Vampira - Folge 02 - Adrian Doyle - E-Book

Vampira - Folge 02 E-Book

Adrian Doyle

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Beschreibung

Lilith wagt den Schritt in die Wirklichkeit - in eine Welt, die sie nur aus ihren Träumen kennt. Unvorbereitet steht sie ihren Feinden und unzähligen Gefahren gegenüber, noch verwirrt von den Enthüllungen ihrer toten Mutter.

Und während sie ihr erstes Opfer sucht, um den brennenden Durst in ihrem Inneren zu löschen, hinterlässt sie einen Moloch, der ebenfalls auf Opfer aus ist. Doch seine Gelüste sind gänzlich anderer Natur - verhängnisvoll und grausam für alle, die ihn betreten.

Denn er ist das Haus. Ein Vampir ganz besonderer Art...

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Seitenzahl: 132

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Inhalt

Cover

Impressum

Was bisher geschah ...

Der Moloch

Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Lektorat: Michael Schönenbröcher

Titelbild: POTTER/Schlück

E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-8387-1273-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Eine junge Frau erwacht inmitten eines Sturms auf einem Friedhof. Sie weiß nicht, wer oder wo sie ist. Am Horizont graut der Morgen. In der Nähe liegt ein verletzter Mann im Todeskampf. Als sie sich um ihn kümmern will, bäumt er sich auf und versucht sie zu erwürgen. Die aufgehende Sonne löst aber eine schreckliche Konsequenz bei ihm aus: Er zerfällt zu Staub.

Die junge Frau verlässt den Friedhof und irrt durch leere Straßen. Von einem Taxifahrer erfährt sie, dass sie in Sydney, Australien, ist. Plötzlich verspürt sie bohrenden Hunger, verführt den Driver – und beißt ihm während des Höhepunkts in den Hals. Das ernüchtert sie auf einen Schlag; sie flieht aus dem Taxi und rennt davon. Bis sie vor einem uralten Haus steht. Sie weiß plötzlich: Hier ist sie zu Hause.

Doch es ist das seltsamste Haus, das man sich vorstellen kann, denn es besitzt weder echte Fenster, noch Türen. Alles sieht wie Attrappen aus. Als sie sich gegen eine der aufgemalten Türen lehnt … springt diese auf! Sie durchstreift leere Räume. Visionen greifen nach ihr, bringen die verlorene Erinnerung Stück um Stück zurück. Erschreckende Erinnerungen, die seltsam unecht scheinen.

Schließlich gelangt sie in einen Raum, in dem ein großes Bett steht. Darin liegt eine uralte Frau, die sie mit ihrem Namen – Lilith Eden – anspricht.

Die Alte berichtet, dass Lilith nach dem »Erwachen« zu früh das Haus verlassen hätte. Der Plan ihrer Eltern sei dadurch in Gefahr geraten. Die Häscher würden nur darauf warten, sie endlich in ihre Hände zu bekommen. Nun sei es zu spät für weitere Erklärungen; ihr blieben nur noch Minuten. Doch es gebe eine Nachricht ihrer Mutter, die alles erklären würde.

Die Frau stirbt. Als Lilith in den Keller vordringt, findet sie einen Sarg mit ihrem Namen im Zentrum des Gewölbes, darin ein rotes Kleid. Und sie findet das Grab ihrer Mutter. Dort überfällt sie eine weitere Vision. Ihre Mutter spricht zu ihr …

Lilith erhält endlich Klarheit über das Haus und ihre Situation. Sie erfährt, dass sie die Tochter einer Vampirin und eines sterblichen Mannes ist, im Jahre 1896 geboren. Wie es vorherbestimmt war, starb ihre Mutter, die Vampirin, bei der Geburt des lebenden Kindes, und ihr Vater nahm Lilith mit sich in ein Haus, das ihre Mutter mittels Magie zur uneinnehmbaren Festung gemacht hatte. Von Zeit zu Zeit jedoch musste ihr Vater das Haus verlassen, um Nahrung für Lilith zu besorgen: frisches Blut! Er nahm eine Waise als Spielkameradin und spätere Gouvernante für seine Tochter auf: Marsha, die im Gegensatz zu Lilith normal alterte. Um die lange Zeit im Haus erträglich zu machen, wurden die Mädchen immer wieder in magischen Schlaf versetzt, während dem sie ein »ganz normales Leben« träumten.

