Verschwendungsfreie Zone - Sandra Krautwaschl - E-Book

Verschwendungsfreie Zone E-Book

Sandra Krautwaschl

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Beschreibung

Weniger Kram, mehr Leben - eine inspirierende Erfolgsgeschichte

Nachdem der Selbstversuch ihrer Familie, ganz ohne Plastik auszukommen, Sandra Krautwaschls Leben grundlegend verändert hatte, erkannte sie: Einfach Plastik durch andere Materialien zu ersetzen kann nicht die Lösung sein. Sie fand zu einem praktischen Minimalismus, einem Lebensstil mit möglichst wenig Verschwendung, der auch für Familien umsetzbar ist und den sie als zutiefst bereichernd und befreiend empfindet. Jetzt gibt die Grünen-Politikerin Tipps und Einblicke in ihre persönlichen Erfahrungen. Von einer, die ihre Überzeugungen lebt, ohne großes Aufhebens darum zu machen: eine Inspiration für Engagement – zuhause und in der Öffentlichkeit.

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Seitenzahl: 277

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Nachdem der Selbstversuch ihrer Familie, ganz ohne Plastik auszukommen, Sandra Krautwaschls Leben grundlegend verändert hatte, erkannte sie: Einfach Plastik durch andere Materialien zu ersetzen kann nicht die Lösung sein. Sie fand zu einem praktischen Minimalismus, einem Lebensstil mit möglichst wenig Verschwendung, der auch für Familien umsetzbar ist und den sie als zutiefst bereichernd und befreiend empfindet. Jetzt gibt die Grünen-Politikerin Tipps und Einblicke in ihre persönlichen Erfahrungen. Von einer, die ihre Überzeugungen lebt, ohne großes Aufhebens darum zu machen: eine Inspiration für Engagement – zuhause und in der Öffentlichkeit.

Sandra Krautwaschl

Wie meine Familie es schafft,sich vom Zuviel zu befreien

WILHELM HEYNE VERLAGMÜNCHEN

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Originalausgabe 01/2020

Copyright © 2020 by Wilhelm Heyne Verlag, München,in der Verlagsgruppe Random House GmbH,Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Katy Albrecht

Umschlaggestaltung: Hauptmann & Kompanie Werbeagentur, Zürich

Umschlagfotos: Susanne Krauss / Heyne Verlag

Satz: Schaber Datentechnik, Austria

ISBN: 978-3-641-25196-3V001

www.heyne.de

Inhalt

Einleitung: Was wir wirklich brauchen

Teil I: Fragestellungen

Vorgeschichte: Wie wir plastikfrei wurden

Warum ausgerechnet wir?

Ist plastikfrei wirklich genug?

Was ist eigentlich Wohlstand?

Wo fängt Verschwendung an?

Teil II: Experimente

Mobilität: ein halbes Auto und der Weniger-ist-mehr-Urlaub

Unser Umgang mit Lebensmitteln wird auf die Probe gestellt

Unser Konsumverhalten verändert sich

Verpackungs-Bewusstsein

Lebensmittel retten oder warum unser Kühlschrank immer halb voll ist

Von Wegwerfshirts und nachhaltiger Kleidung

Teil III: Lösungen

Es geht schon lange nicht mehr »nur« um Plastik

Refuse – Mit Spaß zum Verzicht

Lebensmittel wieder schätzen lernen

Von der Ökobilanz eines Schüleraustausches

Digitale Medien

Warum Ausmisten guttut

Upcycling und Reparieren gehen Hand in Hand

Neue Läden im Land

Ein kleines Resümee und eine große Vision

Verantwortung übernehmen

Nachwort

Danke!

Glossar: Begriffsdefinition in alphabetischer Reihenfolge

Zusätzliche Informationen

Bildteil

Einleitung: Was wir wirklich brauchen

Um es gleich vorweg zu sagen: Dieses Buch ist kein Ratgeber! Dieses Buch sollte eigentlich gar nicht notwendig sein. Dieses Buch soll die Geschichte einer ganz normalen Familie erzählen. Einer Familie, die alles hat, was sie braucht, und eigentlich noch viel mehr. Einer Familie, die sich bemüht, ein gutes Leben zu führen und sich das auch für alle anderen Familien wünscht. Die Geschichte meiner Familie.

Die im Untertitel enthaltene Feststellung, dass meine Familie es schafft, sich vom »Zuviel zu befreien«, ist jedenfalls sehr subjektiv zu verstehen. Denn, was zu viel und was zu wenig ist, unterliegt natürlich immer einer sehr persönlichen Einschätzung. Doch was wir definitiv geschafft haben, ist die Verschwendung in unserem Einflussbereich zu reduzieren – und die wichtigste Folge dieses Prozesses, der nunmehr seit dem Jahr 2009 andauert, ist wohl, dass sich jedes Familienmitglied mittlerweile auch auf seine ganz individuelle Art für notwendige Veränderungen engagiert. Dieses Buch soll vor allem dazu anregen, in sich hineinzuspüren. Sich selbst zu fragen, was ein gutes Leben ausmacht.

