jüngeren? Die heute unglücklich Kinderlosen werden schon mal bestraft, müssen mehr in die Rentenkasse einzahlen als diejenigen mit den unglücklichen Kindern aus der ganzen Eigenproduktion. Der Faktor Geld ist ohnehin nicht zu vernachlässigen. Allerdings geht es heute nicht an erster Stelle um diejenigen, die allein wegen des vielen Kindergeldes viele Kinder bekommen. Gleichwohl haben gerade diese Kinder die schlechtesten Karten hinsichtlich des künftigen Gedankenmachens.
Unsere Spezies mit der ungeheuren Fruchtbarkeit hat das Nachdenken meist nicht in den Genen. Den Prozess der menschlichen Selbstzerstörung kann man doch mit Fug und Recht als Erfolgsstory bezeichnen. Damit wir, besonders auf der Nordhalbkugel, fürderhin den angenehm hohen Lebensstandard halten können – noch eine Weile, bis alles kaputt ist –, müssen wohl weiterhin Kinder hergestellt werden. Kinder sind unsere Zukunft. Die dreizehnjährig zwangsverheirateten Mädchen, die mindestens schief angesehen, wenn nicht bespuckt werden, wenn sie nicht sehr bald gebären, sind an der Stelle von jeglicher Kritik ausgenommen. Sie sind wehrlos gegenüber den verbrecherischen Verwandten um sie herum. Erbe, Überlieferung, gepaart mit patriarchalem Dünkel, Sturheit und Angst haben die unbegrenzte Vermehrung von Geschöpfen zur Folge, die ungebildet bleiben, rechthaberisch traditionsgebunden und ängstlich wiederum für die nächste Generation sorgen. Ups, doch keine Verbrecher? Aber wen kann man denn da noch schuldig sprechen?
Bleiben wir lieber unter uns, im sogenannten reichen Westen mit all seinen Möglichkeiten und seinen zivilisatorischen Errungenschaften und dem Stolz auf das alles. Oder besser dem glücklichen Zufall von uns hier Geborenen. Könnten wir heute Kinder eher um ihrer selbst willen bekommen als früher? Unwahrscheinlich. Und auch nur, solange die Erde noch nicht vollends streikt. Aber unsere individuelle Fahrlässigkeit, unsere Zukunftsblindheit, unsere unverzeihliche grenzenlose Gedankenträgheit widerspiegeln an der Stelle jenen enormen Egoismus, der fast schon kriminell genannt werden könnte. Das Projekt Kind scheitert einfach zu oft – hören Sie gar nicht zu, wenn andere darüber reden?
Wollen wir denn nun den aktuell schwangeren Frauen oder den jungen Müttern mit diesem Pessimismus generell ein schlechtes Gewissen machen? Den noch Unschlüssigen schnell zur Abtreibung raten? Mitnichten. Bekommen Sie alle Ihre Kinder! Und wenn Sie sie bereits haben, schauen Sie mal nach dem Deckel – sind noch nicht alle in den Brunnen gefallen. Gestatten Sie sich ab und zu die Frage, vor allem, wenn Sie schwanger zu werden gedenken, warum um alles in der Welt Sie unbedingt ein Kind haben wollen! Nur um dazuzugehören? Gruppenzwang auch hier? Wird das Kind Ihnen später, wenn es ihm – vielleicht Ihretwegen – ziemlich beschissen geht, seine Existenz danken?
Es heißt so verführerisch und so gedankenverloren: Leben schenken. Wie großartig das klingt, das größte aller Geschenke überhaupt. Leben als Geschenk. Wir dichten uns das Leben bedeutsamer als es ist. Vermehren können sich schon die Einzeller. Sogar die Viren. Und erst die Mollusken! War ich ein Geschenk für meine Eltern? Ja, gewiss, solange ich klein und niedlich und fügsam war. Als Baby hatten sie mich nachts schreien lassen, höchst absichtsvoll, damit ich später keine Terroristin würde, erklärten sie mir später ganz stolz. Da haben wir’s wieder. Schon im Babyalter üben wir die Tyrannei. Später war ich sowieso eine Strafe für sie. Aber das konnten oder wollten sie sich so gar nicht vorstellen während der ersten Jahre. Hätten sie an meiner Entstehung gearbeitet, wenn ihnen jemand meine spätere Scheußlichkeit prophezeit hätte? Und meinen Scheußlichkeitsvorwurf ihnen gegenüber? Ja, sie hätten, denn sie hätten das nicht geglaubt. Menschen glauben nie etwas. Außer an Gott, manchmal, weil das so simpel ist, wenn ihnen alleine und verantwortlich für so allerlei, die Puste ausgeht. Was gemeint ist: Menschen sind nicht lernfähig. Was die wichtigen Bereiche des Lebens betrifft. Marsflüge und die Suche nach Exoplaneten mögen interessant sein, wichtig sind sie nicht.
Manche Vorstellungen lehnen wir einfach ab. Weil wir meinen, dass uns das nicht betrifft. Uns doch nicht! Wir werden das schon hinkriegen. Jaja, irgendwie.
Max steht auf, markiert filzstiftig mit einem fetten Kreuz die Seite im Heft, knickt sie um, soll auf jeden Fall gefunden werden. Er hat die Idee einer roten Schleife ums Heft. Findet keine Schleife. Bindeband, kleine Strippe täte es ebenso. Ist auch nicht mehr da. Eine Rolle Blumendraht findet er. Nee, Draht nicht. Obwohl. Banderole aus Papier könnte er basteln. Was schreibt man da drauf? Ihm fällt nichts Passendes ein. Oder doch, aber dann wären sie beleidigt. Sind ja immer alle so schnell beleidigt und verstehen keinen Spaß.
Am nächsten Tag steht Max vorm Spiegel, schüttelt den Kopf, zuppelt an dem blaubunten Männertuch, das er für heute ausgewählt hat. Ohne Tuch um den Kopf verlässt er gar nicht mehr das Haus. Eng anliegend gebunden, die grauen lichten Stoppeln unsichtbar, kleiner Knoten am Hinterkopf, fesch. Wer hat ihn zuletzt tuchlos gesehen? Die Halunken in der Bar vor drei Monaten, die ihn aufgezogen haben. Na ja, der eine ist bestimmt im Krankenhaus gelandet. Überhaupt, aus der Ecke hat er gar nichts wieder gehört.
Er besitzt zahlreiche kleine Tücher, sorgfältig gestapelt im Schrank. Anlass-bezogen von großer Farbenvielfalt und qualitativ unterschiedlich. Ein paar edle sind dabei, aus reiner Seide. Heute besteht kein besonderer Anlass, das heißt, er hat beschlossen, dass heute kein besonderer Anlass besteht. Daher hat er sich für das verwaschene blaubunt geblümte entschieden. Er geht in Jeans, ausgefranst, Loch überm linken Knie, nur paar Fäden quer rüber. T-Shirt in knalligem Gelb, mit Aufdruck I’m an Angel. Alles frisch gewaschen, Sauberkeit ist ihm wichtig. Jacke braucht er nicht, ist warm draußen. Man wird doch draußen sein? Er dreht sich ins Profil. Abgenommen hat er. Das Bäuchlein – ja, gut, bisschen einziehen ist okay, aber immerhin, für Mitte fünfzig sehr passabel. Wie alt würde er sich schätzen, wenn er sich selbst unbekannt wäre? Vierzig, Anfang vierzig. Höchstens.
