Upside Down - Fionna Seiffert - E-Book

Upside Down E-Book

Fionna Seiffert

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Beschreibung

Bisher hat Kommissarin Ella Reyes jeden ihrer Fälle gelöst. Doch als der Kunstraub des Isabella Steward Gardner Museums ihr Interesse weckt, glaubt niemand, dass sie es schaffen wird, ihn zulösen. Über dreißig Jahre sind seit dem Raub vergangen und von den Gemälden fehlt noch immer jede Spur. Ella weiß, dass sie neue Wege gehen muss, um den Fall zu lösen.

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Seitenzahl: 107

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Ähnliche


Inhaltsverzeichnis

Kapitel EINS

The Boston Globe

Kapitel ZWEI

Kapitel DREI

Kapitel VIER

Kapitel FÜNF

Kapitel SECHS

Kapitel SIEBEN

Kapitel ACHT

Kapitel NEUN

NACHWORT

EINS

Gegenwart: 1990

Eine kleine Gruppe Partygäste ging lachend an dem roten Doge Daytona, der am Straßenrand parkte, vorbei. Inzwischen war es schon nach Mitternacht, und die Straßenlaternen beleuchteten die Straße nur geringfügig. Keiner der bisher erschienenen Gäste schien das Auto oder die darin sitzenden Männer zu bemerken. Sobald die Gruppe der Gäste im Eingang des schräg gegenüberliegenden Hauseingangs verschwunden war, kam Bewegung in den jüngeren der beiden Männer. Mit seinem dunklen Haar und der dunklen Polizeiuniform war er in dem Auto so gut wie unsichtbar. Ohne großes Interesse zündete er eine Zigarette an und zog lange daran. Durch das Klicken des Feuerzeuges und den sich im Auto verteilenden Qualm, erregte er die Aufmerksamkeit seines Kollegen. Auch er war im Dunkeln schwer auszumachen, nur seine Brille reflektierte manchmal das Licht der Straßenbeleuchtung.

„Du kennst die Anweisungen“, knurrte er. Als habe er nichts gehört, nahm der Jüngere einen weiteren Zug und schaute dem Qualm, der aus seiner Nase kam, nach.

„Kann ich was dafür, dass wir schon seit mehr als zwei Stunden in diesem Auto sitzen, ohne die kleinste Ablenkung? Ich sage nicht, dass die Frauen auf dieser Party nicht einiges zu bieten haben, aber selbst dir sollte nach zwei Stunden schauen langweilig werden.“

„Sind wir hier zur Unterhaltung? Kippe aus!“

Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm ihm der Ältere die Zigarette weg und drückte sie auf seinem Handrücken aus.

Eine gute Stunde später öffnete sich an der Seite des großen Hauses vor ihnen eine Tür und schloss sich kurz darauf wieder. Das war das Signal, auf das sie gewartet hatten.

„Endlich …“, stieß der jüngere Mann in Uniform genervt aus. „Konzentrier dich! Ich mag dich ja ungern erinnern, aber dein letzter Einsatz ging nicht so wie geplant, und das können wir uns hier nicht leisten. Mach deinen Job, oder du bist raus!“

„Ja, Mami!“ Wütend über die dauernde Zurechtweisung, klappte der Jüngere die Sonnenschutzblende herunter und warf einen Blick in den Spiegel, rückte seinen Schnurrbart zurecht und klappte sie wieder hoch. Sobald beide sich ihren Polizeigürtel umgeschnallt hatten, klebte sich auch der Ältere einen Schnurrbart unter die Nase, zog sich Handschuhe über, und beide steigen aus dem Auto.

Auf der Straße war weit und breit niemand mehr zu sehen, und die Männer steuerten auf das Haus zu, bei dem sich vor kurzem die Tür wieder geschlossen hatte. Nichts an der Nebentür deutete darauf hin, dass sie vor dem Isabella Steward Gardner Museum in Boston standen. Im Schein der Eingangsbeleuchtung waren sie nun gut zu erkennen. Beide Männer hatten eine stattliche Größe, dunkle Haare und trugen Polizeiuniform. Der Jüngere der beiden schien um die dreißig zu sein, auch wenn eine lange Narbe in seinem Gesicht ihn älter aussehen ließ. Sein Kollege war stämmiger gebaut, trug eine Brille und musste um die vierzig sein. Kurz verharrte sein Finger über der Klingel, bevor er sie drückte.