Mit diesem Buch möchte ich Sie dazu ermuntern, selbst etwas auszuprobieren, Überflüssiges wegzulassen und das, was wirklich wichtig ist, zumindest wahrzunehmen. Und im besten Fall, soll es dazu motivieren, sich für die Rettung der Welt und die Zukunft unserer Kinder zu engagieren. Ja, so pathetisch das auch klingt, genau das ist eigentlich das Ziel dieses Buches. Denn ich gehe davon aus, dass alle, die es lesen, auch die Möglichkeit haben, sich für eine bessere Zukunft einzusetzen! Den wahren Preis nämlich – wenn wir im Klimaschutz weiterhin auf Scheuklappen setzen – werden nicht wir bezahlen. Sondern unsere Kinder durch den Verlust ihrer Lebensgrundlagen und damit durch den Verlust dessen, was man im besten Sinne Wohlstand nennt!

Wer Verschwendung auf der persönlichen Ebene reduzieren will, sollte sich zu allererst fragen: »Was brauche ich eigentlich wirklich?«

Ich habe mich das schon sehr oft gefragt. Ich habe es auch schon oft gespürt. Und immer wieder auch sehr vermisst, denn auch ich kenne die typischen Belohnungseinkäufe nach Tagen, in denen ich mich keine Sekunde selbst gespürt habe, keinen Atemzug lang Zeit hatte, mich überhaupt damit zu beschäftigen, was mir gerade guttun würde. Und das ist wohl auch das Dilemma: Man bräuchte wahrscheinlich oft in erster Linie mehr Zeit, Ruhe und einen freien Kopf. Wenn man das nicht bekommt, versucht man, es mit Dingen, die man eigentlich gar nicht braucht, zu kompensieren. Das hilft aber natürlich auf die Dauer nicht. Instinktiv wissen die meisten von uns ja doch, dass man sich ein gutes Leben nicht mit der Anhäufung von Überfluss erkaufen kann. Die Frage, was wir wirklich brauchen, lässt sich jedenfalls nach Abdeckung der tatsächlichen Grundbedürfnisse beantworten, nicht durch Einkaufen und Konsum.

Wenn man – so wie ich gerade in diesem Sommer wieder – das Glück hat, ein paar Wochen lang zu erleben, wie wenig Dinge man braucht, wenn man Zeit in der Natur und mit Menschen, die man mag, verbringen kann, dann hat das beinahe etwas Heilsames. Mit dem Weniger an Dingen kommt ein Mehr an Ruhe, Gelassenheit, Zufriedenheit, Dankbarkeit.

Mit dem einfachen Leben am Campingplatz in Kroatien, der Schönheit des Meeres, dem Staunen über all die Tintenfische, Muscheln, Krabben, Seesterne, Seeanemonen entdecke ich jedes Jahr wieder diese kindliche Achtsamkeit mit der Natur, von der ich und wir alle ja schließlich nur ein Teil sind. Jeder kleine Plastikverschluss, jeder vergessene Badeschuh, Schnorchel, jede kaputte und einfach liegen gelassene Luftmatratze, jede Plastikflasche, jedes noch so kleine Stück unnötiger Müll inmitten dieser Schönheit tut mir in der Seele weh. Ich habe das Gefühl, mich dafür entschuldigen zu müssen, und sammle zusammen, was möglich ist, weil auch das für mich etwas Heilsames hat. Und ich weiß in solchen Momenten ganz genau, dass ich weiter mit all meiner Kraft dafür eintreten werde, dieses Zuviel zu stoppen.

Man sollte sich die Frage, was man wirklich braucht, immer mal wieder stellen und sich auf der Suche nach Antworten Zeit nehmen, in die Natur zu gehen, mit Menschen, die einem guttun, darüber zu reden, sich selbst zu spüren.

Auch wenn die Antworten auf diese Frage natürlich individuell sehr unterschiedlich ausfallen werden, steht eines jedenfalls für mich fest (und bisher hat mir da noch nie jemand widersprochen): Ein gutes Leben braucht keine Verschwendung!

Was ich selbst schon als Kind und dann wieder durch meine eigenen Kinder gelernt habe, ist die Wertschätzung für Essen, Kleidung, Wohnraum, Mobilität, Geräte. Und wohl das wichtigste: die Wertschätzung für andere Menschen und die Natur. Diese Wertschätzung hilft mir persönlich ungemein, ein Gefühl von »genug« zu entwickeln und zu spüren, was zu viel ist. Es tut unglaublich gut, die Leichtigkeit zu spüren, die sich in Momenten einstellt, wo man genug hat. Wo man wahrnimmt, dass es reicht, nicht zu viel, nicht zu wenig – es passt einfach! Je mehr ich mich damit beschäftigt und je öfter ich das erlebt habe, desto klarer wurde mir auch, dass das Zuviel eine wirkliche Belastung sein kann. Und zwar auch ganz unabhängig von allen ökologischen und sozialen Folgen – einfach nur für einen selbst!

Denn Zuviel ist eben mehr, als wir brauchen, und damit auch ein Zeichen von Mangel. Zu viel ist nicht nur mehr als genug, sondern ein Mangel an richtigem Maß!

Vielleicht geht es also auch einfach darum, das richtige Maß zu finden. Oder jedenfalls darüber nachzudenken, zu diskutieren und infrage zu stellen, was im Moment noch als selbstverständlich gilt. Und das gilt wohlgemerkt für die Einzelnen wie für die Politik.

