Vogels Melodie - Sternenthaler - E-Book

Vogels Melodie E-Book

Sternenthaler

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Beschreibung

James, ein Spekulant und Zocker an der Börse für eine Londoner Bank, begibt sich im Jahre 1936 auf eine Reise nach Paris, um die dortigen Museen zu besuchen. In einem Café am Montmartre lernt er die schöne Eva-Fee kennen und gerät unter Mordverdacht. James wird mit den Abgründen menschlichen Handelns konfrontiert: Habgier, Eifersucht und Mord. Die Handlung spielt in London, Paris (Montmartre, Moulin Rouge) und Auvers-sur-Oise. Es geht um Rohdiamanten. Namensgleichheiten von handelnden Personen wären rein zufällig. Alle Charaktere dieser Erzählung sind fiktiv und frei erfunden.

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Seitenzahl: 154

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Sternenthaler

VOGELS MELODIE

Ein Krimi ohne Pistolen

James, ein Spekulant und Zocker an der Börse für eine Londoner Bank, begibt sich im Jahre 1936 auf eine Reise nach Paris, um die dortigen Museen zu besuchen. In einem Café am Montmartre lernt er die schöne Eva-Fee kennen und gerät unter Mordverdacht. James wird mit den Abgründen menschlichen Handelns konfrontiert : Habgier, Eifersucht und Mord. Die Handlung spielt in London, Paris (Montmartre, Moulin Rouge) und Auvers-sur-Oise. Es geht um Rohdiamanten.

Namensgleichheiten von handelnden Personen wären rein zufällig. Alle Charaktere dieser Erzählung sind fiktiv und frei erfunden.

Impressum

© 2018 Sternenthaler*

Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44

22359 Hamburg

ISBN Taschenbuch: 978-3-7469-3947-6

ISBN Hardcover:     978-3-7469-3948-3

ISBN ebook:            978-3-7469-3949-0

Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimung des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie, detaillierte bibliografische Daten sind im Internet unter http://dnb.d abrufbar.

Vogels Melodie

Es war im Jahre 1936 und ich auf dem Wege nach Paris. Die Olympischen Sommerspielein Berlin waren gerade im Gange und Jesse Owens holte vier Goldmedallien. Da hatte der Schwarze es den Weißen mal so richtig gegeben und sie platt gemacht und Hitler wurde in seinem Rassendenken schwer gedemütigt.

Angekommen in der kleinen Pension am Montmartre, in der ich ein Zimmer vorbestellt hatte begrüßte mich die Wirtin sehr herzlich und sagte sogleich, das Bett wäre frisch bezogen und Wasser im Kruge frisch aufgefüllt. Die Vermieterin war von kleiner rundlicher Statur, hatte kleine verschmitzte Augen und zog beim Laufen ein Bein nach sich, ich glaube wohl es war das linke, um nicht zu sagen, dass sie förmlich hinkte. Vielleicht rührte dieses von einem Unfall her oder es war angeboren, indem das eine Bein kürzer als das andere war, was ich im Moment nicht feststellen konnte. Sie schien mir so um die 50 Jahre und war trotz ihrer Behinderung sehr beweglich und agil und außerdem mir gegenüber von freundlicher Gesinnung. Eine Art Kittelschürze umhüllte ihre rundlichen Hüften und auf dem Kopf trug sie ein kleines weißes Häubchen, was, wie ich fand sehr interessant aussah und womit sie vielleicht als Vermieterin mehr zur Geltung kam.

Den Grund meiner Reise hatte ich mir schon lange in vielen Gedankengängen durch den Kopf gehen lassen. Das Dorf Montmartre war im 19. bis ins 20. Jahrhundert eine künstlerische und literarische Hochburg.

