Und sie zappeln bis zum Schluss - Erik Hartmann - E-Book

Und sie zappeln bis zum Schluss E-Book

Erik Hartmann

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Beschreibung

In der kleinen westfälischen Stadt Altena wird eine Reihe grausamer Morde an jungen Frauen begonnen. Die Leichen werden mit brutaler Präzision in Büschen und Wäldern zurückgelassen – ohne sexuelle Gewalt, aber mit dem grausamen Zeichen des Würgens. Der 59-jährige Kriminalhauptkommissar Rainer Lennert, der sich nach Jahren im Streifendienst in den ruhigen Bürodienst geflüchtet hat, wird plötzlich in einen Albtraum verstrickt, der ihn bis an die Grenzen seiner Existenz führt. Als er erkennt, dass die Opfer in einer schockierenden familiären Verbindung zu ihm stehen, begibt er sich in einen gefährlichen Kampf gegen die Zeit. Doch dieser Fall ist nicht nur ein Jagdspiel mit einem brutalen Mörder – es ist eine Reise in die dunklen Geheimnisse einer Stadt und eine Auseinandersetzung mit dem eigenen, finsteren Erbe. Ein Psychothriller, der brutal, spannend und voller unerbittlicher Wendungen ist – "Und sie zappeln bis zum Schluss" hält den Leser bis zum letzten Atemzug in seinem Griff.

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Seitenzahl: 145

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Titel: Und sie zappeln bis zum Schluss

Autor: Erik Hartmann

Biografie:

Erik Hartmann wurde 1983 in Dortmund geboren und wuchs in einer kleinen, unauffälligen Stadt in Nordrhein-Westfalen auf. Schon früh entdeckte er seine Leidenschaft für düstere Erzählungen und spannende, unergründliche Geschichten, die er oft in Form von Notizen und Kurzgeschichten festhielt.

Nach dem Abitur zog es ihn in die Großstadt, wo er verschiedene Jobs in der Gastronomie und im Sicherheitsbereich annahm, um sich finanziell über Wasser zu halten. In dieser Zeit begann er, intensiv zu schreiben, wobei er sich nie in literarischen Kreisen bewegte oder ein traditionelles Studium verfolgte. Stattdessen zog er Inspiration aus den Gesprächen mit Menschen, den düsteren Ecken der Stadt und den vielen Beobachtungen des menschlichen Verhaltens, die er in seinem Job als Sicherheitskraft sammelte.

Heute lebt Erik Hartmann zurückgezogen in einem alten Bauernhaus am Rande des Waldes, wo er den Großteil seiner Zeit mit Schreiben und Nachdenken über die dunklen Abgründe der menschlichen Psyche verbringt. Er veröffentlicht regelmäßig Romane und Kurzgeschichten, die sich durch ihre psychologische Tiefe und ihre unerbittliche Atmosphäre auszeichnen.

Kapitel 1: Ein neuer Anfang

Der Montagmorgen begann so, wie Rainer Lennert ihn sich in seiner Position erträumt hatte: ruhig, ohne neuen Blaulicht, ohne Stress, ohne durchgeknallte Jugendliche, die ihm nachts mit ihrem Proll-Golf an der Kreuzung davonsausten. Stattdessen saß er in seinem Büro, die Füße bequem auf dem Schreibtisch, eine dampfende Tasse Kaffee in der Hand. Die Sonne fällt schräg durch die Jalousien und zeichnete ein angenehmes Muster auf der grauen Linoleumschicht des Bodens. Nach 35 Jahren im Streifendienst hatte er sich endlich hochgedient – oder besser gesagt, durch laviert – und war jetzt Kriminalhauptkommissar.

„Scheiß drauf, das Leben kann so einfach sein“, murmelte er zufrieden vor sich hin, während er die erste Akte des Tages öffnete.

Da flog die Tür auf, und seine Sekretärin Gabi – eine resolute Frau Mitte 50 mit knallrotem Lippenstift und einer Vorliebe für enge Blusen – stürmte hierin. „Lennert! Du sitzt da rum wie der König von Altena, und draußen geht die Scheiße ab!“

„Gabi, was ist denn nu wieder?“ Hat jemand den Bürgermeister falsch geparkt?“ Lennert seufzte und ließ seine Füße schwer vom Schreibtisch gleiten.

