Unvergessenswertes - Michael Hauenschild - E-Book

Unvergessenswertes E-Book

Michael Hauenschild

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Beschreibung

Wer kennt sie nicht: die Worte, die keiner vernimmt, die Beobachtungen, die niemand teilt. Zusammengefasst ergeben sie genau die Mischung aus Geistlosem und Unsinn, arrangiert mit einem Hauch Zeitgemäßem, wie sie in diesem Band präsentiert wird.

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Seitenzahl: 197

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Kurzgeschichten und Beobachtungen

Ich schreibe diese Texte, um mir Übung für das Verfassen technischer Konzepte zu verschaffen und meinen Beobachtungen und skurrilen Gedanken Raum zur Entfaltung zu geben. Dem Leser werden die einfachen Satzkonstruktionen auffallen, es sei erwähnt, dass mein Deutschlehrer leider nicht mehr lebt, um irgendwelche Ansprüche geltend zu machen. Dennoch habe ich Spaß an der Sache und für eine Veröffentlichung waren die Texte sowieso nie gedacht.

Warum sie jetzt doch veröffentlicht sind? Ich habe keine Ahnung! Die Antwort liegt wahrscheinlich irgendwo zwischen meinem Alter und dem Wissen um die Dinge, die man(n) im Leben tun sollte.

Danke …

… an meine Familie, die beim gemeinsamen Lachen über die Texte viel Hilfestellung gab und mir bei meinem Projekt „Buch“ vollkommene Unterstützung zukommen ließ,

… an meine Schwester Eva für ihr liebesvolles Feedback zu den Geschichten,

… an meinen Cousin Kurt Hauenschild, Architekt und Maler, für den Umschlag und die unschlagbare Wortspende „Unvergessenswertes“, die er mir Gott sei Dank zur Nutzung überlassen hat,

… an alle anderen, die sich geduldig meine Entwürfe anhörten und mich in meiner Arbeit bestärkten.

Inhaltsverzeichnis

Hundstage

Zeitungsente

Meierei

von fischgARten zu fischgRAten

X &

Paarspiele

Illusionen

Zum Vergessen

Das Gedicht der anderen

Gedankenlos

Heimflug

Glauben

Gedankenfluss

ENDlich

Weihnachten

CatchUp

Gesprochenes

Fahren

Kopfkomplex

Fotoshooting

Der Vortrag

Liebe und andere Augenblicke

Schrottplatzgeschichte

Der Tanz (Paso doble)

Die Prüfung

OPFL

Mord-Seele-Trilogie

Blattschuss

Herz – Strom – Tod

Herz – Eifer – Fallen

Das tägliche Morgengrauen

Die Kennenlernphase

Hundstage

V 1.1, Juli 2014, Erfundenes

Sie war richtig vernarrt in ihn, Flocki nannte sie ihn liebevoll. Er durfte bei ihr im Bett schlafen und jeden Abend rollte er sich zu ihren Füßen ein. Sein Frauerl achtete darauf, dass er immer ein Halsband trug, denn seine Kraft entfaltete sich in der Wohnung manchmal unkontrolliert. Sie sammelte Halsbänder und sie kaufte stets passende Leinen dazu, ihr liebstes Stück war ein mit Swarovskikristallen geschmücktes Teil, das sie zu ihrem dreißigsten Geburtstag geschenkt bekommen hatte. An jedem ihrer Geburtstage legte sie ihrem geliebten Flocki dieses Schmuckstück an.

Flocki war ein kräftiger Rüde, gut gebaut, aber leider eine Promenadenmischung ohne Herkunftsnachweis, sonst hätte er ganz bestimmt Preise bei Ausstellungen gewonnen. So aber war er nur ein einfacher Siedlungsliebling mit einer gewissen Ausstrahlung. Alle mochten ihn, egal ob Groß oder Klein.