»Was meinst du, wer alles da sein wird? Astrid und Vanessa, klar, die dürfen nicht fehlen. Wird mir bestimmt schlecht, wenn ich die sehe. Aber ich will heute endlich alle Kriegsbeile begraben, auch das mit Hildegard. Max, das schaffst du, auch wenn’s schwerfällt.« Er breitet die Arme aus, strahlt sich an, schöne weiße Zähne, genau, so gefällt er sich. »‘Hildchen, Muttichen, komm her, gut siehst du aus, Strich unter die alten Sachen, umarme deinen doch nicht verlorenen Sohn, ist doch ein toller Anlass heute, aber ich habe dir schon längst alles verziehen!‘ Genau, dass sie gut aussieht, das muss ich ihr sagen, das freut jede Frau.«
Er stellt sich seine Mutter vor: vielleicht ein wenig geschrumpft in den Jahren, passiert ja irgendwann, die vollen Haare schneeweiß wie damals schon, extra schick aufgesteckt heute vom Friseur, und in edler Robe … In edler Robe eher doch nicht, sicher schlicht und würdevoll wird sie dastehen, ein Glas Sekt in der Hand, großäugig-verwundert ihn anblicken, und jetzt Tränen in den Augen. Bei einer Hochzeit darf geweint werden. Vor lauter Glück. Max ist zurück. Max ist nicht mehr böse mit ihr.
Drei Tage später sitzt er im vollen Wartezimmer von Doktor Wals. Was für ein Mief hier, obwohl das Fenster angekippt ist. Übereck hat sich gerade eine junge Frau hingesetzt, die er interessiert betrachtet. Außerdem schlägt sie die Ausgabe des SPIEGEL auf, die er am Freitag Gero geschenkt hat. Ihre linke Hand ist vollständig verbunden, vielleicht sogar geschient, ein etwas unförmiges Gebilde. Sie trägt ein Tuch um den Kopf, genau wie er, nur glatt silbergrau. Sollten alle ihren blöden Schädel verhüllen, denkt er, indem er die Wartenden diesbezüglich mustert. Blass sieht sie aus, hat starke Augenbrauen, wirkt konzentriert auf das, was sie liest. Schön dünn ist sie, herausragend dünn inmitten der vielen meist dicklichen Muttis. Und ganz schwarz gekleidet: blickdichte schwarze Strumpfhose, flache schwarze Schuhe, schwarzer Minirock und ein schwarzer Blazer über etwas Schwarzem darunter. Ob sie essgestört ist? Was wird sie gleich dem Arzt berichten? Sicher wird er die Hand auspacken. Auf dem Flachbildschirm über ihrem Kopf laufen tonlos ständig Schriftbänder über die Bilder der aktuellen Katastrophen und Kriege. Müssen sie uns damit hier auch noch füttern.
Als sie beim Umblättern kurz aufsieht, fragt er sie mit kurzem Fingerzeig auf die monströse Hand: »Gestürzt?«
Blaue Augen, Kajal-umzogen, lange Wimpern, sie sieht ihn an, als sähe sie durch ihn hindurch, schüttelt den Kopf. »Viel besser.« Sie lächelt kaum merklich. Dann vertieft sie sich wieder in ihre Zeitschrift.
Viel besser – was ist das denn für eine Antwort. Aber sie gefällt ihm. Vielleicht hat sie einen guten Humor. Weiter zu fragen traut er sich nicht wegen der Leute rundherum, obwohl diese Antwort dazu einlädt. Wie alt mag sie sein? Er ist gut im Schätzen. Dreißig, höchstens. Was macht sie beruflich? Erzieherin? Physiotherapeutin? Das wäre blöd jetzt, einhändig. Verkauft sie Klamotten in einer Boutique? Sitzt sie beim Steuerberater? Nein, da sitzt ja schon die Tussi-Ehefrau von Gero. So sehen Steuerfachangestellte aus, unscheinbar, null-acht-fufzehn, selbstunsicher. Passt alles nicht. Hat sie studiert oder ist noch dabei? Könnte sein. Hat sie vielleicht Krebs und keine Haare mehr unterm Tuch dank Chemobombentherapie?
Als die Tür aufgeht, weht ihn ein Geruch an, eine Mischung aus Parfüm und Schweiß. Wer von den Gestalten hier riecht so? Er beugt sich vor, um die in seiner Reihe Sitzenden dahingehend zu sondieren. Ja, die da, ganz bestimmt die da, jung, fett, in Leggins und hellblauem Glitzer-Shirt, Bauchspeckwülste, strähnige Haare. Die Oberschenkel liegen so breit auf, dass die Unterbeine einen halben Meter auseinanderstehen müssen. Hängen, baumeln, sie reichen nicht bis auf den Boden. Blitzblickwahrnehmung. Dass junge Mädchen oft so gar keine Ahnung mehr haben, was sie kleidet. Oder dass es ihnen völlig schnurz ist, wie sie aussehen. Und wie sie stinken.
Überhaupt diese ganzen Leute hier. Was so ein Hausarzt alles sehen muss. Und eben manchmal auch riechen. Es soll ja Ärzte geben, die menschliche Körperlichkeit gut finden, gern auf schwammigen Bäuchen herumdrücken, gefülltes Gedärm spannend finden, oder schmalzige Ohren. Und diese natürlichen Menschengerüche in all ihrer ungewaschenen Vielfalt. Max sortiert die Anwesenden in die Unappetitlichen und die Genießbaren. Appetitlich ist hier nur eine. Ihm gegenüber längs durch den Raum sitzt Samuel, wie kann man nur Samuel heißen, immerhin will er Sam genannt werden. Wie lange kennt er den Typen schon. Max sagt immer Samuel zu ihm, das ärgert den. Kerzengerade, nicht angelehnt, bewegt sich nicht. So ein Hagerer, hält die Augen geschlossen, die Hände im Schoß, etwas jünger als er, die Krücke neben ihm gehört ihm nicht, gehört der Frau daneben, die mit dem geschienten Bein. Samuel sieht wirklich nicht schlecht aus, ganz glatte Haut, schmallippig leicht verkniffen, eingeschlafen ist der nicht, sicher hat er Max schon gesichtet und die Augen gleich wieder zugemacht. So muss man einander nicht Guten Tag sagen. Meditiert vielleicht, gehört zu denen, die so Zeug machen, autogenes Training oder Qigong, weil sie ihr Dingsda, ihr Mittelteil verloren haben. Riecht der nach Rasierwasser? Hier beim Arzt ein Duftkörperchen inmitten von lauter Stinkern? Na ja, er selber, Max, hat sich auch dezent beduftet. Samuel riecht gewiss eher nach nichts. Die Frau mit Krücke und Schienbein besitzt ihr Mittelteil, aber ganz gewaltig sogar. Falls die Brüste hat, sind sie mit ihrer Wampe verschmolzen. Einen Geruch will sich Max lieber nicht vorstellen.
Ein dicker Mann auf der anderen Seite fängt an zu husten und kann gar nicht wieder aufhören, läuft ganz rot an, kriegt kaum noch Luft. Ist bestimmt peinlich für den. Maskenzeit ist vorbei, übermorgen sind wir alle krank, man verteilt wieder barrierefrei seinen Unrat. Und der kommt bei dem aber von ganz weit unten. Das schluckt der grad alles, bestimmt lecker, sein Magen tödlich beleidigt, oder auch nicht, aber gut, dass es keine Spucknäpfe mehr gibt. Max spürt eine Nebelwolke Ekel in sich hochsteigen, verzieht das Gesicht. Aus der Jackentasche holt er eine Schachtel mit irgendwelchen klapperigen Bonbons von vor fünf Jahren, geht zu dem Mann, hält ihm die geöffnete Schachtel hin. Da es den Mann regelrecht schüttelt, kann er gar nicht zweifingrig hineingreifen für ein einzelnes Bonbon. Dem laufen die Hustentränen. Max schließt die Schachtel wieder und drückt sie ihm als Ganzes in die hustenverwackelte Hand. Wenigstens weg das Zeug. Und er hat versucht zu helfen. Zurückgehend bleibt er kurz bei der jungen Frau stehen, tippt auf die Zeitschrift.
»Seite sechsundzwanzig müssen Sie lesen. Das ist gut.« Als er schon wieder sitzt, sagt er noch, er glaube, dass es Seite sechsundzwanzig sei. »Hab ich zur Hochzeit verschenkt. Keine so gute Idee.«
Zum Glück ist sie nach ihm gekommen, denkt er und schmunzelt.