Hier wirkten Renoir, van Gogh, Toulouse - Lautrec, Valadon, Utrillo, Picasso, Braque und Modigliani, um nur einige zu nennen. Ich hatte vor, mich auf deren Spuren zu begeben, die Gaststätten, Kabaretts und Tanzlokale wie A la Mère Catherine, Le Billard en Bois, Au Rendezvous des Voleurs, Le Moulin de la Galette, Le Chat Noir und Le Moulin Rouge zu besuchen. Hier hatte es ja auch unter den Künstlern im Qualm der Zigaretten und beim Wein heiße Debatten und Diskussionen gegeben. Aber es sollte anders kommen.

Voller Tatendrang und voller freudiger Unruhe bin ich dann am nächsten Morgen aufgestanden und meine Wirtin, die freundliche kleine rundliche Person mit den verschmitzten Augen und dem weißen Häubchen auf dem Kopf, immer ein Lächeln parat, servierte mir ein tolles Frühstück mit herrlichen Croissants die schwach gesüßt, mattglänzend waren und eine zarte, rösche Kruste hatten. Der Kaffee dazu war herausragend und duftete durch das ganze Haus. "Frisch für Sie gebacken und frisch aufgebrüht" sagte meine Wirtin beim Servieren noch.

Dann begann mein Trip! Es war ja schon gleich Mittag, weil meine Pensionschefin nicht aufgehört hatte, zu erzählen und mir wärmstens alle Sehenswürdigkeiten, die Montmartre bietet empfohlen hatte.

Um mich überhaupt zurecht zu finden, diese Atmosphäre am Montmartre quasi einzuatmen, hatte ich den Wunsch, mich erst einmal in eines der vielen Restaurant-Cafés zu setzen, um in aller Ruhe und Gemütlichkeit bei einem Espresso alles auf mich wirken zu lassen, die Menschen zu beobachten, um vielleicht später einmal davon erzählen zu können. Es war ein schöner Tag, die Sonne schien und es war warm. Der Himmel azurblau und kein Wölkchen in Sicht. Die Cafés und Restaurants hatten ihre bunten, gestreiften Markisen heruntergelassen und die vielen Besucher, die sich hier tummelten und gütlich taten, entweder sich an den Tischen angeregt unterhielten oder auch fröhlich herumliefen, dazwischen die eifrigen Kellner, genau diese Atmosphäre wollte ich atmen. Diese Farbigkeit, die ständig wechselte, je nach Sonnenstand, alles flirrte und war in Bewegung. Da war es bei diesem Betrieb nicht einfach, ein geeignetes freies Plätzchen zum Beobachten zu finden. Doch schließlich hatte ich Glück. Das Café Montmartre No.1.

Unter den vielen Tischen, die hier unter der Markise ohne irgendeinem System folgend platziert waren, entdeckte ich direkt rechts an der Ecke einen kleinen runden Tisch mit zwei sich genau gegenüber stehenden Stühlen. Hocherfreut steuerte ich schnell darauf zu. Bei näherem Hinsehen sah ich aber das kleine Schild auf dem Tisch: "Reserviert 15.00 h". Wie schade dachte ich, denn es wäre genau der richtige Platz für mich gewesen.

Im Rücken die warme Hauswand des No.1, mit freier Sicht auf alle Tische und Gäste, mit Sicht auf den Boulevard. Ein freundlicher Ober, wohl Oberkellner in schwarzer Hose und weißem Hemd, alles frisch gewaschen und gebügelt so erschien es mir, mit kleinem Namensschild seitlich auf der Brust und weil es so warm war hatte er sich seines Jacketts entledigt, sprach mich an. Er zeigte mir einen kleinen Tisch, der frei war und zwar Sicht über alle Tische und Gäste hatte, aber nur bedingt Sicht auf die Strasse bot, zu diesem Zweck hätte ich immer meinen Kopf wenden müssen. Ich nahm es aber hin und freute mich. Da saß ich nun im Café Montmartre No.1 an einem kleinen, runden Tisch mit zwei sich genau gegenüber stehenden Stühlen.