Es war schon für mein erstes Buch entscheidend, und ich möchte es an dieser Stelle noch einmal bestärken:

Wovon es meines Erachtens nie zu viel geben kann, ist menschlicher Zusammenhalt, Unterstützung und gemeinsame Ziele und Visionen. Es sind die vielen Freundschaften und Beziehungen, die durch persönliches Engagement entstehen, dadurch, dass man sich mit anderen zusammentut, gemeinsam für eine Sache eintritt, etwas tut, was einem wichtig ist. Egal ob in meinem Blasmusikverein, im Fußballverein der Kinder, bei verschiedenen Initiativen, bei meinen Vorträgen oder in der Politik, ich habe solche Menschen überall kennengelernt. Neben der Natur war und ist das meine größte Kraftquelle. Und aus beidem zusammen schöpfe ich das, wovon in diesem Buch oft die Rede sein wird und was ich für unerlässlich halte, wenn wir diese Welt zum Besseren verändern wollen: Mut, Zuversicht und Engagement!

Teil I: Fragestellungen

Vorgeschichte: Wie wir plastikfrei wurden

Wie alles angefangen hat, wurde ich in den letzten Jahren unzählige Male gefragt. Und ich habe immer wieder die Geschichte von unserem Urlaub am Meer 2009 in Kroatien erzählt. Von den menschenleeren Stränden Anfang September, von unseren drei Kindern – damals 13, zehn und sieben Jahre alt – die nicht aufgehört haben zu fragen, warum die Strände voller Plastikmüll sind, wie der Müll dorthin kommt, und schließlich, wer daran schuld ist. Vom Film »Plastic Planet«, den ich kurz nach unserer Rückkehr bei der Premiere in Graz gesehen habe, und von meiner Entscheidung nach dem Film, »so nicht mehr weitermachen zu wollen«!

Aber eigentlich war das nicht der Anfang. In Wirklichkeit hat alles wohl viel früher begonnen. Denn viele Menschen haben denselben Müll gesehen wie wir, und auch denselben Film, doch nicht alle haben dieselben Konsequenzen gezogen.

Meine Eltern, speziell mein Vater, waren mit meiner Schwester und mir sehr viel auf Bergen und an Seen unterwegs, wir sind viel Rad gefahren, in den Wald gegangen, haben Schwammerl gesucht, Tiere beobachtet, Kastanien und Blätter gesammelt, an Bächen gespielt. Und bei all diesen wunderschönen Kindheitserlebnissen haben unsere Eltern uns wohl auch vermittelt, dass man auf diese Schönheit achtgeben muss. Dass sie zwar ein Geschenk ist (und wir somit dafür nicht zahlen müssen), aber wir gerade deshalb auch die Pflicht haben, die Unversehrtheit dieses Geschenkes zu wahren. Bei mir hat das unter anderem dazu geführt, dass ich schon als kleines Kind dazu neigte, den Müll anderer Leute aufzusammeln, was wiederum manche Erwachsenen als Eingriff in ihre Privatsphäre verstanden haben und entsprechend reagierten.

Immerhin habe auch ich damals schon meinen Vater mit Fragen bombardiert und konnte nicht verstehen, warum manche Leute einfach ihren Abfall in die Natur werfen. Und so schließt sich wohl der Kreis. Denn auch wenn die Dimension dieses Problems in den 70ern und frühen 80ern mit der heutigen Vermüllung unseres Planeten nicht vergleichbar ist, war es mein Vater, der immer sagte: »Egal, warum andere Leute sich so verhalten – wir machen es jedenfalls anders! Schließlich wollen wir, dass es hier schön bleibt!«

Mein Vater ist leider schon sehr früh gestorben, aber diese Sätze von ihm prägen mich immer noch. »Wir machen es anders! Schließlich wollen wir, dass es hier schön bleibt!« Und das war es auch, was meine Kinder wollten, als wir in diesem Spätsommer 2009 stundenlang den Müll an den leeren Stränden zusammensammelten. Es waren sehr berührende Momente. Auf der einen Seite die zerstörerische Kraft, die von den Menschen ausgeht, die Verschwendung und die gedankenlose Verwüstung unserer eigenen Lebensräume, auf der anderen Seite dieser brennende Wunsch meiner Kinder, »es wiedergutzumachen«. Und gleichzeitig die ständigen Fragen der Kinder: Warum passiert das eigentlich? Wer ist schuld daran?

Und schon dort an den kroatischen Stränden konnte ich der Antwort nicht ausweichen. Irgendwann nach zahlreichen Erklärungen über die Schifffahrt, die schlechten Müllsammelsysteme in vielen Ländern und die Gedankenlosigkeit vieler Menschen musste ich mir doch eingestehen, dass das alles auch mit mir zu tun hat. Mit uns, die wir auch all diese Dinge kaufen, vielfach verpackte Produkte, unnötiges Zeug einfach, weil es billig ist, Plastiksackerln in Hülle und Fülle, Plastikflaschen, Dosen, Billigspielzeug von schlechter Qualität, und weil das alles entweder sowieso zum Wegwerfen gedacht ist oder so schlecht gemacht, dass es gleich einmal wieder kaputt wird und auch nicht mehr repariert werden kann, landen riesige Mengen davon ganz rasch irgendwo in der Natur. Und weil es dennoch weiterhin produziert und auch gekauft wird, gibt es immer mehr davon. Landet immer mehr davon auch im Meer und hier vor unseren Füßen – kurz gesagt: Wir sind ein Teil des Problems!

Doch dass wir auch ein Teil der Lösung sein könnten, wurde mir erst ein paar Wochen später klar. Und zwar nach einem schicksalhaften Kinobesuch am 17. September 2009, wo ich mit einer Freundin die Premiere des österreichischen Films »Plastic Planet« in Graz besucht hatte. Dieser Film war letztlich der Auslöser für ein Experiment mit meiner Familie, das nunmehr schon fast 10 Jahre fortgeführt wird und unser gesamtes Leben sehr verändert hat.

