Vier Wahrheiten über die Liebe - Susan Piver - E-Book

Vier Wahrheiten über die Liebe E-Book

Susan Piver

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Beschreibung

Affären, Scheidungen und gebrochene Herzen. Warum fällt es vielen von uns so schwer, eine glückliche Beziehung zu führen? Verwundungen aus der Kindheit und falsche Überzeugungen sorgen dafür, dass unsere Neurosen statt unsere Herzen eine Verbindung eingehen, sagt Achtsamkeits-Coach Susan Piver. Anhand zeitloser buddhistischer Prinzipien wie achtsamer Kommunikation und Wertschätzung zeigt sie, wie wir uns öffnen und unsere Fähigkeit zu lieben zurückerobern können. Es gibt nichts zu verlieren und viel zu gewinnen: unermessliche, wahre Liebe – für sich selbst und den Partner.

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Seitenzahl: 289

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Susan Piver

Vier

Wahrheiten

über die

Liebe

Der buddhistische Weg zu einer

erfüllten Beziehung

Aus dem Englischen von Elisabeth Liebl

Die englische Originalausgabe ist 2018 unter dem Titel »The Four Noble Truths of Love – Buddhist Wisdom for Modern Relationships« bei Lionheart Press, Somerville, Massachusetts, USA erschienen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten,

so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung,

da wir uns diese nicht zu eigen machen,

sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt

der Erstveröffentlichung verweisen.

© 2020 Arkana, München

in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Originalausgabe Copyright © 2018 Lionheart Press / Susan Piver

Produced in consultation with Page Two.

Lektorat: Ralf Lay

Umschlaggestaltung: ki 36 Editorial Design, München, Daniela Hofner

Umschlagillustration: Herzmotiv: © Daniela Hofner;

Buddhakopf-Motiv: © Aura Art / shutterstock

Herzen: designed by rawpixel.com / Freepik

Satz und E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

ISBN 978-3-641-25369-1V001

www.arkana-verlag.de

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Für Duncan, der mich gelehrt hat zu bleiben.

Und für das Open Heart Project: Ich habe dieses Buch für euch geschrieben.

Inhalt

Einführung

Wie ich die vier Wahrheiten über die Liebe entdeckte

Von Liebesgeschichten und Beziehungen

Auf Ihren kritischen Verstand kommt es an

Die Vier Edlen Wahrheiten des Buddhismus

Die vier Wahrheiten über die Liebe

1 Die erste Wahrheit

Beziehungen stabilisieren sich nicht

Auf den Wogen der Instabilität surfen

Die drei Geistesgifte

Die Bedeutung der Trauer

2 Die zweite Wahrheit

Die Erwartung, dass Beziehungen stabil sind, macht sie instabil

Romantischer Materialismus

Keine Ultimaten

Der Projektor

Wenn Wege sich trennen

3 Die dritte Wahrheit

Sich der Instabilität gemeinsam zu stellen ist Liebe

Das Container-Prinzip

Die Vier Unermesslichen

Die Sechs Transzendenten Handlungen

Wohin unsere Aufmerksamkeit richten? Die neun Typen des Enneagramms

Die drei Instinktvarianten

Zuwendung, Hinwendung, Abwendung

Ein paar Anmerkungen zur »idiotischen Liebe«

4 Die vierte Wahrheit

Es gibt einen Weg zur Befreiung

Was Meditation mit Liebe zu tun hat

Der achtfache Pfad der Liebe

Der Krieger (in der Liebe)

5 Übungen, die das Band bewahren

Meditation zum Gewahrsein des Atems

Die Meditation der liebenden Güte

Das meditative Gespräch

6 Den anderen mehr lieben als unser Wir

Anhang A

Wie Sie die Meditationspraxis zu Hause verankern

Anhang B

Literatur

Anhang C

Fragen und Antworten

Nachwort

Dank

Die einzig wahre Anmut ist Verletzlichkeit.

Chögyam Trungpa

Einführung

Wie ich die vier Wahrheiten über die Liebe entdeckte

Vor einiger Zeit hatten mein Mann Duncan und ich uns in un-unterbrochenen Meinungsverschiedenheiten festgefahren. Diese Streitereien drehten sich nie um etwas, das man hätte festmachen können, ein bestimmtes Thema, einen Anlass, eine Person. Es war, als wären wir irgendwie von einem Dämon besessen. Egal, worüber wir uns unterhielten, es endete stets im Streit: wann wir losgehen sollten, um rechtzeitig ins Kino zu kommen; ob das Geschirr im Geschirrspüler sauber oder schmutzig war; bei welcher Bank wir unser Konto führen sollten; ob wir als Paar überhaupt zusammengehörten. Einmal stritten wir sogar über die genaue Uhrzeit. Selbst eine so harmlose Frage wie »Wohin möchtest du essen gehen?« konnte Diskussionen auslösen, die schließlich in der Frage mündeten, ob es nicht besser wäre, wenn wir uns scheiden ließen.

Das ist tatsächlich wahr: Als ich eines Abends – wir waren gerade mit dem Auto auf der Landstraße unterwegs – meinem Mann ebendiese Frage stellte, fetzten wir uns aus irgendeinem Grund plötzlich so richtig. Ich sagte ihm, er solle sofort anhalten und mich aussteigen lassen … irgendwo in der Pampa mitten in Frankreich. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, wo wir gerade waren. Aber das war mir auch egal. Ich wollte einfach nur raus aus dem Auto. Ich stieg aus und stapfte in ein Feld neben der Straße, bis ich es mit der Angst zu tun bekam und mit verschränkten Armen zurückmarschierte.