Jeden Tag weckte Flocki sein Frauerl in der Früh mit eifrigem Lecken, worauf sie ihm den Kopf streichelte und die Brusthaare kraulte. Flocki drehte sich dabei immer auf den Rücken und genoss es sichtlich, ein leises Knurren zeigte das an. Nach diesem täglichen Ritual ging seine Besitzerin in die Küche, um ein Frühstück zu bereiten. Dabei achtete sie stets auf gute Zutaten und kaufte keine Hundewurst oder Dosen im Supermarkt. Stattdessen machte sie alles selbst. Jeden Tag schleppte sie schwere Einkaufstaschen vom Fleischhauer heim, mit vielen leckeren Sachen wie Leber, Herz und Nieren. Es machte ihr nichts aus, für ihren geliebten Flocki zu kochen, sie mischte ein paar Haferflocken oder Reis unter das Frischgekochte, ließ es ein paar Minuten überkühlen und servierte es ihm in einer Silberschale. Diese Schale war ein Erbstück ihrer Mutter und schon als Kind hatte sie ihre Haustiere daraus gefüttert. Flocki strich um sie herum vor freudiger Erregung und stürzte sich dann begierig auf sein Fressen. Er schlang es regelrecht hinunter, fast ohne Luft zu holen.

Durch seine immense Kraft brauchte er viel Bewegung, deswegen gingen die beiden jeden Abend eine ausgedehnte Runde durch die nahen Wälder. Sie verweilten oft an den Wiesen, um mit dem Ball, Flockis Lieblingsspielzeug, zu spielen. Er brachte die von seinem Frauerl geworfenen Bälle mit großer Ausdauer immer wieder zurück. Flocki war an der frischen Luft äußerst gutmütig, er ging oft neben seinem Frauerl, kümmerte sich nicht um andere Hunde und folgte aufs Wort. Sie waren ein richtig glückliches Paar.

Es war ihr vierzigster Geburtstag, als sie ihr Glück verließ. An diesem Morgen wollte sie gerade das geliebte Kristallhalsband um Flockis Hals legen, als dieser sie anfauchte: „Ich will nicht mehr dein Hund sein, lass mich Mann sein!“

Zeitungsente

V 1.2, eine Idee aus den 1980ern, April 2013

Wäre die Zeitungsente lebendig, würde sie Buchstaben fressen und ihr Kot hätte vom Drucken Schwärze. Bei den kleinen Zeitungen in Österreich bekäme sie als Kurier der schlechten Presse Heute die Profil-lose Krone im Standard-Format aufgesetzt.

Meierei

V 1.0, Jänner 2013, in einem Anflug von Sinnlosigkeit

Ein Hund fängt keine Fische

Ein Hahn legt keine Eier

Der Geist oft in der Nische

Nicht alle heißen Meier

von fischgARten zu fischgRAten

V 1.0, April 2015

Der Antritt des wohlverdienten Urlaubs der gestressten Eltern wurde durch den Einzug der Großeltern in das kleine Reihenhaus erleichtert. Das gab den zurückbleibenden Kindern ein Gefühl der Geborgenheit und den Eltern die Möglichkeit, ein wenig loszulassen. Das Gepäck der Ankommenden glich dem bei einem Umzug über Kontinente anfallenden, aber letztlich fanden alle Taschen und Sackerln Platz im kleinen Haus. Nach der Verabschiedung der Eltern Richtung Flughafen nahm die Geschichte ihren Lauf. Da die Kinder noch im Kindergartenalter waren und ein paar Feiertage anstanden, waren die morgendlichen Aufwachphasen entspannt und voller Freude. Opa machte immer seinen Frühstücksspaß und brachte damit die Kinder zum Lachen. Das frühlingshafte Wetter erlaubte es, die Terrassentür schon früh am Morgen zu öffnen, was vor allem dem Kater und seinen morgendlichen Spaziergängen zugutekam. Durch eine Verletzung im zarten Alter von sechs Monaten gehandicapt, benutzte er die Katzentüren nur, wenn es notwendig war. Die Ausflüge nutzte der Stubentiger, um in den Gewässerbiotopen der Nachbarschaft zu jagen, und an einem dieser sonnigen Morgenstunden glückte ihm ein großer Fang. Der Goldfisch von circa zehn Zentimetern hatte nicht wirklich eine Chance gehabt, dem geübten Jäger zu entkommen. Dem Kater erschien die zappelige Beute hingegen als ziemlich nutzlos und er beschloss deshalb, sie im heimischen Garten zu platzieren. Dabei wurde er von den Kindern des Hauses beobachtet, diese liefen sofort zur Oma, um das Gesehene zu berichten. Die erledigte gerade im Bett ein paar der fünf Tibeter.