In »Plastic Planet« wurde das, was wir im Urlaub gerade im Kleinen gesehen hatten, in seiner globalen Dimension thematisiert. Der Wiener Regisseur Werner Boote zeigt darin allerdings nicht nur das gigantische Ausmaß der weltweiten Müllproblematik mit all ihren Folgen für Natur, Tiere und Menschen, sondern auch die gesundheitlichen Folgen, die intransparenten Praktiken der Plastikindustrie und nicht zuletzt die politische Dimension des Themas. Beim Verlassen des Kinosaals spürte ich nicht nur einen gewaltigen Groll über das soeben Gesehene und über meine eigene Gedankenlosigkeit im Umgang mit Plastik und Verpackungen, sondern auch eine zu diesem Zeitpunkt noch unerklärliche Aufbruchstimmung. Und dieser Satz war wieder da: »Wir machen es anders!«

Und so starteten wir am nächsten Tag – ohne uns dessen bewusst zu sein – unser wohl größtes Familienabenteuer. Einige Wochen später begann ich auch, einen Blog (www.keinheimfuerplastik.at) über unsere Erfahrungen mit dem plastikfreien Einkauf zu schreiben, die ersten Zeitungsartikel erschienen, Fernseh- und Radiointerviews wurden aufgenommen und sogar Dokus und Livesendungen mit uns gedreht.

Es folgte eine extrem spannende Phase, in der ich mit Werner Boote zu zahlreichen Filmdiskussionen zu »Plastic Planet« eingeladen wurde, um über unser Experiment und die Erfahrungen, die wir machten, zu berichten. Gleichzeitig war ich vor allem damit beschäftigt, Alternativen zu recherchieren, bei unterschiedlichen Firmen nachzufragen, welche Materialen sie für ihre Verpackungen verwenden, und diverse Anfragen zu beantworten. Werner war dabei nicht nur ein großartiger Unterstützer, sondern hat auch immer wieder Aktionen eingefädelt und Kontakte vermittelt. Ein sehr prägendes Erlebnis in dieser Zeit war die Hausräumaktion, die Werner und sein Team gemeinsam mit uns durchführten. Wie viele Familien in seinem Film haben wir an diesem Tag unseren gesamten Haushalt »von Plastik befreit« und so gut wie alle Plastikgegenstände vor dem Haus aufgetürmt. Die allermeisten dieser Dinge lagern immer noch in unserem Nebengebäude.

Zu Beginn unseres Experiments stand eindeutig der sportliche Ehrgeiz im Vordergrund. Wir suchten plastikfreien Ersatz für Produkte, die wir bisher immer gekauft hatten. Wir waren sehr akribisch, untersuchten alle Verpackungen bis in ihre Einzelteile, entdeckten die Kunststoffschichten in Kronenkorken von Bierflaschen und Schraubverschlüssen von Marmeladegläsern und kamen recht schnell zur Erkenntnis, dass wir es nicht hundertprozentig schaffen würden. Denn schließlich war eine unserer Bedingungen, dass das Experiment Spaß machen und keinen Stress in die Familie bringen sollte, und so gesehen war ein Bier für meinen Mann und Marmelade für alle drei Kinder nicht dauerhaft verzichtbar. Auch war es uns schnell klar, dass nicht jede »Alternative« zu Plastikverpackungen wirklich eine gute Alternative wäre. Es gab also von Anfang an Kompromisse in unserem Experiment. Doch es war auch sehr schnell klar, dass ein wesentlicher Teil des Erfolgs wohl das schlichte »Weglassen« von Produkten sein würde. Küchenrollen, WC-Steine und fast alle Putzmittel sind nur ein paar Beispiele dafür – doch auch meine geliebten Kartoffelchips fielen leider in diese Kategorie.

Nach dem ursprünglich geplanten einen Monat des Experiments waren sich alle in der Familie einig, dass wir weitermachen wollten. Und nach einem Jahr hatten wir trotz einiger Kompromisse und Ausnahmen insgesamt tatsächlich nur einen halben Gelben Sack Plastikmüll produziert. Das mediale Interesse am Thema »Plastikvermeidung« blieb zu meinem Erstaunen über Jahre hinweg groß. Meine Familie und ich waren sozusagen zum Sinnbild dafür geworden, dass jeder von uns einen Beitrag leisten kann und soll. Überhaupt flaute das Thema »Plastik« über die Jahre nicht etwa ab, sondern wurde von Jahr zu Jahr aktueller.

Eine Folge dieser Erkenntnis war, dass ich mein persönliches politisches Engagement von der Gemeinde- auf die Landesebene ausweitete. Und letztlich war das hartnäckige Dranbleiben an der »Plastiksache« sicher auch mitentscheidend dafür, dass ich seit dem Sommer 2015 Abgeordnete der Grünen im Steirischen Landtag bin.