Ich hatte auf dem Stuhl, der in das Restaurant gerichtet war Platz genommen mit der Überlegung, ich könnte ja auch mal wechseln und den Stuhl zur Straßenseite hinnehmen. Von überall her, auch hier im No.1 erklang im Hintergrund die typische Kaffeehaus - Musik. Diese leichte, seichte und einschläfernde Musik ohne Höhepunkte. Allerdings erklang auch einmal ein Chanson von Edith Piaf, dieser kleinen Person mit der großen Aura und der unverwechselbaren Stimme. Da ging mir das Herz auf und ich fühlte mich hier angekommen.

Flott kam der Oberkellner, der mit dem kleinen Namensschild auf der Brust, mit dem blütenweißen Hemde, frisch gebügelt und gewaschen und erbat die Bestellung von mir. Ich orderte einen doppelten Espresso.

Zwischenzeitlich studierte ich die Speise-und Getränkekarten, die auf meinem Tisch so herum lagen. Besonders fiel mir das Hauptgericht No.19 auf, Pôelée de gambas aux légumes bretons et pommes de terre au citron et thym. Na also, das war ja Picassos Leibspeise. Filet de boeuf 250gr, sauce au poivre vert et gratin de pommes de terre, oder mousse de foie de canard, chutney aux pommes, bouquet de salade, las ich in der Karte. Das klang ja alles sehr verheißungsvoll und verführerisch. Ich würde es demnächst auch mal kosten. Und da war er auch schon, mein lieber Oberkellner und setzte mir galant, mit dem einen Arm auf dem Rücken, seitlich von mir stehend, wie es sich für einen Oberkellner gehört meinen doppelten Espresso griffbereit direkt vor mir auf den Tisch. Das war höchste Schule und der doppelte Espresso war wunderbar heiß. Nun saß ich hier und konnte in aller Ruhe und Gemütlichkeit die mir dargebotene lebhafte Szenerie beobachten.

Unorthodox, locker-leger waren die Tische hier angeordnet und das gefiel mir. Zur linken Seite stand ein eckiger größerer Tisch, kaum drei Meter von mir entfernt, an dem vier Personen Platz genommen hatten. Ein Mann, ca. 50 Jahre, eine Frau in etwa gleichem Alter und zwei Frauen die etwas älter schienen, so um die 75.

Der Mann trug einen Stetson Westernhut Hackberry in schwarz, mit breiter an den Seiten gebogener Krempe und schmauchte gemütlich eine Davidoff-Zigarre. Das sah ich, weil beim Rauchen dieser edlen Marke Davidoff das goldene Etikett von der Zigarre nicht abgenommen wird – aus Prestigegründen. Bekleidet war der Herr, mit einem Stresemann.

Das Jackett schwarz, einreihig geknöpft und einer schwarzgrau gestreiften Hose. Die passende Weste dazu hatte er einfach weggelassen, weil es zu warm an diesem Tage war, trug aber dazu ein weißes Hemd, leicht schmuddelig und nicht so blütend weiß und nicht so ohne Falten, und dennoch frisch gebügelt wie bei meinem Oberkellner. Der Mann hatte sich aber standesgemäß mit einer silbergrauen Krawatte bewaffnet, die jedoch auch nicht richtig saß und immer wieder verrutschte. Ständig nestelte er daran. Dieser imposante Herr war von korpulenter Figur und für seine Größe eigentlich viel zu dick. Nur ca. 1,60 m war er in die Höhe geschossen und dann wollte er wohl nicht mehr wachsen. Bald bemerkte ich, dass bei ihm von einem "Hals" nichts zu sehen war weil sein Doppelkinn diesen offensichtlich sehr kurzen Hals verdeckte. Mein Gott dachte ich so für mich: Kein Mensch wird doch ohne Hals geboren!