„Leiche, Rainer. Und zwar nicht normal. Waldstück hinter'm Friedhof. Junge Frau, böse zugerichtet. Du kannst den Kaffee stehen lassen.“

„Leiche? Scheiße…“, brummte Lennert und griff nach seiner Jacke. „Erster Tag als Kriminaler und gleich ein Mord.“ Das passt ja wie Arsch auf Eimer.“

Als Lennert wenig später am Tatort ankam, empfing ihn ein chaotisches Durcheinander aus Polizei, Spurensicherung und Schaulustigen, die neugierig über die Absperrbänder lugten. Sein neuer Kollege, der junge und viel zu ehrgeizige Kommissar Tobias Finke, winkte ihm von weitem zu.

„Lennert, endlich. Dachte schon, du machst Mittagsschlaf.“

„Halt die Schnauze, Finke, ich brauch erstmal 'nen Überblick. Und 'nen Kaffee. Wo ist die Leiche?“

„Da hinten, unter dem Gebüsch“, sagte Finke und deutete mit dem Kinn auf eine Gruppe Spurensicherer, die sich über etwas auf dem Boden beugten.

Lennert schob sich durch das Dickicht und blieb abrupt stehen. Das Mädchen lag halb auf der Seite, die Arme grotesk angewinkelt, als sie sich im Todeskampf noch versucht hatte zu wehren. Ihr Gesicht war blau angelaufen, die Lippen aufgeplatzt. Der Hals zeigte deutliche Würgemale, dunkle Hämatome zeichneten sich wie eine Handschrift eines Wahnsinnigen ab.

„Gottverdammt“, murmelte Lennert. „Das ist ja… Wer zur Hölle macht so was?“

„Sadistischer Scheißkerl, wenn du mich fragst“, sagte einer der Spurensicherer. „Die ist nicht einfach erwürgt worden.“ Das war langsam. Pausen zwischen den Würgephasen. Die musste das volle Programm durchleiden.“

„Verdammte Scheiße“, sagte Lennert und rieb sich über das Gesicht. „Hat sie irgendjemand schon identifiziert?“

Finke schüttelte den Kopf. „Kein Ausweis, keine Tasche, nichts.“ Aber sie ist jung. Vielleicht 20, 22. Kein Dreck unter den Fingernägeln, keine Hinweise auf Abwehr. Sieht aus, als hätte sie aufgegeben.“

„Oder der Drecksack hat sie so weit unter Kontrolle gehabt, dass sie nicht mal weglaufen konnte“, murmelte Lennert.

Die Rückfahrt zur Wache verlief in gedrücktem Schweigen. Während Finke mit dem Streifenwagen vor ihm fuhr, grübelte Lennert über das Gesehene nach. Eine solche Brutalität hatte er lange nicht mehr erlebt – wenn überhaupt. Altena war ein verschlafenes Nest. Klar, hier und da mal ein Ladendiebstahl oder eine Kneipenschlägerei, aber Mord? Und dann war das noch so?

In der Wache wartete Gabi mit verschränkten Armen und ihrem gewohnten, leicht genervten Gesichtsausdruck auf ihn. „Na, wie war der Scheiß da draußen?“

„Schlimmer als ich dachte“, antwortete Lennert. „Bring mir 'nen Kaffee, Gabi, aber diesmal einen mit Schuss.“

„Ich bin hier keine Kellnerin, Kollege“, knurrte sie, brachte ihm aber trotzdem eine Tasse. „Sag mal, Lennert, hast du's schon bereut, dass du dich versetzen lassen hast?“ Wolltest doch nur noch Füße hochlegen.“

„Ach, Gabi, halt's Maul“, sagte Lennert, nahm einen tiefen Schluck und lehnte sich zurück. Doch die Ruhe in seinem Kopf kehrte nicht zurück. Das Bild der toten Frau verfolgte ihn wie ein dunkler Schatten.

Irgendwas an diesem Fall ließ ihm keine Ruhe – und das war erst der Anfang.

