Uns wird niemand mehr trennen - Aenne Bodmann - E-Book

Uns wird niemand mehr trennen E-Book

Aenne Bodmann

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Beschreibung

Die Familie ist ein Hort der Liebe, Geborgenheit und Zärtlichkeit. Wir alle sehnen uns nach diesem Flucht- und Orientierungspunkt, der unsere persönliche Welt zusammenhält und schön macht. Das wichtigste Bindeglied der Familie ist Mami. In diesen herzenswarmen Romanen wird davon mit meisterhafter Einfühlung erzählt. Die Romanreihe Mami setzt einen unerschütterlichen Wert der Liebe, begeistert die Menschen und lässt sie in unruhigen Zeiten Mut und Hoffnung schöpfen. Kinderglück und Elternfreuden sind durch nichts auf der Welt zu ersetzen. Genau davon kündet Mami. Dr. Volker Raabe spielte mit seinen Kindern, der siebenjährigen Judith und dem dreijährigen David im Kinderzimmer seiner Villa im Hamburger Vorort Bergstedt. Er pflegte das immer so zu halten. Die Stunde zwischen dem Abendessen und dem Schlafengehen gehörte seinen Kindern. Heute gab es nun einen besonderen Grund, diese Stunde noch ein wenig auszudehnen: Vater und Kinder mußten für ein paar Wochen Abschied voneinander nehmen. »Was wollen wir jetzt noch spielen?« fragte er. »Eisenbahn oder Menschärgeredichnicht? Oder habt ihr besondere Wünsche?« »Erzähl uns lieber was von früher, Vati«, bettelte Judith. »Au ja, Vati. Erzähl uns von früher«, stimmte David zu. »Was wollt ihr hören? Wie ich in die Schule kam und meine Schultüte zu Haus vergessen habe? Oder… wie ich mir das Bein gebrochen habe und im Krankenhaus liegen mußte?« »Das ist nicht so lustig«, meinte Judith. »Erzähl von Mutti«

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Mami – 2065 –

Uns wird niemand mehr trennen

Unveröffentlichter Roman

Aenne Bodmann

Dr. Volker Raabe spielte mit seinen Kindern, der siebenjährigen Judith und dem dreijährigen David im Kinderzimmer seiner Villa im Hamburger Vorort Bergstedt. Er pflegte das immer so zu halten. Die Stunde zwischen dem Abendessen und dem Schlafengehen gehörte seinen Kindern. Heute gab es nun einen besonderen Grund, diese Stunde noch ein wenig auszudehnen: Vater und Kinder mußten für ein paar Wochen Abschied voneinander nehmen.

»Was wollen wir jetzt noch spielen?« fragte er. »Eisenbahn oder Menschärgeredichnicht? Oder habt ihr besondere Wünsche?«

»Erzähl uns lieber was von früher, Vati«, bettelte Judith.

»Au ja, Vati. Erzähl uns von früher«, stimmte David zu.

»Was wollt ihr hören? Wie ich in die Schule kam und meine Schultüte zu Haus vergessen habe? Oder… wie ich mir das Bein gebrochen habe und im Krankenhaus liegen mußte?«

»Das ist nicht so lustig«, meinte Judith.

»Erzähl von Mutti«, bettelte David.

Volker Raabe seufzte. Er verstand die Kinder ja. Sie sehnten sich nach einem intakten Elternhaus, wollten Vater und Mutter haben wie andere Kinder auch. Aber es fiel ihm unendlich schwer, gerade über dieses Thema zu sprechen. Er hatte die Trennung von seiner Frau noch immer nicht verwunden.

»Vati, du wolltest uns von Mutti erzählen«, erinnerte ihn Judith.

»Ich wollte nicht, ihr wolltet es«, korrigierte der Vater seine Tochter.

»Kommt Mutti bald wieder?« fragte David.

»Nein, David. Eure Mutti will nicht mehr in Bergstedt leben. Sie wohnt jetzt in Vaihingen bei Stuttgart.«

»Da fahren wir morgen hin«, meinte Judith.