Wenn wir irgendwohin fuhren, stritten wir darüber, was wir tun sollten, sobald wir da wären. Sagte jemand etwas zu uns, dann stritten wir uns, wie das jetzt gemeint war. Wenn wir versuchten, unsere Beziehungsprobleme zu diskutieren, dann stritten wir darüber, wie diese Diskussion aussehen sollte, bei wem die Schuld läge und wie unsere Probleme als Paar zu lösen wären. Und das dauerte nicht nur ein paar Tage oder Wochen, sondern Monate. Wir haben alle möglichen Lösungen ausprobiert: miteinander reden, nicht miteinander reden, miteinander schlafen, uns gegenseitig aus dem Weg gehen, uns anschreien, das Problem unter den Teppich kehren und schließlich – zumindest soweit es mich betrifft – einfach nur noch heulen. Geklappt hat nichts davon. Jede unserer Bemühungen endete im Zorn, mit verletzten Gefühlen oder damit, dass wir beleidigt waren. Ich fühlte mich zutiefst vereinsamt, und ich bin mir sicher, dass es meinem Mann genauso ging. Was geschah da nur mit uns beiden? Es gab keinen Grund, sich zu streiten, und trotzdem löste jede Kleinigkeit erbitterte Auseinandersetzungen aus. Es war schrecklich und machte uns Angst. Wir fürchteten schon, dass wir irgendwann aufeinander losgehen würden.

Schließlich war ich an dem Punkt angelangt, an dem ich glaubte, dass es einfach vorbei war. Ich dachte: »Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll, um diese Beziehung noch zu kitten.« Doch dann hörte ich in mir diese Stimme, die mir zuflüsterte: »Fang einfach beim Anfang an.« (Warum ist das, was diese inneren Stimmen sagen, immer so simpel und wahr? Und warum melden sie sich nicht ein wenig früher?) Und sie flüsterte weiter: »Am Anfang stehen die Vier Edlen Wahrheiten. Und sie lauten:

Leben ist Leiden (weil sich alles ständig verändert).

Verlangen ist die Ursache des Leidens.

Es ist möglich, das Leiden zu beenden.

Es gibt einen Weg, das Leiden zu beenden.«

Da ich mich über zwanzig Jahre mit dem Buddhismus befasst hatte, besaßen diese Worte eine gewisse Bedeutung für mich. Was hatte wohl der Dharma, die buddhistische Lehre, zu meinem Ehe-Dilemma zu sagen? Warum war ich nie auf die Idee gekommen, mir diese Frage im Hinblick auf meine Beziehung zu stellen? Schließlich waren mir Praxis und Studium der buddhistischen Lehren in allen anderen Bereichen meines Lebens mehr als zwei Jahrzehnte lang eine zuverlässige Führung gewesen.

Doch würden sich diese althergebrachten Wahrheiten auch auf mein Streben nach einer beständigen Beziehung anwenden lassen? Ich hatte da so meine Zweifel. Schließlich lebten die meisten großen Lehrer entweder in Klöstern oder in Berghöhlen und hatten sich von allen weltlichen Dingen abgewandt, um sich mit Gebet, Hingabe und Loslösung aus allen Konventionen ganz dem spirituellen Pfad widmen zu können. Daher hatte ich unterschwellig wohl angenommen, ihre Lehren hätten zu meinen Beziehungsproblemen in der heutigen Welt nichts zu bieten. Anders ausgedrückt: Sie lebten in Klöstern, nicht in einer Stadtwohnung. Sie meditierten in einsamen Wäldern, nicht in der U-Bahn. Sie waren nicht verheiratet, hatten weder Besitz noch Beruf oder Bankkonto. Ja, sie gaben tiefgründige, brillante, messerscharfe Belehrungen über die Liebe und die heilige Welt der Emotionen. Doch bis zu diesem Moment hatte ich nie daran gedacht, diese Lehren auf die Romanzen, Beziehungen und den Liebeskummer des einundzwanzigsten Jahrhunderts anzuwenden. Als ich es dann jedoch tat, fiel es mir wie Schuppen von den Augen, und ich konnte mit meinen Beziehungsproblemen plötzlich arbeiten – arbeiten, statt sie abzustellen und mit einem hübschen Schleifchen zu einem Päckchen zu verschnüren. Diese Lehren zeigten mir einen Weg auf, der mich unfehlbar zurück zu neuer Liebe und Nähe führte. Und was das Beste daran war: Diese neue »Landkarte« half nicht nur mir, sondern auch meinem Mann, und das, obwohl er kein praktizierender Buddhist ist. Man braucht keine speziellen Glaubensvorstellungen, Dogmen oder Praktiken zu übernehmen, um diesen Weisheitsschatz zu heben.

Eine buddhistische Sichtweise auf Beziehungsfragen öffnet uns die Augen. Es wird uns hier eine radikal andere Weltsicht aufgezeigt, die dem Tenor der üblichen Lösungsstrategien diametral entgegengesetzt ist. Sie veranschlagt nicht enden wollende Neugier höher als definitive Lösungen, einfach weil es keine endgültigen Lösungen gibt, während Herz und Geist sich immer weiter öffnen können. Sie geht davon aus, dass wir nur dann ans Ziel gelangen, wenn wir es nicht ansteuern. Sie besagt, dass Probleme in der Außenwelt gelöst werden, indem wir etwas in uns ändern. Und dass dies geschieht, indem wir die Grenzen zwischen uns und den anderen Menschen auflösen. Diese Sichtweise sorgfältig zu untersuchen heißt, dass wir uns immer wieder vom Kopf auf die Füße stellen, statt uns fest im Kopfstand einzurichten und Erklärungen für unsere Probleme zu suchen. In jener Umkehrbewegung selbst finden wir, was wir suchen.