»Ja, meine Güte, nur ich bin der Blöde, kriege nichts auf die Reihe. Der liebe Gott drückt mir immer wieder eine rein.«
»Der liebe Gott? Ihr Blutdruck ist zu hoch, wird allmählich bedenklich, ich schreibe Ihnen was auf. Aber Sie sollten wirklich alles etwas ruhiger angehen lassen. Gegen den selbstgemachten Stress helfen keine Pillen.«
Der Arzt hat ihn abgehört, alles in Ordnung so weit. Max zieht sich das blaue T-Shirt über die grauhaarige Brust. Er hatte ihm schon erzählt, dass es ihm einfach nur total beschissen geht. Nein, kein Infekt, keine körperlichen Schmerzen, Krankschreibung braucht er auch nicht. Er ist schlechterdings fix und fertig, grübelt ohne Ende, kann nicht einschlafen, wacht schnell wieder auf. Weil es so ungerecht zugeht auf der Welt. Nein, Schlaftabletten will er auch nicht. Er weiß plötzlich, dass er ganz erbärmlich aussieht, trotz des flotten orangefarbenen Tuches um den Kopf, was ihn gerade daran hindert, sich die Haare zu raufen. Warum ist er überhaupt gekommen?
»Wann krieg ich meinen Herzinfarkt?«
Der Arzt sagt nichts, sieht ihn nur ein wenig verdrießlich an, als wollte er sagen: bald.
»Doc, Sie kennen mich doch schon lange. Obwohl Sie nie wirklich Zeit für mich haben, wissen Sie eine Menge aus meinem Leben. Alles Wichtige hab ich Ihnen jedes Mal erzählt. Mein ganzes Pech andauernd. Ich gebe immer alles – und kriege immer nichts.«
Max ist das ärmste Schwein der Welt.
»Woran liegt’s denn?«, fragt Doktor Wals, hat aber wenig Neigung auf eine neue Geschichte von Max. Der schüttelt den Kopf. Er weiß, er muss sich kurzfassen, denn draußen warten mindestens noch zwölf andere. Auch die hübsche Frau mit der weißen Pranke.
»Muss ich immer alles verlieren. Egal was ich anfange – das geht nie lange gut. Immer muss ich bezahlen. Und so verdammt teuer.«
Doktor Wals sieht ihn fragend an.
»Ich muss einfach aufhören, so gutmütig zu sein.«
»Gutmütig.« Doktor Wals‘ Finger beginnen, auf der Tastatur herumzudrücken, während er auf den Bildschirm schaut. Hört er überhaupt zu?
»Meine Mutter. Wir hatten doch keinen Kontakt mehr, schon seit neun Jahren. Aber jetzt hab ich sie wieder gesehen, bei der Hochzeit meines Sohnes, am Freitag. Ich wollte sie umarmen, meine Mutter, aber sie gibt mir nur die Hand wie so’ne Gouvernante und äußert sich total abfällig über mich. Ich habe sie stehen lassen, mich furchtbar über sie aufgeregt, so dass sie schließlich die Hochzeit verlassen hat. Das müssen Sie sich vorstellen. Am nächsten Tag, vorgestern, ist sie an einer Hirnblutung verstorben. Verstehen Sie: Ich will daran nicht schuld sein!«
»Oh, mein Beileid. Fühlen Sie sich denn schuld daran?«
»Meine Mutter ist schuld!«
»Ihre Mutter ist schuld an ihrem eigenen Tod? Sie hat sich doch nicht umgebracht, wenn es eine Hirnblutung war.«
Ist der so blöd, oder tut er nur so. Max springt auf. »Meine Mutter ist schuld an der Scheißsituation vorher!«
»Ja, ja, Ihre große Gutmütigkeit. Ich verstehe.« Er will gar nichts weiter hören, überreicht Max ein Rezept und erklärt ihm etwas über Wirkung und Nebenwirkung des Blutdrucksenkers.
Max starrt ihn an, als hätte der Arzt einen Dachschaden.
Der Arzt erhebt sich. »Wir können das hier nicht vertiefen, Herr Blund. In drei Monaten will ich Sie wiedersehen. Gönnen Sie sich mal eine Auszeit. Und vergessen Sie nicht die Trauer um Ihre Mutter. Was machen Sie eigentlich beruflich jetzt?«
»Kapieren Sie denn gar nicht: Ich wollte meine Mutter umarmen nach all den Jahren!«
»Dass Sie das wollten, sagten Sie ja. Ihre Mutter scheint bloß nicht so plötzlich gewollt zu haben.« Doktor Wals streckt Max die Hand entgegen, Auf Wiedersehen.
Max nimmt die Hand, wird aber laut. »So plötzlich? Da lagen neun Jahre dazwischen! Wie lange hätte ich denn noch betteln sollen!«
»Betteln? War nicht die ganze Zeit Funkstille?« Langsam schiebt er Max Richtung Tür, immer noch dessen Rechte fest im Griff.
»Was meinen Sie denn, hätte ich bei dem Fest vielleicht lange Fragen stellen sollen, ob sie sich vom bösen Sohn umarmen lassen möchte?«
»Na ja, vielleicht eine Variante. Sie haben sie doch ganz schön überrumpelt.«
»Aber doch nicht bei neun Jahren dazwischen! Neun Jahre sind doch genug! Schließlich hat sie nur noch einen Tag gelebt!«
»Was sie nicht hat wissen können.«
»Eben deshalb, da muss man sich doch versöhnen können!«
»Für Sie wäre eine Versöhnung wichtig gewesen. Was die Mutter betrifft, wissen wir es nicht.«
»Also Sie meinen, meine Mutter wollte gar keine Versöhnung? Deshalb hat sie sich so unmöglich benommen?«
»Ich weiß nicht, was Ihre Mutter gewollt hat. Ihre Umarmung in dem Moment vielleicht nicht?«
»Aha. Und jetzt legen Sie also meinen guten Willen an dem Tag noch als Bösartigkeit aus.«
Doktor Wals öffnet die Tür. »Ich lege gar nichts aus, Herr Blund, aber ich muss jetzt wirklich weitermachen.« Damit öffnet er die Tür zum Flur und schiebt Max sanft hinaus.
»Da kennen Sie mich aber schlecht! So was geht ja gar nicht!«
Die Tür hat sich bereits geschlossen. Max brüllt durch die Tür. »Da bin ich viel zu spontan! Da muss man sich doch auch wieder vertragen können!«
Jemand ruft seinen Namen vom Tresen her. Er schlägt sich vor die Stirn, stolpert dorthin und kann es nicht fassen, dieses herzlose Abgefertigtwerden.
Ein Name steht auf dem Schild über der Brust der jungen Frau. Er starrt dahin, liest den Namen nicht. Dann starrt er in ihr Gesicht, das von blonden Locken umrahmt ist. Der lächelnde Mund fragt ihn, wann er wiederkommen soll.
»Am besten gar nicht. Alles wird einem hier auf den Kopf gestellt! Ich werde überhaupt nichts mehr erzählen, weil ich ja doch von Anfang bis Ende nur ein Arschloch bin!«
Max steht hier unten fast eine Stunde, dachte schon, er hätte sie verpasst, aber es gibt nur diese eine Tür. Für die Frau hat sich dieser miese Doc Zeit genommen. Aber gut so, inzwischen konnte er selbst sich etwas abregen, sogar ohne Zigarette. Diesen Geruch wollte er jetzt unbedingt vermeiden. Endlich erscheint sie, mit großer schwarzer Tasche an langem Schulterriemen.