Eines Tages wurde Liliths Vater von Vampiren direkt vor dem Haus überfallen und hingerichtet. Lilith lag zu dieser Zeit im magischen Schlaf. Marsha öffnete einen Brief, den der Vater für diesen Fall hinterlegt hatte, und richtete sich nach seinen Anweisungen. Sie ließ Lilith schlafen, führte ihr durch Infusionen Blut zu und wachte über sie. Den Vampiren gelang es all die Jahre nicht, das Haus zu betreten.

Nun, am Ende ihres Lebens, weckt Marsha Lilith. Diese flieht verwirrt aus dem Haus und wird von einem seit fast einem Jahrhundert wartenden Vampir überfallen – der Mann auf dem Friedhof. Nun ist sie zurück im Haus, doch die Erklärungen der Mutter geben ihr keine klaren Hinweise auf ihre Bestimmung. Irgendetwas soll wohl zu ihrem 100. Geburtstag geschehen, also in zwei Jahren. Als letztes fordert die Mutter Lilith auf, das Kleid anzuziehen. Es beißt sich wie mit Widerhaken in Liliths Haut, als sie es überzieht.

Noch einmal meldet sich die Stimme der Mutter. Sie warnt vor einer feindlichen Vampirsippe und insbesondere vor deren Anführer Landru. Lilith müsse gegen die Vampire kämpfen, bis sie sich ihrer Bestimmung bewusst würde.Als Lilith in die Halle hinaufsteigt, werden die Mauern für sie durchsichtig, und sie erkennt draußen eine Menschenmenge, angeführt von dem Taxifahrer. Noch kann die Meute nicht herein, doch für Lilith ist das Haus nicht mehr sicher. Sie will sich normale Kleidung überziehen, da verändert sich ihr Kleid auf mysteriöse Weise und wird zu einem einfachen Kleidungsstück. Lilith verlässt das Haus durch einen Hinterausgang. Die untergehende Sonne bereitet ihr leichte Kopfschmerzen, die aber verdrängt werden von bohrendem Hunger. Dem Hunger nach Blut …

Der Moloch

von Adrian Doyle

In Leroy Harps kochte die Lust hoch. Gebannt hing sein Blick an der Schönen im Mauerblümchen-Look. Sein Kennerblick brauchte keine Sekunde, um sie vom Kopf bis zu den Zehen zu taxieren. Die meiste Bewunderung zollte er den unübersehbaren Rundungen und dem anmutig-unschuldsvollen Gesicht. »Gäbe es dich nicht«, murmelte er selbstvergessen, »müsste man dich erfinden …«

Harps wusste, wovon er sprach. Er war immer auf der Suche nach geeignetem »Material«. Harps wusste nicht, dass er im Begriff war, sich auf ein ganz besonderes Abenteuer einzulassen. Ein Rendezvous mit dem Tod …

Als Nächstes fiel ihm auf, dass das Girl keine Schuhe trug. Nur dieses abgrundhässliche Kleid, als wäre es ihr Schutzschild, um sich gegen allzu begehrliche Männerblicke zu wappnen.

Harps schürzte die Lippen, als sie seinem Blick wie zufällig begegnete – und hängen blieb.

Er reagierte reflexartig und produzierte das übliche Fliegenfängerlächeln, in dem sich schon mehr als ein Mädchenherz verfangen hatte. Er sah smart aus. Und natürlich zeigte auch das Cabriolet Wirkung, das die knapp fünfzigtausend Dollar Anschaffungskosten längst eingefahren hatte.

Harps stand auf blutjung. Nicht unbedingt Lolita-Charme, aber knackig mussten seine »Aufrisse« schon sein. Und diese Frau war zum Anbeißen.

Sie blieb stehen, lächelte zurück und schwenkte dann in Richtung seines am Fahrbahnrand geparkten Cabrios.

»Hallo …«, sagte sie.

Harps war von ihrer Stimme ebenso hingerissen wie von ihrer – wenn man das unattraktive Kleid einmal unberücksichtigt ließ – äußeren Erscheinung. »Hallo«, erwiderte er und wies galant zum Nebensitz. »Kann ich Sie irgendwohin mitnehmen? Ich wollte gerade losfahren …«

Das war gelogen, aber wen interessierte es. Bronco würde ihm verzeihen. Bronco verzieh alles – was in seiner Position auch nur vernünftig war.