Dieses Buch zum Thema »Beziehungen« schreibe ich als westliche buddhistische Lehrerin, die auch verheiratet ist. Ich verfolge damit in aller Bescheidenheit die Absicht, hochkarätige buddhistische Lehren losgelöst von klösterlichem Rahmen und kulturellem Beiwerk hinein in unsere Wohnzimmer zu bringen, hinein in eine Welt, in der wir einkaufen gehen, über Geld streiten und über die Frage diskutieren, was denn Liebe überhaupt ist. Die Grenzen, an die ich dabei stoße, wenn ich all das mit Ihnen teile, sind meine persönlichen Grenzen als Schülerin wie auch als Lehrerin. Dieses Vorhaben schüchtert mich einerseits ein, weil ich ja um meine spirituellen Unzulänglichkeiten weiß. Andererseits sorgt ebendies für die nötige Verwirrung und Ratlosigkeit, die bewirkt, dass ich mich selbst und meine Vorstellungen immer wieder infrage stelle. Und so spreche ich zu Ihnen nicht von der Höhe einer durch und durch perfekten Zweierbeziehung herab, sondern komme vielmehr selbst gerade vom Schlachtfeld, jedoch ausgerüstet mit einer ganz besonderen Trickkiste, die in über zwei Jahrzehnten ernsthafter Beschäftigung mit Theorie und Praxis des Buddhismus gefüllt wurde. Ich hoffe, dass Sie das, was ich Ihnen anzubieten habe, als nützlich empfinden. Ich hoffe auch, dass Sie aus meiner Klarheit ebenso viel Nutzen ziehen wie aus meiner Suche nach gutem Rat.

Zunächst werden wir das Terrain für unsere Überlegungen abstecken. Wir werden uns ausführlich mit den Vier Edlen Wahrheiten befassen, wie sie der Buddha vor zweieinhalbtausend Jahren gelehrt hat. Im Anschluss daran werden wir sie als die vier Wahrheiten über die Liebe praktisch auf Beziehungen anwenden.

Im nächsten Schritt beschäftigen wir uns mit jeder Wahrheit im Einzelnen: Zu den Betrachtungen der überlieferten Lehren möchte ich Ihnen erzählen, wie es mir erging, als ich sie auf meine Eheprobleme anwandte. Wir werden uns mit den Prinzipien und Methoden beschäftigen, die die vier Wahrheiten über die Liebe in unserem Leben verankern, nicht mit ihrer inneren Logik. Ein Handbuch zu lesen ist eine Sache, eine andere ist es, das Gelernte im realen Leben anzuwenden. Ob in der Liebe oder im Krieg, wenn es drauf ankommt, steht das Handbuch gerade nicht zur Verfügung. Was hat doch der Boxer Mike Tyson einmal gesagt: »Jeder hat einen Plan, bis er eins auf die Fresse bekommt.« Sich intellektuell mit dem emotionalen Engagement in der Partnerschaft zu befassen mag nützlich sein, aber nur bis zu einem bestimmten Punkt. Jedes Buch steht am Ende irgendwann im Regal. Worauf es wirklich ankommt, ist, wie Sie reagieren, wenn Ihnen plötzlich aus dem Nichts heraus die Liebe begegnet, wenn Herzen brechen und die klügsten Pläne nichts nützen.

Abschließend möchte ich Sie mit drei Formen der Praxis bekannt machen, die Ihnen helfen werden, über ein rein intellektuelles Verständnis der vier Wahrheiten hinauszugelangen. Sie werden Ihr Herz verwandeln und es offener, weicher und stärker machen, denn diese Meditationstechniken haben die Macht, Mitgefühl, Weisheit und das Vertrauen in die Liebe selbst zu vertiefen.

Die erste dieser Methoden ist die Meditation zum Gewahrsein des Atems. Sie schafft ein tragfähiges Fundament für all das, was Sie auf den folgenden Seiten noch lesen werden. Ohne diese Praxis geht nichts.

Die zweite Praxis ist die Meditation der liebenden Güte (Mettā in Pali, Maitrī in Sanskrit). Hier gibt es zwei Formen: die traditionelle Version und eine speziell für Paare. Bei dieser Praxis lernen Sie eine Liebe kennen, die über das hinausgeht – und es doch einschließt –, was Sie vielleicht als Liebe empfinden.

Die dritte Praxis, die ich Ihnen vorstelle, ist eine Methode, um aus der Kommunikation mit dem Partner eine spirituelle Übung zu machen. Dabei sitzen Sie nicht allein und arbeiten still mit dem Geist. Die Übung bringt Sie vielmehr in direkten Kontakt miteinander, Sie machen sie also gemeinsam.

Obwohl diese Methoden, speziell die ersten zwei, für den Buddhismus zentral sind, will ich Sie beide nicht dazu animieren, zu Buddhisten zu werden, bestimmte Glaubensvorstellungen anzunehmen oder sich einem spirituellen Weg zu verschreiben. Dies ist einfach nur ein Angebot, das Ihnen zeigen soll, wie Sie in jedweder Art von Beziehung mit Ihren Gedanken und Gefühlen arbeiten können. Ohne Gedanken und Techniken wie diese sind Sie eher Ihren Vorurteilen, Ihren Verletzungen aus der Kindheit, Ihren überholten Vorstellungen und unliebsamen Angewohnheiten ausgeliefert. Und Sie werden all dies wahrscheinlich auf Ihre Mitmenschen projizieren, die ihrerseits mit den Konstrukten ihres Geistes kämpfen. Wenn das der Fall ist, dann führen nicht unsere Herzen die Beziehung, sondern unsere Neurosen.