»Bitte sehr. Und entschuldigen Sie meine Zudringlichkeit.« Er überreicht der verblüfften jungen Frau eine weiße langstielige Rose. »Als ich die hier nebenan im Laden sah, schoss es mir in den Kopf: kein Zweifel, diese Rose muss für Sie sein, und ich muss hier auf Sie warten.«
Die junge Frau stutzt, weiß nicht, was sie sagen soll, hält in einer Mischung aus misstrauischem Stirnrunzeln, Kopfschütteln und unterdrücktem Lächeln die Rose wie einen Fremdkörper vor sich und tritt einen Schritt zurück. Max genießt den Moment, er weiß um die Wirkung seines entwaffnenden Strahlens. Als aber die Überraschung auf ihrem Gesicht sehr schnell verfliegt, setzt er nach, bevor sie etwas sagen kann.
»Ich hoffe, Sie verzeihen mir diesen Überfall, ich konnte nicht anders. Leider bin ich ein ziemlich mieses Subjekt, wie mir vorhin Doktor Wals bestätigte, also kommt es jetzt nicht mehr so sehr darauf an, wie ich mich verhalte. Ich mache grundsätzlich alles falsch, ich habe einen schlechten Charakter und würde mir daher jetzt wünschen, dass Sie mit diesem unangenehmen Typen einen Kaffee trinken gehen. Danach müssen Sie mich niemals wiedersehen.« Er streckt ihr die Hand entgegen. »Ich heiße Blund, Maximilian Blund, man nennt mich Max.«
Seine Hand kann sie nicht nehmen, denn ihre rechte hält die Rose, und die linke ist unbrauchbar. So wird daraus eine kurze Berührung der Fingerknöchel.
»Ja, hallo, ich bin Karla Sonnenschein.« Irgendwie holpern ihr die Worte aus dem Mund. »Ich heiße wirklich so. Das muss ich immer dazusagen, glaubt mir sonst keiner.«
Sein überall ansteckendes Strahlelächeln bewirkt lediglich den gleichen langen Kajalblick durch seine Augen hindurch, wie vorhin schon, als wäre er gläsern, was ihn irritiert. Nicht wissend, was sie damit machen soll, scheint sie ihm die Rose etwas ungeschickt wieder hinzuhalten.
»Karla Sonnenschein«, wiederholt er, »wie schön, machen Sie doch Ihrem Namen ein bisschen mehr Ehre!«
»Dazu habe ich keine Veranlassung.« Sie weiß, was er meint.
Darauf kann Max jetzt nicht eingehen. Er muss dranbleiben. »Das verstehe ich«, sagt er sinnloserweise. »Kommen Sie mit mir, hier vorn ist ein nettes Café, ich lade Sie ein, nur ein halbes Stündchen.«
Sie gehen ein paar Schritte nebeneinander in Richtung Café. Eigentlich ist das nicht ihre Richtung.
»Mit mir müssen Sie sich keine Mühe geben. Sie müssen auch nicht charmant zu lächeln versuchen. Können Sie sich alles sparen. Ist alles zwecklos.«
»Rums. Sie machen einen armen Mann ja gleich völlig fertig.« Max macht ein Gesicht wie ein schuldbewusster kleiner Junge.
»Das ist nicht meine Absicht. Ich bin nur für klare Verhältnisse.«
Karla Sonnenschein ist mindestens so groß wie er. Im Kopf wiederholt er immerzu ihren Namen. Bestimmt hat sie es schwer damit, zumal sie eher Eisberg heißen könnte. Wann ist er zuletzt mit einer jungen Frau irgendwohin gegangen? Vanessa war das, bestimmt zwei Jahre her, und er hat sich so geschämt ihretwegen.
»Wo möchten Sie sitzen, Karla Sonnenschein?« Er weiß nicht recht, wie er sie anreden soll, Karla – Sie, oder Frau Sonnenschein? Seine Rundherum-Geste möchte ihr die Wahl lassen. »Sonne oder Schatten unterm Lindenbaum?«
»Ich muss keine Sonne haben.« Sie legt die Rose auf den Zweiertisch, setzt sich. Mit raschem Griff nimmt sie aus der Tasche eine dunkle Sonnenbrille, setzt sie auf.
Wozu denn das, denkt Max. »Damit sie noch ein bisschen unnahbarer erscheinen?« Er zeigt auf die Brille und schmunzelt.
»Damit Sie sich nichts einbilden. Was wollen Sie?«
Max holt tief Luft, jetzt hilft nur die Wahrheit. »Okay. Ich bin auch für klare Verhältnisse. Vorhin im Wartezimmer haben Sie mir gefallen. Weiter nichts. Und ich dachte mir, irgendwas muss mir einfallen, damit ich mehr als drei Worte mit ihnen reden kann. So, da haben Sie’s.«
Sie antwortet nichts. Ihre Augen kann er ohnehin nicht erkennen, also sieht er auf den Boden neben den Tisch, wo ihre Tasche steht. »Oh, haben Sie die geklaut?« Er lacht und weist auf die offen stehende Tasche mit dem Wartezimmer-SPIEGEL.
Karla Sonnenscheins Blick geht auch zur Tasche. »Ich hatte den Artikel, den Sie mir empfohlen haben, gerade zu lesen begonnen, als ich reingerufen wurde.«
Sie wollte sich gar nicht rechtfertigen, ärgert sich über diesen Satz. Eigentlich will sie den Kerl permanent nur mit Nichtachtung strafen. Klappt irgendwie nicht.
Max freut sich, dass sie den Artikel offenbar lesenswert findet. Er weiß nur gerade nicht, was er sagen soll, will doch nur, dass sie etwas zugänglicher wird. »Ich hab auch schon geklaut«, sagt er. »Bücher, früher, heute nicht mehr so.« Ehrlichkeit zieht doch immer.
Sie scheint an ihm vorbeizusehen.
»Ich hatte da so einen schönen langen Wintermantel, an dem ich das Futter vorn so in Bauchhöhe aufgetrennt hatte. Das Buch, das mir im Laden gefiel, ließ ich in dieses Futter verschwinden. Manchmal bin ich mit drei, vier Büchern im Mantelsaum nach Hause gegangen. Der Mantel schlug mir dann so schwergewichtig gegen die Beine.«
»Aha.«
Betongesicht. Warum findet sie das nicht amüsant? Er sieht auf ihre eingepackte Hand, die sie hart auf den Tisch geknallt hat mit einem metallischen Geräusch, das noch kratzend nachzieht auf der Tischplatte. Das macht sie absichtlich.
»Tut es nicht mehr weh? Was ist denn da passiert?«
»Doch, es tut noch weh. Und das ist gut so. Zufrieden?«
Ihre Wangen röten sich. Vor Schmerz oder vor Wut, Max zieht die Stirn in Falten, schüttelt den Kopf. Wie soll er damit zufrieden sein, aber er hat den Eindruck, dieses Thema doch lieber beiseitelegen zu müssen.
»Ich erzähle Ihnen einfach mal drei Sätze über mich, damit Sie etwas über diesen Unhold Ihnen gegenüber erfahren.«
Und dann erzählt Max ihr komprimiert in wenigen Sätzen aus seinem Leben: dass er verheiratet war, zwei Kinder hat, das heißt eigentlich vier, der große Sohn gerade geheiratet hat, dass er mal ein Busunternehmen und zweimal ein Haus gebaut hatte, dass er danach in mehreren Berufen tätig war. Er erzählt es so, dass sie überall einhaken und Fragen stellen könnte. Was sie nicht tut. Nur einmal wird sie frech, aber darauf reagiert er mit seinem entwaffnenden Lächeln.
»Ich geh mal rein und bestelle uns einen Kaffee, hier scheint niemand zu kommen. Wie trinken Sie ihn? Oder lieber Tee?«
»Schwarz. Ohne alles.«
»Den Kaffee oder den Tee?«
»Kaffee.«
Als Max mit zwei grünlichen Keramikbechern auf einem kleinen Tablett wieder an den Tisch kommt, ist der verlassen. Karla Sonnenschein ist gegangen. Die Rose hat sie offenbar mitgenommen. In den Papierkorb unweit des Tisches hat sie sie jedenfalls nicht geworfen.
