Vier Pfoten am Strand - Petra Schier - E-Book
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Vier Pfoten am Strand E-Book

Petra Schier

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Beschreibung

Ein Sommer Auszeit, um an seinen Skulpturen zu arbeiten, mehr sucht Ben eigentlich nicht in dem kleinen Ort am Meer! Aber dann stolpert ihm der junge Rüde Boss über den Weg, und Ben beschließt, ihn bei sich aufzunehmen. Der Hund stellt Bens Leben auf den Kopf und seine Geduld auf eine harte Probe. Niemals wird er es allein schaffen, ihn zu bändigen. Zum Glück ist da noch Christina. Sie leitet die Hundeschule und scheint genau die Richtige für Boss zu sein. Und vielleicht auch für sein neues Herrchen …

Ein Liebesroman, so erfrischend und mitreißend wie eine Meeresbrise im Sommer

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Seitenzahl: 556

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Zum Buch

So hat Christina sich ihre erste Begegnung mit dem berühmten Künstler Ben Brungsdahl nicht vorgestellt: Aggressiv wirft er sie aus seinem Atelier. Mit jemand so Arrogantem muss sie sich nun wirklich nicht abgeben. Doch dann steht Ben wenige Tage später mit dem jungen Rüden Boss vor Christinas Hundeschule. Die beiden sehen so herzzerreißend hilflos miteinander aus, dass Christinas Entschlossenheit, ihn abblitzen zu lassen, bröckelt. Mit jeder Trainingsstunde verstehen die drei sich besser. Doch Christina weiß: In drei Monaten wird Ben wieder zurückkehren in sein Jetset-Leben zwischen Partys und Ausstellungen in aller Welt, während sie hier in Lichterhaven bleibt … »Ein zauberhafter Roman mit liebenswerten Figuren und einer wunderbaren Wohlfühlatmosphäre.«Leserstimme

Zur Autorin

Seit Petra Schier 2003 ihr Fernstudium in Geschichte und Literatur abschloss, arbeitet sie als freie Autorin und Lektorin. Neben ihren zauberhaften Weihnachts- und Sommerromanen schreibt sie auch historische Romane. Sie lebt heute mit ihrem Mann und einem Deutschen Schäferhund in einem kleinen Ort in der Eifel.

Lieferbare Titel

Kleines Hundeherz sucht großes Glück Körbchen mit Meerblick

MIRA® TASCHENBUCH

Copyright © 2018 by MIRA Taschenbuch in der HarperCollins Germany GmbH

Covergestaltung: büropecher, Köln Coverabbildung: Eriklam / iStock, Nadya Eugene / shutterstock Redaktion: Christiane Branscheid

ISBN E-Book 9783955767884

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E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

1. Kapitel

Also eins vorweg, damit das gleich klar ist: Nur weil du mich aus diesem Drecksloch befreit hast, in dem ich seit meiner Geburt zu hausen gezwungen war, bedeutet das noch lange nicht, dass wir jetzt dicke Freunde oder so was sind. Ich habe nämlich keine Freunde, weder dicke noch überhaupt welche. Ich käme auch glänzend ohne dich zurecht, jawohl. Lass mich nur mal aus dieser blöden Gitterbox raus, dann beweise ich es dir. Ich bin jetzt seit anderthalb Jahren auf der Welt und damit erwachsen. Das bedeutet, ich weiß, wo es langgeht.

Das Einzige, was ich dir zugutehalte, ist, dass du mich nicht wie meine Geschwister in diesem mindestens genauso grässlichen Tierheim gelassen hast. Dieser Lärm und lauter fremde Hunde und Katzen und Viecher, die ich noch nie im Leben gesehen habe. Viel zu laut ist es da, und es riecht komisch und überhaupt. Tierheim geht gar nicht. Also das war wenigstens eine kluge Idee.

Dass du mich jetzt aber schon seit Stunden in diesem riesigen Gefährt herumkutschierst, das ich nicht mal erkunden kann, weil ich aus der Box nicht rauskomme, zieht allerdings wieder enorm viele Beliebtheitspunkte ab. Mir ist nämlich schlecht. Ich bin, ehe du aufgetaucht bist, noch nie in einem Auto mitgefahren – und ganz ehrlich: Es gefällt mir kein bisschen. Weil du mich damit nämlich zuerst zum Tierarzt gebracht hast. Nicht dass ich da jemals zuvor gewesen wäre, aber das tut hier nichts zur Sache. Tierärzte stehen ganz weit unten auf meiner Beliebtheitsskala. Auch wenn ich zugeben muss, dass die Frau, zu der du mich geschleppt hast, ganz freundlich war. Fiona hieß sie, das weiß ich noch. Aber freundlich oder nicht, sie hat mir in die Schnauze geguckt und in die Ohren! Und dann auch noch Fieber gemessen und mich überall abgetastet. Und mit überall meine ich ÜBERALL. Ich meine: Hallo? Geht’s noch? Es gibt nun mal Stellen, die gehen niemanden etwas an. Da bin ich empfindlich. Das hat sie dann gemerkt, als ich geknurrt habe. Leider hat sie sich nicht beeindrucken lassen, und das war ziemlich mutig. Mutige Menschen beeindrucken mich, das gebe ich zu, deshalb habe ich nicht geschnappt.

Tu ich sowieso nicht gerne – und wenn, dann nur mein altes Herrchen, weil der Typ echt ätzend war. Hat mich und meine Geschwister immer getreten und uns eins mit so einer kleinen Reitpeitsche übergezogen, wenn wir nicht gleich gemacht haben, was er wollte. Oder – und Leute, das ist das Fieseste überhaupt! – mit so einem gemeinen kleinen Elektrodings, das er an unseren Halsbändern befestigt hatte.

Scharfmachen wollte er uns damit, was auch immer das bedeuten soll. Er fand’s cool, wenn wir geknurrt und die Zähne gefletscht oder sogar geschnappt haben. Und wenn wir’s nicht gemacht haben, hat er uns kein Futter gegeben. Und manchmal auch kein Wasser. Einmal wäre ich fast verdurstet.

Dann kamen irgendwelche Leute, die haben mich und meine Geschwister angeschaut – und auch die anderen Tiere im Haus und auf dem Hof. Da gab es nämlich auch noch Schafe und Ziegen und ein Pferd. Die haben sie irgendwann weggebracht und nur wir Hunde sind übrig geblieben. Das hat Herrchen nicht gefallen, also hat er uns immer öfter mit der Peitsche oder diesem ekelhaften Elektrodings drangsaliert und mich sogar einmal mitten im Winter eine ganze Nacht draußen im Zwinger gelassen, obwohl es so kalt war, dass sogar das Wasser im Napf gefroren ist und ich irgendwann meine Pfoten und meine Schnauze nicht mehr spüren konnte. »Hart machen« hat Herrchen das genannt. Ich müsste ein harter Kerl werden. Als wenn ich das nicht schon von Natur aus wäre! American Bulldogs sind nämlich hart im Nehmen, jawohl. Na ja, vielleicht habe ich manchmal doch ein bisschen zu laut gejammert, wenn ich es nicht mehr ausgehalten habe. Und traurig war ich auch oft. Genau wie meine Geschwister.

Und dann kamst eines Tages du und hast noch ein paar anderen Leuten Bescheid gesagt und uns da rausgeholt. Meine Geschwister sind zwar leider alle im Tierheim gelandet, aber gut, immer noch besser als dort, wo wir herkommen.

Ich weiß zwar nicht, warum du diese Leute geschickt oder woher du überhaupt von uns gewusst hast, aber ich gebe zu, dass das der beste Tag meines Lebens war. Nur wie gesagt, das bedeutet noch lange nicht, dass ich dich als neues Herrchen akzeptiere. Im Leben nicht! Ich will überhaupt kein neues Herrchen. Schon gar keins, das nett zu mir ist. War mein altes Herrchen nämlich auch manchmal – und dann dachte ich, er mag mich, und dann hat er mir wieder eins drübergegeben. So was mache ich nicht noch mal mit, das kannst du vergessen, und gehorchen tu ich auch nicht. Wenn überhaupt, dann bin ich der Chef, das erkennt man schon an meinem Namen. Der lautet nämlich Boss, und damit ist eigentlich auch schon alles gesagt. Ich bestimme, wo es langgeht, und im Moment will ich, dass du sofort anhältst, sonst kotze ich dir nämlich diese dämliche Gitterbox voll.

2. Kapitel

Mit gerunzelter Stirn warf Ben einen kurzen Blick über die Schulter, konzentrierte sich jedoch gleich wieder aufs Fahren. Warum er sich ausgerechnet das Pfingstwochenende für seine Reise ausgesucht hatte, wollte ihm nicht mehr so ganz einleuchten. Der Verkehr auf der Autobahn war mörderisch, und obwohl ihm sein neuer dunkelbrauner BMW X5 jeden nur erdenklichen Komfort bot, war er nach der langen Fahrtstrecke, die mit unzähligen kleineren und größeren Staus gespickt gewesen war, inzwischen redlich erschöpft. Hinzu kam seit ein paar Minuten das ungehaltene Knurren und Brummeln des Hundes, den er in einer massiven Hundetransportbox als Passagier im Kofferraum dabeihatte. Fast klang es, als ob Boss sich beschweren wollte. Ob er mal pinkeln musste? Sie hatten vor zwei Stunden die letzte Pause gemacht, und Ben hatte die größte Mühe gehabt, den bereits fast fünfzig Kilo schweren und eigensinnigen Boss wieder zurück in die Box zu verfrachten. Noch mal wollte er sich und dem Hund diesen Stress nur ungern antun, vor allen Dingen, weil es bis zu ihrem Zielort gar nicht mehr weit war.