Kapitel 2: Die Mordkommission

Der Konferenzraum der Polizeiwache Altena war selten so voll gewesen. An der Stirnseite des langen Tisches stand Kriminaloberrat Klaus Dürr, ein hagerer Mann mit scharf geschnittenem Gesicht und einer Brille, die ihm den Ausdruck eines leicht genervten Eulenforschers verlieh. Neben ihm lagen die Akten, Fotos des Tatorts und ein kleiner Stapel digitaler Ausdrucke der Spurensicherung.

„Meine Damen und Herren“, begann Dürr und hob die Hände, um die anwesenden Beamten zur Ruhe zu mahnen. „Altena hat seit Jahren keinen Mordfall mehr gesehen. Jetzt haben wir einen – und was für einen. Ein junges Mädchen, brutal erwürgt, mutmaßlich mit Pausen. Wir haben bisher keine Identität des Opfers, keine tatverdächtigen und keine verwertbaren Spuren. Kurz gesagt: Wir stehen hier im Dunkeln.“

Die Beamten wechselten ernste Blicke. Lennert saß am Ende des Tisches, die Arme verschränkt, und betrachtete die Fotos, die Dürr an die Pinnwand geheftet hatte. Das Bild des Mädchens, der verdrehte Körper, die Würgemale. Das saß ihm immer noch im Magen.

„Die Mordkommission wird von uns zentral geleitet“, fuhr Dürr fort. „Das heißt, wir werden Personal aus Hagen und Dortmund abziehen. Aber da Altena der Tatort ist, wird das hiesige Kommissariat eng eingebunden. Kriminalhauptkommissar Lennert –“

„Hier“, brummte Lennert und hob ohne große Begeisterung die Hand.

„Sie werden vor Ort die Leitung übernehmen“, sagte Dürr, wobei er Lennert einen durchdringenden Blick zuwarf. „Das heißt, Sie koordinieren die Maßnahmen in Altena. Die Hauptarbeit wird natürlich in der Zentrale laufen, aber Sie sind hier unsere Schnittstelle. Klar?“

„Klar“, antwortete Lennert trocken. Er mochte Dürr nicht besonders, aber das Gefühl beruhte vermutlich auf Gegenseitigkeit.

Nach der Besprechung blieb Lennert noch im Raum, während die anderen Beamten hinausgingen. Dürr kam zu ihm und setzte sich auf die Tischkante.

„Lennert, ich bin ehrlich mit Ihnen“, begann er. „Das ist eine heikle Geschichte. Wenn Sie hier Scheiße bauen, hängt uns das allen am Arsch. Altena mag klein sein, aber die Presse wird sich auf den Fall stürzen, wenn wir keine Ergebnisse liefern.“

„Klingt, als hättest du ja richtig Vertrauen in mich“, sagte Lennert sarkastisch.

„Ich habe Vertrauen in Ihre Erfahrung. Sonst wären Sie nicht an dieser Stelle. Aber lassen Sie die anderen Ermittler ihren Job machen und kümmern Sie sich um die Grundlagen vor Ort. Kontakte zu Zeugen, Umgebungssicherung, das Übliche.“

„Verstanden“, sagte Lennert, nahm seine Jacke und verließ den Raum.

Im Büro setzte sich Lennert an seinen Schreibtisch und betrachtete die Akten, die ihm Gabi inzwischen auf den Tisch gelegt hatte. „Was für 'ne Scheiße“, murmelte er vor sich hin.

Seine Gedanken wurden von einem Klopfen an der Tür unterbrochen. Finke steckte den Kopf hierin. „Chef, kurze Info: Die Identität des Opfers ist raus. Die Spurensicherung hat Fingerabdrücke abgeglichen.“

„Das ist ja mal 'ne gute Nachricht. Wer ist sie?“

„Nina Schulte, 21 Jahre alt. Studiert Kunstgeschichte in Münster, kommt aber ursprünglich aus Altena. Eltern wohnen hier in der Nähe. Die Kollegen sind schon auf dem Weg, um sie zu informieren.“

Lennert lehnte sich zurück. „Altena. Natürlich. Die meisten Leichen, die wir hier finden, haben irgendwie mit diesem Kaff zu tun. Hast du was über die Familie?“

„Normale Leute, soweit ich weiß. Vater ist Lehrer, Mutter arbeitet in der Stadtbibliothek. Keine Vorstrafen, keine Auffälligkeiten.“