„Aufwachen, Oma, schnell, der Kater hat irgendwas Glänzendes im Garten abgelegt, es bewegt sich noch.“ „Ja, ich komm ja schon, ich muss nur auf meinen Blutdruck warten, der muss auch mit.“ Der verständnislose Blick der Kinder allerdings zeigte ihr, dass das Ding im Garten wichtiger war als ihr Befinden. Gemeinsam eilten sie auf die Terrasse, um des Katers Beute zu inspizieren. „Ein Fisch“, schrie das kleine Mädchen, während der Bub sich an die Hauswand zurückzog. „Oh, ein Fisch.“ Ein wenig später erkannte auch die Oma das Objekt, um es gleich darauf am Schwanz zu packen und ins Haus zu tragen. Der sichtlich schockierte Junior fragte mit leiser Stimme: „Oma, was machst du damit?“ „Naja, was man mit Fischen halt so macht, putzen und in die Pfanne schmeißen, den gibt’s zum Frühstück.“ Die Kinder erstarrten und beobachteten mit ungläubigen Blicken die Arbeiten in der Küche. Erst als der Fisch in der Pfanne lag, gelang es ihnen, nach dem Opa zu rufen. Als die Kinder ihm von der Tat der Oma berichteten, lächelte er nur und erklärte: „Ja, so ist sie immer, was man irgendwie verwerten kann, wird verkocht.“ Die Stimmung am Frühstückstisch war sichtlich gedrückt und Hunger hatte keines der Kinder mehr. Die Oma hingegen widmete sich genüsslich dem morgendlichen Fischteller.

X &

V 1.1, Jänner 2013

Jeder sagt, i bin scho därrisch

Des klingt a bisserl esoterisch

Ziagt auf a schiches weda

red’n d’ Leit von Ayurveda

Bin i wirklich so blemblem

Vielleicht hilft ma da de TCM

I fühl mich nämlich halbert hi

Ich versuch’s mit Homöopathie

Gedacht von einem Philosoph

der anschließend glei weidasoff

Paarspiele

V 1.0, Februar 2013, verfasst in der Gegenwart, Erfundenes

Diesen Morgen wird Anton B. nicht so schnell vergessen. Von schweren Kopfschmerzen gezeichnet blinzelt er den ersten Sonnenstrahlen entgegen. „Was war passiert?“ Wie ein Film laufen die einzelnen Ereignisse durch den Kopf des Morgenmuffels. Er war schon so oft feiern, aber an so einen Brummkopf kann er sich beim besten Willen nicht erinnern. Überhaupt, wie er so nachdenkt, fehlt ihm die ganze letzte Nacht. Mit einem Ächzen wuchtet er seinen schweren Körper in die Höhe, das Bett knarrt mehr als bedenklich, aber es war seine erste eigene Investition, die gibt man so schnell nicht auf.

„Wo ist eigentlich Klara?“ Der verklärte Blick wandert suchend nach seiner Ehefrau durchs Schlafzimmer und erstarrt in Anbetracht des Bildes, das sich ihm bietet: Blut, überall Blut, und eine Sau liegt an seiner Seite, fein säuberlich geteilt. Ein Rülpser entfährt seinem gestressten Magen, die Erschütterung der Speiseröhre bringt seinen Kopf zum Beben und mit einem Ruck entleert sich sein Magen auf den Fußboden. Schwer gezeichnet blickt er wieder auf den Sauschädl, das hellgelbe Bettzeug mit den roten Flecken lässt die Gedanken in seinem gestressten Hirn rotieren: „Wie kann mir so etwas passieren, mir, dem abgebrühten, eiskalten Menschen, der immer alles unter Kontrolle hat? Warum“, sinniert er weiter, „habe ich eine Sau im Bett?“

Der nächste Gedanke, der ihm durch den Kopf schießt, ist typisch für seine eigentliche Lebenseinstellung: „Ist das Tier noch essbar?“ So weit er zurückdenken kann, und das sind immerhin mehr als fünfzig Jahre, hat er von so einer Situation noch nie gehört. Hin und her gerissen zwischen den drei Hauptsorgen – Essen, Entsorgen und der Frage des Wohers – wälzt er sich aus dem Bett und stapft ins Badezimmer. Der Blick in den Spiegel bestätigt ihm, dass er älter aussieht, als er ist, der Alkohol hat schwere Zeichen in sein Gesicht geritzt und seine grenzenlose Faulheit zeigt sich an seiner Körpermasse, die der Spiegel kaum noch zu reflektieren vermag. Je länger er sich betrachtet, desto weniger sieht er sein eigenes Antlitz, vielmehr versinkt er in seine Gedanken, denn es muss ein Plan her.