»Was ist denn los, Boss?« Er kam sich seltsam vor, den Hund anzusprechen, denn der konnte schließlich nicht antworten. Vorsorglich drehte er die Rockmusik, die ihn auf langen Fahrten meist bei Laune hielt, so leise, dass er die Geräusche aus dem Kofferraum besser hören konnte. »Wir sind bald da. Vielleicht noch eine Viertelstunde oder höchstens zwanzig Minuten.«

Na toll, bis dahin bin ich garantiert mein Frühstück wieder losgeworden. Aber bitte, war ja deine Idee, weiß der Himmel, wohin zu fahren. Ich hätte das nicht gebraucht.

Angestrengt lauschte Ben auf das brummelige Gemaule, das Boss von sich gab. »Komm schon, du hältst es doch wohl noch die kurze Weile aus, oder? Ich habe keine Lust, das Theater von vorhin nach mal zu wiederholen.«

Ich ehrlich gesagt auch nicht. Aber mir ist echt übel, und ich bin so was von genervt, das glaubt mir keiner.

Mit einem unguten Gefühl nahm Ben die nächste Ausfahrt, an der sein Ziel, der kleine Touristenort Lichterhaven, bereits ausgeschildert war. Dort hatte er sich ein Ferienhaus gemietet und in der Nähe des Hafens, gleich neben einer Werft, ein leer stehendes Lagerhaus. Hoffentlich hatte das Transportunternehmen, das er beauftragt hatte, seine Arbeitsutensilien und die Werkstoffe bereits geliefert. Melanie Messner, seine Vermieterin, hatte ihm versprochen, sich darum zu kümmern, dass alle seine Sachen seinen Anordnungen gemäß abgeladen und eingelagert wurden.

Etwas mehr als drei Monate lang wollte er in Lichterhaven wohnen und arbeiten. Er hoffte, dass der Ortswechsel ihm einen Inspirationsschub gab und er endlich wieder einmal absolute Ruhe finden würde, die ihm in seiner Wohnung in Köln zuletzt eindeutig gefehlt hatte. Hauptgrund dafür waren die ständigen Partys und Empfänge gewesen, auf die sein Manager ihn geschleppt hatte. Seine neue Skulpturenausstellung, die noch immer durch Europa tourte, hatte Ben bereits im Winter und Frühjahr ständig auf Trab gehalten. Er hätte eigentlich nicht zu jeder einzelnen Galerie reisen müssen, ein paar ausgewählte Orte hätten auch gereicht. Jochen, sein Manager, hatte aber gemeint, es würde nicht schaden, sich häufiger öffentlichkeitswirksam zu zeigen und auch mal die kleineren Galerien mit seiner Anwesenheit zu beehren. Irgendwann hatte es Ben dann gereicht, und er war nach Hause zurückgekehrt. Ein paar Wochen Arbeit, bis die Partys angefangen hatten. Irgendwann war es ihm zu bunt geworden, und er hatte Jochen klipp und klar gesagt, dass er seine Ruhe wollte. Wie nämlich sollte er die nächsten Begeisterungsstürme mit seinen Werken hervorrufen, wenn er nicht mehr dazu kam, selbige überhaupt zu erschaffen?

Kurzerhand hatte er eine Arbeitsklausur ausgerufen und sich auf die Suche nach einem passenden Rückzugsort gemacht. Da es ihn schon immer an die See gezogen hatte, war seine Wahl schließlich auf Lichterhaven gefallen, jene wunderschöne kleine Stadt direkt an der Küste, die er vor Jahren schon einmal besucht hatte, um sich einen kleinen Kunsthandwerksladen anzusehen. Die damalige Inhaberin, eine alte Dame namens Sybilla, hatte ihm sofort gefallen. Sie war über seine Internetseite an ihn herangetreten und hatte ihm ihre Bewunderung für seine Skulpturen ausgedrückt, und da er solche kleinen Kunsthandlungen liebte und Sybilla ihm sehr sympathisch gewesen war, hatte er mit ihr einen Vertrag abgeschlossen. Zweimal im Jahr erhielt der Laden seither ausgewählte Stücke zu einem absoluten Vorzugspreis, sodass sie zu für Normalsterbliche erschwinglichen Preisen weiterverkauft werden konnten.

Natürlich käme er nie auf den Gedanken, sich zu beschweren, dass seine Werke in den Galerien Londons, Roms, Mailands, Berlins und zuletzt sogar in New York, Chicago und Los Angeles für mörderische fünf- bis sechsstellige Geldbeträge an Sammler abgegeben wurden. Nur dadurch konnte er sich sein Leben einrichten, wie es ihm gefiel. Trotzdem sah er nicht ein, warum Menschen mit durchschnittlichem Einkommen nicht auch die Gelegenheit erhalten sollten, sich einer seiner Skulpturen oder an einem seiner Bilder erfreuen zu können.

Inzwischen war Sybilla seit zwei Jahren verstorben, doch die kleine Kunsthandlung gab es noch immer. Sybillas Großnichte hatte sie übernommen, eine geschäftstüchtige Frau Anfang dreißig, die zwar ursprünglich aus einer ganz anderen Branche kam, jedoch offensichtlich große Freude daran hatte, das Geschäft ihrer Tante zu führen. Sie hatte die Internetseite des Ladens und den Auftritt in den sozialen Netzwerken modernisiert, bot neben den Exponaten im Laden auch regelmäßig kleine Ausstellungen und Lesungen mit regionalen und überregionalen Künstlern an und hatte auf ihn einen ausgesprochen engagierten Eindruck gemacht. Auf einer Jubiläumsfeier der Firma seines Vaters vor einigen Jahren waren sie einander sogar schon einmal kurz begegnet, als sie noch Chefeinkäuferin im renommierten Möbelhaus Brungsdahl gewesen war. Ihre damalige Stellung sprach eindeutig für ihre kaufmännischen Fähigkeiten. Sein älterer Bruder Peter, der das Geschäft mittlerweile führte, hatte sich ausgesprochen positiv über Melanie Brenner, so hatte sie damals noch geheißen, geäußert. Offenbar hatte ihr Umzug an die Küste ein nur schwer zu füllendes Loch im Personalstab des Möbelhauses hinterlassen.

»Wir haben es gleich geschafft, Boss.« Erneut warf Ben einen kurzen Blick über die Schulter. Der Hund knurrte leise vor sich hin. Mittlerweile hörte es sich allerdings nicht mehr böse oder verärgert, sondern eher kläglich an. »Sag mal, geht es dir nicht gut?«

Endlich hast du es kapiert.

»Das Autofahren ist dir doch bis eben gut bekommen.«

Na und, jetzt aber nicht mehr.

Besorgt trommelte Ben mit den Fingern aufs Lenkrad, entschied sich dann aber, das Risiko einer reisekranken Amerikanischen Bulldogge in Kauf zu nehmen. »Halt durch, Boss!«

Du hast leicht reden. Dir steigt ja nicht die Dose Kaninchen mit Kartoffeln ständig den Schlund hoch.

»Verdammt, hast du da eben gewinselt?«

Nein.

»Ich beeile mich ja schon.

Ich winsele nie. Ich bin schließlich ein harter … Oh Mist, mir ist wirklich übel. Vielleicht hab ich doch ein ganz kleines bisschen gewinselt … Nein, diese Blöße gebe ich mir nicht!

Endlich hatte Ben den Ort erreicht. Obwohl der Himmel bedeckt war und eine für die Küste typische kräftige Brise die Büsche und Bäume an den Straßenrändern plusterte und schüttelte, fühlte sich Ben sofort willkommen. In Kübeln, Balkonkästen und Vorgärten blühten bereits üppig bunte Blumen, Häuser und Grundstücke wirkten sehr gepflegt, und auch an den Straßenrändern, auf Verkehrsinseln, öffentlichen Plätzen und einfach überall, wo das Auge hinblickte, gab es Blumenrabatten und viel Grün. Auf einem Spielplatz sah er eine muschelförmige Schaukel, weitere maritime Details fanden sich an beinahe jeder Hausecke, ob es der Bootsanker über dem Eingang einer Kneipe war, die an einer langen Schnur aufgereihten Seesterne im Schaufenster der Postfiliale oder der restaurierte Kutter aus dem achtzehnten Jahrhundert mitten auf dem Marktplatz.

Ebenfalls an mehreren Stellen begegnete ihm eine witzige Comicfigur, auf deren blau-weiß gestreiftem Halstuch Watti Wattwurm stand, offenbar das Maskottchen des Touristenstädtchens.

Da Boss in seiner Box immer lauter zu rumoren begann, achtete Ben nicht weiter auf die pittoreske Umgebung, sondern konzentrierte sich auf das, was sein Navi an Anweisungen von sich gab.

Der Kastanienweg befand sich am nordöstlichen Stadtrand. Bens neues Domizil war das letzte Haus auf der linken Seite, und er musste unwillkürlich lächeln, als er sein Auto die lang gezogene Kurve entlangsteuerte. Es war genauso, wie er es sich vorgestellt hatte. Selbstverständlich hatte er Fotos im Internet gesehen, aber in natura betrachtet war die Gegend sogar noch charmanter, als das Werbematerial suggeriert hatte. Die nächsten Nachbarn waren ungefähr hundert Meter entfernt – ein Bauernhof, auf dem es laut seiner Vermieterin auch einen Hofladen gab, in dem man frische Eier, Milch, Käse und Fleisch kaufen konnte.