„Dann sollten wir uns die Eltern mal ansehen“, sagte Lennert. „Lass die Kollegen ihr Ding machen, und dann fahre ich später vorbei.“ Vielleicht haben sie irgendwas mitbekommen.“

Der Nachmittag grenzt an schleppend. Lennert arbeitete sich durch die bisherigen Berichte, aber es gab keine brauchbaren Spuren. Keine Zeugen, keine Hinweise auf den Täter. Nur die verstörenden Details der Mordmethode: Das langsame, präzise Würgen mit Pausen. Eine Tat, die nicht aus Affekt geschehen konnte, sondern mit erschreckender Kaltblütigkeit geplant worden war.

Als er schließlich das Büro verließ, um zu den Eltern des Opfers zu fahren, überließ er Gabi den Weg.

„Na, Chef? „Macht das Mordermittler-Leben Spaß?“ fragte sie bissig.

„Halt's Maul, Gabi“, grummelte Lennert, stieg in seinen Wagen und fuhr los.

Die Schultes wohnten in einem Einfamilienhaus am Stadtrand. Der Garten war ordentlich gepflegt, die Gardinen zugezogen. Lennert klingelte, und nach einigen Momenten öffnete ihm eine Frau mittleren Alters mit verweintem Gesicht.

„Frau Schulte?“ fragte Lennert, und sie nickte stumm. „Ich bin Kriminalhauptkommissar Lennert. Darf ich reinkommen?“

Im Wohnzimmer saß der Vater des Opfers auf einem Sessel, die Hände zitternd um eine Tasse Tee geklammert. Das Gespräch war schwierig, voller Tränen und stockender Worte. Aber sie erzählte Lennert, dass Nina am Wochenende zu Besuch in Altena gewesen sei. Sie hatte sich mit Freunden getroffen, war aber nicht nach Hause gekommen. Am nächsten Morgen hatte sie als vermisst gemeldet.

„Hatte Nina Feinde? Irgendwelche Probleme?“, fragte Lennert vorsichtig.

„Nein“, flüsterte die Mutter. „Nina war ein liebes Mädchen. Sie hat… Sie hat niemandem etwas getan.“

Der Vater schüttelte den Kopf, Tränen liefen ihm über die Wangen. „Wer macht so etwas? Wer tut einem jungen Mädchen so etwas an?“

„Das versuche ich herauszufinden“, sagte Lennert leise.

Als er zurück im Büro war, war die Sonne schon untergegangen. Finke saß noch am Schreibtisch, aber der Rest der Wache war leer.

„Und, was sagen die Eltern?“ fragte Finke.

„Nichts, was uns weiterbringt“, antwortete Lennert. „Das Mädchen war zu Besuch, hatte Freunde hier. Kein Streit, kein Ärger. Es ergibt keinen Sinn.“

„Vielleicht ergibt's kahlen Sinn“, sagte Finke. „Oder vielleicht kriegen wir einfach 'nen neuen Fall. Willkommen bei den Profis, Chef.“

„Danke, Finke“, knurrte Lennert. „Wirklich hilfreich.“

Während er sich in seinem Stuhl zurücklehnte, konnte Lennert das Gefühl nicht abschütteln, dass dieser Fall noch viel größer und persönlicher werden würde, als er sich vorstellen konnte.

Kapitel 3: Der zweite Mord

Rainer Lennert saß an seinem Schreibtisch, die Füße auf der Tischkante, während er die Akte von Nina Schulte zum fünften Mal durchblätterte. Irgendetwas störte ihn, etwas fühlte sich falsch an, als würde ein entscheidendes Puzzleteil fehlen. Doch bevor er weiter darüber nachdenken konnte, riss ihn das schrille Klingeln seines Telefons aus der Konzentration.

„Lennert“, meldete er sich mürrisch.