Karla wirft sich auf ihr verwühltes Bett. Die Jalousien verbieten tageslichtfeindlich unnötige Helle. Die Luft hier drin ist nicht gut. Aber wozu braucht sie gute Luft. Nie wieder wird sie gute Luft brauchen. Tränen rinnen ihr an den Schläfen hinab in die Haare. Haare, was davon noch übrig ist. Der Doktor hat was geahnt. Nie zuvor hat sie sich so einen Lappen um den Kopf wickeln müssen. Gefragt hat er zum Glück nicht. Nur lange angesehen hat er sie, auf etwas gewartet hat er. Hätte er gefragt, hätte sie einfach das Tuch heruntergerissen: So sieht das jetzt aus. Hat Elsa gemacht. Elsa, liebe Elsa, furchtbare Elsa. Wenn ich dich nicht hätte. Elsa, die Retterin, Elsa, die Verhinderin.
Und dieser Typ da, bestimmt so alt wie Holm, ihr Vater. Oder wie der sonderbare Onkel Julius, vor dem sie immer Angst hatte. Maximilian – wie heißt der weiter? Immer wollen ältere Männer was von ihr. Die Rose braucht Wasser. Sie wird ihr kein Wasser geben. Wird sie aufrecht ins Glas stellen und ihr Welken beobachten. Warum ist sie mit dem zu dem Café gegangen? Weil sie ihn einfach nicht wegschicken konnte. Guter Trick mit der Rose. Hat der bestimmt schon zigmal ausprobiert, immer mit Erfolg. Bei ihr aber nicht. Und seine komische Erzählung, soll sie die glauben? Macht wahrscheinlich auf Mitleidstour. Hat alles verloren, sein Geld, seine Häuser, seine Familie. Muss er ihr doch gar nicht erzählen, will sie doch gar nicht wissen. Ganz schön blöd geguckt hat er, als sie ihn fragte, ob er alles versoffen oder verspielt hat. Was geht der sie eigentlich an? Aber er ist der einzige, mit dem sie seit Wochen ein Wort gewechselt hat. Außer Elsa natürlich.
Das Handy bimmelt. Nicht rangehen. Heute Nachmittag will Tante Marlena kommen. Karla will sie nicht sehen. Die will immer so lieb sein, will helfen, weiß nur gar nicht, wie, sagt kaum etwas, hat bestimmt längst erkannt, wie es um Karla steht. Aber Karla weiß auch einiges über die alte Tante, die mit Elsa mehr redet als mit ihr. Tante Marlena hat ihr, Karla, seit fünf oder seit zehn Jahren keine Fragen mehr gestellt. Wozu auch. Fragen sind nicht mehr nötig. Was will sie denn hier, wenn sie nachher kommt. Elsa hat ihr garantiert alles berichtet. Das wird wieder eine fürchterliche Schweigestunde mit ihr. Für Tante Marlena wird es fürchterlich, möglicherweise, weil sie so leidet. Für Karla nicht so sehr, allenfalls ein wenig fade, und absolut überflüssig. Weil Karla schon einen Schritt weiter ist als die Tante. Karla ist bereits einen Schritt weiter weg vom Leben. Obwohl Marlena schon so alt ist und seit Jahren, wie Elsa erzählt, sterben will. Das muss schlimm sein und Marlena ziemlich unglücklich, dieses Sterben nicht hinzukriegen. Und es hilft einem ja keiner. Muss man schon alleine bewerkstelligen. Und nicht so viel Angst haben. Sie wird da im dicken Sessel versinken, winzig und sehr aufrecht bleiben, wird die Brille abnehmen und Karla ansehen, und wieder wegsehen, und wieder ansehen mit ihren dunklen Knopfaugen, wie ein schüchternes junges Mädchen und in der blödsinnigen Hoffnung, dass Karla etwas sagt. Wird sie aber nicht. Ist seit Jahren so. Und nach zwei Tassen Tee wird die Tante den Kopf schütteln, Kindchen-Kindchen sagen und wieder gehen.
Marlena ist eigentlich – wie nennt man das – die Großtante, die Tante ihrer Mutter und ihres Onkels Julius, diesem widerlichen alten Offizier. Und Valentin? Seit er tot ist, scheint Marlena irgendwie verwaist. Marlena und ihr Bruder hingen in Karlas Vorstellung immer auf eigenartige Weise zusammen. Opa Valentin, den kannte Karla gar nicht so gut. Noch paar Jahre älter als Marlena war er, Vater von Julius und Philippa.
»Mama«, sagt Karla halblaut vor sich hin. Sie denkt immer dann an Philippa, wenn wieder ein Gruß von ihr kam, von irgendwo aus der Weltgeschichte. Philippa, einfach abgehauen damals, auf und davon. Mit Holm kann man eben nicht leben. Karla erinnert sich. Sie nimmt es ihrer Mutter nicht übel. Aber zwei halbwüchsige Kinder im Stich zu lassen, das war hart. Elsa und sie sollten ins Heim, weil Holm überfordert war plötzlich. Oder zu Pflegeeltern. Die rührige Elsa hat es verhindert. Zusammen mit Opa Valentin, aber Genaues weiß sie gar nicht mehr. Elf war sie damals. Auf ihrer gestrigen Ansichtskarte mit Palmen um so ein gechlortes Süßwasserkunstloch hundert Meter vom Ozean entfernt, fragt Philippa allen Ernstes, wann Karla sie besuchen komme, ob das in diesem Leben noch etwas werde. Und dass sie nun bald wirklich keine Lust mehr habe, dauernd zu schreiben. Seit siebzehn Jahren ist die Mutter weg, seit siebzehn Jahren schreibt sie Karten in unregelmäßigen Abständen, wenn ihr ihre Kinder mal wieder einfallen. Und hat seitdem Karla nicht mehr gesehen. Mit Elsa gab es zwei oder drei Treffen in der Zeit. Karla weigerte sich von Anfang an.
Das Handy bimmelt immer noch. Oder schon wieder. Egal.
Unten klappt die Tür. Holm soll bleiben, wo der Pfeffer wächst. Klingt komisch, wie der läuft. Sie hört ihn kichern. Was es diesmal ist, will sie nicht wissen. Er braucht eine Zeit bis hinauf zu ihrer Dachwohnung. Karla dreht sich nicht zu ihm, als er hereinkommt. Früher hatte er mal geklopft und gewartet, bis sie ihn hereinbat. Früher, vor drei Wochen noch. Hält er nicht mehr für nötig. Steht einfach da. Mitten in ihrem Schlafzimmer.
»Was willst du?«
»Schau mich doch an! Was ich will? Ich will sehen, wie es meiner Tochter geht mit ihrem Händchen.«
Immer dieser ironische Tonfall. Karla verdreht die Augen, stöhnt, setzt sich auf. Er trägt die schwarzen Stöckelschuhe ihrer Mutter. Der alte Krempel ist also immer noch da unten im Schrank. Obwohl er angeblich eine Freundin hat. Er will, dass Karla lacht. Karla lacht nicht. Sie sucht in der Küche nach einem Behältnis für die Rose, stellt sie in ein Trinkglas, lehnt sie ans Fenster.
Der Vater kommt absichtlich ungeschickt knickbeinig in die Küche geklackert. »Da muss Wasser rein.« Er nimmt das Glas, füllt Wasser ein.
»Muss nicht«, sagt Karla, und kippt das Wasser wieder weg.
»Hast Du die von Wals?« Er hätte Lust, erneut Wasser einzufüllen, unterlässt es aber.
»Mein oller Hausarzt baggert mich an? Nee. Von einem dämlichen Typen. Kannst du nicht heute Nachmittag Tante Marlena mir vom Hals halten?«
»Die kommt doch zu dir! Ich kann mit der nichts anfangen. Was sagt denn Wals?« Dabei tut er so, als bräche er schuhbedingt augenblicklich in Knien und Hüften auseinander.