„Wir sind aufgrund des Alarms da, der laut Ihnen fälschlicherweise ausgelöst wurde. Wir müssen dies offiziell bestätigen“, informiert der junge Polizist den Wachmann, der gerade die Tür geöffnet hatte.

Ohne lange zu zweifeln, ließ dieser die Polizisten ein. Sobald sich die Tür geschlossen hatte, gingen die Männer in Polizeiuniform ihr vorher besprochenes Schauspiel durch.

„Sind Sie zusammen mit einem Kollegen im Dienst?“

„Ja, Sir.“

„Rufen Sie ihn zu uns, wir brauchen Sie beide im Zusammenhang mit dem Fehlalarm, da wir Ihre beiden Aussagen protokollieren müssen. Ihr Name ist…?“

„Rick Abath, Sir.“ Scheinbar irritiert blickte der ältere Polizist auf.

„Rick Abath?“

„Ja, Sir.“ Verunsichert sah er die Polizisten an, die sich einen Blick zuwarfen.

Der Blick des zweiten Wachmanns hätte nicht verwirrter sein können, als er den Wachraum betrat und seinen Kollegen gefesselt antraf. Ehe er wusste, wie ihm geschah, legte einer der beiden Polizisten auch ihm Handschellen an.

„Hiermit sind sie verhaftet!“, sagte er und lachte.

„Ich weiß nicht, wer Sie sind, aber ich habe nichts verbrochen, was Sie berechtigt, mich zu verhaften!“

Langsam ging der Polizist mit der Narbe auf ihn zu.

„Ich tu mal so, als ob ich das nicht gehört hätte. Wir wollen uns doch nicht in die Haare kriegen, und ich mag Leute, die viel Schwachsinn reden, nicht.“ Er blieb dicht vor dem zweiten Wächter stehen, der ihn vollkommen entgeistert anstarrte.

„Was wollen Sie!?“, rief er verängstigt, aber auch empört, sobald er seine Stimme wiedergefunden hatte. Darauf erhielt er keine Antwort. Stattdessen griff ihm der Polizist in den Nacken und drückte ihn nach unten. „Vorwärts!“, schnauzte der kräftigere Polizist, der dem ersten Wachmann die auf den Rücken gefesselten Hände schmerzlich weit nach oben drückte und ihn vorwärts stieß.

„Lassen Sie uns los!“, rief der Wachmann, in einem letzten Versuch, frei zukommen noch einmal.

„Was hab ich von unnötigem Reden gesagt?!“, drohte der junge Polizist. Zielstrebig steuerten sie die Wächter durch die Kellergewölbe, bis sie vor der Tür zum Heizraum stehen blieben.

„Öffnen!“, knurrte der vordere Polizist, doch der Wächter weigerte sich und schwieg.

„Öffnen, habe ich gesagt!“, rief der Mann erneut und drückte die Hand im Nacken des Wächters fester zusammen. Laut stöhnend versuchte der Wächter, sich aus dem Griff zu winden, gab sich aber bald geschlagen und schloss die Tür auf. Mit schnellen, routinierten Handgriffen fesselten die Polizisten die Wächter mit Gaffer Tape gemeinsam an einen Stützpfosten in der Mitte des Raumes.

„Hey, Sie können uns nicht einfach hier zurücklassen!“, protestierte jetzt auch der erste Wächter lautstark.

„Ach nein?“ Amüsiert zog der Polizist mit der Brille die Augenbrauen hoch.

„Ich würde sagen, wir können“, lachte er und klebte ihm einen Klebestreifen über den Mund. Der einzige restliche Protest war ein leises „Hmpf“.

Amüsiert drehten sich die Polizisten zur Tür um, dort angekommen blieb der letzte nochmal stehen.