„Chef, wir haben ein Problem“, kam Finkes Stimme aus dem Hörer. „Noch 'ne Leiche. Wieder ein junges Mädchen. Wieder erwürgt. Diesmal im Stadtpark.“

Lennert empfand, wie ihm das Blut in den Adern gefror. „Was zur Hölle… Wann wurde sie gefunden?“

„Vor etwa einer Stunde. Ein Jogger hat die Leiche entdeckt. Spurensicherung ist vor Ort, und Dürr hat schon angerufen. Das wird offiziell ein Serienmord, Lennert.“

„Scheiße.“ Lennert ließ die Akte auf den Tisch fallen, zog seine Jacke an und griff nach seinem Autoschlüssel. „Ich bin unterwegs.“

Der Stadtpark von Altena war ein kleiner, unscheinbarer Ort, beliebt bei Familien, Hundebesitzern und Joggern.

Jetzt war er in grelles Blaulicht getaucht, das die kahlen Bäume und das nasse Gras unwirklich erscheinen ließ. Polizisten hatten den Bereich weiträumig abgesperrt, und die Spurensicherung arbeitete bereits an der Leiche, die in einem Gebüsch nahe eines Spielplatzes gefunden worden war.

„Na, Chef, willkommen zur Scheißshow“, begrüßte Finke ihn, während er mit den Händen in den Taschen an der Absperrung stand. „Die Presse ist schon auf dem Weg, und Dürr will Ergebnisse.“ Und zwar gestern.“

„Halt die Klappe, Finke“, brummte Lennert und ging zum Tatort.

Das Mädchen lag halb auf dem Rücken, die Arme in einer abwehrenden Geste über der Brust. Ihr Gesicht war zu einer schmerzvollen Grimasse verzogen, der Hals wies denselben Würgemale auf wie bei Nina Schulte. Doch diesmal war die Szene noch grausamer. Der Täter hatte der Leiche eine seltsame Anordnung von Blumen auf die Brust gelegt – Wildblumen, die offensichtlich aus der Umgebung stammen.

„Was soll der Scheiß mit den Blumen?“ fragte Lennert die Spurensicherung, die gerade Fotos machte.

„Keine Ahnung“, antwortete einer der Techniker. „Vielleicht 'ne Kunstritual? Oder der Typ will uns verarschen.“

„Oder beides.“ Lennert runzelte die Stirn. „Identität der Frau bekannt?“

„Noch nicht“, sagte Finke, der hinter ihm stand. „Keine Papiere, kein Handy, nichts.“ Aber sie ist jung, also um die 20. Passt zum ersten Opfer.“

„Das hier ist kein Zufall“, sagte Lennert und deutete auf die Würgemale. „Der Typ macht das mit Absicht.“ Er genießt es. Langsam erwürgen, dann die Blumen. Das ist kein Affekt, das ist ein kranker Plan.“

„Willst du was trinken, Chef?“ fragte Finke mit einem schiefen Lächeln. „Ich hab 'ne Flasche Whiskey im Auto.“

„Halt die Fresse, Finke“, knurrte Lennert und wandte sich wieder der Leiche zu.

Zurück auf der Wache war die Stimmung gedrückt. Gabi stand an der Kaffeemaschine und starrte ausdruckslos auf den tropfenden Filter. Als Lennert eintrat, drehte sie sich zu ihm um.

„Noch 'ne Leiche, hab ich gehört“, sagte sie leise.

„Ja, Gabi, noch 'ne Leiche“, antwortete Lennert und ließ sich schwer in seinen Stuhl fallen.

„Und? Was machst du jetzt?“

„Was soll ich machen?“ Lennert starrte auf die Notizen, die er während der Besichtigung des Tatorts gemacht hatte. „Ich habe keine Ahnung, wer der Typ ist, warum er das macht oder was zur Hölle diese Blumen bedeuten.“ Ich bin kein verdammter Hellseher.“

„Vielleicht solltest du weniger rummotzen und mehr nachdenken“, sagte Gabi trocken und reichte ihm eine Tasse Kaffee.

Spät am Abend saß Lennert allein in seinem Büro. Der Regen prasselte gegen das Fenster, und die Neonröhren summten leise. Er hatte die Akten beider Morde vor sich ausgebreitet und versucht, Verbindungen zu finden. Beide Opfer waren jung, beide waren auf eine seltsame ritualisierte Weise getötet worden. Aber es gab keine offensichtliche Verbindung zwischen ihnen – keine gemeinsamen Freunde, keine ähnlichen sozialen Kreise.