Als Erstes gehört das tote Vieh entsorgt, er wird es im Wald vergraben. Als zwangspensionierter Jäger – er hatte einst über das Ziel hinausgeschossen – besitzt er noch eine Wildwanne. Darin wird er die Sau abtransportieren und sie in seinem alten Revier beisetzen. Die Bettwäsche wird er versuchen zu verbrennen, ungleich schwieriger erscheint ihm die Entsorgung der Matratze und des Perserteppichs, ein Geschenk seiner Mutter. Plötzlich hat er einen Gedankenblitz: Ein Sonnwendfeuer wird es richten, der Sommer ist nicht mehr allzu weit entfernt und Garten hat er ja genug.

„Es lebe die Grünoase“, murmelt er leise vor sich hin. „Bis dahin stopfe ich alles in die große Tiefkühltruhe im Keller.“

Erleichtert schnappt er nach Luft und in seinem Spiegelbild sieht er ein schmales Lächeln auf seinen Lippen, die erste Sorge ist er los. Zufrieden duscht er den Kopf frei und schleicht danach in die Küche, um bei einem Kaffee den zweiten Teil des Planes zu entwickeln. Der Koffeingehalt des Getränks füllt nicht wirklich seine Gedächtnislücken und Klara fehlt ihm als Gesprächspartnerin. Nicht, dass sie sich im Alltag viel zu sagen hatten, aber jetzt wo er sie braucht, ist sie fort. „Typisch, Klara!“, flucht er mehrmals lautstark in die Küche. Er beschließt, mangels anderer Ideen, im Lokal seines Vertrauens mit den Nachforschungen zu beginnen.

Pünktlich um zehn Uhr abends erstrahlt sein Haus im alten Glanz und die Sau liegt im Wald in ihrer letzten Ruhestätte. Anton B. zieht sich um für die glanzlose Nacht und macht sich auf den Weg in sein Stammlokal, um die Stunden der zurückliegenden zu ergründen. Im Café P.I.G. angekommen geht er auf direktem Weg zu seinem Stammplatz an der Bar, hinter der Theke poliert Wirt Ferdl einen Satz neuer Weingläser. Anton platzt ohne Gruß mit seiner ihn quälenden Frage heraus: „Ferdl, ich habe die komplette letzte Nacht vergessen. Hilf mir, war ich da?“

Eine ihm völlig fremde Frau antwortet mit hörbar schwerer Zunge, bevor Ferdl auch nur ein Wort von sich geben kann: „Du, du bist der, der gestern da an der Bar vom Hocker gefallen ist, dann bist aufgestanden und hast gesagt, du gehst Zigaretten holen. Ich war die ganze Nacht da, gekommen bist du nimmer. Ich hab dich nimmer gesehen und ich muss es wissen, stimmt’s, Ferdl?“

Anton sucht zwecks Bestätigung der Aussage nach dem Wirt, kann ihn aber nicht mehr finden und beschließt deshalb, sofort dem Hinweis der Bardame nachzugehen, bevor die Trafik für heute schließt. Die Rauchwarenhandlung hat noch geöffnet, da sie sich am Bahnhof befindet, wo längere Öffnungszeiten erlaubt sind. Anton läuft verzweifelt zum Zugterminal, am Weg dorthin denkt er das erste Mal über die Worte der Frau nach, dabei kommen ihm sofort Zweifel an ihrer Geschichte. Er hatte doch bereits vor Jahren mit dem Rauchen aufgehört, weshalb sollte er dann Zigaretten geholt haben? Er beschließt dennoch zur Trafik zu gehen. Zwanzig Minuten später sieht er sich in seiner Skepsis bestätigt, denn die Trafikantin hatte ihm nicht weiterhelfen können. Frustriert eilt er zurück zum Café, die falsche Fährte lässt ihn schier verzweifeln, der Wirt muss ihm helfen. Endlich an der Bar angekommen, stürmt er auf Ferdl zu und erzählt ihm noch einmal die Geschichte von der Sau und schimpft über die Unbekannte, die mittlerweile am Barhocker eingeschlafen ist.