Seine Unterkunft für die kommenden Monate war ein reetgedecktes kleines Fachwerkhaus, in dessen von einem etwa hüfthohen Holzzaun umgebenen Vorgarten Azaleen und Pfingstrosen blühten. Auch die ersten Margeriten streckten bereits ihre weißen Köpfe in Richtung des Himmels, und in ein paar Wochen würden die Hortensien zu blühen beginnen.

»Da wären wir.« Zufrieden stellte Ben den Motor ab und betrachtete das Haus, sprang dann aber erschrocken aus dem Wagen, als er ein verräterisches Würgen aus dem Kofferraum vernahm. »Oh nein, Mist, nicht in meinem neuen Auto!«

Ich hab dich ja lange genug gewarnt. Bah, ist mir übel. Raus damit!

Ben riss den Kofferraum auf und öffnete mit fliegenden Händen den Verschluss der Gitterbox. Gerade als er Boss am Halsband fasste, um ihn aus dem engen Gefängnis zu befreien, erbrach sich der Hund in einem heftigen Schwall über die Decke in der Box.

»Oh, wunderbar. Boss, musste das sein? Komm, raus mit dir aus dem Auto!«

Kann nicht behaupten, dass es mir leidtut. Ich hab mich deutlich bemerkbar gemacht. Kann ich was dafür, dass du nichts kapiert hast?

Boss sprang mit einem Satz auf die Straße und schüttelte sich. Dabei verteilten sich Speichel und kleine Reste von Erbrochenem über Bens Hose und die Stoßstange.

Fluchend sprang Ben ein Stück zur Seite, ließ aber glücklicherweise das Halsband des Hundes nicht los. Boss hatte nämlich umgehend die Nase in die Luft gereckt und strebte der Wiese auf der anderen Straßenseite zu, auf der ein paar Pferde grasten.

»Halt, stopp! Du bleibst schön hier.« Rasch griff Ben nach der Leine, die er neben der Box abgelegt hatte, und befestigte sie an dem robusten Geschirr. Insgeheim beglückwünschte er sich zum wiederholten Mal zu der Entscheidung, es dem Hund für die lange Reise nicht abzunehmen. Andernfalls wäre Boss ihm sicherlich schon während einer der drei Pausen ausgebüxt. Und auch hier am Ziel hatte er alle Mühe, den Freiheitsdrang des kräftigen Vierbeiners unter Kontrolle zu halten.

Wo sind wir denn hier? Hm, erst mal schnüffeln und den Zaun da markieren.

»Nun zieh doch nicht so, Boss!« Ben verdrehte die Augen und folgte dem Hund bis zum Zaun, der die Pferdeweide umgab.

Dann beeil dich halt ein bisschen. Hier riecht es total interessant. An dieser Stelle scheinen viele Hunde vorbeizukommen. Denen muss ich erst mal zeigen, dass ich auch hier war.

Während Ben den Hund ausgiebig schnuppern ließ, sah er sich noch einmal zufrieden um. Idyllisch war der erste und beste Ausdruck, der ihm für die Umgebung in den Sinn kam. Genau das, was er nach dem vergangenen stressigen halben Jahr brauchte. In etwa zweihundert Metern Entfernung erhob sich der Deich, der die Sicht auf die Nordsee versperrte. Beinahe hätte er sich spontan zu einem ersten Erkundungsgang aufgemacht, wenn nicht in diesem Moment hinter ihm jemand eine Fahrradklingel betätigt hätte. Überrascht drehte er sich um und sah eine Frau um die vierzig mit schickem blondem Kurzhaarschnitt winkend auf sich zuradeln.

»Guten Tag, da sind Sie ja schon. Sie sind doch Herr Brungsdahl, nicht wahr?« Die Frau bremste vor ihm ab und streckte ihm lächelnd ihre rechte Hand entgegen. »Ich bin Elke Dennersen, Ihre Nachbarin. Sagen Sie ruhig Elke zu mir, das tun alle.« Vage deutete sie die Straße hinab, auf der sie hergekommen war. »Mein Mann und ich bewirtschaften den Hof da drüben. Melanie hat mich gebeten, nach Ihnen Ausschau zu halten und Ihnen die Schlüssel fürs Haus zu geben. Sie kann leider gerade nicht aus dem Laden weg, weil ihre Kollegin Deana zum Arzt musste. Zum Glück habe ich einen Ersatzschlüssel, den ich Ihnen leihen kann. Das richtige Schlüsselbund bringen Melanie oder ihr Mann Alex Ihnen dann später vorbei.« Während sie Bens Hand kurz, aber energisch schüttelte, kramte sie in ihrer Hosentasche und beförderte einen Hausschlüssel mit einem orangefarbenen Anhänger zutage. »Hier, bitte sehr.« Neugierig beäugte sie Boss. »Und du bist also die vierbeinige Begleitung, ja? Was für ein hübscher Kerl!«

Na, so was! Vielen Dank für das Kompliment. Boss hielt für einen Moment im Schnüffeln inne und kam näher. Du scheinst ja eine ganz nette Person zu sein und guten Geschmack zu besitzen. Und du riechst nach Leckerchen und anderen Hunden.

»He, Boss, hör auf damit. Nicht so stürmisch!«

»Ach was, keine Sorge, er wirft mich schon nicht um. Wir haben selbst zwei Hunde, allerdings nicht ganz so große.« Elke hielt Boss vorsichtig ihre Hand hin, damit er daran schnuppern konnte. »Was ist das denn für eine Rasse?«

»Ein American Bulldog.« Ben schob den Schlüssel in seine Hosentasche. »Er heißt Boss, und ich fürchte, der Name ist Programm.«

Elke lachte. »Ja, man sieht es. Er ist ganz schön kräftig.«

»Wir kennen uns noch nicht sehr lange und haben noch keinen wirklich guten Draht zueinander.« Als Boss versuchte, erneut der Weide zuzustreben, nahm Ben die Leine kürzer. »Sitz, Boss!«

Nö.

»Komm schon, sei nicht so stur, und setz dich hin.«

Will ich aber nicht. Und was machst du jetzt?

Ben seufzte. »Ich schätze, auf dem Ohr ist er taub.«

Elke musterte den Hund eingehend. »Er ist noch jung, oder? Er kann das alles noch lernen.«

Will ich aber nicht.

»Waren Sie schon mal mit ihm in einer Hundeschule?«

Ben nahm die Leine noch ein wenig fester in die Hand. »Nein, dazu sind wir noch nicht gekommen.«

»Ich kann Ihnen die Hundeschule von Christina Messner empfehlen. Die ist gar nicht so weit von hier, dahin können Sie sogar zu Fuß laufen. Sie vollbringt wahre Wunder mit den Vierbeinern, sage ich Ihnen. Eine Freundin von mir hat sich vor einem Jahr so einen Straßenhund aus Rumänien geholt, Sie wissen schon, so einen zerrupften Mischling. Der hat Tag und Nacht nur gebellt und gejault, und man konnte ihn nicht eine Sekunde allein lassen, weil er alles kurz und klein gerissen hat. Lilly heißt die Kleine, nur halb so groß wie Ihr Boss hier, aber komplett durch den Wind, sage ich Ihnen. Rena ist mit ihr also zu Christina gegangen, weil sie nicht mit dem Tier klarkam und schon fürchtete, sie müsse sie ins Tierheim zurückbringen. Die drei haben dann Einzeltrainings gemacht und später auch in der Gruppe. Rena geht mit Lilly auch heute noch einmal die Woche hin, aber nur, um zu spielen und ein bisschen Agility zu machen. Die Hündin ist inzwischen nicht mehr wiederzuerkennen. So was von lieb und ruhig und brav. Ein bisschen Probleme macht sie noch, wenn sie längere Zeit allein ist, aber das kriegen sie auch noch in den Griff. Also wenn Sie es mal versuchen möchten: Christinas Hundeschule im Sandburgweg. Sie sind ja, wie Melanie mir erzählte, drei Monate hier, da würde sich das schon lohnen. Gehen Sie einfach die Straße zurück in Richtung Ort, dann rechts und immer weiter geradeaus. An der dritten Kreuzung links und dann gleich wieder rechts in den Sandburgweg. Das Gelände ist nicht zu übersehen.« Sie lachte wieder. »Und zu überhören auch nicht, wenn gerade mal wieder Hundespielstunde angesagt ist.«

Spielstunde? Was ist das denn? Klingt ja interessant. Oder … nein, eigentlich doch nicht. Ich hab nämlich keine Lust, in so eine Hundeschule zu gehen, was auch immer das sein mag. Jedenfalls nicht, wenn man davon lieb und nett und brav und lauter so blödes Zeug wird.

»Nanu, hast du gerade gemosert?« Amüsiert blickte Elke auf Boss hinab. »Du bist wohl nicht sehr gesellig, was? Obwohl es dir bei Christina bestimmt gefallen würde.«

Ganz sicher nicht.

»Aber entschuldigen Sie, ich quatsche und quatsche, und Sie wollen sich bestimmt nach der langen Fahrt ausruhen. Soll ich Ihnen noch beim Hereintragen Ihres Gepäcks helfen? Sie haben das Auto ja hoch voll, wie ich sehe. Im Haus herumführen könnte ich Sie auch gerne, das habe ich schon öfter für Feriengäste gemacht.«

»Das ist zwar sehr nett von Ihnen, aber nicht nötig.« Ben hob abwehrend die freie Hand und musste prompt aufpassen, dass Boss ihn nicht aus dem Gleichgewicht brachte. »Wir schaffen das schon, oder? Boss?«

Hm? Was? Mir doch egal. Habe hier schon wieder einen neuen Geruch entdeckt, der wahnsinnig interessant ist.