„Keine Sorge, ihr werdet nochmal von uns hören, richtet das der Polizei aus.“

Dann verließ auch er den Raum und schaltet das Licht aus. Geknebelt und gefesselt blieben die beiden Wächter im Dunkeln zurück.

The Boston Globe

Dienstag, 18. März, 1990

Kunstraub im Wert von mehreren Millionen Dollar

Boston - Als Polizisten verkleidete Diebe haben sich gestern in das Isabella Steward Gardner Museum eingeschlichen und 13 Werke gestohlen, darunter bedeutende Werke von Rembrandt, Degas, Manet und Vermeer, so Museumsbeamte und FBI. Der Wert der fehlenden Gemälde könne nicht genau bestimmt werden, da sie seit fast einem Jahrhundert nicht mehr auf dem Markt seien, so Karen Haas, amtierende Kuratorin des Museums. Ihrer Aussage nach liegt der Wert der Werke „bei hunderten von Millionen Dollar“. Auf dem freien Markt könnten solche bekannten Werke ohnehin nicht verkauft werden, sagen Kunstexperten. „Es ist bei weitem der größte Diebstahl alter Meister in diesem Land“, sagte Constance Lowenthal, Geschäftsführerin der Internationalen Fundation for Art Research in New York, die gestohlene Werke aufspürt. „Das Gardner Museum ist eine Schatzkammer, alles darin ist außerordentlich wertvoll, erstklassig und großartig“, so Paul Cavanagh, Sonderagent des FBI in Boston. Er bezeichnete den Kunstraub als „professionellen Job, erst heute morgen gegen 7 Uhr wurde er bei Schichtwechsel entdeckt". Gestern, gegen 01:00 Uhr morgens, überzeugten die Diebe offenbar die Museumswächter, dass sie Polizisten seien und fesselten sie mit Klebeband, bevor sie sich auf den Weg zum holländischen Raum des Museums machten, sagte Cavanagh. Auch seien die Wachen nicht verletzt worden. „Dies ist einer dieser Diebstähle, bei denen die Leute tatsächlich einige Zeit mit Recherchen verbracht und ausgewählte Werke mitgenommen haben“, fügte Cavanagh hinzu. Auch würden sich die Ermittlungen nicht auf die Vereinigten Staaten beschränken. Unter den gestohlenen Werken sind: „Das Konzert“ von Jan Vermeer, „Eine Dame und ein Herr in schwarz“, „Der Sturm auf dem See Genezareth“ sowie ein Selbstporträt von Rembrandt. Neben weiteren Werken niederländischer und französischer Künstler war auch ein Bronzebecher aus der Shang-Dynastie von 1200 - 1100 vor Christi. „Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass dies unbezahlbare Werke sind“, so Lowenthal. Dem Museum, das um die Jahrhundertwende im Stil eines venezianischen Palastes aus dem 15. Jahrhundert erbaut wurde, sei kein Schaden zugefügt worden.