Jedes Wort und jede Zeile in diesem Buch hat nur den einen Zweck, Sie wieder und immer wieder auf die Ihnen seit jeher innewohnende Gutheit und Ihre unzerstörbare Fähigkeit zur Liebe zurückzuführen. Sie werden ermutigt, sich die höchstmögliche Sicht der Liebe zu eigen zu machen, aber nicht, um sie als sicheres Versteck zu benutzen, sondern als Pfad des Mutes und der Offenheit, der Sie zu wahrer Freude führt.

Von Liebesgeschichten und Beziehungen

Auch wenn dieses Buch den Titel Vier Wahrheiten über die Liebe trägt, so möchte ich doch darauf hinweisen, dass es hier eher um Beziehungen geht als um Liebesgeschichten. Nun werden Sie sich vielleicht fragen: »Wo ist denn da der Unterschied?« Sind Sie zufällig Franzose, dann wissen Sie, wovon ich rede. Was den Rest der Menschheit betrifft, ist vermutlich eine Erklärung angebracht: Liebesgeschichten und Beziehungen sind nicht das-selbe.

Das hat uns tatsächlich nie jemand gesagt.

Als zwischen mir und meinem Mann die Rede darauf kam, eine ernsthafte Beziehung – sprich Ehe – einzugehen, ergriff mich die Panik. Heiraten? Warum sollte ich das jemandem antun wollen, den ich liebte? Ehrlich, die meisten Ehepaare, die ich kannte, schienen in der Falle zu sitzen, unglücklich und fertig miteinander. Ehen scheinen in den seltensten Fällen zu funktionieren. Selbst die wunderbarste Liebesgeschichte kann an den Klippen einer »ernsthaften« Beziehung zerschellen. Warum ist der Übergang vom einen zum anderen so schwer zu schaffen?

Von Kindheit an fühlte ich mich unter Erwachsenen, die verheiratet waren, äußerst unbehaglich. Ich wusste bei vielen ganz genau, dass sie einander nicht wirklich mochten. Sie machten sich im Kleinen oder Großen über den anderen lustig. Sie vernachlässigten sich gegenseitig. Der eine sagte etwas, und der andere verdrehte die Augen. Kränkungen, Beschimpfungen und Schwermut an allen Ecken und Enden. Je länger ein Paar zusammen war, so schien es, desto weniger mochten sich die beiden. Wie hielten sie das nur aus? Ich habe mir sicher eine Million Mal geschworen: »So will ich niemals werden!«

Als dann mein wunderbarer Freund um meine Hand anhielt, war mein erster Gedanke: »Ich will nie so werden wie diese Leute.« Nur: Wie verhindert man das? Denn all diese übellaunigen Paare waren vermutlich mal genauso verliebt gewesen wie wir. Warum sollte es nun ausgerechnet bei uns anders laufen? Als ich versuchte, mir vorzustellen, was da passiert sein könnte, hatte ich wie aus heiterem Himmel eine Eingebung (wieder diese Stimme …): »Dass du jemanden liebst, heißt noch lange nicht, dass du auch euer gemeinsames Leben liebst.«

Wie bitte? Davon war nie auch nur die Rede gewesen. Sobald sich zwei Menschen ineinander verlieben, blendet jeder Film, jedes Lied und jedes Buch alles andere aus. All ihre Probleme, so wird angedeutet, sind nun vorüber. Aber: Sich ineinander zu verlieben und eine Beziehung miteinander zu führen sind schlicht zwei Paar verschiedene Stiefel. Wir glauben, dass aus Liebesgeschichten Beziehungen werden und Beziehungen Liebesgeschichten bleiben sollten. Doch in Wahrheit geschieht das nur selten.

Die meisten Beziehungen beginnen als Liebesgeschichte. Das ist fantastisch, grandios – und absolut wert, sich danach zu verzehren, es wertzuschätzen, zu genießen und anzunehmen. Liebe ist etwas Reales. Sich zu verlieben geschieht wirklich. Eine überirdische Romanze ist … nun, einfach alles. Als ich mich in Duncan verliebte, war das, als würde ich plötzlich auf einem anderen Planeten erwachen. Ich war in einen Götterbereich voller Schönheit, Verlangen, Wärme, Freude und Erfüllung versetzt worden. Alles machte mich glücklich, sogar die Umstände, die mich ansonsten traurig stimmten, denn alles war irgendwie bedeutungsvoll.

Ich genoss meinen Ausflug auf diesen Planeten in vollen Zügen. Und ich denke noch oft daran. Leider können wir dort nicht dauerhaft leben. Wir bewegen uns in einem viel menschlicheren Bereich. Wie sehr wir uns auch danach verzehren, auf den Götterplaneten zurückzukehren, unsere Sehnsucht kann uns da nicht hinbringen. Das einzige Transportmittel ist der glückliche Zufall. So gut wie alle auf dieser Erde existierenden Beziehungsratgeber versuchen, uns zu erklären, wie wir dorthin gelangen können (mit Listenschreiben und beharrlichem Visualisieren). Das ist schlicht verrückt. Es ist, als würde ich ein Buch schreiben, um dem Regen zu erklären, wie er zu fallen hat. So funktioniert das nicht. Der Regen falle nicht für die Blumen, er falle einfach nur, heißt es in einem Song von David Halley.

Wenn sie sagen, sie suchen nach der Liebe, meinen die meisten Menschen in Wirklichkeit: Ich suche eine Reise zum Planeten Wunderbar. Ich hoffe, dass Sie diese Reise viele, viele Male, sooft Sie wünschen, antreten dürfen. Dennoch müssen Sie ebenso häufig wieder hierher zurückkehren. Liebesgeschichten spielen sich irgendwo in fernen Welten ab, Beziehungen hier auf der Erde.