»Also gut, dann wünsche ich Ihnen einen schönen Aufenthalt in Lichterhaven, Herr Brungsdahl. Wenn Sie frische Eier, Milch, Wurst oder Käse brauchen, kommen Sie einfach in unserem Hofladen vorbei. Honig und Marmelade habe ich auch da, alles aus eigener Produktion.« Ehe sie wieder auf ihr Rad stieg, fiel ihr Blick auf den offenen Kofferraum und das Malheur in der Transportbox.

»Oje, ist dem armen Boss auf den letzten Metern noch schlecht geworden? Das sollten Sie rasch auswaschen. Im Haus gibt es eine Waschmaschine und einen Trockner. Gegen den Geruch im Auto kann ich Ihnen etwas zum Sprühen empfehlen. Keine Sorge, nichts mit Chemie, sondern hundert Prozent biologisch. Eine Mikroorganismenlösung mit Wasser verdünnt. Damit können Sie auch den Hund einsprühen, wenn er sich mal in irgendwas gewälzt hat, oder Ihre Schuhe oder den Biomüll. Wir benutzen das Zeug einfach überall im Haus und im Stall. Ich bringe Ihnen später eine Sprühflasche vorbei.« Sie schob ihr Rad zur Straßenmitte. »Und nicht vergessen, Christinas Hundeschule. Sie werden es bestimmt nicht bereuen. Mit so einem kräftigen Kerl muss man schon umgehen lernen!«

Fröhlich winkend fuhr Elke Dennersen von dannen, und Ben blickte stirnrunzelnd auf Boss hinab. »Wow, die Frau kann ganz schön viel reden. Aber das mit der Hundeschule ist vielleicht gar keine so schlechte Idee.«

Oh doch, und wie schlecht! Vergiss es, ich mach da nicht mit. Boss schüttelte sich heftig. Gib mir lieber mal was zu mampfen.Nachdem ich das Essen von heute Morgen ja jetzt erfolgreich wieder losgeworden bin, hab ich Hunger.

3. Kapitel

Mit einem zufriedenen Seufzen ließ Christina sich auf die kleine Couch in ihrem Büro fallen und streckte ihre Beine, die in von Farbklecksern übersäten Bluejeans steckten, weit von sich. Sie schraubte die Flasche Cola light auf und leerte sie in einem Zug bis fast zur Hälfte. Dann sah sie grinsend zu ihrer fast fünf Jahre jüngeren Schwester Luisa hoch, die im Türrahmen lehnte und sogar noch mit farbverschmierter Kleidung und einem dicken hellgelben Fleck auf der Wange absolut reizend aussah. Ihre schulterlangen blonden Locken hatte sie zu einem kurzen Zopf zurückgebunden, aus dem sich jedoch inzwischen unzählige winzige Strähnchen gelöst hatten, die die sanften Züge ihres herzförmigen Gesichts umschmeichelten. »Warum sehe ich eigentlich nach einem langen Arbeitstag aus wie ausgespuckt und du wie der frische Frühlingsmorgen?«

Luisa kicherte. »Frisch? Du hast wohl noch nicht an mir gerochen. Ich komme mir vor, als hätte ich tagelang in einem Farbeimer gewohnt.« Sie zupfte an ihrem ehemals roten Shirt, dessen ursprüngliche Farbe nur noch als Untergrund für ein buntes Durcheinander an Klecksen diente. »Außerdem klebe ich und bin vollkommen verschwitzt. Dagegen siehst du doch nun wirklich nicht so schlimm aus.«

Skeptisch blickte Christina an sich hinab. Auch ihr Shirt, vormals weiß, hatte unter der Maleraktion böse gelitten. »Du willst nur nett ein. Ich sehe bestimmt aus wie ein Landstreicher, den man in einen Farbtopf geschmissen hat.«

»Einigen wir uns darauf, dass wir beide nicht mehr ganz taufrisch sind.« Luisa nahm sich eine Flasche Limo aus dem kleinen Kühlschrank neben dem Schreibtisch und öffnete sie. »Aber wenigstens sind wir jetzt mit den Praxisräumen fertig. Dr. Weisenau will sich morgen früh alles ansehen kommen, und am Donnerstag werden schon die ersten Möbel und Geräte geliefert.«

Christina erhob sich rasch und umarmte ihre Schwester. »Ich bin so was von stolz auf dich! Dass du das Veterinärstudium in so einer Rekordzeit geschafft hast, ist einfach toll. Und dann noch deine Doktorarbeit …«

»Die mir garantiert die ersten grauen Haare einbringen wird, falls ich sie jemals fertig bekommen sollte.«

Christina trat wieder einen Schritt zurück und schüttelte vehement den Kopf. »So fleißig, wie du bist, wirst du sie fertigstellen, noch bevor wir alle das Wort ›Dissertation‹ aussprechen können.«

»Dein Wort in Gottes Gehörgang.« Luisa lächelte versonnen. »Ich bin wirklich ein Glückspilz, oder? Ich meine, ich hätte möglicherweise noch jahrelang in Hannover in der Tierklinik als Assistenzärztin arbeiten müssen, bis ich genügend Kapital für eine eigene Praxis zusammengespart hätte.«

Christina prostete ihr mit der Colaflasche zu. »Und dann kommt unser alter Dr. Weisenau daher und macht dir ein Angebot, dass du nicht ausschlagen kannst. Er ist wirklich ein Goldschatz.«

»Das ist er. Ich hätte ihn knutschen können, als er mir angeboten hat, seine Praxis hierher zu verlegen, damit ich bei ihm einsteigen und sie später mal übernehmen kann, wenn er sich zur Ruhe setzt. Was hoffentlich noch ewig nicht der Fall sein wird. Ich komme mir total unwissend vor. Er hat so viel Erfahrung, und ich bin die totale Anfängerin.«

»Na, so würde ich das aber nicht nennen, Schwesterchen. Immerhin hast du schon in der zweiten Klasse diesen Raben mit dem verletzten Flügel gesund gepflegt, weißt du noch? Und als unser alter Brutus diesen üblen Husten bekommen hat, hast du ihn betüddelt und gepflegt, bis er gesünder war als je zuvor.«

»Stimmt, da war ich dreizehn.« Luisa schmunzelte. »Der gute alte Brutus. So einen Kater findet man nicht noch mal. Obwohl ich das über jedes Tier sage, das wir je hatten.«

»Ist ja auch so. Sie sind oder waren alle einzigartig.« Das Lächeln auf Christinas Lippen erstarb, als sie unwillkürlich an Polly dachte, die wunderbare Collie-Dame, die sie mit zehn Jahren als Welpen geschenkt bekommen hatte und die sie erst vor knapp drei Jahren im stolzen Alter von siebzehn hatte gehen lassen müssen. Polly war ihr Ein und Alles, ihre beste Freundin gewesen. »Die Unzertrennlichen« hatten ihre Eltern das Gespann aus Mädchen und Hündin stets genannt. Pollys Tod hatte eine schmerzhafte Lücke in ihrem Leben hinterlassen. Obwohl sie tagtäglich mit vielen wunderbaren Vierbeinern zu tun hatte und sich auch gerne um die beiden Golden Retriever ihrer Eltern kümmerte, ebenso wie um die hübsche Labradordame Schoki, die ihrem Bruder Alex und dessen Frau Melanie gehörte, konnte sie sich noch immer nicht vorstellen, sich selbst wieder einen vierbeinigen Partner zuzulegen. Es war einfach noch zu früh.

»Entschuldige, ich wollte dir nicht die Laune verderben.« Die einfühlsame Luisa hatte den Stimmungsumschwung sofort bemerkt und legte ihr rasch eine Hand auf den Arm. »Alles okay?«

»Klar doch, schon gut.« Christina schob die traurigen Erinnerungen beiseite und lächelte erneut. »Dr. Weisenau kommt also schon morgen hierher? Dann sollten wir vielleicht noch ein wenig Ordnung schaffen, was meinst du?« Vielsagend wies sie mit dem Kinn auf die leeren Farbeimer im Flur. In der zukünftigen Praxis auf der Rückseite des Gebäudes, in dem sich neben Christinas Büro auch noch die Schulungsräume ihrer Hundeschule befanden, würden sie weitere Eimer, Tuben, Pinsel, Farbrollen, Tapetenreste und jede Menge Zeitungspapier und Plastikplanen erwarten. »Damit ist unsere Pause wohl um.«

»Du hast recht, auf in den Kampf.« Luisa hakte sich bei ihr unter. »Danke, dass du mir über die Feiertage dabei geholfen hast. Du und Alex und Mel und Mama und Papa … Ihr wart einfach toll.«

»Schon in Ordnung. Das machen wir doch gern für unser Nesthäkchen.« Grinsend wich sie dem spielerischen Seitenhieb ihrer Schwester aus. »Wie es aussieht, bin ich als Einzige übrig geblieben.«

»Mama und Papa wollen nachher noch mal rüberkommen, aber Alex musste in die Kanzlei und Mel in den Laden …«

»Weiß ich doch.« Als sie die Praxisräume erreichten, sah Christina sich seufzend um. »Wo fangen wir bloß an?«

»Immer am Anfang, Kindchen, immer am Anfang«, ahmte Luisa Stimme und Tonfall ihres Großvaters nach, woraufhin beide Frauen kicherten.