ZWEI

Gegenwart: 2023

Der Wecker reißt mich unsanft aus dem Schlaf. 05:30 Uhr. Verschlafen drücke ich auf die Schlummertaste und drehe mich auf die andere Seite des Bettes. Es ist viel zu gemütlich und warm, als dass ich die geringste Lust hätte, jetzt schon aufzustehen. Morgens bin ich immer am dankbarsten, mein Doppelbett mit niemandem teilen zu müssen. Genüsslich seufzend räkele ich mich über beide Seiten des Bettes. Keine zehn Minuten später reißt mich meinen Wecker wieder aus dem Schlaf, und ich strecke vorsichtig einen Fuß ins kühle Zimmer, ziehe ihn aber sofort wieder zurück. Da mein Wecker weiter klingelt, setze ich mich genervt auf und schalte ihn aus. Danach versuche ich möglichst schnell unter die warme Dusche zu kommen, um munter zu werden, bevor ich in 20 Minuten meine fünfjährige Tochter wecke. Unter der Dusche lasse ich mir das Wasser über das Gesicht laufen und versuche geradezu krampfhaft, nicht an den riesigen Papierstapel im Büro zu denken, der heute auf mich wartet. Ich hasse diesen Teil meiner Arbeit und schiebe ihn jedes Mal so lange vor mir her, wie es nur geht. Aber selbst bei der Kripo kommt man nicht daran vorbei. Trotzdem liebe ich meinen Job. Ich drehe das Wasser ab und steige aus der Dusche. Mit dem Handtuch rubble ich mir kurz über den Kopf, um das Föhnen zu vermeiden. Ich hasse föhnen. Als ich vor dem Spiegel stehe, starrt mich ein müdes Gespenst an. Ich sehe absolut lächerlich aus! Meine kurzen braunen Haare stehen in alle Richtungen und ohne Wimperntusche sehe ich aus, als wäre ich blind. Nachdem meine Wimpern getuscht sind, schnappe ich mir meinen Bademantel und steuere auf Kylies Zimmer zu. Die Tür ist nur angelehnt und ich höre sie leise schnarchen. Ich schalte ihre Zimmerlampe an und rüttele sie sanft an der Schulter, damit sie aufwacht. Ihre kurzen, schwarzen, gekräuselten Haare liegen wie ein zweites Kissen um ihren Kopf herum. Wie ich, ist auch sie nicht der größte Morgenmensch, weshalb ich mir das vorsichtige Rütteln sparen könnte und sie gleich durch stärkeres Schütteln und Kitzeln wecken sollte. Wir beide brauchen morgens so lange, bis wir zum Frühstück kommen, deshalb stelle ich mir meinen Wecker immer 45 Minuten früher als notwendig. Müde blinzelnd öffnet Kylie die Augen und kneift sie gleich wieder zusammen.

„Hey Kylie, du musst aufstehen, ich habe Hunger!“

„Es ist noch so früh, Mama.“

„Jap, Süße! Raus aus den Federn. Deine Klamotten habe ich dir auf den Stuhl hinter dem Bett gelegt. Außerdem kommt doch heute jemand aus dem Zirkus in die Schule!“

Müde reibt sie sich die Augen und steigt aus dem Bett. Ich muss zugeben, dass ich jedes Mal beeindruckt bin, wie schnell sie letztlich doch ist, da ich weiß, wie sich so ein Morgen anfühlt. Sobald Kylie sich anzieht, gehe ich in die Küche, um ihr Toast mit Marmelade zu machen. Für mich schmeiße ich Cornflakes und Milch in eine Schale und hoffe, dass es bis zum Mittag reicht, da ich absolut nicht in der Stimmung bin, den Herd anzumachen. Nach zehn Minuten kommt Kylie in die Küche getapst und lässt sich auf den Stuhl fallen, während ich noch dabei bin, uns einen Tee zu machen. Wir sind in den ersten Minuten des Tages nie besonders gesprächig und beginnen unser Frühstück schweigend.

„Mrs. Peterson sagt, wir sollen uns eine Person suchen, die wir beschreiben sollen“, beginnt Kylie, nachdem sie ihren ersten Toast gegessen hat.

„Und?“

„Ich weiß nicht, wen ich nehmen soll.“

„Wie wäre es mit Nat? Die kennst du schon lange und wir besuchen sie am Wochenende. Du kannst sie dir also nochmal anschauen.“

Zweifelnd schaut Kylie mich mit ihren braunen Augen an. Ich kann förmlich sehen, wie sie nachdenkt, isst dann aber ohne eine Antwort schweigend weiter. Das macht sie manchmal. Dadurch nimmt sie sich die Zeit, darüber nachzudenken, bis sie ihre Antwort hat. Dann wird sie das Thema wieder aufnehmen. Viele wissen dann nicht, worüber sie spricht, aber man gewöhnt sich daran. Schweigend widmen wir uns wieder unserem Frühstück. Nachdem ich gegessen habe, fange ich an, den Tisch abzuräumen.

„Süße, auf geht`s, wir müssen uns fertig machen. Es ist schon kurz vor Sieben!" Das Aufräumen muss also bis später warten. Aus einem Grund, den ich bis jetzt noch nicht rausgefunden habe, läuft uns immer die Zeit davon. Auf dem Weg zum Bad greife ich nach Kylies Hand und renne los. Quiekend folgt mir Kylie und drängt sich vor mir ins Bad.