„Was glaubst denn den Blödsinn von der Alten da, die ist jeden Tag so fett wie ein Schmalzbrot“, lacht Ferdl, wobei er Anton angrinst. „Du bist da mit so an Bladen an der Bar gesessen, i kenne den Typen auch nicht, aber ihr habt ein paar Bier und noch mehr Schnaps gesoffen, a bisserl über Schweine geredet und dann seid ihr gemeinsam abgehaut. I hab euch noch ein Taxi gerufen.“

Anton will mehr vom Wirt erfahren, doch der kann zur Aufklärung des Falles nichts weiter beitragen. Schweigend bringt er dem Fragenden noch eine Visitenkarte eines Taxiunternehmens gemeinsam mit dem heiß ersehnten Bier. Ohne zu zögern leert Anton das Glas in einem Zug. „Wo bin ich mit dem Typen hingefahren? Ich werde einfach dort anrufen.“

Der Erinnerungslose hat eine neue Fährte gefunden. Sein Griff in die Tasche nach seinem Handy geht jedoch ins Leere. Irgendwie hat er in der ganzen Aufregung vergessen, dass er es seit dem Vortag nicht mehr gesehen hat, auch heute, während der Putzaktion, ist es ihm nicht untergekommen. Vergrämt grabt er ein paar Münzen aus dem Hosensack und geht zur Telefonzelle ins Hinterzimmer. Die Taxizentrale ist wenig begeistert von der nächtlichen Geschäftsstörung, lässt sich jedoch aufgrund der Hartnäckigkeit des Anrufers erweichen und teilt ihm das Fahrziel seines nächtlichen Ausfluges mit: Fleischerei Sauber!

Ein kurzer Blick ins Telefonbuch und Anton hat seine neuen Zielkoordinaten gefunden, schnurstracks, ein bisschen kopflos, marschiert er los. Er verdrängt die fortgeschrittene Stunde aus seinem zermürbten Hirn, der Gedanke an die Lösung des Rätsels zu seiner durchzechten Nacht treibt ihn unermüdlich vorwärts. Es ist kurz nach sechs Uhr morgens, als er endlich, vollkommen fertig und verschwitzt, beim Fleischer ankommt. Er entledigt sich noch schnell einer durch die Aufregung hervorgerufenen Blasenfüllung und hält es für angemessen, seinen Drang am Schild für frische Grammeln loszuwerden, da er sich ganz sicher ist, hier die Sau abgestaubt zu haben. Sozusagen Rache für das versaute Schlafzimmer. „Die Grammeln sind sicher von einer mageren Sau“, grummelt er leidvoll beim Wasserlassen. Im Hinterzimmer der Fleischerei entdeckt er schon Licht. Wie von Sinnen schlägt er daraufhin auf die Tür ein, drückt mehrmals fest die Klingel und beginnt zu allem Überdruss auch noch zu schreien. Hinter der gläsernen Eingangstür sieht er eine große, mächtige Masse anrollen, er weicht einen Schritt zurück, stolpert und fällt auf sein gut gepolstertes Hinterteil. Die Tür wird langsam geöffnet und ein sichtlich angespannter Fleischer faucht ihn ziemlich wütend an: „Was soll der Lärm, das Geschäft öffnet erst in zwei Stunden!“

Plötzlich stutzt der Fleischer und sagt ganz leise: „Servus, Anton.“ Anton schluckt. „Wer bist denn du? Ich kenne dich nicht!“ „Komm rein, der Kaffee ist fertig“, sagt der andere. „Ich bin der Fredi, wir haben uns gestern im Café P.I.G kennengelernt!“

Langsam erhebt Anton seinen massigen Körper und schleicht am Dicken vorbei in das hell erleuchtete Zimmer am Ende des Ganges. Ihm bleibt der Atem weg, denn er sieht plötzlich zwei Dinge vor sich, mit denen er hier nicht gerechnet hat: sein verloren geglaubtes Handy und seine Frau Klara, die mit hochrotem Kopf, weit geöffneter Bluse und hochgeschobenem Rock am Küchentisch sitzt. An die hatte er in den letzten Stunden gar nicht mehr gedacht.