Wenn unsere Beziehung nicht mehr läuft »wie am Schnürchen«, dann denken wir vielleicht, dass wir etwas falsch gemacht, ein ungelöstes Kindheitstrauma haben oder dass unser Partner Probleme hat, an denen er wirklich arbeiten sollte. Das mag alles stimmen, aber es ist noch kein Beleg für ein echtes Problem. Das Problem dürfte eher sein, dass wir Liebesgeschichten und Beziehungen verwechseln. Auch wenn in beiden einiges an Dynamik steckt, so handelt es sich wie gesagt doch um zwei grundverschiedene Angelegenheiten. Erst wenn wir aufhören, eine Beziehung nur als verlängerte Liebesgeschichte zu sehen, finden wir Zugang zu ihren einzigartigen und häufig zu wenig gewürdigten Qualitäten wie Wärme, Trost, Schutz, Freundschaft – eine »entschleunigte« Verbindung, die sich vertieft, bis sie zwei Herzen zu einem macht und die Trennlinien zwischen dir, mir, uns verschwimmen lässt. Das ist der Punkt, an dem es wirklich interessant wird. Jeder kann sich verlieben. Doch das ist nur die Einladung zur komplexesten und außergewöhnlichsten Party der Welt: der Party für zwei.

Auf Ihren kritischen Verstand kommt es an

An dieser Stelle möchte ich eins mit aller Deutlichkeit sagen: Die vier Wahrheiten über die Liebe sind meine Erfindung. Der Buddha hat sie nie gelehrt, und auch in den zentralen Texten des Buddhismus werden Sie nichts darüber finden. Daher ist es so wichtig, dass Sie sie sehr genau prüfen und sich dabei von Ihrer Intelligenz als oberster Autorität leiten lassen.

Diesen »Warnhinweis« sollten Sie nebenbei bemerkt auch sonst stets beherzigen. Ob Belehrungen nun dem Buddha zugeschrieben werden oder Heiligen, Gurus, unsichtbaren Wesenheiten, Ihren Eltern, Psychologen, Journalisten, Liberalen, Konservativen oder Susan Piver: Sie sollten sie so lange kritisch hinterfragen, bis Sie von ihrer Richtigkeit überzeugt sind. Intelligenter Zweifel ist einer Ihrer besten Freunde, und das trifft gerade auf solche Bereiche zu, in denen wir eher konfus sind und gewisse Befürchtungen hegen, weswegen wir nur umso ambitionierter nach Lösungsmöglichkeiten suchen, die wir übernehmen können. Einen cleveren Plan zu haben mag vernünftig sein, wenn Sie Ihre Garage renovieren oder Software installieren wollen, doch wenn es um Themen wie »Liebe«, »Tod« oder »Sex« geht, gibt so etwas nicht. Ich werde mich zwar bemühen, mich so klar wie möglich auszudrücken, aber die eigentliche Arbeit – das hier Angebotene gründlich zu durchdenken und es schließlich an der tatsächlichen Erfahrung zu überprüfen – müssen Sie selbst leisten. Was Sie als wahr erkannt haben, das ist Ihre Weisheit, die Sie erworben haben. Was Sie nicht aus Ihrer eigenen Erfahrung bestätigen können, wird Ihnen nicht viel nützen.

Ich werde regelrecht enthusiastisch, wenn ich mir vorstelle, was zu meinen Lebzeiten und danach noch an Texten und Lehren entstehen wird, die die uralte Weisheit des Buddhismus auf Beziehungen in der modernen Welt anwenden. Wir stehen an der Schwelle zu einem vollkommen neuen – und für alle zugänglichen – Verständnis dessen, wie unser Herz »funktioniert«, sodass wir einander stärker, anmutiger und authentischer von Herz zu Herz begegnen können. Ich wünschte mir, ich könnte noch fünfhundert Jahre leben, um all diese Entwicklungen mitzuerleben, und hoffe, dass mein Buch zu alldem beiträgt.

Eine kurze Anmerkung noch zum grammatischen Geschlecht: Während ich an diesem Buch schrieb, habe ich mit allen erdenklichen Formulierungen herumexperimentiert, die hinsichtlich Geschlecht, Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung (wie hetero, schwul, trans, bi, binär, nichtbinär) neutral sind. Ich habe das Thema gegoogelt, mit Freunden und einer Professorin für Gender Studies diskutiert. Ich habe es mit »er oder sie«, »er und/oder sie« und »sie (Plural)« probiert. Ich habe mir sogar eine eigene Symbolschreibweise ausgedacht: »er +/–/= sie«, um alle möglichen Varianten abzudecken. Im Endeffekt habe ich dann aber entschieden, überwiegend die männliche Form beziehungsweise den Plural zu verwenden. Der einzige Grund für diese Entscheidung war die einfache Lesbarkeit des Textes. Damit soll niemand ausgegrenzt oder diskriminiert werden.

Zum Abschluss noch ein Wort der Warnung. Was ich auf den folgenden Seiten mit Ihnen teilen möchte, ist Frucht vieler Jahre, in denen ich als Buddhistin erst Lernende und später Lehrende war. Ich hatte das unfassbare Glück, wirklich große Meister als Lehrer zu haben. Mit einer Großzügigkeit, die ich nicht einmal im Traum für möglich gehalten hätte, gaben sie dieser Schülerin, deren Geist zu vernagelt ist, um sie vollkommen zu verstehen, die tiefgründigsten Belehrungen. Wenn ich mich also jetzt daran wage, diese Lehren mit Ihnen zu teilen, ist es gut möglich, dass ich bestimmte Themen falsch darstelle. Die Schuld dafür liegt ganz allein bei mir und steht in keinerlei Zusammenhang mit der Anmut und Verwirklichung meiner geliebten Lehrer.

Mögen Sie auf dieser Reise vielfach gesegnet sein. Mein Herz begleitet Sie.