Die Frau – er schätzte sie auf höchstens zwanzig – zeigte unverhohlen, wie sehr sie sich über sein Angebot freute. »Danke«, sagte sie weich. In einem Ton, der Harps signalisierte, dass er leichtes Spiel mit ihr haben würde, fügte sie hinzu: »Ich glaube, ich habe mich verlaufen …«

Harps hebelte die Beifahrertür auf. Sie stieg ein und verstaute ihre endlos langen Beine.

Während Harps startete, spürte er, wie eine Erektion seine zum Glück weiten Baumwollhosen ausbeulte.

»Sie sind keine Sydneysiderin?«, benutzte er die übliche Bezeichnung für in Sydney Ansässige.

Sie hatte keinen Blick für die Straße. Sie blickte nur ihn an, und Harps präsentierte bereitwillig seine Schokoladenseite.

»Nein«, sagte sie. »Ich mache Urlaub. Ich bin gerade erst angekommen. Man hat mir mein Gepäck am Flughafen gestohlen, und die Polizei riet mir, mich ans britische Konsulat zu wenden.«

Harps machte eine empörte Miene. »Da hat man Ihnen übel mitgespielt. Sind Sie Britin?«

Sie nickte. »Kein Geld, kein Pass … Es wäre sehr freundlich, wenn Sie mich zum Konsulat fahren würden. Ich hoffe, man wird Ihnen Ihre Unkosten …«

Er winkte großmütig ab. »Das Konsulat hat Zeit«, sagte er. »Offen gestanden habe ich kein sehr großes Vertrauen in die Bürokratie. Aber ich würde Ihnen gerne helfen. Es wird sich schon etwas machen lassen. Ich habe Beziehungen. Sie sind ein hübsches Mädchen, ich könnte Ihnen bestimmt einen Job besorgen, auch ohne sofort Papiere auf den Tisch legen zu müssen. Und wenn ich Sie richtig verstanden habe, brauchen Sie auch eine Übernachtungsmöglichkeit. Das ist doch erst mal das Wichtigste.«

Er machte eine kurze Pause und zeigte auf die friedliche, zu beiden Seiten von Bäumen und alten viktorianischen Bauten gesäumte Allee.

»Verstehen Sie mich bitte nicht falsch oder halten Sie mich für aufdringlich. Ich kann nur den Gedanken nicht ertragen, dass Sie einen völlig falschen Eindruck von der Lebensart der Sydneysider bekommen. Schwarze Schafe gibt es überall …«

Die Frau hing an seinen Lippen. Was er sagte, schien ihr mehr als zu gefallen. »Ich wäre Ihnen unendlich verbunden …«

Wieder winkte er ab. »Keine Ursache. Ich bitte Sie. Ich wohne ganz in der Nähe. Sie müssen sich erst einmal beruhigen …« Er hielt inne und begegnete ihrem Blick.

Sie sah tatsächlich aufgeregt aus. Sie blickte ihn unentwegt an, ohne ihm in die Augen zu sehen.

Harps versuchte zu ergründen, ob ihm ein etwaiger »Silberblick« entgangen war. Nein.

Sie war einfach perfekt. Ein paar modische Korrekturen, und …

»Sie sind ein heißer Typ …«

Harps verwechselte fast Gaspedal und Bremse. Wie ein Kind, das aus heiterem Himmel in die Lage versetzt worden war, einen ganzen Süßwarenladen aufzukaufen, spürte er ihre Hand an seinem Bein aufwärts streichen.

»Ich heiße Lilith.«

»Leroy …« Er fing sich. Ehe sie die Stelle erreichte, die ihm auch so schon genug Beherrschung abnötigte, legte er seine eigene Hand auf die forschen Finger. »Ich glaube, wir werden uns fantastisch verstehen.«

»Das glaube ich auch.«

Ihr Blick war waffenscheinpflichtig. Wie hatte er sie für schüchtern halten können?

»Fahren wir zu dir!«

Es kam ihm gar nicht zu Bewusstsein, dass ihre zunächst unterwürfige Stimme nun befehlend klang.

»Beeilen wir uns!«

Sie schien Probleme mit der Sonne zu haben.

Leroy Harps riskierte jede Verwarnung, die es für zu schnelles Fahren und das Ignorieren roter Ampelschaltungen gab. Er fuhr wie in Trance. Wie trunken.