Sein Handy klingelte. Es war Jutta Gruber, die Wirtin seiner Stammkneipe und eine der wenigen Personen, mit denen Lennert sich außerhalb der Arbeit abgab.

„Rainer? Bist du noch in der Wache?“

„Ja, warum?“

„Ich hab gehört, was passiert ist. Zwei Morde, oder? In Altena! Das ist doch irre.“

„Ja, ist es“, antwortete Lennert. „Was willst du?“

„Ich dachte, du könntest ein Bier gebrauchen.“ Oder zwei. Du klingst scheiße.“

Lennert zögerte. Er hatte eigentlich keine Zeit für Bier, aber Jutta hatte recht – er fühlte sich scheiße. „Ich komm vorbei.“

In Juttas Kneipe war es überraschend ruhig. Nur ein paar Stammgäste saßen an der Theke, und Jutta stand wie immer hinter der Bar. Als Lennert eintrat, schenkte sie ihm ein warmes Lächeln.

„Da bist du ja“, sagte sie und stellte ihm ein frisch gezapftes Pils vor. „Setz dich.“

„Danke“, murmelte Lennert und nahm einen tiefen Schluck.

„Und? Irgendwelche Fortschritte?“

„Keine“, antwortete Lennert. „Zwei Morde, null Hinweise. Der Typ ist ein Geist. Ein kranker, verdammter Geist.“

„Du kriegst ihn“, sagte Jutta bestimmt. „Du bist ein störrischer alter Bock, Lennert. Wenn einer den erwischt, dann du.“

Lennert lachte trocken. „Mal sehen, ob das reicht.“

Während er an seinem Bier nippte, konnte er nicht anders, als sich zu fragen, wie viele Leichen es noch geben würde, bevor er diesen Fall lösen konnte.

Kapitel 4: Der Druck steigt

Lennert saß am nächsten Morgen mit einem brummenden Schädel an seinem Schreibtisch. Die Nacht in Juttas Kneipe hatte zwar den Stress ein wenig gelindert, aber die Müdigkeit war wie eine Klette, die sich in seinem Geist festgesetzt hatte. Er rieb sich die Augen und starrte auf den Bildschirm seines Computers, wo er die Daten der beiden Opfer nebeneinander gelegt hatte.

Nina Schulte: 21 Jahre, Studentin. Besuchte ihre Eltern am Wochenende in Altena. Gefunden im Wald hinter dem Friedhof.

Das zweite Opfer: Noch keine Identität. Gefunden im Stadtpark, ebenfalls erwürgt, mit Blumen drapiert.

„Was willst du mir sagen, du Scheißkerl?“ murmelte Lennert leise vor sich hin und tippte mit dem Finger auf das Foto des zweiten Tatorts.

Der Klang schwerer Schritte reißt ihn aus seinen Gedanken. Finke stürmte ins Büro, einen Ausdruck in der Hand.

„Chef, wir haben die Identität vom zweiten Opfer!“ rief er, ohne sich um Lennerts missmutigen Gesichtsausdruck zu kümmern.

„Na dann spuck's aus, Finke, bevor du hier 'nen Herzinfarkt kriegst.“

„Katrin Voss, 19 Jahre alt. War Auszubildende in einem Friseursalon hier in Altena. Wohnt bei ihren Eltern, nicht mal zwei Kilometer vom Stadtpark entfernt.“

Lennert lehnte sich zurück und rieb sich das Kinn. „Zwei Morde, zwei junge Frauen aus Altena. Irgendwas verbindet die beiden. Was weißt du über ihre Familien?“

Finke blätterte in seinen Unterlagen. „Nix Auffälliges. Die Schultes sind Lehrer und Bibliothekarin. Die Vosses betreiben 'ne kleine Metzgerei in der Stadt. Beide Familien haben keine Vorstrafen, keine bekannten Feinde. Alles Bilderbuchbürger.“

„Scheiße.“ Lennert griff nach seiner Tasse Kaffee und nahm einen Schluck. „Die Blumen am zweiten Tatort – habt ihr rausgefunden, welche das waren?“

„Ja, die Botaniker in Hagen haben's untersucht. Kornblumen, Gänseblümchen und Löwenzahn. Alles Wildblumen, die in der Umgebung wachsen. Wahrscheinlich direkt aus dem Stadtpark gepflückt.“