»Ganz recht.«

»Ist es da schöner als in Bergstedt?« fragte David.

»Ich weiß es nicht. Ich war noch nicht dort. Aber es gefällt eurer Mutti da besser als hier. Darum ist sie dorthin gegangen.«

»Frau Heyne sagt, sie hat einen neuen Mann«, verkündete Judith altklug.

»Auch das«, gab ihr Vater zu. »Aber das ist ganz allein die Sache eurer Mutti.«

»Mag sie uns nicht mehr leiden?« fragte David.

»Euch hat sie noch genauso lieb wie früher«, antwortete Volker Raabe. »Sie hat doch gewollt, daß ihr sie besuchen kommt. Darum fahrt ihr morgen zu ihr. Wenn sie euch nicht lieb hätte, würde sie euch doch nicht einladen, nicht wahr?«

»Hat sie dich denn nicht mehr lieb, Vati?« fragte Judith.

»Das ist eine schwierige Frage, Judith«, sagte der Vater und wünschte, er hätte sich auf dieses Frage-Antwort-Spiel nicht eingelassen. »Vielleicht kann ich es euch erklären. Im Kindergarten oder in der Schule habt ihr gewiß einige Kinder, die euch lieber sind als die anderen. So ging es eurer Mutti und mir. Wir mochten uns sehr und haben darum auch geheiratet. Aber dann passiert es euch im Kindergarten manchmal, daß ein neues Kind kommt und dieses Kind ist euch lieber als der bisherige beste Freund. So etwas hat eure Mutti erlebt. Sie hat einen Mann kennengelernt, den sie noch lieber hatte, als mich.«

»Und was ist mit uns?« fragte Judith feindselig. »Sie kann uns doch nicht einfach allein zurücklassen.«

»Aber Judith!« wies ihr Vater sie zurecht. »Ihr seid doch nicht allein. Ihr habt mich und Claudia und Frau Heyne. Im Kindergarten und in der Schule habt ihr viele Freunde.«

»Aber wir haben keine Mutti«, stellte David fest.

»Natürlich habt ihr eine. Und morgen fahrt ihr zu ihr. Freut ihr euch darauf?«

»Sie soll immer bei uns sein«, beharrte Judith. »Bei uns in Bergstedt.«

»Müssen wir immer wieder davon sprechen?« fragte der Vater unglücklich. »Das ist doch alles längst vorbei und vergessen. Mutti ist schon vor einem Jahr fortgegangen. Das war ihre eigene Entscheidung und die müssen wir akzeptieren. So, und nun möchte ich nichts mehr davon hören.«

»Komm doch mit uns, Vati«, schlug Judith vor.

»Das geht nicht, Kleines. Ich muß morgen früh nach Stockholm fliegen, ich habe wichtige Geschäfte in Schweden zu erledigen. Deswegen bringt euch ja auch Frau Heyne nach Stuttgart. Ich denke, daß ihr jetzt ins Bett gehen solltet. Vorher müßt ihr euch noch waschen und Zähne putzen.«

»Och, immer Zähne putzen«, maulte David.

»Ich komme gleich noch einmal zu euch und verabschiede mich«, versprach Volker Raabe.

Endlich marschierten die beiden in ihr Badezimmer. Volker hörte Spritzen und Plantschen von dort. Beide Kinder lachten vergnügt. Volker atmete auf. Es kam immer wieder vor, daß die Kleinen nach der Mutter fragten, aber sie vergaßen diese Stimmungen genauso schnell.

Als er in das Kinderzimmer kam, um ihnen den Gute-Nacht-Kuß zu geben, herrschte tiefer Friede.

»Ich wünsche euch eine gute Reise!« sagte er. »Und seid schön brav auf der Fahrt.«

Judith versprach es gähnend, während David schon eingeschlafen war. Da verließ Volker Raabe auf Zehenspitzen das Kinderzimmer wieder.