Das erste Buch endet ja mit dem Kapitel »Ein sicher nicht endgültiges Resümee« und den abschließenden Sätzen: »Natürlich hadere ich bisweilen damit, dass ich nicht mehr tun kann, nicht die ganze Welt oder zumindest Teile davon zu retten vermag, aber ich habe gelernt, dass jeder kleine Schritt bedeutsam ist. Für mich selbst, für meine Kinder, für die Hoffnung auf Veränderung und für die Motivation, weitere kleine Schritte zu gehen. Mehr kann ich als einzelner Mensch nicht tun. Allerdings auch nicht weniger.«

Doch nach Hunderten Vorträgen und Diskussionen zum Thema »Plastikfreie Zone« (die ich auch heute immer noch sehr gerne halte) und obwohl wir auch heute noch mit ca. einem halben Gelben Sack pro Jahr auskommen, geht es längst nicht mehr »nur« um Plastik. Es geht darum aus dem Kreislauf der Verschwendung auszubrechen und Menschen dazu zu ermuntern, sich zu engagieren, um den notwendigen Wandel hin zu einem für Menschen und Natur verträglichen und lebenswerten System zu schaffen. Dafür braucht es nicht nur die Erkenntnis, dass wir unsere Lebensumfelder zu »Verschwendungsfreien Zonen« machen wollen, sondern vor allem auch das Engagement von vielen!

Als ich vor zehn Jahren wieder begonnen habe, eine Dose zum Einkaufen mitzunehmen, war das irgendwie exotisch, wurde teilweise bestaunt, teilweise belächelt. Heute gehen nicht nur meine inzwischen erwachsenen Kinder Samuel und Marlene selbstverständlich mit der Dose einkaufen. Es haben immer mehr Menschen damit begonnen, und mittlerweile reagieren auch die großen Supermarktketten darauf: Eine hat bereits ein System mit Tablett eingeführt, das nun ganz offiziell das Befüllen der eigenen Dosen erlaubt und auch den Hygienebestimmungen gerecht wird. Ich bin nicht so vermessen zu glauben, dass das primär etwas mit meiner persönlichen Vorbildwirkung zu tun hat, aber ich glaube jedenfalls, dass jeder einzelne Mensch, der irgendwann eingefordert hat, wieder so einkaufen zu können, wie es für meine Oma noch ganz selbstverständlich war, die auf die Verschwendung hingewiesen hat, auch einen Beitrag geleistet hat. Eine große Drogeriemarktkette hat inzwischen Nachfüllstationen für gewisse Putz- und Waschmittel eingeführt, um Plastikverpackungen zu reduzieren. Inzwischen dienen solche Aktionen den großen Marktplayern natürlich auch zur Imagepflege. Die Grenze zum Greenwashing ist dabei sicher immer fließend, doch im Prinzip finde ich es wichtig, dass so gut wie niemand mehr an dem Thema vorbeikommt und dass Verschwendung langsam, aber sicher ein so schlechtes Image bekommt, dass auch die bisherigen Profiteure umdenken müssen.

Es liegt natürlich auch eine kleine Gefahr in diesem Gedanken, denn immerhin hat es satte zehn Jahre gedauert, bis die selbst mitgebrachten Dosen nun wieder willkommen in manchen Supermärkten sind. Der ganze Rest der gigantischen Verpackungsverschwendung bleibt davon nach wie vor ebenso weitgehend unberührt wie die Verschwendung in den vielen anderen Bereichen des Konsums. Heute wissen wir (mehr als ausreichend wissenschaftlich untermauert), dass wir nur mehr rund zehn weitere Jahre Zeit haben, um die wirklich großen Veränderungen umzusetzen, die notwendig sein werden, um der Zerstörung unserer wichtigsten Lebensgrundlage Einhalt zu gebieten. Der Zerstörung eines Klimas, das überhaupt noch Leben und Zivilisation, wie wir sie jetzt kennen, möglich macht. Und das gilt im wörtlichen wie im übertragenen Sinne.

Meine Erfahrung aus zehn Jahren Plastikmüllverweigerung und vier Jahren Politik sagt mir jedenfalls ganz eindeutig, dass es mehr brauchen wird als viele Einzelne, die sich abmühen innerhalb eines falschen Systems etwas richtiger zu machen, um das in den nächsten Jahren zu bewerkstelligen. Man verstehe mich bitte nicht falsch, es zählt natürlich auch weiterhin jeder einzelne, kleine Schritt, jede Bemühung, jede persönliche Umstellung, die Verschwendung und Überfluss auf irgendeiner Ebene reduziert, doch angesichts des wirklich langsam sehr engen Zeithorizonts, angesichts des unsäglichen Leids, das unser Überfluss in vielen Teilen der Welt jetzt schon erzeugt, angesichts der zunehmend ungerechten Verteilung von gesunden Lebensbedingungen und Wohlstand auch in unseren Breiten wird es doch noch mehr brauchen als das.

Nicht umsonst fordert die Fridays-for-Future-Bewegung ja nicht nur Klimaschutz, sondern »Climate Justice«, also Klimagerechtigkeit! Auch dazu können viele einzelne Menschen ganz entscheidend beitragen, denn hier sind wir genau an der Schnittstelle oder vielleicht eher am unerlässlichen, ständigen Zusammenspiel und Zusammenwirken der einzelnen Menschen und der Politik. Denn wenn aus vielen Einzelnen eine Bewegung wird, die klare politische Forderungen formuliert und wenn diese Bewegung eine gewisse Größe erreicht, kann die Politik sie nicht mehr ignorieren und irgendwann auch nicht mehr mit Alibiaktionen ruhigstellen.

Warum ausgerechnet wir?

Das war in all den Jahren seit dem Beginn unseres »Plastikfrei-Experiments« im Jahr 2009 sicher die am häufigsten gestellte Frage.