Und die Frau neben ihm ließ sich weiter vom sichtbaren Klopfen seiner Halsschlagader faszinieren …

Die Frau trug außer Trauer auch verständliches Entsetzen in den verhärmten Zügen. Beides war durch den spinnwebartigen Flor zu erkennen, der an ihrem Hut befestigt war. Ihre Hände hatten sich um das Krokodilleder ihrer Handtasche gekrampft, damit das heftige Zittern aufhörte. Es hörte nicht auf. Neben ihr stand, sichtlich hilflos, der Priester, der die Zeremonie hatte leiten sollen.

Ein anderer Mann, der Friedhofsverwalter, fuhr Detective Jeff Warner barsch an: »Geht das nicht zu weit? Sie sehen doch, dass die Frau ist fix und fertig ist!«

Die Frau zuckte zusammen.

Der Priester versuchte zu schlichten. »Bitte, meine Herren –«

Warner unterbrach kühl: »Die Kollegen tun, was sie tun müssen. – Immerhin ist es einer Ihrer Angestellten. Es sollte eigentlich in Ihrem Interesse liegen, dass wir den Killer dingfest machen!«

»Natürlich, aber …«

»Na also!«

»Aber – wir brauchen das Grab. Sie sehen doch …« Er verstummte.

Es war grotesk.

Jeff Warner warf einen Blick auf das zu zwei Dritteln ausgehobene, rechteckige Loch in der Erde. Nicht weit von hier wartete in der Leichenhalle ein Sarg mit einem Verstorbenen, dessen Angehörige dieses Grab teuer erworben hatten, um dem Verblichenen eine letzte Ruhestätte unter schattigem Grün zu gönnen.

Betonung auf Ruhe.

Etwas war dazwischen gekommen.

Am Vortag waren die Ausschachtungen nicht fertiggestellt worden. Ein Arbeiter hatte das Werk in aller Herrgottsfrühe vollenden sollen. Der Priester, der Stunden vor der angesetzten Beerdigung nach dem Rechten sah, fand das Grab immer noch unvollendet. Der beauftragte Arbeiter – ein Mann namens Marvin Trig – war nicht aufzutreiben, obwohl unweit der neuen Grabstätte eine Schubkarre gefunden wurde, die nur von ihm stammen konnte.

Der Priester hatte in aller Eile einen Ersatzmann organisiert. Dieser Mann, der die Grube bis zur vorgeschriebenen Tiefe ausheben sollte, war unter einer wenige Zentimeter dünnen Erdschicht auf Marvin Trigs Leiche gestoßen. Man hatte die Polizei alarmiert …

Jeff Warners Blick wechselte zu der Plastikplane, auf der Trig abgelegt worden war. Jemand hatte ihn scheußlich zugerichtet. Ein Pathologe bemühte sich darum, erste Resultate zu liefern, während Angehörige des Erkennungsdienstes in der Grube und deren Umgebung nach Täterspuren suchten.

Warner machte aus seinem Frust keinen Hehl. Natürlich konnte er annähernd nachvollziehen, was in der Witwe vorging, die die Grabstätte ihres Mannes jäh von einem Mörder geschändet sah.

»Weisen Sie der Frau einen anderen Platz zu«, forderte er den Verwalter auf. »Ich glaube nicht, dass sie diesen noch haben will …« Sein Blick suchte die Augen der Witwe, um sich ihre Bestätigung zu holen. Aber die Frau sah nur starr auf den Toten, der alles durcheinandergebracht hatte.

»Wie sollen wir so schnell …« Der Verwalter brach ab, als der Priester ihm gestikulierte. Schließlich nickte er. Zu dritt, die Witwe in der Mitte, verließen sie den belagerten Ort.

Jeff Warner atmete durch. Erregung packte ihn, als er sich hinter den Pathologen stellte und ihm über die Schulter sah.