»Na dann mal los – und keine Müdigkeit vortäuschen«, fiel Christina im gleichen Tonfall ein.

Gemeinsam machten sie sich daran, die Überreste der Tapezier- und Maleraktion zu beseitigen.

»Sag mal, war eigentlich dieser Herr Brungsdahl inzwischen noch mal hier?«, fragte Luisa, während sie die Pinsel und Farbrollen einsammelte. »Du warst ja leider nicht da, als er mit seinem Hund am Samstag hier vorbeikam. Elke Dennersen hat ihn wohl geschickt, weil er Schwierigkeiten mit seinem Hund hat. Ich hatte ganz vergessen, es dir zu erzählen.« Sie kicherte. »Probleme hatte er übrigens wirklich. Ich habe selten ein Hund-Herrchen-Gespann gesehen, das so unharmonisch miteinander umging. Er hat einen noch ziemlich jungen American Bulldog namens Boss. Und da ist der Name absolut Programm, sage ich dir. Ich hätte mich vor Lachen wegschmeißen können, aber das hab ich natürlich nicht gemacht. Das wäre doch ziemlich unhöflich gewesen, und ich will dir ja keinen potenziellen Kunden verprellen.«

»Brungsdahl?« Christina, die gerade Zeitungspapier aufklaubte, richtete sich überrascht auf. »Der Möbelfabrikant aus Köln, bei dem Mel früher angestellt war? Ist der mit seiner Familie auf Urlaub hier?«

»Nein, nicht der.« Luisa stellte die Pinsel in ein altes Marmeladenglas, in das sie zuvor Terpentin gefüllt hatte. »Der Künstler, Ben Brungsdahl. Mel hat doch erzählt, dass er Sybillas Haus für drei Monate oder so gemietet hat.«

»Ben Brungsdahl ist in Lichterhaven?« Christina ließ das Papier einfach wieder fallen. »Nein, das hat sie nicht erzählt. Mir zumindest nicht, die treulose Tomate. Mensch, so was muss ich doch wissen! Ich bin schließlich sein größter Fan. Na ja, wenn auch nicht der finanzstärkste. Ich kann mir seine Skulpturen höchstens im Traum leisten. Mal abgesehen von den Schlittenhunden aus Stein, die ich damals bei Sybilla entdeckt habe. Aber selbst die haben ein halbes Monatseinkommen verschlungen. Egal, der Typ ist hier? Ich muss ihn unbedingt kennenlernen. Wie ist er denn so?«

Luisa hob die Schultern. »Unverschämt gut aussehend. Wie ein Filmstar.«

»Das weiß ich. Sein Foto war ja schon oft genug in der Zeitung abgedruckt.«

»Also wenn du mich fragst, sieht er in natura noch besser aus. Ein bisschen verwegen und wahnsinnig gut gebaut. Der macht bestimmt viel Sport. Oder vielleicht kommt es auch davon, dass er die ganze Zeit seine schweren Materialien hin und her tragen muss, mit denen er immer arbeitet, was weiß ich. Aber er ist auch unheimlich nett und sympathisch.«

»Ich hätte ihn eher als eingebildet und arrogant eingeschätzt – so berühmt, wie er ist.«

»Bist du vielleicht ein Snob!« Luisa schüttelte milde tadelnd den Kopf. »Sybilla hat doch damals, als er sie besucht hat, auch schon erzählt, wie begeistert sie von ihm war. Schade, dass sie nicht mehr hier ist. Sie hätte sich bestimmt gefreut, ihn noch einmal zu treffen. Ich fand ihn jedenfalls richtig nett und sehr charmant. Bloß mit seinem Hund kommt er so überhaupt nicht klar. Die beiden liegen anscheinend im Dauerclinch. Er sagte, dass er Boss von einem Typ übernommen hat, der seine Tiere richtig übel behandelt hat.«

»Na, das macht ihn auf jeden Fall schon mal sympathisch.« Christina wiegte den Kopf leicht hin und her. »Aber solche Hunde sind meistens große Problemfälle. Ist er bissig?«

»Wer, Ben Brungsdahl?« Luisa lachte, als Christina die Augen verdrehte. »Boss? Nein, ich glaube nicht. Nur total stur und wahrscheinlich auch verängstigt und ohne jedes Vertrauen in die Menschen. Kann man ja auch verstehen, wenn er wirklich aus so einer fürchterlichen Haltung stammt. Er ist vielleicht so anderthalb, also mitten in der Pubertät, das macht es auch nicht unbedingt einfacher. Die beiden tragen einen ständigen Kampf um die Oberhand aus, den Boss offenbar in neun von zehn Fällen gewinnt. Das ist zumindest mein unmaßgeblicher Eindruck nach etwa zehn Minuten mit den beiden.«

»Und Brungsdahl wollte also zu mir?« Christina sammelte erneut das Papier vom Boden auf.

»Ja, wie gesagt, Elke hat ihn wohl geschickt. Vielleicht hat er jetzt einfach die Feiertage abgewartet und kommt heute Abend oder morgen noch mal vorbei. Obwohl ich ihm gesagt habe, dass wir auch über Pfingsten hier sein werden.«

»Was macht er denn überhaupt hier mit dem Hund? Urlaub?«

»Drei Monate lang?« Luisa schüttelte den Kopf. »Bestimmt nicht. Mel hat gesagt, dass er unten in der Nähe des Hafens die alte Lagerhalle von Verhoigen gemietet hat. Anscheinend will er dort arbeiten. Hat sie dir wirklich nichts erzählt? Bestimmt nur, weil du letzte Woche dauernd auf Fortbildung warst.«

»Ja, kann sein.« Christina stopfte das Papier in einen großen Karton.

»Garantiert kommt er dieser Tage noch mal vorbei. Nötig hätte er es jedenfalls und Boss ebenfalls, und ich glaube, das weiß der Mann auch.«

Christina trug den vollen Karton bis vor die Tür. »Einsicht ist jedenfalls der erste Schritt in Richtung Besserung.«

***

Den Pfingstsonntag hatte Ben hauptsächlich damit verbracht, sich in seinem Domizil einzurichten, ein wenig zu twittern und seine Social-Media-Accounts zu pflegen. Danach war er so lange mit Boss den Deich entlanggewandert, bis der Hund endlich müde gewesen war und sich auf seinem Schlafkissen zusammengerollt hatte.

Der Stil, in dem das Ferienhaus eingerichtet war, entsprach zwar nicht ganz dem, was er sich für sein Eigenheim ausgesucht hätte, aber es gefiel ihm ausgesprochen gut. Dunkle Kirschholzmöbel vor cremefarbenen und hellgelben Tapeten, einige hübsche Landschaftsmalereien, hauptsächlich Aquarelle, an den Wänden und eine noch recht neue cremeweiße Landhausküche. Außerdem gab es im Erdgeschoss ein Abstellräumchen und ein winziges Gästebad. Im Obergeschoss lagen zwei Schlafzimmer und ein geräumigeres Bad. Bezogen war sowohl das französische Bett im Zimmer zum Garten als auch das etwa einen Meter sechzig breite Doppelbett aus dunklem Kirschholz im Raum zur Straße hin. Da er sich gerne ausbreitete, entschied er sich für das breitere Bett, auch wenn der Blick aus dem anderen Zimmer auf den gut gepflegten Garten der bessere war. Hinter dem Haus gab es nicht nur eine kleine, säuberlich gemähte Grünfläche, sondern auch von Lavendelstauden begrenzte Blumen-, Kräuter- und Gemüsebeete sowie einen Schuppen, der von weiß blühendem Knöterich überwuchert war. Am Zaun entlang wuchsen dichte Hundsrosenbüsche, die Wege waren dick mit Rindenmulch bedeckt und die Beerensträucher und Obstbäume offensichtlich im Herbst sorgsam zurückgeschnitten worden. Hier kümmerte sich jemand mit viel Liebe um die Details.

Trotz des Feiertags hatte Ben der Lagerhalle am Montag einen Besuch abgestattet. Er fand sein Werkzeug sowie den größten Teil der Werkstoffe so vor, wie er gehofft hatte. Zwei Lieferungen Sand- und Speckstein waren noch nicht eingetroffen, doch Melanie Messner hatte ihm eine Notiz hinterlassen, in der sie ihm mitteilte, dass der Lieferant angerufen und die Zustellung für den kommenden Mittwoch in Aussicht gestellt hatte. Alles in allem war er also äußerst zufrieden mit der Situation.

Jetzt, am Dienstagmorgen, stand er wie schon am ersten Tag im Garten und ließ die Eindrücke auf sich wirken. In einer Ecke wurde das üppige Kräuterbeet von einem ausladenden Flieder beschattet, dessen zartlila Blüten den Blick wie magisch auf sich zogen.

In Bens Kopf formte sich bereits die Idee für eine Skulptur. Nicht aus Stein diesmal, sondern vielleicht Eisen oder Stahl. Es war noch zu früh, um den endgültigen Werkstoff festzulegen. Erst einmal musste eine Form in seinem Kopf Gestalt annehmen.