Unsere Kinder waren ja zu Beginn des Experiments ungefähr sieben, zehn und 13 Jahre alt und von Beginn an sehr intensiv in die Planung und Umsetzung einbezogen. Und schließlich war es ja Marlene selbst gewesen, die mit ihren zehn Jahren nach dem ursprünglich für einen Monat angesetzten Experiment klipp und klar festgestellt hatte: »Wir können doch einfach weitermachen, uns fehlt doch nichts!«

Insgesamt konnte ich also auf die Fragen nach dem Wohlergehen der Kinder immer besten Gewissens antworten, dass es ihnen gut ging. Ohne weitere Erklärungen erschein das aber offenbar nicht immer glaubwürdig. Ich kann mich noch sehr gut an die äußerst skeptischen Worte einer jungen Mutter in einer meiner Lesungen erinnern. Sie hatte ebenfalls drei Kinder, etwas jünger als unsere, und reagierte fast ein wenig aufgebracht: »Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass Sie Ihren Kindern das ganze Spielzeug wegnehmen konnten, keine Süßigkeiten mehr, kein Knabberzeugs, kein Handy, keine Computerspiele, und es denen ›gut geht‹ und die keine Außenseiter geworden sind? In unserer Schule ist es schon ein Problem, wenn meine Tochter nicht auf der neuesten Lacostewelle mitschwimmt, weil wir uns das nicht leisten können …«

In solchen Momenten war es für mich immer ein wenig schwierig, nicht zu weit auszuholen. Denn eigentlich hätte ich immer das Bedürfnis gehabt, in meiner eigenen Jugend zu beginnen. Dass ich persönlich das »Schwimmen abseits des Mainstreams« schon sehr früh zum Markenzeichen erhoben, mich dabei immer sehr wohlgefühlt hatte und dass das daher wohl auch für unsere Kinder einfach bis zu einem gewissen Grad ganz normal geworden sei. Dass sie es wohl gewohnt seien, etwas auch anders machen zu können als die meisten, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen, aber auch, ohne anderen ein schlechtes Gewissen zu machen.

Doch das hätte in durchschnittlichen Diskussionsrunden wohl meist den Rahmen gesprengt. So beschränkte ich mich auch in diesem Fall darauf klarzustellen, dass ein wesentlicher Teil des Erfolgs unseres Experiments die Mitbestimmung und das Vetorecht aller Beteiligten war. Dass unsere Kinder durch den enorm großen und positiven Zuspruch naturgemäß von sich aus ein sehr großes Interesse hatten, auch etwas beizutragen, und dass zumindest unsere beiden älteren auch von Beginn an einen sehr selbstbewussten Umgang mit dem Experiment pflegten.

»Wir haben ihnen natürlich keine Süßigkeiten entrissen, wenn sie von Oma und Opa etwas bekommen haben oder wenn mal nach dem Fußballmatch eine vom Trainer spendierte Softdrink-Plastikflasche mit nach Hause kam. Und über viele andere Themen haben wir natürlich immer wieder Diskussionen geführt – wie es halt so ist mit Kindern in einem gewissen Alter. Eigentlich fast in jedem Alter …!«

Mit Leonard war es zum Beispiel in den ersten Jahren immer wieder ein Thema, dass sich unsere Sichtweisen darüber, ob er noch neues Playmobil bräuchte, durchaus von seiner Einschätzung unterschied. In diesem Zusammenhang war es allerdings extrem hilfreich, dass wir in unserer Hausräumaktion mit Werner Boote zu Beginn des Experiments einfach mal so gut wie alle Plastikspielsachen in den Stall geräumt hatten. Die Kinder wussten natürlich, dass man sie jederzeit wieder ins Haus holen konnte. Doch durch den unfassbaren Überfluss an Spielzeug hatten sie offenbar selbst recht schnell den Überblick verloren, und so konnten wir dann hin und wieder einfach vorhandene Dinge wieder ins Kinderzimmer holen. Und für die Kinder, speziell für Leonard, waren sie dann »wie neu«. Das galt zum Glück auch für Playmobil, Lego und vieles mehr. Und für echte »Spielzeugnotfälle« hatten wir schließlich den Kompromiss gefunden, jedenfalls nur mehr Gebrauchtes »neu« anzuschaffen.

Samuel, unser Ältester, liebte zudem wie ich »alte Sachen« und hatte speziell bei den Schulartikeln die größte Freude mit einer (allerdings nur vorübergehend eingesetzten) alten Lederschultasche, einer Federschachtel, ebenfalls aus Leder, und zahlreichen Holzartikeln. Er war im Übrigen seit frühester Kindheit für »seinen eigenen Stil« bekannt, von dem ihn nichts und niemand abbringen konnte (diesbezüglich ist er mir wohl sehr ähnlich), war aber immer sehr beliebt und hatte einen ausgesprochen großen Freundeskreis.

Marlene, die seit Beginn des Experiments von sich aus mit ihrer Freundin Melinda quasi eine klasseninterne Ökogruppe gegründet hatte, war bezüglich Überzeugungsarbeit unter Gleichaltrigen eindeutig am meisten ambitioniert. Dadurch lernte sie auf der einen Seite wohl schon sehr früh das Gefühl der Selbstwirksamkeit kennen und hatte teils sehr schöne Erfolgserlebnisse, musste aber natürlich auch immer wieder Frustration und Enttäuschung aushalten, wenn ihre oftmals durchaus hartnäckigen Überzeugungsversuche auf Widerstand trafen.