Hendriks drehte sich um. Seine Augen waren schmal. »Der wie vielte mit klassischem Genickbruch und zerfetzter Kehle ist das jetzt, seit wir zusammenarbeiten?«

Warner holte ein kleines Notizbuch aus der Tasche, blätterte kurz darin und erwiderte dann ebenso leise: »Allein in unserem Distrikt der vierte.«

Hendriks nickte nachdenklich. Dann sagte er: »Verblutet, wie immer. Oder sollte ich sagen: ausgeblutet wie Schlachtvieh am Fleischerhaken?«

»Man hat bisher keine Spuren großer Mengen Blut gefunden. Weder im Grab noch in der Nähe.« Warner seufzte. »Wie jedes Mal.«

Hendriks, der Pathologe, nickte. »Wie jedes Mal.«

Warners Assistent kam im Laufschritt auf ihn zu und rief außer Atem: »Neue Losung, Chef. Wir sollen die Sache hier anderen überlassen und uns um etwas kümmern, woran sich nicht weit von hier ein paar Streifenpolizisten die Zähne ausbeißen. Etwas ziemlich Verrücktes, wenn ich richtig verstanden habe.«

»Wer sagt das?«

»Codd sagt das.«

»Scheiße!«, fluchte Warner. Mit dem höchsten aller Bullen in dieser Stadt durfte es sich ein kleiner Inspektor nicht verscherzen.

»Ich halte euch auf dem Laufenden«, versprach Hendriks. »Schließlich kenne ich euer Faible für Genickbrüche. Und wenn wirklich etwas Verrücktes in der Nähe passiert ist, könnte Codd keine Besseren auswählen als euch zwei …«

»Danke«, sagte Warner säuerlich.

Hendriks grinste und vertiefte sich wieder in seine Leiche.

»Einen Moment, bitte! Ein paar Auskünfte für die interessierte Öffentlichkeit …!«

Warner und Needles stöhnten synchron, als die rasende Reporterin des Sydney Morning Herald sie am Ausgang abzufangen versuchte.

»Die Hexe vom Dienst!«, stöhnte Needles so leise, dass nur Warner ihn hören konnte. »Macbeth … Die hat uns gerade noch gefehlt!«

Irgendwann hatte einer diesen Namen aufgebracht, der bestimmt nicht kosend gemeint war.

»Kein Kommentar!«, reagierte Warner entsprechend schroff, als ihm die blonde Reporterin ihr Mikrofon zielsicher vor der Nase platzierte. »Scheren Sie sich zum Teufel!«

Er verabscheute Fledderer. Und die schreibende Zunft war für ihn eine ganz besondere Abart dieser Spezies. Was ihn bei »Macbeth« störte, war, dass sie ein verflucht hübscher Fledderer war.

Er hörte, wie sie ihm nachrief: »Sie sind ein arrogantes Arschloch, Warner!«

Er nickte im Weiterlaufen. Irgendwie ging es danach mit seiner Laune steil nach oben.

Sie wusste nicht, ob sie den alten Vampir abgeschüttelt hatte. Alles hatte höllisch schnell gehen müssen. Ihr Abschied aus dem Haus, das beinahe ein Jahrhundert lang für sie ein Hort der Sicherheit gewesen war und jedem Angriff widerstanden hatte, war mehr einer Flucht, als einem geordneten Rückzug gleichgekommen.1)

Nun bewegte sich Lilith Eden durch eine so lebendige Welt, dass es ihr große Mühe bereitete, sich darin zurechtzufinden. Eine Welt, die sich in so vielem von ihrer erträumten unterschied …

Dennoch fühlte sie sich wesentlich besser als während der quälenden Spanne kurz nach dem Erwachen. Sie hatte zeitweise unter vollkommenem Gedächtnisverlust gelitten. Erst ihre Rückkehr in den Hort hatte die Wahrheit ihrer Identität nach und nach ans Licht gefördert. Mosaikstein für Mosaikstein.

Sie hatte erfahren, welche Bewandtnis es mit ihr hatte. Bilder eines Lebens, das sie nie wirklich gelebt, sondern nur geträumt hatte, waren über sie hereingebrochen. Aber am Ende hatte sie eine reale Botschaft ihrer verstorbenen Mutter empfangen und erfahren müssen, dass sie eine besondere Bestimmung besaß. Dass es eine alte Prophezeiung gab, wonach das lebendig geborene Kind einer Vampirin und eines Menschen eine Art Götzendämmerung einläutete.

Die Götzen, das waren in diesem Fall die Angehörigen eines Volkes, das seit Menschengedenken neben den Menschen auf der Erde wandelte. Unerkannt, verborgen, nicht groß an Zahl, aber doch von eigenen Machtgelüsten und unheilvollem Streben angetrieben. Um sie zu bekämpfen, war Lilith gezeugt worden, obwohl sie sich gar nicht wie eine Kämpferin fühlte.