Er spürte jedoch, dass er für den Moment genügend Reize gesammelt hatte und sein Kopf voll genug war, also beschloss er, sich erst einmal um wichtige Dinge des Alltags zu kümmern. Vor einer Stunde war er bereits in Dennersens Hofladen gewesen und hatte sich mit Milch, Käse, Joghurt und Wurst eingedeckt. Doch er würde noch weitere Lebensmittel und Haushaltsgegenstände benötigen, deshalb kam er um eine Fahrt zum Supermarkt in dem kleinen Gewerbegebiet am Südrand von Lichterhaven wohl nicht herum. Auf dem bunten Stadtplan, den Melanie Messner ihm am Samstagabend zusammen mit dem Schlüsselbund und einem Stapel Prospekte überreicht hatte, konnte er erkennen, dass die Stadt neben Supermärkten und Discountern so gut wie alle wichtigen Bereiche des Lebens zu versorgen wusste. Dass es auch einen großen Baumarkt gab, kam ihm sehr entgegen, denn erfahrungsgemäß würde er hin und wieder rasch ein zu Bruch gegangenes Werkzeug ersetzen müssen. Zwar deckte er sich normalerweise über einen spezialisierten Künstlerbedarf ein, doch dieser lieferte bestenfalls über Nacht. Wenn ihn ein Meißel, Bohrer oder sonst ein lebenswichtiges Werkzeug im Stich ließ, brauchte er meist sofort Ersatz.

Boss lag im Wohnzimmer auf seinem Schlafkissen und schnarchte, rappelte sich aber prompt auf, als Ben hereinkam und die Terrassentür verschloss.

Nanu? Was hast du den jetzt vor? Du ziehst die gute Lederjacke an? Gehst du aus? Doch wohl nicht ohne mich, oder?

»Boss, ich muss schnell ein paar Sachen einkaufen. Dich kann ich dabei nicht gebrauchen, also musst du wohl oder übel ein Weilchen hier allein bleiben.« Skeptisch sah Ben auf den Hund hinab, der seinen Blick argwöhnisch erwiderte. »Du wirst dich gut benehmen, bis ich wieder hier bin, verstanden?«

Ich soll hier allein bleiben? Wie langweilig! Und mich benehmen? Mal sehen … Keine Ahnung, ob ich das schaffe. Wirst ja sehen, was passiert, wenn du mich zurücklässt. Boss legte den Kopf schräg und brummelte ungehalten vor sich hin. Dann kehrte er auf sein Kissen zurück und drehte Ben beleidigt den Rücken zu.

Ergeben seufzend holte Ben sein Handy, Geldbörse und Schlüssel aus der Küche, wo er alles neben seinem benutzten Frühstücksgeschirr abgelegt hatte, und verließ das Haus. Auf dem Weg Richtung Stadtmitte beschloss er spontan, kurz in Sybillas Schatztruhe, der kleinen Kunsthandlung, vorbeizuschauen. Also parkte er seinen Wagen auf einem Parkplatz nahe der Innenstadt und machte sich auf den Weg die Lichterhavener Hauptstraße hinab. Hier gab es alles, was einen frischen quirligen Touristenort ausmachte: Restaurants und Cafés, Bekleidungs- und Souvenirläden und jede Menge maritimes Flair.

Eine Gruppe junger Leute scharte sich gerade um den Eingang eines türkischen Imbisses namens Alibaba, vor einem Floristikgeschäft saßen zwei Straßenmusiker mit Gitarre und Violine und intonierten eine Interpretation von Beethovens Für Elise. Obwohl noch Nebensaison war, trieben sich sowohl auf der Hauptstraße als auch in den Nebengassen schon eine Menge Touristen herum. Das sonnige Wetter lud geradezu zu einem Schaufensterbummel ein, doch Ben kümmerte sich eher wenig um Andenkengeschäfte oder Boutiquen. Er nahm vielmehr das Gesamtbild in sich auf. Als er das untere Drittel der Hauptstraße erreichte, erblickte er rechter Hand eine Eisdiele mit dem verlockenden Namen Eisträume, vor deren Verkaufsfenster sich eine lange Schlange geduldiger Kunden gebildet hatte. An den kleinen Tischen draußen saßen bereits einige Personen und löffelten hingebungsvoll ihr Eis, und anscheinend herrschte auch im Inneren des Eiscafés reger Betrieb. Schräg gegenüber befand sich Sybillas Schatztruhe in einem in fröhlichem Hellgelb gestrichenen Gebäude mit Glastür und zwei großen Schaufenstern.

Ben blieb vor dem linken Fenster stehen und betrachtete die Auslagen: aus Muscheln gefertigte Ketten, wundersam geformte und schimmernde gläserne Ringe einer jungen Künstlerin namens Jana Weißmüller. Er erkannte ihre Arbeit sofort, denn er hatte seiner Mutter einen solchen Ring zum vergangenen Weihnachtsfest geschenkt und sich dabei eingehend mit den Werken dieser Künstlerin befasst. Sie lebte und arbeitete in einer kleinen Stadt im Rheinland, nicht weit von Köln entfernt. Ihr Atelier war ein Geheimtipp und eine wahre Fundgrube an ausgefallenem Schmuck, Skulpturen und allem, was sich sonst noch aus Glas fertigen ließ.

Als er den Kopf hob, sah Ben im Inneren des Ladens Vitrinen mit weiterem Schmuck sowie verschiedene Möbelstücke, Truhen, Bilder an den Wänden und Regale voller Vasen, Schalen und Plastiken. Die Kunsthandlung war ebenfalls gut besucht, deshalb hob er nur kurz die Hand und winkte Melanie Messner zu, als sie von dem altmodischen Verkaufstresen aus zu ihm herüberblickte. Seinen Besuch würde er auf eine weniger rührige Uhrzeit verlegen, beschloss er.

Stattdessen ging er weiter auf den von hier aus nur noch einen Steinwurf entfernten Hafen zu, in dem im Augenblick nur zwei Fischkutter vertäut waren. Da gerade Flut war und das Wasser sich auf seinem Höchststand befand, waren sowohl Fischer als auch Touristenboote draußen auf der offenen See unterwegs. Es roch intensiv nach Fisch und salziger Meerluft. Am hinteren Ende des Hafens erblickte er einen Foodtruck, in dem Fisch- und Krabbenbrötchen verkauft wurden, und daneben eine Bude, deren Aufschrift verriet, dass man dort frische Crêpes und Waffeln erwerben konnte.

Hier am Hafen gab es aber auch noch weitere Restaurants und ein Café und Bistro mit dem schönen Namen Möwennest, an das er sich noch von seinem ersten Besuch in Lichterhaven erinnern konnte. Dorthin hatte Sybilla ihn einmal eingeladen, und er hatte zugeben müssen, dass es dort die besten Matjesheringe gab, die er je gegessen hatte. Das Schild am Eingang verriet, dass der Inhaber gewechselt hatte, dem Namen nach war wohl die Geschäftsführung vom Vater auf den Sohn übergegangen. Das ließ hoffen, dass sich an der Qualität der Küche nichts geändert hatte.

Liebend gerne hätte er nun auch noch einen Blick über den nahe gelegenen Deich geworfen, an dem alle hundert Meter Treppenstufen emporführten und Gäste wie Einheimische dazu einluden, sich der Nordsee noch ein Stück weiter zu nähern. Doch wenn er Boss nicht zu lange allein lassen wollte, musste er wohl oder übel jetzt umkehren und sich auf den Weg zum Supermarkt machen. Später würde er noch genügend Zeit haben, die Umgebung zu erkunden – hoffentlich mit einem Vierbeiner im Schlepptau, der nicht ganz so brummig war wie heute Vormittag. In manchen Momenten fragte er sich, was ihn wohl geritten haben mochte, als er Boss so mir nichts, dir nichts adoptiert hatte. Klar, der Hund hatte ihm leidgetan und schien trotz der üblen Behandlung durch seinen Vorbesitzer nicht bösartig geworden zu sein. Doch Boss’ Sturheit und vollkommener Unwille, ihm auch nur ansatzweise entgegenzukommen, waren extrem anstrengend. Elke Dennersen hatte recht, er brauchte die Hilfe eines guten Hundetrainers, wenn er mit Boss auf Dauer auskommen wollte. Leider war die Inhaberin der Hundeschule am vergangenen Samstag nicht da gewesen, und die hübsche Blondine, die sich ihm als Luisa Messner und Schwester der Chefin vorgestellt hatte, hatte ihm leider nicht weiterhelfen können. Aber in den nächsten Tagen würde er auf jeden Fall noch einmal beim Trainingsplatz vorbeigehen und sich über die Kurse, die Christina Messner für Hundebesitzer anbot, näher informieren. Die Broschüre, die Luisa ihm mitgegeben hatte, las sich schon mal vielversprechend. Vielleicht würden Boss und er mit professionellem Coaching doch noch so etwas Ähnliches wie ein Team werden. Das würde ihn zwar Zeit kosten, die er eigentlich in seine Arbeit stecken wollte, aber er war sich seiner Verantwortung für den Hund bewusst, also würde er wohl in den sauren Apfel beißen und sich helfen lassen müssen.

Bis sich in dieser Hinsicht erste Erfolge abzeichneten, würde er allerdings versuchen müssen, Boss zumindest durch Bestechung freundlich zu stimmen. Deshalb stand ganz oben auf seiner Einkaufsliste ein ganzes Arsenal von Hundeleckerli, Spielzeug – dazu würde er einen Abstecher in die Zoohandlung machen müssen – und eine Leber- und eine Fleischwurst, falls alle anderen Maßnahmen versagten.

***

So ein Mist, Ben hat wirklich ernst gemacht und mich hier allein gelassen. Und was jetzt? Soll ich vor Langeweile umkommen? Ich weiß ja noch nicht mal genau, wo wir hier sind. Wir sind zwar schon ein paarmal herumgelaufen, und in der Nähe gibt es einen tollen Wald, der mir gut gefällt, mit einem Teich, in dem ich zu gerne mal schwimmen würde, aber dahin komme ich ja jetzt nicht. Ebenso wenig wie an das riesige salzige Wasser. Du liebe Zeit, so viel Wasser auf einem Haufen habe ich überhaupt noch nie gesehen. Dass es ekelhaft salzig schmeckt, hätte Ben mir aber ruhig sagen können, bevor ich es probiert habe. Igitt!