Die Vier Edlen Wahrheiten des Buddhismus

Die Vier Edlen Wahrheiten sind Inhalt der ersten Belehrung, die der Buddha gab, nachdem er Erleuchtung erlangt hatte. Auf ihnen fußt der gesamte buddhistische Pfad. Über jede einzelne dieser vier Wahrheiten ist unendlich viel geschrieben worden. Sie könnten Ihr ganzes Leben allein mit der Kontemplation einer einzigen Wahrheit zubringen.

Der Buddha, was »der Erwachte« bedeutet, gelangte nach vielen Jahren des Suchens zur Erkenntnis dieser Wahrheiten. In Anbetracht seiner Herkunft ist es verwunderlich, dass er diese Suche überhaupt angetreten war. Siddhartha Gautama, so sein ursprünglicher Name, war nämlich ein Prinz und führte ein wohlbehütetes Leben in allem Luxus. Sein Vater, der König, hatte Anweisung gegeben, dass es Siddhartha an nichts mangeln sollte. Er sollte alles bekommen, was ihm irgendwie Vergnügen bereitete. Alles, was für Missmut würde sorgen können, sollte aus seinem Blickfeld entfernt werden.

Doch wie entschlossen Sie auch sein oder wie glücklich Ihre Lebensumstände ausfallen mögen, es ist einfach nicht möglich, Schwierigkeiten dauerhaft aus dem Weg zu gehen. Und so machte auch Siddhartha in seinen jungen Jahren Erfahrungen, die ihn schließlich zu der Überzeugung brachten, dass die Dinge nicht vollkommen waren. Eines Tages unternahm er einen Ausflug mit seinem Wagenlenker Chandaka und begegnete unterwegs einem Greis. Der Buddha hatte noch nie zuvor einen alten Menschen gesehen und fragte Chandaka, was denn mit dem Mann nicht stimme. Chandaka antwortete ihm: »Er ist alt.« Danach begegneten sie jemandem, der hustete und schwach schien. Wieder war der Buddha verwirrt. »Dieser Mensch ist krank«, erklärte Chandaka ihm. Schließlich wurden sie Zeugen eines Totenrituals. Als der Buddha fragte, was hier geschehe, erklärte Chandaka ihm, dass alle Menschen sterben müssten und die Trauernden einen Leichnam trügen.

Diese Erlebnisse versetzten den Buddha in einen Zustand der Verwirrung und gleichzeitig der Neugier, nicht anders, als es uns erginge, wenn wir nie zuvor die Bekanntschaft mit Alter, Krankheit und Tod gemacht hätten. Mit allen drei auf einen Schlag konfrontiert zu werden verstörte ihn einerseits, andererseits aber wurde dies für ihn zur Quelle der Inspiration. »Ich muss eine Lösung für diese Probleme finden«, dachte sich der Buddha. »Es kann nicht sein, dass wir alle Alter, Krankheit und Tod ausgeliefert sind. Das ergibt keinen Sinn.« (Vielleicht haben Sie selbst ja schon einmal ähnliche Gedanken gehegt.) Entgegen den Wünschen seines Vaters gab der Buddha daraufhin sein Leben in Luxus und Bequemlichkeit auf, um die Wahrheit über unser Dasein zu ergründen und Antworten zu finden auf Fragen wie »Warum erleben wir das alles?«, »Wie können wir uns vom Leid befreien?«, »Gibt es einen tieferen Sinn?« und so weiter. (Sicher haben Sie sich auch diese Fragen schon einmal gestellt.) Er ließ all das hinter sich, wonach die meisten Menschen streben – Wohlstand, Bequemlichkeit, reines Vergnügen –, um die wahre Natur der Wirklichkeit zu entdecken und auf diese Weise den Kreislauf des Leidens für sich und andere zu beenden. Zu diesem Zweck probierte er alle Methoden aus, die ihm damals zur Verfügung standen. Viele davon sind uns auch heute noch bekannt wie verschiedene Yogatechniken, Fasten und andere Formen der Askese. Obwohl er durch diese Praktiken die ein oder andere Einsicht zu gewinnen vermochte, befreite ihn dennoch keine vom Leiden. Schließlich saß er eines Tages unter einem Baum mit dem festen Entschluss, dort still zu verharren, bis sich die vollkommene Erkenntnis einstellte … was auch geschah. (Dies dauerte je nach Quelle sieben oder neunundvierzig Tage.)

Als er danach zu seinen Weggefährten zurückkehrte, sahen sie, dass er gefunden hatte, was sie alle suchten: Befreiung vom Leiden. Als sie ihn nach der Ursache des Strahlens fragten, das von ihm ausging, erklärte er ihnen, dass er durch sein volles Erwachen zur Wirklichkeit diese vier Wahrheiten entdeckt habe:

1. Die Wahrheit des Leidens: Das bedeutet nicht, dass das ganze Leben ein einziges Elend ist, sondern dass sich alles ständig verändert und es daher nichts gibt, woran wir uns festhalten könnten. Ebendies ist so schmerzvoll. Wir versuchen stets, unser Territorium abzustecken, etwas Festes und Beständiges zu schaffen. Aber das kann niemandem gelingen, zumindest nicht für längere Zeit. Alles, was entsteht, löst sich am Ende wieder auf: unser Körper, unser Haus, unsere Beziehungen, unser Besitz und all unsere Errungenschaften – es gibt nichts, woran wir festhalten könnten. Das verursacht uns viel Stress. Zu akzeptieren, dass die Wahrheit der Vergänglichkeit keine Ausnahme kennt, fällt den meisten sehr, sehr schwer.