„Was machst du denn da?“, fragt er mit ungläubigem Blick. „Weißt’ nicht mehr, wir haben Frauentausch gespielt, gestern Nacht, der Fredi, du, Lisa und ich, mich gegen die Sau!“

Illusionen

V 1.0, irgendwann …

Welche Nacht ist besser geeignet für den Traum eines neuen Lebens als die letzte. Die Veränderung endet meist am Morgen in einer Erstarrung beim täglichen Blick in den Spiegel und schickt die Leidtragenden geradeaus ins mentale K.o.

Zum Vergessen

V 2.0, März 2013

Doktor Magister,

seine Titel vergisst er,

der Geist ist verloren,

ist wie neugeboren,

der Kopf ist noch seiner,

er hat den Alzheimer.

Das Gedicht der anderen

V 1.2, November 2013, weil uns die anderen bewegen oder auch nicht

Während wir uns hier täglich stressen

Suchen andere ihr nächstes Essen

Während wir hier laufend träumen

Sind andere beim Dreckaufräumen

Während wir uns zärtlich lieben

Fliehen andere vor harten Hieben

Während wir sinnlos Geld ausgeben

Kämpfen andere um banales Leben

Während uns das Leben maßlos gefällt

Leben die in einer ganz anderen Welt

Von der Gier im Geist besessen,

Gelingt’s, die anderen zu vergessen

Das fällt uns gar nicht so schwer

Denn die! Die sind doch nur irgendwer

Es ist auch gar nicht so hart zu ertragen,

Denn wir stellen wirklich keine Fragen

Wir sind so stolz auf diese Ignoranz

Die anderen bewerten es als Arroganz

Es sind die anderen, die uns nicht bewegen

Das hilft, die Vorurteile darüber zu hegen | pflegen

Gedankenlos

V 1.0, irgendwann …

Bekommt man mit sinnlosem Mitleid wirklich mit Sinn das Leid los?

Heimflug

V 0.7, April 2015

Die Anreise zum Flughafen vom Hauptbahnhof aus zeigt viele gescheiterte Gesichter einer an sich schmucklosen Stadt im Ruhrgebiet. Das Bier, in den Lokalen der Stadt in kleinen Gläsern serviert, hier in größeren Mengen konsumiert, veredelt die zahlreichen Obdachlosen, ja bringt ihre Augen regelrecht zum Glänzen. Auch ohne Dach über dem Kopf geht immer eins.

Im Zug zum Flughafen spielt sich ansonsten das normale Leben pendelnder Menschen im Umfeld von Großstädten ab, nicht besonders beeindruckend, aber überall anzutreffen. Von der Haltestelle bis zum Terminal ist es ein weiter Weg durch schmuck renovierte Hallen, einzig die Toilette scheint bei der Restaurierung vergessen worden zu sein.

Die Prozedur der Durchleuchtung entblößt den Reisenden im Nacktscanner und vor streng schauendem Wachpersonal, stiller Beobachter dabei die Schlange der Wartenden. Die Angst des Persönlichkeitsverlustes liegt wie ein Schatten über den Gesichtern in der Schlange. Scheinbar mangels Personals bleiben die Hälfte der Gepäckscanner unbesetzt, die Wartebereiche dadurch überfüllt.