Das Seltsamste aber ist, dass dieses viele Wasser manchmal da ist und manchmal nicht. Ja, wirklich, es geht immer wieder weg und kommt dann wieder. Ben hat das Ebbe und Flut genannt. Bei Ebbe sind wir einmal ein Stück aufs Watt hinausgelaufen. Das ist gar nicht mal so übel, eine Mischung aus Matsch und nassem Sand. Allerdings riecht es teilweise etwas streng. Und manchmal sieht man so kleine Viecher, die Ben Krebse genannt hat. Die waren witzig, scheinen aber gemeine Zangen zu haben, die aussehen, als könnten sie einer Pfote oder Hundenase gefährlich werden. Also halte ich mich von ihnen lieber fern.

Tja, so ein Gang übers Watt wäre jetzt angesagt, aber nein, ich muss hier rumhocken und … was? Aufpassen? Bin ich vielleicht ein Wachhund? Na gut, grundsätzlich schon, aber andererseits … Was genau soll ich denn hier bewachen? Mich selbst oder was? Mein Hundekissen? Bens Sachen jedenfalls nicht, der ist zwar momentan mein Dosenöffner, aber auf gar keinen Fall mein Herrchen. Ein solches will ich nämlich nicht mehr. Ein Mal hat mir gereicht. Die Menschen können mich nämlich alle mal gepflegt am Abend besuchen. Jawohl. Hab jedenfalls noch keinen getroffen, der es wert gewesen wäre, ihn zu bewachen. Oder seine Sachen. Oder überhaupt. Das kann er ruhig selber machen.

Also langsam könnte Ben wirklich mal zurückkommen. So allein hier in einem fremden Haus, das mag ich nicht. ÜBERHAUPT NICHT. Ist das klar? Ja, genau, ich belle. Laut und deutlich. Kann ja wohl nicht sein, dass man hier rumsitzt und die Wände anstarren muss. Oder den Garten. Wenn ich wenigstens in den Garten könnte! Da ist zwar ein Zaun ringsum, über den ich ganz sicher nicht springen werde, weil er viel zu hoch ist, aber vielleicht könnte man sich ja unten drunter durchbuddeln. Oder wenigstens an der frischen Luft sein. Aber nein, der blöde Herr lässt mich hier versauern, während er weiß der Himmel was für Abenteuer erlebt.

Hier ist es so still; wenn ich belle, höre ich mich wenigstens selbst. Nicht dass mir die Stille Angst machen würde. Ein Boss hat keine Angst, niemals! Das wäre ja lächerlich. Bescheuert. Nee, ganz ehrlich nicht. Ich bin bloß sauer.

Aber was, wenn ich vorhin ein bisschen zu dick aufgetragen habe mit meiner Beleidigt-Nummer? Hm, also das wäre dann schon ungünstig. Nicht, dass Ben jetzt gar nicht mehr zurückkommt. Also … das wird er ja wohl nicht machen, oder? ODER? HALLO? Hört mich jemand? Ich will hier nicht allein zurückbleiben und verhungern oder so. Das geht gar nicht. HALLO! Ich kann noch lauter BELLEN, wenn es sein muss.

Nicht dass mich jemand falsch versteht. Ich habe wirklich keine Angst. Deshalb jaule ich auch nicht. Nein, gar nicht. Okay, ein bisschen, aber nur, um dem Gebell Nachdruck zu verleihen. Ich bin nämlich total WÜTEND, echt. Ben kann doch nicht einfach verschwinden und mich hierlassen und …

Mist, mich hört keiner. Was mache ich denn jetzt? Noch mehr heulen? Nein, das ist viel zu peinlich. Ich heule und jaule nie. Schon gar nicht wegen eines Menschen.

Gut, ich könnte Ben noch eine Chance geben. Vielleicht kommt er ja doch noch zurück. In dem Fall soll er aber gleich wissen, dass er so was mit mir zukünftig nicht mehr machen kann. Wie zeige ich ihm das am besten? Soll ich einen seiner Schuhe fressen? Nein, das letzte Mal lag mir das Leder doch ein bisschen schwer im Magen. Und ziemlich geschimpft hat er auch. Darauf kann ich verzichten. Schmeckt ja auch überhaupt nicht, so ein Schuh. Eine Wurst wäre mir lieber oder so ein Kauknochen, wie er mir neulich mal einen gegeben hat. Nicht dass ich ihm dafür dankbar wäre, aber irgendwas muss ich ja fressen, nicht wahr?

Lasst mal sehen … Hier im Gästebad hängt so eine Papierrolle. Ha, genau, die ribbele ich jetzt mal ab und schleppe sie ins Wohnzimmer. Damit kann man bestimmt das Hundekissen schön auspolstern. Oder nein, dafür verwende ich lieber dieSofakissen. Oder ich lege mich gleich aufs Sofa, das ist noch besser. Warum sollte nur Ben da oben liegen dürfen? Und wehe, er kommt nicht mehr zurück. Dann werde ich aber so was von unleidlich! Wirklich. Total! Und überhaupt nicht, weil ich mir Sorgen mache, sondern aus Prinzip.

Hm … also aus dem Klopapier mache ich jetzt … ja was? Lauter kleine Fetzen? Ja, genau, dann habe ich wenigstens was zu tun.

***

Wie häufig an der Küste schlug das Wetter innerhalb einer knappen halben Stunde um. Ein böiger Wind kam auf und trieb von der See her dunkelgraue Wolkentürme heran. Die Sonne hatte dagegen keine Chance, und schon bald war es so finster, als sei bereits der Abend angebrochen.

Ben konstatierte es lediglich mit einem Achselzucken. Er hielt mit seinem X5 vor dem Gartentor und öffnete den Kofferraum, um seine Einkäufe auszuladen. Aus dem Haus vernahm er dunkles aufgeregtes Gebell, das sich nicht gerade freudig, dafür aber umso wütender anhörte. Die inzwischen schon typische Art von Boss, ihn zu begrüßen.

Ehe er sich jedoch den Tüten und Kartons in seinem Auto widmen konnte, fiel sein Blick auf den Deich und die bedrohlich wirkende Wolkenwand, die sich darüber erhob. Ohne weiter nachzudenken, sprintete er die zweihundert Meter, erklomm die Stufen zum Scheitel des Deichs, auf dem sich ein asphaltierter Weg für Spaziergänger und Radfahrer befand. Hier oben blies der Wind so stark, dass Ben für einen Moment ins Schwanken geriet. Doch nachdem er sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, starrte er fasziniert auf das Farbenspiel am Himmel über der Nordsee. Das Wasser rollte unruhig und in schmutzigen Grautönen ans Ufer, während die Wolken sich in klareren, jedoch kaum weniger finsteren Schattierungen darüber türmten, brodelten und quirlten.

In Bens Kopf entstanden Formen, Figuren, Bilder, die sich auf wundersame Weise mit der Erinnerung an den zart und fröhlich blühenden Flieder im Garten des Ferienhauses verknüpften, verwoben, verbanden. Fast eine Viertelstunde stand er vollkommen reglos, den Blick auf den Horizont gerichtet, dann machte er unvermittelt kehrt und rannte den Weg zu seinem Auto zurück. Die ersten großen Regentropfen trafen ihn und wurden rasch zu einem ausgewachsenen Regenguss, doch es kümmerte ihn nicht. Er wollte schon Boss holen und erneut losfahren, doch die noch immer wartenden Lebensmittel erinnerten ihn an lästige Haushaltspflichten. Fluchend griff er sich so viele Tüten wie möglich, schloss ungelenk die Haustür auf und trug alles in die Küche. Boss bellte vorwurfsvoll, doch Ben beachtete den Hund gar nicht. So rasch es ging, brachte er seine Einkäufe ins Trockene, verstaute zumindest die gefrorenen und gekühlten Lebensmittel in Eis- und Kühlschrank und ließ alles andere einfach kunterbunt liegen.

»Boss? Komm her, wir müssen uns beeilen.«

Beeilen? Warum das denn? Erst lässt du mich hier mutterseelenallein, und jetzt soll ich auf einmal springen, nur weil du pfeifst? Na gut, aber nur, weil ich mal pinkeln muss. Wohin geht es denn?

Ein wenig fahrig, weil ihn die Ungeduld gepackt hatte, legte Ben dem Hund das Geschirr an und befestigte die Leine daran. Dabei fiel sein Blick kurz ins Wohnzimmer. »Scheiße, was ist das denn?« Erst jetzt bemerkte er die Spur aus Toilettenpapierfetzen auf dem Flurboden. »Du spinnst wohl, Boss! Was soll das denn, hier so ein Chaos anzurichten? Wir sind hier nicht in … Ach, was soll’s!« Ohne weiter auf die Unordnung zu achten, zog er an der Leine. »Komm, wir müssen los. Ich will arbeiten.«

Arbeiten? Halt, nun warte doch mal, bis ich mit Pinkeln fertig bin! Boss hob an einem Margeritenbusch neben dem Gartentor das Bein.

»Mach schon, ich sehe es genau vor mir!«

Was siehst du vor dir? Ich glaube, du bist es, der hier spinnt. Hier ist gar nichts außer blödem Regen zu sehen. Ich mag keinen Regen. Wird man nur nass von.