2. Die Ursache des Leidens: Nicht die Tatsache, dass alles und jeder, den wir lieben, vergänglich ist, lässt uns leiden, sondern der Versuch, dennoch an Menschen, Gegenständen und Umständen festzuhalten. Verlangen verursacht Leiden. Würden wir nicht versuchen, an allem Möglichen anzuhaften, kämpften wir nicht dauernd gegen Vergänglichkeit und Unbeständigkeit an. Würden wir akzeptieren, dass alles, was uns Freude, Kummer, Sicherheit, Unsicherheit, Schmerz und Langeweile bereiten kann, nicht von Dauer ist, litten wir auch nicht.

3. Das Ende des Leidens: Da wir die Ursache des Leidens erkannt haben, wissen wir, dass es möglich ist, es zu beenden. »Es tut weh, wenn ich das so mache«, sagt jedes Kind. »Dann mach es nicht so«, sagen alle Eltern. Mit anderen Worten: »Gib das Verlangen und die Habgier auf.«

4. Der Weg zur Befreiung vom Leiden: Es gibt im Buddhismus den sogenannten Edlen Achtfachen Pfad. Wenn Sie ihm folgen, wird er Sie zur Befreiung führen. Die acht Schritte auf diesem Pfad sind rechte Erkenntnis, rechte Absicht, rechte Rede, rechte Handlung, rechter Lebensunterhalt, rechtes Bemühen, rechte Achtsamkeit und rechte Sammlung. (Wir werden uns mit den einzelnen Schritten noch näher in Zusammenhang mit der vierten Wahrheit befassen.)

Die Vier Edlen Wahrheiten auf unseren Alltag anzuwenden bedeutet zu akzeptieren, dass die Umstände und unsere Geschicke nie optimal sein werden (zumindest nicht nach unseren herkömmlichen Vorstellungen). Dass, wenn wir an etwas zu stark festhalten (auch an der Idee, an nichts zu sehr festzuhalten), Probleme programmiert sind. Dass wir mit unseren Problemen arbeiten und sie lösen können. Und schließlich, dass es eine Schritt-für-Schritt-Anleitung gibt, wie wir das zuwege bringen, nämlich durch Üben, Erlangen von Einsicht, Hingabe und anderes mehr.

Die vier Wahrheiten über die Liebe

Als das Leiden an meinen Beziehungsproblemen seinen Tiefpunkt erreicht hatte, kamen mir spontan die Vier Edlen Wahrheiten in den Sinn. Wie gesagt, ich hatte zunächst einmal überhaupt keine Idee, wie sie sich auf mein Liebesleben übertragen ließen. Doch dann erkannte ich, dass den Vier Edlen Wahrheiten eine tiefere Logik innewohnt und sie aufeinander aufbauen. Erstens: Erkennen des Problems. Zweitens: Feststellen der Ursache. Drittens: Entwickeln einer Lösungsstrategie. Viertens: Anwendung der Lösungsstrategie.

Davon ausgehend kam ich zu dem, was ich »Die vier Wahrheiten über die Liebe« nenne. Es sind dies die folgenden:

1. Beziehungen stabilisieren sich nicht: Kaum dass Sie ein Problem lösen, klopft schon das nächste an die Tür. Es gibt schlicht keine Möglichkeit, sich irgendwann behaglich einzurichten und zurückzulehnen. Beziehungen sind höchst lebendig und daher immer im Fluss.

2. Die Erwartung, dass Beziehungen stabil sind, macht sie instabil: Die zweite Wahrheit, also die Ursache unseres Leidens in Beziehungen, ist unsere Erwartung, dass diese irgendwie mal stabil werden. Wir versuchen ständig, unsere Beziehungsprobleme zu überwinden. Das ist menschlich und verständlich. Doch zu erwarten, dass Sie auf diese Weise in naher oder ferner Zukunft glücklich sein werden, verursacht meist nur noch mehr Unsicherheit und Enttäuschung. Auch wenn es kürzere oder längere Zeiten geben mag, in denen Sie rundum glücklich und zufrieden sind, werden diese Momente wieder vergehen, egal, wie sehr wir uns anstrengen und Beziehungsratgeber lesen oder zum Eheberater gehen. Zu glauben, dass eine Beziehung irgendwann mal ruhiges Fahrwasser erreichen wird, ist genau das, was sie unbehaglich werden lässt. Wenn wir diese Erwartungshaltung Schritt für Schritt aufgeben, öffnet sich uns ein enormer Raum.

3. Sich der Instabilität gemeinsam zu stellen ist Liebe: Worum es in Beziehungen geht, ist nicht, das unangenehme Gefühl mangelnder Beständigkeit loszuwerden, sondern gemeinsam auf den nie endenden Wogen von Verbundenheit, Ferne, Verlangen, Langeweile und Freude zu surfen. Wenn Sie das tun, werden Sie feststellen, dass darin die stets gegenwärtige Einladung liegt, Nähe und Vertrautheit zu vertiefen, egal, ob Sie sich gerade vertragen oder sich streiten, sich übereinander freuen oder ärgern.

4. Es gibt einen Weg zur Befreiung: Und es gibt Mittel und Wege, wie wir über mangelnde Verbundenheit und Differenzen hinausgehen und einander tiefer lieben können. Dadurch wird die Liebe von einem Tauschhandelsexperiment zu einem Weg, auf dem wir lebendiger, menschlicher und stärker werden.

Lassen Sie uns nun diese vier Wahrheiten über die Liebe der Reihe nach betrachten.

Die erste Wahrheit

Beziehungen stabilisieren sich nicht

Für mein Empfinden hat mein Mann eine fürchterliche Art zu streiten. Bei Auseinandersetzungen halte ich mich genau an die Einsatzregeln, während er eher der Straßenkämpfer ist, der reflexhaft vorgeht. Er verliert dann völlig die Beherrschung, läuft rot an, bringt Themen aufs Tapet, die mit der eigentlichen Angelegenheit gar nichts zu tun haben, und beißt sich darin so richtig fest.