Nach endlosen Minuten des Wiederankleidens betritt der Passagier die Wartehalle gemeinsam mit einer Horde betrunkener Schüler, die sich im Wettstreit um das nächste Bier ein lautstarkes Wortgefecht liefern. Das Boarding gelingt manuell durch Ablesen der Namen vom Boardingpass, da das digitale Lesegerät seinen Dienst versagt. Die Routine des Personals lässt auf einen Dauerzustand schließen. Die Anlieferung der Reisenden von der Halle zum Flugzeug erfolgt im Bus, der ein paar Kreise über das Rollfeld zieht, um letztlich den Heimwollenden vor dem Flieger in der Nähe des Abfahrtpunktes abzuladen. Der Weg zum reservierten Sitzplatz ist leicht. Aber die Freude vergeht schnell angesichts der Temperatur. Die Geschäftsreisenden im vollen Flieger stöhnen gemeinsam über die Wärme und die nicht vorhandene Luftumwälzung. Das gut gebuchte Transportmittel geizt obendrein noch mit Ablagen für überdimensioniertes Handgepäck. Die nette, aber leicht genervte Flugbegleiterin schließt schwungvoll die Handgepäckaufbewahrungen, um gleich anschließend mit Gurt und Maske das Startritual abzutanzen. Das Warten geht in die nächste Runde, Passagiere sitzen immer noch mehr schwitzend in viel zu engen Sesseln und fiebern dem Abflug entgegen. Die Stewardess kontrolliert ein letztes Mal mit strengem Blick die Gurte der Reisenden, bei diesen zeigen sich neben den Tropfen erste Falten des Zorns über dem Nasenkamm. Die Minuten des Nichtstuns vergehen leider nicht im Flug, so dass der Kollaps immer näher rückt. Die Ansprache zum Flug geht einher mit der sich endlich einschaltenden Klimaanlage, die Reisenden kühlen sich zumindest emotional langsam ab. Mit kurzem, aber heftigem Ruckeln und laut aufheulenden Triebwerken setzt sich der Vogel langsam in Bewegung. Der Weg zur Startbahn erscheint endlos im dichten Flughafenverkehr. Das Dröhnen der Turbinen erschüttert das Trommelfell der noch immer Schwitzenden, die unruhig in ihren Sitzen die Feuchtigkeit verteilen. Der einsetzende Schub der Triebwerke erlöst von den Qualen des Wartens, der Flieger hebt ab. Der Flug in den wohl für einmetersechzig große Personen bestimmten Sitzen verläuft wenig entspannt. Die Situation spitzt sich zu, wenn der Vordermann seinen Sessel in die Liegeposition bringt. Der Schmerzensschrei des Hintermannes verhallt im Lärm der heulenden Motoren. Der freundlichen Anregung, den Sitz wieder in Normalstellung zu nehmen, wird mit beleidigtem Gesicht zentimeterweise nachgegeben. Der übergewichtige Nachbar zwängt bei jeder seiner ungelenken Bewegungen immer mehr Fleisch unter der Armlehne hindurch, gemäß der Schweißpaarungsverordnung der EU ein offenbar zu ertragendes Muss.

Ist der Vogel endlich am Rollfeld des Zielflughafens zum Stehen gekommen, beginnt die Hektik des Aufbruchs. Irgendwo muss ein Wettbewerb ausgeschrieben sein, der den schnellsten Passagier mit dem goldenen Hektikorden ausstattet, anders ist der Kampf um das Handgebäck in der Ablage nicht zu erklären. Aber davor gibt es noch das Match um das am schnellsten aktivierte Handy. Der Weg über die Gangway ist steil, aber machbar, so knapp vor dem Ziel will kein Passagier schlappmachen. Was folgt, ist der lange Gang durch die großartige Fehlplanung zum Exit. Über viele verschiedene verschlungene Wege werden die Passagiere zum Ausgang geleitet, um sich wenig später an zwei viel zu engen Rolltreppen wiederzutreffen. Der Unmut erreicht ein neues Niveau, denn der schwitzende Sitznachbar aus dem Flieger stolpert abgehetzt auf die Treppe und macht ein Vorbeigehen unmöglich. Wie bei einem verstopften Wasserrohr wächst die Traube am Einstieg in die Rolltreppe. Eilige rufen heftige Empörung hervor bei dem Versuch, die Menschenmenge zu überholen. Hat man schließlich die Treppen passiert, bleibt nur noch der Kampf durch das Meer der Abholdienste am Ausgang zu überstehen, um endlich anzukommen. Unmengen von Zetteln, Tablets oder Tafeln werden dem Nach-Hause-Wollenden vors Gesicht gehalten. Oftmals bekommt man das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen, wenn man nicht so heißt, wie auf dem Schild abgebildet. Geschafft erreicht der Reisende nach schier endlosen Läufen durch Tunnel endlich das Transportmittel seiner Wahl vom Flughafen nach Hause. Die Urlaubserholung ist zu diesem Zeitpunkt bereits Bestandteil der Vergangenheit.

Glauben

V 2.0, April 2013

Willst du an die Kirche glauben,

hängen hoch für dich die Trauben.

Willst du an die Menschen glauben,

werd’n s’ dir den Verstand schnell rauben.

Glaubst du aber nur an dich,

entdeckst du meist dein eignes Ich.

Gedankenfluss

V 1.1, Mai 2013

Ich gehe und nicht lauf

Ich trinke und nicht sauf

Ich esse und nicht fresse

Ich zähle und nicht messe

Ich stehe und nicht liege

Ich gleite und nicht fliege

Ich ebne große Räume

Ich lebe meine Träume

ENDlich

V 1.1, April 2013, Erfundenes