»Hopp, ins Auto. Nein, stell dich jetzt nicht an, Boss, wir fahren doch nur bis zum Lagerhaus. Das ist nicht weit.«

Mist, wieder in die Box? Na gut. Wenigstens stinkt es hier nicht mehr nach Kotze. Das Zeug, das diese Elke gebracht und das Ben hier reingesprüht hat, hilft anscheinend echt gut. Entgegen allen Gerüchten mögen Hunde nämlich keinen Kotzegestank. Also ich jedenfalls nicht, das steht fest. Ja, schon gut, ich bin ja schon drin, du brauchst nicht so zu drängeln. Boss brummelte ungehalten und legte sich in der Box zurecht.

Ben verschloss die Tür, klappte den Kofferraumdeckel zu und saß im nächsten Moment schon wieder auf dem Fahrersitz. Die Vision stand ihm so deutlich vor Augen, dass er an sich halten musste, um nicht auf dem Weg zum Lagerhaus sämtliche Verkehrsgebote zu missachten.

4. Kapitel

»Hallo Mel, schau mal, was ich euch mitgebracht habe.« Christina hob die Papiertüte mit den eingewickelten Krabbenbrötchen hoch, als sie Sybillas Schatztruhe betrat. »Mittagessen!«

»Oh, du bist ja ein Schatz!« An Melanies Stelle kam Deana Holthusen hinter dem alten, auf Hochglanz polierten Verkaufstresen hervor und umarmte Christina herzlich. Die Fünfzigjährige küsste sie fröhlich auf die Wange und schnappte sich dann die Tüte, um einen Blick hineinzuwerfen. Dabei strich sie eine Strähne ihres kurzen dunkelroten Haars aus der Stirn und verdrehte genießerisch die Augen. »Genau, was wir jetzt brauchen, Mel. Krabbenbrötchen und … Hmmm, wie lecker, Kais Matjessalat.«

»Klingt himmlisch.« Mel hob den Blick von einer Rechnung, die sie gerade eingehend studiert hatte. »Brinkmann hat schon wieder den Rabatt falsch berechnet.«

»Dreh ihm bitte erst nach dem Essen einen Strick daraus, Mel.« Lächelnd kehrte Deana hinter den Tresen zurück und blickte Melanie über die Schulter. »So viel Zeit muss sein. Vor allem, wenn Christina uns derart verwöhnt. Wie kommen wir überhaupt zu der Ehre?«

Christina zuckte die Achseln. »Ehrlich gesagt hat Kai mir das Essen aufgenötigt. Er sagte irgendwas von einem Bild, das ihr ihm besorgt habt, für die Seemöwe, glaube ich, und dass er euch dafür bis in alle Ewigkeit dankbar sei.«

»Das Möwenbild.« Mel strich ihr schulterlanges honigblondes Haar hinters Ohr. »Kai hat es im Internet entdeckt, aber laut der Seite der Künstlerin war es schon verkauft. Wir haben nachgeforscht und es ihm besorgt. Viel zu teuer, wenn du mich fragst, aber es passt einfach perfekt in sein Nobelrestaurant. Wenn wir jetzt dafür immer leckeres Essen aus dem Möwennest bekommen, hat sich der Aufwand ja gelohnt.«

Noch während sie sprach, ertönte ein lang gezogenes Freudengeheul aus dem Obergeschoss, dann hörten sie Pfotentapser auf der Treppe, und im nächsten Augenblick schoss ein schokoladenbrauner Wirbelwind auf Christina zu und warf sie beinahe um.

Lachend wehrte sie die Hündin ab, die sich vor Freude beinahe umbrachte. »Ist ja schon gut, Schoki. Man könnte meinen, wir hätten uns seit Jahren nicht gesehen. Ja, ja, ich freue mich auch. Aber pass ein bisschen mit meinen Klamotten auf. Die sind fast neu und frisch gewaschen.« Während Christina sprach, machte sie die erforderlichen Handzeichen, damit Schoki auch wirklich wusste, was sie eigentlich von ihr wollte.

Nur widerwillig beruhigte sich die Hündin etwas und setzte sich. Mit erwartungsvollem Blick studierte sie nun die Tüte, die Deana auf dem Tresen abgestellt hatte. Dabei sah es aus, als würde ihre Nase immer länger.

»Nichts da, das ist unser Mittagessen.« Lachend zog Mel die Tüte ein wenig vom Tresenrand weg. Neugierig musterte sie ihre Schwägerin. »Sag mal, hast du gleich ein Date? Du siehst ja richtig chic aus.«

»Zu chic?« Besorgt sah Christina an sich hinab. Sie trug eine schmal geschnittene Stoffhose in Dunkelblau und dazu eine auf Figur geschnittene kurzärmlige weiße Bluse mit modischen Rüschen an der Knopfleiste.

»Kommt drauf an, wofür.« Deana betrachtete sie wohlwollend. »Ich finde, die Sachen stehen dir ganz ausgezeichnet. Man ist sie nur nicht an dir gewohnt, zumindest nicht an einem normalen Werktag.«

»Ich wusste, es ist zu viel.« Christina seufzte und schüttelte ihre langen hellbraunen Locken, die sie ausnahmsweise nicht zu einem praktischen Zopf gebunden, sondern nur an den Schläfen mit Klämmerchen zurückgenommen hatte. »Aber was soll’s! Lieber overdressed als underdressed.«

»Was hast du denn vor?« Melanie wickelte eines der Krabbenbrötchen aus und biss hinein.

»Nichts Großartiges. Ich dachte nur, ich schaue mal bei Ben Brungsdahl rein.« Christina fixierte Melanie. »Bei dem Ben Brungsdahl, von dem du mir nicht erzählt hast, dass er die nächsten drei Monate hier in Lichterhaven sein wird. In Sybillas Haus!«

Melanie hob überrascht die Augenbrauen. »Entschuldige, das muss mir entfallen sein. Du warst doch letzte Woche auf diesem Lehrgang, und irgendwie hab ich das dann ganz vergessen. Er hat ziemlich kurzfristig gebucht und Glück gehabt, dass ich für diesen Sommer noch keine Gäste aufgenommen hatte. Zu ihm willst du also? Warum? Willst du ihn verführen?«

»So ein Quatsch!« Lachend winkte Christina ab. »Nein, er war am Samstag bei der Hundeschule, weil er anscheinend mit seinem Hund nicht klarkommt.«

»Ja, davon habe ich auch schon gehört«, mischte Deana sich ein und nahm sich das zweite Brötchen aus der Tüte. »Ich habe am Montag Elke Dennersen auf der Straße getroffen, und sie hat mir erzählt, dass der Hund ziemlich eigensinnig zu sein scheint. Und kräftig. Eine Amerikanische Bulldogge.«

»Stimmt, kräftig ist Boss«, bestätigte Melanie. »Der wird schon so seine fünfzig Kilo auf die Waage bringen. Und stur wie ein Esel. Hat auf kein einziges Kommando gehört und dauernd so ausgesehen, als wäre er tödlich beleidigt. Herr Brungsdahl hat es erstaunlich gelassen hingenommen. Ich weiß nicht, ob ich mit so einem Tier zurechtkäme. Schoki ist da so ganz anders.« Lächelnd streichelte sie der Hündin über den Kopf, die inzwischen um den Tresen herumgegangen war und sich auf die Füße ihres Frauchens gesetzt hatte.

»Könnte ein interessanter Job werden.« Christina schob die Hände in die Hosentaschen. »Er war seither nicht mehr in der Hundeschule, deshalb dachte ich, ich gehe mal bei ihm vorbei und stelle mich vor.«

»Also doch eine Verführung, nur nicht erotischer Natur, sondern hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit dir?« Melanie schmunzelte. »Hast du schon gehört, dass er verboten gut aussieht? Hast du dich deshalb so in Schale geworfen?«

»Wie er aussieht, weiß jeder, der schon mal eine Zeitschrift gelesen hat«, befand Deana.

»Na ja.« Verlegen hob Christina die Schultern. »Ich will keinen Eindruck schinden oder so. Aber ihr wisst, dass ich Fan seiner Kunstwerke bin. Wenn ich den Meister jetzt höchstpersönlich kennenlernen darf, will ich wenigstens einigermaßen präsentabel aussehen. Der erste Eindruck zählt schließlich. In Jeans und Arbeitsweste wird er mich später noch oft genug zu sehen bekommen. Jedenfalls wenn er tatsächlich einen Kurs bei mir belegt.«

»Ich glaube schon, dass er das tun wird.« Melanie wischte sich mit einer Serviette über die Lippen. »Er kam mir sehr bemüht vor, was Boss angeht, aber wahrscheinlich hat er null Ahnung von Hunden. Er hat Boss adoptiert, weil er ihm leidtat, und steht jetzt da wie der sprichwörtliche Ochs vorm Berg.«

»Und wie ist er sonst so? Luisa hat in einer Tour geschwärmt, wie nett er sei.«

»Das ist er wirklich«, bestätigte Melanie. »Ich meine, ich hatte ja schon ab und zu mit ihm Kontakt, aber meistens nur per E-Mail oder Telefon, da fand ich schon immer, dass er eine angenehme Art hat. Persönlich ist er sogar richtig charmant. Es wundert mich, dass ihn sich noch keine Frau geschnappt hat. Solche Exemplare, wo das Gesamtpaket stimmt, findet man schließlich nicht so oft.« Sie lächelte versonnen, und Deana stieß sie schmunzelnd an.

»Du musst dich gerade beschweren! Mit Alex hast du doch wohl den absoluten Glücksgriff getan.«