Das ist ein echtes Problem. Seine Art zu streiten ist nicht in Ordnung, gar keine Frage, selbst wenn andere das Gegenteil meinen sollten. Im Lauf der Jahre bin ich von der Einstellung »Gut, wir können damit umgehen« umgeschwenkt zu der Haltung »Ich werde das auf keinen Fall hinnehmen; wenn das noch mal vorkommt, dann war’s das für mich«. Wenn er die Beherrschung verliert, ist das wirklich sehr, sehr unerquicklich für mich. Zum Glück hat er in den vergangenen Jahren ernsthaft an diesem Problem gearbeitet, und die Situation ist bei Weitem nicht mehr so krass wie zu Beginn unserer Beziehung. Für ihn war es sehr schmerzhaft, sich mit diesem Problem auseinanderzusetzen, aber das galt auch für mich.

In den meisten langjährigen Beziehungen mag das Leiden an Situationen wie diesen irgendwann gigantische Ausmaße annehmen, die das Aus für die Beziehung bedeuten können. So genau weiß man das nie.

Doch das Leiden an fehlender Beständigkeit beschränkt sich ja nicht auf langfristige Beziehungsprobleme. Ob Sie sich bei einem Blind Date bang fragen, ob Ihr Gegenüber Sie nun mag, oder ob Sie zwanzig Jahre verheiratet sind und wieder mal entnervt aufseufzen: »Wieso machst du das, wenn ich dich schon tausendmal gebeten habe, es zu lassen?« Das unbehagliche Gefühl ist da.

Sich das erste Mal mit jemanden zu treffen sorgt für Verunsicherung. Was, wenn Ihr Date Sie mag? Und was, wenn nicht? Schon vorher lassen Sie vielleicht frühere Beziehungen vor Ihrem geistigen Auge Revue passieren, ganz zu schweigen von den Verletzungen, die Sie dabei davongetragen haben. Sie erstellen gedanklich Listen von Warnsignalen, auf die Sie achten müssen, fragen Freundinnen oder Freunde, ob Sie noch begehrenswert sind. Bevor Sie den anderen Menschen überhaupt kennenlernen, hat sich schon so viel Hoffnung und Angst aufgebaut, dass es schier unerträglich scheint.

Sich zu verlieben ist eine ganz eigene Spielart von Instabilität. Obwohl dieser Zustand wahrhaft himmlisch ist, heißt Instabilität hier, dass Sie unfähig sind, andere Dinge oder Menschen auch nur wahrzunehmen. Die Wogen der Emotionen, von denen Sie erfasst werden, schlagen hoch. Manche sind unglaublich schön, andere dagegen schrecklich. Man hat das Gefühl, die eigene Wahrnehmung, die eigenen emotionalen Fähigkeiten, die eigene geistige Stabilität stünden ständig auf Messers Schneide. Sie verbringen vielleicht eine schlaflose Nacht, weil sie oder er Sie so angesehen hat, und sinnieren darüber, was dieser Blick nur zu bedeuten hatte. Jede Begegnung ist eine Offenbarung. Jeder Augenblick fühlt sich voller Leben an (ist er ja auch), aber gleichzeitig ist er brennend intensiv. Sie können jeden Moment ins Schleudern geraten.

Sollte sich daraus eine längere Beziehung entwickeln, werden Sie aneinander Seiten entdecken, die Ihnen nicht gefallen. Das ist unvermeidlich. Die Magie, frisch verliebt zu sein, beginnt, sich ein Alltagsgewand zuzulegen. (Den einen bricht deshalb das Herz, die anderen atmen erleichtert auf.)

Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich nach einer ganzen Nacht voller ekstatischem Sex nach unten in die Küche ging und dort meinen Freund antraf, der gerade das Geschirr, das ich in die Spülmaschine gestellt hatte, wieder herausnahm, um es »richtig« einzuräumen. Dieses unvermittelte Nebeneinander von transzendenter Liebe und – in meinen Augen – spießiger Pedanterie machte mir das Herz schwer. Wie konnte aus diesem ungestümen Liebhaber solch ein Prinzipienreiter werden? Sollte das etwa heißen, ich müsste mir ein neues System angewöhnen, wie ich das Geschirr einzuräumen hätte? Und wenn ich das gar nicht wollte? Und was sollte ich sonst noch alles an mir ändern?

Bei der Vorstellung, künftig auf solche Kleinigkeiten achtgeben zu müssen, wenn wir harmonisch zusammenleben wollen, fühlen wir uns unbehaglich. Trotzdem müssen wir ihnen Achtung zollen. Langsam, aber sicher stellen sich die ersten kleinen Machtkämpfe ein, und ganz ehrlich, meiner Beobachtung nach sind es genau diese vollkommen belanglosen Differenzen, die eine hundertprozentig gute Beziehung am Ende unterminieren. Dass es zu solchen Scharmützeln kommt, ist lächerlich, aber so ist es nun mal.

Warum das passiert, ist eine höchst interessante Frage. Wenn wir uns verlieben, sind unser Herz und unser Geist ganz weit und hochgestimmt. Wir sehen unser Leben nur vom höchsten beziehungsweise tiefsten Sinn erfüllt. Die kleinen Nickligkeiten des Alltags empfinden wir als nebensächliche, leicht aus der Welt zu schaffende Irritation, die völlig unbedeutend ist angesichts unserer eben entdeckten Fähigkeit, Glück und Freude zu empfinden, so wie dieses unglaubliche Gefühl der Fraglosigkeit.