Karla sieht ihn angewidert an. »Holm, lass mich in Ruhe! Interessiert dich doch sowieso nicht!«
»Stimmt. Deshalb frage ich ja auch.«
Karla weiß nicht, ob sie wütend ist, und wenn ja, worauf denn. Woher plötzlich so ein Gefühl. Gefühle führen schließlich zu nichts. Erschweren nur das blöde Leben. Holm macht sie schon lange nicht mehr wütend. Aber vorhin, doch, da war sie wütend, auf diesen Kerl, der sie einfach angequatscht hat. Der verdient es nicht, dass sie überhaupt an ihn denkt.
Wofür kommt Tante Marlena heute schon wieder. Vor ein paar Wochen erst hat sie hier rumgesessen. Warum macht sie nie den Mund auf. Traut sich nicht, sagt Elsa. Steinalt und traut sich nicht. Worauf wartet sie denn noch. Ist doch eine kluge Frau, war Jahrzehnte lang Bibliothekarin. Karla kann durchaus Auskunft geben, wenn sie will. Oder wenn sie anständig gefragt wird. Immer diese unangenehmen Rücksichtnahmen eine auf die andere, seit so vielen Jahren schon, und Elsa immer als Vermittlerin zwischen beiden, das muss jetzt mal ein Ende haben. Im Grunde sind sich doch beide einig in ihren Wünschen, die Alte wie die Junge. Was für eine blödsinnige Barriere steht da zwischen ihnen seit Ewigkeiten? Bei der Tante ist es dieses verflixte Taktgefühl oder das, was sie dafür hält, das sie dieses nicht sagen und jenes nicht fragen lässt. Und das hat sich potenziert, seit es mit Karla in den Augen aller nur noch bergab geht. Aber was ist es bei Karla? Warum war sie ihr gegenüber nie in die Offensive gegangen? Wegen des Respekts vor dem Alter? Weil Karla stets darauf wartete, dass die fünfundfünfzig Jahre Ältere den Anfang machen müsste? Was hatte denn Philippa früher über ihre Tante gesagt? Dass sie einen Spleen habe, eine verschrobene alte Schachtel sei, vor bald zwanzig Jahren schon, daran erinnert sich Karla, aber Gründe dafür, oder Beispiele? Philippa mochte sie nicht, diese immer schon wortkarge Tante mit dem spröden Lächeln, immer wie um Verzeihung bittend, mit dem strengen Blick, den Karla später eher als scheu und ängstlich interpretiert hatte. Bei ihr zu Hause war Karla nur ganz selten gewesen. Die Wohnung hatte für sie immer einen Gruselfaktor, unmittelbar hinter einem riesigen Fenster wuchs ein grüner steiler Hang, der kaum Licht ins Zimmer ließ. Deswegen erstreckte sich das Fenster über die ganze Wand, wegen des Restlichts, wegen der Weigerung des Zimmers, als Dunkelkammer zu gelten. Direkt am Fenster stehend und senkrecht in die Höhe blickend sah man weit oben einen Lichtstreifen. Noch ein Schritt des Berges, und er hätte das Zimmer zerdrückt, so stellte sie sich damals das Ganze vor. Berge konnten sich schließlich auch mal bewegen, ins Rutschen kommen, davon hatte sie schon gehört. Sie war nie gern dort. Nichts stand herum in dieser Wohnung, alles war penibel aufgeräumt, vielleicht wegen des alten fauchenden Katers, den nur die Tante anfassen durfte und den sie ab und zu hangwärts durchs Fenster entließ. Es gab dort nichts, womit Karla sich hätte beschäftigen können. Bücher führte die Tante in ihrer Wohnung gar nicht, oder nur die, mit denen sie sich gerade befasste und die sie sich mitgebracht hatte von ihrer Arbeit. Sie war sehr entschieden für das Nichtvorhandensein sinnlos einstaubender Wohnaccessoires. Musizieren durfte Karla bei ihr, zusammen mit Elsa. Immer wollte Tante Marlena wissen, ob beide noch fleißig übten. Mit einem kleinen Flötenduett konnte man sie erfreuen, dem Karla sich bald schon zu entziehen wusste.
Tante Marlena war immer ein verhuschtes Wesen, zierlich, flink, unscheinbar, mit schwarzen Mausäuglein, vielleicht etwas schwerhörig, dabei sehr wach und wissensdurstig, unglaublich belesen, von leiser Stimme und korrekter Ausdrucksweise, dabei aber immer auch frei von irgendeiner Haltung oder Ansicht – zumindest tat sie eine solche niemals kund, was Karla mit den Jahren zunehmend missbilligte. Soweit Karla informiert ist, war Tante Marlena immer allein, verheiratet nur mit ihrer Bibliothek, in die sie sie ein paarmal mitgenommen hatte. Karla hatte den Eindruck, sie lebe zwischen ihren Büchern und nur dort, zwischen den Buchseiten wie diese kleinen Bücherläuse, die sich von Papier ernähren.
Pünktlich wie immer hupt Tante Marlena unten vorm Haus. Den knallgrünen kleinen VW fährt sie seit drei Jahren. Behände schwingt sie sich aus dem Auto und winkt nach oben. Ob dort hinterm Dachfenster Karla steht, kann sie gar nicht erkennen. Aber Winken kann nicht verkehrt sein. Zuletzt war sie hier, bevor das mit Karlas Hand passiert war, schrecklich. Was soll sie nur jetzt dem armen Kind sagen. Karla war ihr noch nie so ganz geheuer, muss sie sich schon seit Jahren eingestehen. Das kleine Mädchen, das sie damals war, musste sie insgeheim bewundern für sein sicheres Auftreten, das sie von sich selbst gar nicht kannte. Sie hatte häufig Angst, vor allem und jedem. Karla hat immer gemacht, was sie wollte, oder eben nicht gemacht, wenn sie das beschlossen hatte. Ermahnungen halfen bei ihr nicht. Als Philippa dann verschwunden war, hat Karla lange nicht mehr gesprochen, gar nicht mehr. Holm, immer schon unfähig, war mit ihr bei einem Kinderpsychologen. Elsa hat das irgendwie besser verkraftet. Und mit Elsa sprach Karla wohl immer. Aber dann hat sie sich auf ihr Instrument gestürzt, wie besessen. Und sie wurde schnippisch, immer kurz angebunden, und Marlena rechnete mit Karlas abweisenden Reaktionen. Die kamen eine Zeit lang, Marlena war verletzt, getroffen, sie hatte dem Kind in ihrer freundlichen Neutralität nichts getan. Bis von dem Mädchen kaum noch etwas kam. In der Pubertät soll man sich ja endgültig lösen von den Eltern, heißt es, da soll man bekanntlich aufsässig und widerborstig sein. Marlena hat da nie mitreden können, hat das nur gelernt aus Büchern und in ihren Therapien. Sie hatte keine Pubertät – worüber sie im Grunde froh ist, denn das, was da angeblich geschieht, ist in Gänze an ihr vorübergegangen.
Marlenas Unsicherheit wuchs, und Karla wurde ihr unheimlich. Sie hätte sich komplett von ihr fernhalten können, niemand zwang sie zum Kontakt mit Karla, aber wen hatte sie denn noch, die Familie stirbt doch aus. Valentins Kinder – auch nichts Gescheites: Philippa ist über alle Berge, und Julius ist nicht zum Aushalten. Sie hatte sich vorgenommen, sich des Mädchens anzunehmen, das konnte doch nicht so schwer sein, wobei sie aber keine Ahnung hatte, wie sie das hätte bewerkstelligen sollen. Für Karla gab es nur noch ihr Instrument. Die Schule, na ja, die auch, aber daneben ausschließlich ihr Cello. Und zum Glück die Schwester, Elsa ist immer da. Karla tat Marlena immer nur leid. Auch in ihrer Kratzbürstigkeit, von der sie sich einfach nicht abschrecken lassen wollte und die sie irgendwann auch nur noch wenig zu spüren bekam, vielleicht deshalb, weil sie sich weitgehend zurückhielt und einfach still wartete, dass Karla sich öffnen würde. Was für ein vermessener Wunsch, gerade ihr gegenüber, die das doch selbst gar nicht kann.