*

Als Judith und David am anderen Morgen erwachten, war ihr Vater schon auf dem Weg nach Fuhlsbüttel. Claudia Müller, die Kindergärtnerin, die sich normalerweise um die Kinder kümmerte, hatte schon gestern ihren Jahresurlaub angetreten. Judith und David sollten drei Wochen bei ihrer Mutter verbringen, wie es bei der Scheidung der Eltern vereinbart worden war. Frau Heyne, die Haushälterin, würde die Kinder zu ihrer Mutter bringen.

Nachdem sie sich am Fühstückstisch gesättigt hatten, wurden die drei auch schon vom Taxi zum Hamburger Hauptbahnhof gebracht.

Auf dem Bahnhof war alles interessant und neu. Beide Kinder fuhren zum ersten Mal mit der Eisenbahn. Bisher waren sie entweder im Auto oder mit dem Flugzeug gereist. Der Zug war schon da, und Frau Heyne fand Plätze in einem Frau- und Kind-Abteil. Dort, so hoffte sie, würden die lebhaften Kinder keine anderen Reisenden stören und konnten selbst ungenierter spielen. Kurz vor der Abfahrt erschien noch eine junge Frau mit zwei Kindern, von denen das eine in Judiths Alter sein mochte und das andere etwa so alt war wie David.

Es war eine sehr lustige Reisegesellschaft zusammengekommen. Die Kinder verstanden sich auf Anhieb und wußten viele lustige Spiele.

»Ich hatte große Angst vor dieser Reise«, meinte die junge Mutter. »Wenn meine Kinder sich langweilen, können sie unausstehlich sein. Aber es geht prima.«

»Mir geht es wie Ihnen«, meinte Frau Heyne. »Ich hatte schlaflose Nächte vor dieser Fahrt.«

»Sind Sie die Großmutter?«

»Nein, nein. Ich bin Haushälterin im Elternhaus der beiden Kinder«, antwortete Frau Heyne. »Es ist eine große Verantwortung für mich. Aber ich hoffe, daß alles gutgeht.«

»Bestimmt wird es das. Was soll im Zug schon passieren?«

Frau Heyne war müde und übernächtigt, das gleichmäßige Rattern des Zuges wirkte einschläfernd auf sie. Auch waren ihre zwei Schützlinge gut versorgt. Sie spielten eifrig mit den beiden mitreisenden Kindern, deren Mutter notgedrungen auf alle vier achtete. Es dauerte nicht lange, und Frau Heyne war eingeschlafen.

In Fulda verließ die junge Frau mit ihren Kindern den Zug.

»Och!« jammerte David. »Jetzt spielt niemand mehr mit mir. Darf ich Florian noch bis zur Tür bringen?«

Frau Heyne antwortete nicht.

»Geh nur, David!« meinte Judith. »Aber nur bis zur Tür! Hörst du? Dann kommst du zurück.«

An der Wagentür gab es ein heftiges Gedränge. Draußen auf dem Bahnsteig standen viele Leute, die einsteigen wollten. Sie hatten nicht viel Geduld und drängten schon in den Zug, als noch die junge Frau mit zwei Kindern und Gepäck aussteigen mußte. Es gab ein Durcheinander, in das David ganz gegen seinen Willen geriet.

Einer der Neueinsteigenden glaubte, dieser Kleine wolle auch nach draußen, hob ihn kurzerhand hoch und stellte ihn auf den Bahnsteig. Davids Schreien und Strampeln beeindruckte ihn nicht.

»Nun wein doch nicht, Kleiner«, sagte er. »Du mußt schnell raus, der Zug fährt gleich weiter. Lauf zu deiner Mutti!«

Damit gab er ihm einen freundschaftlichen Schubs, sprang selbst noch in den Zug und schloß die Wagentür.