Leonard, der ja noch in die Volksschule ging, profitierte in den ersten Jahren des Experiments vor allem davon, dass ich auch als Elternvertreterin sehr aktiv war und einige Projekte zur Plastikmüllvermeidung gemeinsam mit engagierten Lehrerinnen und Lehrern direkt an seiner Schule umsetzen konnte. Doch auch die anderen beiden konnten ihre Erfahrungen immer wieder aktiv in Schule und Freundeskreis einbringen, Referate halten, von ihren Erfahrungen erzählen und wurden dadurch immer wieder bestätigt.

»Das Ganze war für unsere Kinder einfach sehr positiv besetzt!«, erkläre ich regelmäßig in Diskussionsrunden und bei Interviews. »Und das hat natürlich ganz stark damit zu tun, dass wir als Eltern es auch so empfunden haben.«

Das Einzige, was mit der Zeit fast allen ein wenig mühsam wurde, waren letztlich die medialen Auftritte. Die Kinder hatten es irgendwann allerdings ziemlich satt, immer die gleichen Fragen zu beantworten. Zudem war die ganze Sache für sie inzwischen einfach relativ normal geworden, und es fiel ihnen daher zunehmend schwerer, sich noch irgendwas einfallen zu lassen, »worauf sie verzichten müssten oder was ihnen fehlte«. Lediglich Marlene war bis auf ein, zwei Ausnahmen auch nach Jahren noch immer bereit, auch öffentlich über unser Experiment zu reden. Sie hatte sich seit 2011 immer wieder an Projekten einer WWF Jugendgruppe beteiligt, die uns damals anlässlich unseres Experiments besucht hatte. Die Bestärkung aus den gemeinsamen Aktivitäten mit dieser Gruppe und ihre angeborene Leidenschaft, die Welt verändern zu wollen, schienen sie immer wieder zu motivieren.

Die Kinder waren also nicht nur ein wesentlicher Auslöser für die bis dato größte Umstellung in unserem Familienleben. Sie haben diese Umstellung auch entscheidend mitgestaltet und durch ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten geprägt. Und dafür, dass es ihnen dabei gut ging und sie die ganze Sache für ihr Alter außergewöhnlich stark mittragen konnten, war wohl auch die Tatsache entscheidend, dass mein Mann und ich in Sachen »Plastikfreie Zone« einfach von Anfang an hundertprozentig an einem Strang zogen!

Ist plastikfrei wirklich genug?

In den ersten Wochen und Monaten unseres »plastikfreien Experiments« habe ich mich sehr intensiv mit Kunststoffen, der Zusammensetzung verschiedener Materialien, Verpackungs- und Hygienevorschriften beschäftigt. Der Fokus unserer Aufmerksamkeit lag eindeutig darauf, Plastik sowohl als Verpackungsmaterial als auch als Gebrauchsmaterial zu vermeiden. Zu Beginn trieb mich vor allem der Widerstand gegen das Gefühl »Man kann eh nichts ändern«, ein aktiver Akt gegen die Ohnmacht und der sportliche Ehrgeiz zu beweisen, dass es möglich ist, plastikfrei einzukaufen, an. Ich hatte es einfach satt, ständig zu hören, dass man dem Verpackungsirrsinn hilflos ausgeliefert ist. Ich wollte nicht hinnehmen, dass die Verschwendung dieses Materials fast schon wie ein Naturgesetz betrachtet wurde.

»Da kann man halt nichts machen«, war einer der Sätze, die mich schon als Kind und Jugendliche immer maßlos aufgeregt hatten, wenn es darum ging, Veränderungen von unbefriedigenden Situationen herbeizuführen. Nur zu jammern, ohne einen Versuch zu machen, etwas zu verändern, war für mich immer schon undenkbar. Nachdem ich »Plastic Planet« gesehen hatte, war der Ärger über die Verschwendung von Kunststoff und die Konsequenzen dieser Verschwendung für unsere Lebensgrundlagen besonders groß. Warum nahmen wir alle diese Zerstörung unserer Lebensgrundlagen inklusive möglicher direkter gesundheitlicher Gefahren tatenlos hin? Ich musste mir bei Diskussionen in der Familie und im Freundeskreis immer wieder klarmachen, dass ich selbst bisher auch nicht im Geringsten darüber nachgedacht hatte, dass Weichmacher und andere Inhaltsstoffe von Kunststoffen meiner Gesundheit schaden könnten und dass ich im Umgang mit Plastikverpackungen bisher die sachgemäße Trennung des Mülls auch immer für ausreichend gehalten hatte. Aber jedes einzelne dieser Gespräche war tatsächlich ein riesiger Ansporn, Plastik in jeder Form zu vermeiden, wo immer es nur möglich war.