Karla will nicht mehr leben. Seit Elsa ihr davon erzählte, ist Marlena von einem völlig unbekannten Gefühl überschwemmt. Kann es da noch Neues geben in ihrem langen Leben? Vieles hat sie gar nicht kennen gelernt. Sie sucht nach einem Namen dafür, da es sie beherrscht und gehörig durcheinanderwirbelt. Sie ist versucht, es Freude zu nennen. Aber das darf es nicht sein, das gehört sich nicht.
Nach der etwas förmlichen Umarmung – denn beide gehen davon aus, dass die jeweils andere es nicht möchte, so wie es eben immer ist, wenn sie einander nach Wochen oder Monaten wieder begegnen –, setzt sich Tante Marlena in den ältlichen Sessel. Die Stühle sind nicht bequem, das Sofa ist zu neu und zu weiß. In dem Sessel sitzt sie schon Jahre, wenn sie hier ist. Und fühlt sich verloren wie eine Blaumeise im Storchennest. Verstohlen blickt sie auf Karlas Kopftuch, während die den Tee kredenzt. Wie die jungen Leute sich heute so zurechtmachen, sieht sogar gut aus. Neulich las sie das Wort peppig, aber sie traut sich nicht, es auszusprechen. Dann fällt ihr ein, was Elsa ihr berichtet hatte hinsichtlich der Ursache für dieses Tuch.
»Sobald du hier bist, Tante Marlena, bist du immer gleich wieder verschwunden. Räumlich bist du weg in diesem Sessel, auch farblich gesehen heute in Blaugrau, kaum zu unterscheiden die zierliche Frau von dem Möbel, und na ja, der Rest von dir ist sowieso nie da.« Es ist das Bekannte, aber erstmalig äußert Karla es. Sie hat für die Tante die Zimmerverdunkelung beseitigt, Tee bereitet, wie sonst auch, aber etwas ist anders heute.
Marlena hat die Brille abgenommen, hält sie im Schoß, dreht an einem Bügel. »Ach Karla-Kindchen – entschuldige, immer sage ich Kindchen zu dir, das bist du lange schon nicht mehr, es ist alles so schwer, und wenn du sagst, ich verschwinde hier in diesem Sessel, dann ist das ganz so, wie ich es mir wünsche, nämlich unsichtbar zu sein, gar nicht mehr vorhanden.« Sie sieht von ihren Händen und ihrer Brille auf, sieht Karla an, Ratlosigkeit in den Augen.
»Unsichtbar ist was anderes als nicht mehr vorhanden. Nicht mehr vorhanden ist tot. Du willst tot sein.«
Marlena nickt.
»Aber warum kommst du her? Ich bin eine verdrehte Person. Und du bist das auch. Wir konnten noch nie etwas anfangen miteinander.«
Marlena ist verblüfft über die trockene, gleichwohl herzhafte Bemerkung. »Karla, weil ich weiß, dass du auch nicht mehr leben willst. Und ich komme her, weil ich dich … liebhaben möchte. Schon so viele Jahre. Aber ich kann doch gar niemanden liebhaben. Ich tu mich schon mit dem Wort schwer. Ich habe noch nie einen Menschen geliebt. Vielleicht glaubst du mir das nicht, aber es ist wirklich so.« Marlena wundert sich. Was ist da in sie gefahren. So etwas spricht man nicht aus.
Karla springt auf. »Was wird das hier, Tante Marlena? Eine Generalbeichte? Dafür bin ich ungeeignet.«
Marlena hebt beschwichtigend die Hand. »Karla, setz dich wieder. Nein, nein, entschuldige, so war das nicht gemeint.«
»Oh doch, Tante Marlena!« Karla will plötzlich die Gelegenheit nutzen. Sie geht im Zimmer hin und her. »Generalbeichte ist vielleicht gar nicht so schlecht. Auf zum großen Reinemachen! Wir zwei beide, so kurz vorm Tod, hat doch was! Wir haben beide nichts mehr zu verlieren. Ich hol uns eine Flasche Wein, damit wir leichter reden können, ist gut für unsere lahmen Zungen, die uns trocken am Gaumen kleben seit x Jahren!«
Marlena will sich die Ohren zuhalten. Wie redet Karla nur. Marlenas Arme rühren unkoordiniert in der Luft herum. »Nun sei doch nicht so aufgebracht. Vielleicht haben wir beide immer gut daran getan, nicht so viel zu sprechen miteinander. Wir können das ja gar nicht.« Und nach einem unsicheren Blick zu Karla hin: »Soll ich wieder fahren?«
Karla ist stehen geblieben vor ihrer Tante. »Nein, entschuldige. Ich weiß, Du trinkst keinen Alkohol. Und du sollst jetzt nicht wieder fahren.« Sie zerrt sich den gelben Sitzsack heran und lässt sich fallen. Der Sack macht ein unanständiges Geräusch, Karla grinst, Marlena überhört es.
»So«, sagt Karla. »Wie geht das jetzt weiter?«
Marlena hebt langsam die schmalen Schultern und senkt sie noch langsamer, sieht Karla an mit einem Blick von unten nach oben, ich will ja, aber wir wollen uns doch nicht wehtun.
»Du weißt, ich bin ein grober Mensch«, sagt Karla. »Ich bin entweder gar nicht, oder grob.«
»Was nicht stimmt. Ich war in fast allen deiner Konzerte.«
»Lass das, bitte. Wenn wir das lassen können, können wir reden.« Der gereizte Tonfall ist unüberhörbar. »Über den ganzen großen Rest.«
»Und nun willst du sicher, dass ich anfange, dass ich dich was frage, weil man das so macht in einer Unterhaltung.«
Karla zuckt die Schultern. »Ja mach doch. Oder nein, erzähl am besten was. Etwas, das ich noch nicht weiß.«
»Aber Kindchen, was soll ich dir denn erzählen, da gibt es doch gar nichts.«
Karla schaut sie skeptisch an. Unmöglich, diese Frau.
»Wirklich, ich bin doch an allem, wie soll ich sagen, vorbeigegangen, ich habe nichts erlebt. Und das ist, als Resümee von viel zu vielen Jahren, ein bisschen grausam.« Sie sieht Karla an. »Nein,« sagt sie und schüttelt heftig den Kopf. »Karla, du kannst das nicht verstehen.« Sie nimmt einen Schluck Tee, das Thema ist beendet, es hat keinen Zweck. Am besten, sie geht endlich.
Karla sitzt ihr gegenüber, legt den Kopf etwas schief, schaut in eine große Ängstlichkeit, wartet. Wann hat die Frau das letzte Mal geredet?