Da stand David nun zwischen lauter hastenden und drängelnden Menschen. Der Zug fuhr ab, und niemand kümmerte sich um das verlorene Kind. Erst als sich die Menge verlief, fragte ihn eine alte Frau: »Wohin willst du denn, mein Junge?«

»Ich will zu meiner Mutti.«

»Und wo ist deine Mutti?«

»Ich weiß es nicht. Ich fahre ja erst hin.«

»Du fährst doch nicht allein. Irgend jemand muß doch bei dir sein. Soll ich dich zum Schaffner bringen oder zur Bahnhofsmission?«

»Nein!« sagte David schnell. Schaffner oder Bahnhofsmission schienen ihm ziemlich furchterregend zu sein. In seinem jungen Leben hatte er noch nie davon gehört. Da fiel sein Blick auf eine junge Dame, die seine Mutti sein konnte. Er hatte ja nur ganz vage persönliche Erinnerungen an sie, er kannte sie nur von Fotos. Und diese Frau da… sie mußte seine Mutti sein.

»Da ist ja meine Mutti«, sagte er darum und deutete auf die fremde Frau. Sie wollte offenbar in den Zug einsteigen, der auf dem gegenüberliegenden Gleis abfahrtsbereit wartete.

»Ja, wenn das so ist«, wunderte sich die alte Frau. »Dann lauf doch hin zu deiner Mutti. Sie wird dich schon vermissen. Beeil dich, Junge!«

»Mutti! Mutti!« rief David laut und rannte auf die Fremde zu, die noch nichts von ihrem Mutterglück ahnte.

»Hallo!« rief sie. »Wen haben wir denn da?«

»Mutti!« rief David hocherfreut.

»Wie heißt du denn, Junge?«

»David. Weißt du das denn nicht mehr, Mutti?«

»Hör mal zu, David, ich bin nicht deine Mutter, leider. Ein kleiner Sohn wie du würde mir schon gefallen. Wo soll deine Mutti sein und wie heißt sie?«

»Sie heißt Mutti und wir fahren jetzt zu ihr.«

»Wer ist wir?«

»Judith und Frau Heyne und ich.«

»Wo sind Judith und Frau Heyne?«

Davids Gesicht verdüsterte sich wieder. »Sie sind gerade weggefahren. Mit dem Zug. Und ich bin hiergeblieben. Der Mann hat mich rausgesetzt.«

»Ich rufe schnell die Bahnpolizei«, meinte die Fremde. »Sie wird dich zu deiner Mutti bringen oder zu Judith und Frau Heyne.«

David hörte nur das Wort Polizei und geriet in Panik.

»Muß ich dann ins Gefängnis?«

»Natürlich nicht, David. Kinder wie du kommen nicht ins Gefängnis. Man bringt sie nur nach Hause, wo sie hingehören.«

In diesem Augenblick wurden die Reisenden zum Einsteigen aufgerufen. »Ich kann mich nicht mehr um dich kümmern, David. Das ist mein Zug, den muß ich nehmen, weil ich heute abend in Passau schon meinen Dienst antreten muß.«

»Und ich?« fragte er fassungslos.

»Setz dich dort auf die Bank, David. Ich spreche im Zug mit dem Schaffner. Der telefoniert dann mit dem Bahnhof in Fulda. Das geht ganz schnell. Du wirst bald Hilfe bekommen. Also, bleib brav sitzen!«

Die junge Frau sprang in eine offene Wagentür. David sah es mit Entsetzen. Und noch ehe ihn irgend jemand hindern konnte, kletterte er die Stufen zum Zug hinauf, gerade noch rechtzeitig, ehe die Türen geschlossen wurden.

Der Zug setzte sich in Bewegung. Ratlos lief David den Gang entlang und schaute in die Abteile hinein. Und endlich sah er sie, sie, die er zu seiner Mutti ernannt hatte.

»Mutti!« rief er begeistert und trommelte an das Fenster der Tür. »Mutti, mach auf!«

Schließlich erbarmte sich einer der Mitreisenden und öffnete die Tür.

»Wollen Sie Ihren Sohn draußen stehen lassen?« fragte er mit deutlicher Mißbilligung.

»Es ist nicht mein Sohn«, sagte die Fremde hilflos.

»Da bin ich, Mutti!« krähte David begeistert.