Der Kopf, mit zwei ungleichmäßig weit abstehenden Ohren (hätte nur noch gefehlt er hätte nur eines gehabt) machte dennoch mir gegenüber einen sympathischen Eindruck. Er schien mir ein gutmütiger Herr von ca. 50 Jahren zu sein. Alsbald aber kratzte es ihm in seinem fast unsichtbaren Halse. Die Davidoff war ihm wohl zu stark und er machte ja auch ständig Lungenzüge.

Er hustete sehr heftig und laut, wobei sich seine Gesichtszüge verkrampften, sein Kopf rot anlief, seine Augen zu tränen begannen und der Schweiß von der Stirn sich mit den Tränen vermischte, die ihm über das ganze Gesicht herunterliefen.

Und jetzt war es soweit: Er versuchte, sich mit Macht seines Jacketts zu entledigen. Dies ging aber nicht so schnell, weil es für seine Statur viel zu eng geschneidert war und erschwerend hinzukam, dass der Schweiß ja auch am ganzen Körper klebte. Den Stresemann hatte ihm doch bestimmt seine Frau empfohlen und ausgesucht, die ja mit diesem engen Schnitt die Dicklichkeit ihres Mannes vertuschen, nach außen hin reduzieren wollte. Vor lauter Hitze in seinem Körper streifte er jetzt auch seinen schwarzen Stetson ab, den mit der breiten Krempe, warf diesen missmutig auf eine noch freie Stelle der Tischplatte, und genau neben einem Teller fand der Stetson dann seinen Platz und sogleich wurde, was ich ja auch schon vermutet hatte, eine beginnende leichte Glatze dieses Herrn, so um die 50 Jahre, sichtbar. Seine Ehefrau, dies sah ich, weil beide Eheringe trugen, die ebenfalls ca. 50-jährige, die an seiner rechten Schulter Sitzende verzweifelte gänzlich ob dieser skurrilen Situation, denn diese war ja auch theaterreif, stand von ihrem Stuhl behende auf und befreite ihren Mann mit flinker Hand von diesem Übel . Das schwarze Jackett, einen Teil von diesem Stresemann stülpte sie über die Stuhllehne des links von ihr sitzenden Mannes, der sich aber dabei zum Tische hin etwas vorbeugen musste, damit dies gelang. Er machte es, ohne zu murren, denn er war ja jetzt von diesem Übel befreit.

Nach dieser Prozedur, diesem Sketch der Heiterkeit, ließ sich die Angetraute, des ca.50-Jährigen, erschöpft auf ihrem Stuhl, an seiner rechten Schulter nieder. Da sie beim Aufstehen förmlich emporgeschnellt war, musste es sich hier um eine sehr sportliche Dame handeln. Sie war im Gegensatz zu ihrem Angetrauten, der ja nicht höher als 1,60 Meter werden wollte, ca. 1,90 Meter groß und hatte sich dann entschlossen, nicht noch weiter in die Höhe zu schießen. (Aber die Größe eines Menschen ist ja nicht immer entscheidend. Denken wir an Napoléon Bonaparte, der ja auch nur bei 1,58 Metern nicht mehr wachsen wollte, hatte er sich wohl vorgenommen, ist aber in aller Beischeidenheit bezüglich seiner Größe trotzdem französcher Nationalheld, großer Feldherr und Kaiser geworden.)

Kehren wir nun zurück zur besagten Dame. Sie war dünn und dürr wie ein langes schmales Brett. Einen Busenansatz konnte ich nicht ausmachen. Auf schmalem, langem Halse thronte ihr Haupt in der Form eines schmalen länglichen Kopfes, was sie auch noch größer erscheinen ließ. Zwei kleine enganliegende Ohren bestätigten mir diese klare gerade Linie. Wie ich aber weiterhin bemerkte, konnte diese Dame, die ca. 50-Jährige, mit ihren Ohren vortrefflich hören. Ihr dünnes Haar von mittelblonder Farbe hatte sie wohl am Morgen mit Lockenwicklern eingedreht und dann mit einer Brennschere haltbar gemacht. Das hatte aber wohl nicht so richtig funktioniert. Weil eben das Haar auch so dünn war, fiel es beidseitig in lang ausgedehnten Wellen, aber so ziemlich gleichmäßig an beiden Seiten ihres Kopfes hinunter, was ja auch eine schöne Umrahmung ihres maskulinen Gesichtes darstellte.