Marlena stöhnt. Es scheint kein Zurück zu geben. »Das Leben ist so schrecklich, und es will einfach nicht zu Ende gehen, das ist mein Problem schon so viele Jahre. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass es endlich mal vorbei sein soll. Aber bei mir ist alles in Ordnung, das Herz schlägt normal, der Blutdruck ist normal, ich habe keine Schmerzen, die man üblicherweise doch hat in meinem Alter, ich kann gut laufen, habe keine Beschwerden in den Gelenken, ich kann alles essen, ich verstehe immer noch alles, was ich lese, und ich lese immer noch viel. Ich lese Romane, die von Liebe handeln. Ich blicke hinter diese Türen, weißt du, und kaum schlage ich das Buch zu, fallen diese Türen wieder in ihr Schloss, und ich erschrecke, weil das dahinter verbotenes Terrain war. Das ist nichts für mich. Das bin nicht ich. Da ist nichts, womit ich mich identifizieren könnte. Das gehört allen anderen, mir nicht. Es ist so sinnlos, dieses Lesen, und dieses Essen und dieses Atmen. Wofür ist das denn gut? Für alle anderen Menschen, verstehst du, mag das toll sein, erstrebenswert, dieses Leben, aber für mich doch nicht. Und das ist keine Alterserscheinung, das empfinde ich schon seit meiner Kindheit so. Und siehst du, mehr weiß ich im Grunde gar nicht zu erzählen. Ist das nicht traurig? Ich quäle mich mit diesem Leben ab, das ich gar nicht will, das ich nie gewollt habe. Und andere Menschen hängen so an ihrem Leben und setzen alles daran, es möglichst lange zu erhalten, koste es, was es wolle. Ich habe das nie verstanden. Ich wünschte, man könnte das irgendwie aufteilen, gerechter, meine ganze Zeit hätte ich so gerne verschenkt, denen, die etwas damit beginnen können. Wobei ich weiß, dass das ein unsinniger Gedanke ist.«
Karla hat die Tante beobachtet, so zart und zerbrechlich hat sie sie noch nie wahrgenommen. Zuletzt hat sie nur ins Leere gesehen, an Karla vorbei.
»Ich nicht«, sagt Karla hart in die Stille hinein.
»Du nicht? Du nicht was?« Marlena kommt zurück aus ihrer Lebensferne, sieht jetzt recht munter in Karlas Gesicht, lächelt sie an. Es tat gut, das jetzt einmal auszusprechen. Sie hat Wichtiges erklärt, fühlt sich erleichtert.
»Ich hänge nicht am Leben, Tante Marlena. Da sind wir schon zwei. Hab ich etwa deine Gene? Von Elsa weiß ich schon, dass du dauersuizidal bist.«
Marlena wehrt ab. »Nein, nein, Kindchen, das ist ganz falsch, ich bin nicht suizidal. Das war ich nie. Ich will nur einfach nicht mehr leben müssen. Umbringen würde ich mich niemals. Dazu bin ich viel zu feige.« Sie lächelt, und sie lächelt so schön, gar nicht mehr so angespannt. »Weißt du, wenn ich Krebs bekäme oder eine dieser hinterhältigen neurologischen Erkrankungen, bei denen einem ziemlich rasch alles abstirbt, und ich könnte mein eigenes Vergehen beobachten, das wäre sehr interessant, und es wäre wohl das erste, worüber ich mich einmal freuen könnte. Ich habe mich noch nie wirklich gefreut in meinem Leben.«
»Dann freu dich doch einfach daran, dass ich mein Leben auch nicht mehr will!« Und dann setzt Karla noch hinzu: »Wenn du mich schon nicht liebhaben kannst.« Und lacht.
»Karla, Kindchen, das darfst du so nicht sagen!« Marlena scheint ehrlich erschrocken. »Vielleicht habe ich dich ja lieb, ich weiß es nur nicht, weil ich es nicht fühlen kann, und man muss doch so etwas fühlen, nicht wahr?« Ihre Stimme zittert etwas.
Karla weiß nicht, ob sie ihr glauben soll.
»Hättest Du eigene Kinder, hättest Du mit denen früher schon mal üben können.«
»Um Gottes willen, Karla, wo denkst du hin, ich doch nicht, das ist eine grauenhafte Vorstellung.« Sie sieht Karla eindringlich an, schüttelt heftig den Kopf.
» Immerhin hattest Du einen Neffen und eine Nichte.« Karla weiß schon lange, dass das Verhältnis zu denen immer schwierig war.
Marlena winkt ab. »Bei den beiden habe ich beizeiten versagt. Julius war schon als kleiner Junge furchtbar, und später hatte ich nur noch Angst vor ihm. Und deine Mama, Philippa, ich weiß nicht … Philippa war ein Wirbelwind, und als sie größer wurde, bekam sie so etwas Berechnendes, Falsches, Eigensüchtiges. Ja ich meine sogar, sie war vielleicht ebenso wie ich nicht liebesfähig, sonst hätte sie euch nicht verlassen. Aber das ist natürlich spekulativ, ich kannte sie kaum. Sie entzog sich mir. Und, zugegeben, ich mich ihr, das war gewiss beiderseitig.«
Karla sitzt in dem formlosen instabil wirkenden Sack vorn-übergebeugt, die Ellbogen auf dem Knien, den Kopf in die Hände gestützt und starrt unter den niedrigen Tisch auf Tante Marlenas dünne Fesseln, die aus einer weitbeinigen graugrünlichen Hose hervorlugen und in schmalen Halbschühchen auslaufen wie ein Pinselstrich, dem die Farbe ausgeht. Ein Sonnenstrahl hat ihren rechten Fuß erwischt. »Was hättest du denn gemacht, wenn du schwanger geworden wärst?«
Marlena gibt einen Laut von sich, einem vorsichtigen Aufschrei ähnlich. Karla scheint aber auch gar nichts zu verstehen. Wenn das nur nicht so peinlich wäre, und wie die Jugend so direkt und schamlos solche Wörter benutzt. Marlena windet sich.
»Na hätte doch passieren können«, setzt Karla völlig überflüssig hinzu.
»Kindchen, wie soll ich es dir denn nur erklären«, quält sich Marlena mit der begriffsstutzigen jungen Frau und rutscht in ihrem Sessel umher wie unter immensem Harndrang. »Um in jenen Zustand zu geraten, bedarf es bekanntlich einer körperlichen Nähe …« Marlena ringt damit, wie sie es weiter beschreiben soll.
Karla rettet sie. »Du hattest noch nie in Deinem Leben einen Freund?« Sie stellt sich Tante Marlena in jungen Jahren vor: adrett, reizvoll, sexy. Und doof war sie auch nicht. Was hat sie alles studiert, wenn auch abgebrochen – Philosophie, Germanistik, Geschichte, so was.
Marlena fällt ein Stein vom Herzen. Sie muss nicht weiter nach Formulierungen suchen, die so furchtbar blamabel sind. »Mit einem jungen Mann war ich einmal eine Limonade trinken. Es war unschön, weil er mich so eigentümlich ansah. Ein anderes Mal, das war mir sehr unangenehm, hat mich ein Mann, ein Kunde, den ich länger schon kannte, zwischen den Buchregalen bei den Schultern gepackt, und was dann kam, nennt man wohl einen Kuss.« Beim letzten Wort durchläuft sie ein leises Schütteln, sie presst die Lippen aufeinander in Erinnerung wie an den widerlichen Aufdruck einer schleimigen Nacktschnecke.
So ist das also. Karla beginnt allmählich zu begreifen. »Und wenn du Romane liest mit solchen erotischen Schilderungen …«
»Ergreift mich augenblicklich ein ungeheurer Ekel«, unterbricht Marlena sie. »Das ist die eine Seite. Die andere ist Neugier, weil es so fremd ist, mir gar nicht zugänglich, allen anderen aber durchaus, und ich würde es gern lernen zu erfassen, aber wie lange dauert das Ganze schon, ich schäme mich für meine Langsamkeit, für meine Unfähigkeit, und ich bin darüber so müde geworden. Du verstehst mich nicht, nicht wahr? Manchmal denke ich, ich gehöre zu einer Spezies noch unerforschter Lebewesen. Und jeder, der auf mich trifft, reißt Augen und Ohren auf vor Staunen. Ich bin nicht einsortierbar, verstehst du, ich schwebe einsam wie im luftleeren Raum. Und kann nicht sterben.«
»Hast du dich mal untersuchen lassen diesbezüglich?«
»Ach, dafür gibt es keine Untersuchungen, keine Messgeräte, keine Parameter. Ich habe zwei jeweils jahrelange Analysen hinter mir. Man hat gut an mir verdient. Ich bin mir nicht auf die Schliche gekommen.«