»Aber, David, ich bin doch nicht… Nun hör mir mal gut zu: Ich bin nicht deine Mutti, ich heiße Ricarda.«

»Das ist aber ein komischer Name.«

»Unsinn. Du wirst ihn schon lernen, wenn du dir Mühe gibst. Also, von jetzt an sagst du Ricarda oder meinetwegen auch Tante Ricarda.«

»Meine Mutti heißt aber Martina.«

»Da siehst du es. Wenn sie Martina heißt, dann kann ich nicht deine Mutter sein, weil ich Ricarda heiße. Capito?«

»Gut, Ricarda.«

»Na wunderbar, David. Aber jetzt wollen wir beide uns einmal ernsthaft unterhalten. Sag mir bitte, was ich mit dir anfangen soll. Wen soll ich benachrichtigen, daß ich dich gefunden habe?«

»Du hast mich gar nicht gefunden. Ich habe dich gefunden«, stellte David den Sachverhalt klar.

»Meinetwegen, auch das. Du mußt doch wissen, woher du kommst, wie deine Eltern heißen, wo sie wohnen. Sie werden sich Sorgen um dich machen, ich muß mit ihnen telefonieren.«

»Vati ist nicht zu Hause. Der ist mit dem Flugzeug weggeflogen in ein anderes Land.«

»Und deine Mutti?«

»Die ist nicht mehr bei uns. Sie ist geschieden.«

Ricarda seufzte tief. Was hatte sie sich da aufgeladen? Zwar war David reizend, aber sie konnte ihn doch nicht einfach behalten! Es half nichts, sie mußte ihn weiter ausfragen, auch wenn seine Antworten wenig aufschlußreich waren.

»Wo wohnst du, David?«

»In Bergstedt.«

»Wo liegt denn das?«

»Ich weiß nicht. Ich glaube, es ist sehr weit von hier.«

»Wann seid ihr denn fortgefahren?«

»Gleich nach dem Frühstück. Ein Taxi hat uns zum Bahnhof gebracht, weil Kunze den Vati zum Flughafen fahren mußte.«

»Zu welchem Bahnhof hat euch das Taxi gebracht?«

»Zum Hamburger Bahnhof natürlich.«

Ein Stein fiel Ricarda von der Seele. Endlich eine Spur!

»Dann liegt Bergstedt bei Hamburg?«

»Ich glaube. In Hamburg ist Vatis Fabrik.«

Ricarda frohlockte. Ein weiterer Hinweis!

»Arbeitet dein Vati dort? Du hast mir noch nicht verraten, wie er denn eigentlich heißt?«

»Vati heißt Vati. Er arbeitet in der Fabrik, aber sie gehört ihm auch.«

»Hmm. Und was macht Frau Heyne bei euch?«

»Sie kocht für uns und hält das Haus in Ordnung. Manchmal schimpft sie auch mit Judith und mir, wenn wir Dummheiten gemacht haben.«

»Wie nennt Frau Heyne euren Vati?«

»Sie sagt Herr Doktor zu ihm.«

»Und Kunze? Was sagt der?«

»Der sagt Herr Direktor.«

Ricarda wollte schier verzweifeln. Wie entlockt man einem kleinen Jungen Namen und Anschrift seiner Eltern? »Wie alt bist du eigentlich, David?«

»Drei Jahre alt. Ich bin schon groß!«

»Das sehe ich. Aber ein so großer Junge müßte eigentlich schon wissen, wie er heißt.«

»Das weiß ich doch auch. Ich heiße David. David Raabe.«

Na, endlich! Ricarda atmete auf.

»Dein Vater heißt also Dr. Raabe und wohnt in Bergstedt bei Hamburg. Richtig so? Ich werde heute abend mit ihm telefonieren und ihm sagen, daß du bei mir bist.«

»Er ist doch weggeflogen.«

»Ja, richtig. Ist denn niemand im Haus?«

David schüttelte seinen Kopf.

»Nein. Claudia hat Urlaub, und Frau Heyne sollte Judith und mich zu meiner Mutti bringen.«

»Wo wohnt denn deine Mutti? Heißt sie auch Raabe?«

»Ich glaube nicht. Und wo sie wohnt, das weiß ich auch nicht. Es ist schrecklich weit von Hamburg entfernt.«