Dabei mussten wir uns natürlich auch von Beginn an mit diversen Verpackungsalternativen auseinandersetzen: Papier, Glas, Metall, Stoff. »Hauptsache kein Plastik« war wirklich nur ganz zu Beginn des Experiments das Thema, denn schon nach wenigen Tagen drängten sich auch hier die ersten Sinnfragen auf. Mir wurde plötzlich bewusst, dass heutzutage jedes Glas mit Schraubverschluss ebenso einen Dichtungsring aus Kunststoff hat. Damit wären auf einen Schlag neben den Plastikverpackungen quasi auch alle Glasverpackungen weggefallen, zumindest wenn wir den Anspruch verfolgt hätten, Plastik zu hundert Prozent zu vermeiden. Nach einigen intensiven Diskussionen im Freundeskreis kristallisierte sich jedoch eine Lösung heraus. Meine Freundinnen Sabine und Nicole waren beide der Meinung, dass wir diese kleine Ausnahme einfach akzeptieren sollten, und auch Freunde, die anfangs zum Umstieg auf Getränke und Gemüse in Aludosen rieten, sahen schließlich ein, dass das nicht im Geiste unseres Experiments wäre. Schließlich wollten wir ja in Bezug auf Umwelt- und Gesundheitsschutz etwas Sinnvolles tun. Und diesbezüglich war Einweg Alu wohl wirklich keine gute Idee – im Gegenteil: Gerade die extrem energieaufwendige Produktion von Aluminium, der dabei anfallende giftige Rotschlamm und auch potenzielle gesundheitlich bedenkliche Auswirkungen ließen in mir die Befürchtung aufkeimen, dass wir hier vom Regen in die Traufe kämen. Somit war die Diskussion um die Kronenkorken einerseits der Auslöser dafür, dass wir von Beginn an wussten, wir würden das »plastikfreie Experiment« nicht hundertprozentig schaffen. Aber auch ein wichtiger Anstoß dafür, über mögliche Alternativen zu Plastik ebenso kritisch nachzudenken wie über Kunststoff selbst.

Nach dem anfänglichen »Plastikvermeidungshype« beschäftigte ich mich daher zunehmend auch mit den Ökobilanzen, von Glasverpackungen, Papier und anderen Verpackungsmaterialien wie zum Beispiel dem damals vermehrt aufkommenden »abbaubaren Plastik« (irreführenderweise auch »Bioplastik« genannt).

Zugegebenermaßen freute ich mich aber zu Beginn unseres Experiments noch sehr, wenn ich bei der Obst- und Gemüseabteilung in manchen Supermärkten ein Papiersackerl entdeckte oder meine Rosinen und Trockenfrüchte im Bioladen in Papiersäckchen packen konnte.

Auch Glasflaschen jeglicher Art waren uns willkommen. Durch »Plastic Planet« war mir klar geworden, dass ich ohne chemische Analyse als Konsumentin keinerlei Chance hatte zu beurteilen, was alles in den jeweiligen Verpackungskunststoffen enthalten war, wie viel davon in Lebensmittel und Getränke überging und wie sich das auf unsere Gesundheit auswirkte. Diese Tatsache war ja neben der Müll- und Ressourcenthematik auch ein sehr entscheidender Auslöser für unser Experiment gewesen: Ich wollte einfach kein Plastik mehr rund um unsere Lebensmittel und Getränke haben. Und somit war Glas, eines der ältesten Verpackungsmaterialien, für mich in Hinblick auf seine Eigenschaften jedenfalls die bessere Alternative. Es verhält sich neutral gegenüber dem Inhalt, nimmt keine Aromen wie zum Beispiel ätherische Öle auf und gibt keine Inhaltsstoffe an das jeweilige Lebensmittel ab. Da nahm ich das etwas höhere Gewicht und die Zerbrechlichkeit durchaus gerne in Kauf.

Für die Verwendung von Papiersacklerln war mein Hauptargument, dass der verwendete Rohstoff ein nachwachsender war und auch die getrennte Sammlung und Wiederverwertung von Altpapier in Österreich relativ gut funktioniert. Als klassisches Einkaufssackerl benutzten wir zwar seit jeher am liebsten Stofftaschen, die man waschen und daher beinahe unendlich oft wiederverwenden konnte, doch bei vielen Lebensmitteln, die wir damals doch noch hauptsächlich im Supermarkt kauften, stiegen wir in dieser Zeit von Plastikverpackung auf Karton und Papier um.

Und auch ein weiteres Material, das ich im Zuge unseres Experiments kennengelernt hatte, schien zumindest teilweise ein Ausweg aus dem Plastikdilemma zu sein: Kunststoff aus nachwachsenden Rohstoffen wie Mais, Kartoffelstärke, Holz, Milchsäurebakterien usw., der noch dazu verrottbar war und unter dem wohlklingenden Namen »Bioplastik« gehandelt wurde.

Zu Beginn schien also alles relativ einfach zu sein. Der Umstieg von Plastik auf andere Materialien schien beim täglichen Einkauf prinzipiell möglich. Und dort, wo es noch nicht möglich war, bestand zumindest die Hoffnung, dass der Handel angesichts eines steigenden Drucks durch die Kundinnen und Kunden mit der Zeit auf Alternativen umsteigen würde.

Über die Gesamtökobilanz von Papier, Glas oder Bioplastik machte ich mir anfangs nicht allzu viele Gedanken, wurde jedoch bald durch immer wiederkehrende Kommentare und Meinungen auf meinem Blog »Keinheimfürplastik« darauf aufmerksam. Und auch die mögliche Schadstoffbelastung von Recyclingpapier war in diesem Zusammenhang immer wieder ein Thema. Relativ bald wurde mir auch klar, dass jedes Material seine Nachteile hatte und das Hauptproblem wohl darin lag, dass wir von fast allem zu viel verbrauchten. Und dieses »Zuviel« betraf bei Weitem nicht nur Verpackungsmaterial, sondern so gut wie jede Art des Konsums, von Gütern, Energie, ja sogar von Dienstleistungen. Besonders beschäftigte mich in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass wir uns das alles offenbar leisten konnten, dass die Verschwendung zumindest oberflächlich betrachtet in vielen Bereichen sogar sehr günstig war und damit der Anreiz für Veränderungen relativ gering.

Und wie so oft führten mich die Probleme der Gegenwart zur Frage: Wie war das eigentlich früher, und was können wir daraus für die Zukunft lernen?

Was ist eigentlich Wohlstand?