Der schmale Mund mit fast blutleeren Lippen fiel mir auf, darüber die schmale gerade Nase und die mittelblauen Augen, die immer unruhig in Bewegung waren, vom Teint eher blass, mit zu einem schmalen Strich rasierten Augenbrauen, war sie genau im Modetrend und hatte damit etwas Ähnlichkeit mit Marlene Dietrich, dieser Stilikone. Wie ich hörte, wurde die lange, schmale Dame mit "Agnetha" angesprochen und ich dachte mir, sie könne vielleicht eine Landsmännin aus Skandinavien sein, was ich aber momentan nicht feststellen konnte und vielleicht hatte sie ja ihren Angetrauten, der ja bei 1,60 Metern nicht mehr wachsen wollte, in seiner Firma als seine Privatsekretärin näher kennen, lieben gelernt und dann geehelicht, alles war möglich. Sie trug flache braune Mokassins, obendrauf auf beiden Schuhen gleichmässig verteilt eine weiße Kordel. Ein knallrotes Jäckchen, weit geschnitten, mit rechts und links gepolsterten Schulterstücken, eine eher zu weit geschnittene Hose in knallgelb, Marlene-Hose, rundete dann das Gesamtbild ab. Alles schlabberte nur so um sie herum aber höchstwahrscheinlich war alles mit Bedacht so ausgewählt, um etwas fülliger zu erscheinen und die Knallfarben waren doch ein herrlicher Kontrast zu ihrem blassen Teint. Die flachen braunen Mokassins, mit denen sie ja auch prima laufen konnte waren vornehmlich dafür zuständig, den Größenunterschied zu ihrem Mann etwas zu reduzieren.

Das war ihr wohl wichtig und kenne sich da einer aus mit der Psychologie einer Frau dachte ich nur so. Aber alles in allem war diese Frau schon eine Persönlichkeit mit starkem Charakter.

Und was ich noch vergessen habe zu erzählen: Beim letzten Sketch mit dem Hustenanfall, dem schwarzen Stetson, diesem lustigen Theaterstück hatte diese Dame, diese ca. 50-Jährige, die bei 1,90 Metern aufgehört hatte zu wachsen, aus ihrer kleinen Handtasche, goldenfarbig ein Taschentuch herausgekramt und ihrem Angetrauten damit immer wieder die Stirn abgewischt. Das war ihr Mutterinstinkt. Als Mann kann man es aber so und so sehen.

Die diesem Paar gegenüber sitzenden, ca. 75-Jährigen Frauen, deren Verwandtschaftsverhältnis ich momentan nicht feststellen konnte, sagten eigentlich nicht viel, rauchten aber unentwegt. Ich wusste: Frankreich ist ein Raucherland. Der starke eindringliche Geruch umfing auch mich. Das konnten eigentlich ja nur die starken, die mit dem fast schwarzen Tabak ausgerüsteten Gauloises sein. Halb Frankreich rauchte diese Marke. Auch Jean Gabin. Da hatten die "Dämchen" von ca. 75-Jährchen, schon ein tolles Vorbild. Aber durch das viele Rauchen war ihre Gesichtsfarbe so ziemlich fahl und die Haut so ziemlich zerknittert.

Vor sich auf dem Tisch hatten sich die "Dämchen", die ca. 75-Jährigen, von meinem Oberkellner gewaltige Sahne-Tortenstücke auf bunten Tellern aufbauen lassen. Sie naschten und labten sich daran, und die Kunst bestand darin: Sie rauchten zwischendurch immer weiter.

Plötzlich ein Geschrei ! Zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen stürmten herein, direkt an meinem Tisch nah vorbei, diese vier- und fünfjährigen.

Jetzt war aber Holland in Not, denn der eckige Tisch, auf den sie zurannten, mit den zwei Fünfzig- und den zwei Fünfundsiebzigjährigen, hatte ja nur vier Stühle.

Kurzentschlossen sprangen die Kinder, weil sie augenblicklich nicht wussten wohin, auf den Schoß der älteren Damen, schleckten sofort an dem süssen Kuchen während die Alten lustig weiterrauchten und ihnen das alles gar nichts auszumachen schien.

Wessen Herkunft und in welchem Verwandtschaftsverhältnis diese Kinder waren, konnte ich momentan nicht feststellen. Jetzt kam aber die Fünfzigjährige ins Spiel, die "Lange". Wild mit den Armen in der Luft fuchtelnd machte sie meinen Oberkellner auf dieses Problem und dieses Übel, aufmerksam. Pflichtbeflissen, wie mein Oberkellner nun einmal war, rauschte er mit schnellen Schritten, fast majestätisch heran. Seine Miene verdunkelte sich zuerst etwas aber dann, als er verstand worum es ging, tippte er sich, jetzt mit einem Lächeln, dreimal galant an die Schläfe, als wolle er sagen: "Ich kenne diese Situation", ging eilig fort und kam dann mit zwei Stühlen in den Armen zurück, wohl vom nicht weit entfernten Lager, das ich nicht einsehen konnte. Da waren dann die zwei älteren "Dämchen" förmlich entlastet und schleckten und rauchten dann unbeeindruckt lustig weiter.

Und dann auf einmal horchte ich auf und dachte: Oh, là là , wir sind doch hier nicht in Italien. Caruso erhob seine Stimme.

Von irgendeinem Grammophon, das mit dem grossen Trichter, welches wohl irgendwo in einer mir uneinsehbaren Ecke oder Nische verborgen weilte, erklang die Stimme dieses unglaublichen Tenors. Es war wohl eine alte Aufnahme, denn die Platte rauschte sehr und war wohl schon etwas angekratzt. Der grosse Caruso offenbarte sich jetzt und hier, vor mir und allen anderen Gästen mit dem Titel "O`sole Mio". Caruso, der Tenor, der das Hohe C mit Leichtigkeit erreichte und das mit einem Schmelz und Volumen wie es vor und nach ihm keiner brachte. Er konnte es ja auch, denn er sang aus dem Bauch und aus der Brust und nicht nur aus der Kehle. Und ich schmolz dahin. Ich hatte einmal gelesen, dass sich Tenöre Äther in den Rachen gießen würden um das Hohe C schneller und besser erreichen zu können. Das klang dann aber metallisch. Außerdem, wenn sie es länger praktizierten, war die Stimme bald im Eimer und da gibt es jetzt nichts mehr hinzuzufügen.

Und dann geschah es !

Wie eine Elfe, seitlich nah an mir vorbei, schwebte ein Wesen, eine Dame, kaum dass ich erkennen konnte, dass ihre Füße den Boden berührten. Ein Duft von Frau, Flieder, Jasmin und Oleander umfing mich. Aus dem Bauch heraus, von einer Sekunde zur anderen fühlte und sah ich : Dieses Wesen ist nicht von dieser Welt. Elfengleich bewegte sie sich auf den kleinen, runden Tisch, mit den sich genau gegenüber stehenden zwei Stühlen, von mir rechts an der warmen Hauswand an der Ecke und den mit dem kleinen Schild, Reserviert 15.00 h zu. Es war hier der einzige Tisch, der mit einer Tischdecke bestückt war.

Einer Leinentischdecke, cremefarben mit seitlicher Bordüre und floralem Muster in goldbraun.