Moabit - Volker Kutscher - E-Book
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Moabit E-Book

Volker Kutscher

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Beschreibung

Spannend, ungewöhnlich und überraschend: Ein neues Puzzlestück im Gereon-Rath-Universum und die perfekte Einstiegsdroge für all jene, die die Kutscher-Krimis noch vor sich haben – mit Illustrationen von Kat Menschik! Wen fasziniert sie nicht? Charly Ritter, die große Liebe von Kriminalkommissar Gereon Rath, die ihren eigenen Kopf hat, so charmant wie neugierig ist und ein Geheimnis in sich zu tragen scheint. In Moabit lernen wir Charly kennen, als sie noch Lotte heißt und bei ihren Eltern wohnt, in einer Beamtenwohnung am Zellengefängnis Moabit. Gerade hat sie das Abitur im Kleistlyzeum geschafft, und dies, obwohl sie aus einfachen Verhältnissen stammt. Ihre frisch errungene Freiheit genießt Lotte vor allem nachts, bei heimlichen Eskapaden mit ihrer Freundin Greta durch die Tanzlokale Berlins. Tagsüber lernt sie Schreibmaschine und Stenografie, denn eins ist klar: Ihr Studium wird sie sich selbst finanzieren müssen. Charlottes Vater ist Gefängniswärter – ein einfacher, ehrlicher Mann. Doch seine Ansprüche an seinen Augenstern Lotte in puncto Bildung, Ehre und Anstand sind hoch. Und Lotte ist ein Vaterkind. Kein Wunder, dass es nicht spurlos an ihr vorübergeht, als ihr Vater eines Tages in ein brutales Attentat im Moabiter Gefängnis verwickelt wird. Ein Vorfall, der Charlottes weiteres Leben prägt und der aus Lotte letzten Endes Charly macht. Kat Menschik entwirft dazu so kongenial das verruchte Berlin der 20er-Jahre in seiner düster-rauen Schönheit, dass man selbst noch den Geruch und die Geräusche von damals wahrzunehmen meint.

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Seitenzahl: 96

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Volker Kutscher

Moabit

Illustriert von Kat Menschik

Kurzübersicht

Buch lesen

Titelseite

Inhaltsverzeichnis

Über Volker Kutscher

Über dieses Buch

Impressum

Hinweise zur Darstellung dieses E-Books

Inhaltsverzeichnis

Der Schränker

I. Kapitel

II. Kapitel

III. Kapitel

IV. Kapitel

V. Kapitel

Der Wärter

I. Kapitel

II. Kapitel

III. Kapitel

IV. Kapitel

Die Tochter

I. Kapitel

II. Kapitel

III. Kapitel

IV. Kapitel

V. Kapitel

VI. Kapitel

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

I

Immer noch, obwohl du schon fast drei Jahre in Moabit einsitzt, wunderst du dich, wie laut sich die Schlüssel hier in den Schlössern drehen. Wie laut die Stahltüren in die Schlossfallen schnappen, laut und rasselnd und scheppernd. Wie laut selbst die Stille hier ist, die Stille zwischen den Türen, zerhackt vom Klacken eurer Absätze auf dem harten Boden.

Kleinschmidt geht voran. Er öffnet jede Tür und hält sie dir auf wie ein Kavalier seiner Herzdame. Du gehst hindurch: mit gefesselten Händen und dennoch ein König, der seinen Palast durchschreitet.

Ein letztes Schloss, ein letztes Scheppern, und ihr seid am Ziel. Du musst blinzeln. Hier ist es heller als im Zellentrakt, der Besuchsraum hat mehr Fenster. Und mehr Gitter.

Lenz ist schon da. Sitzt am Tisch. Steht auf, als er dich sieht, hat immer noch Respekt, dein Statthalter draußen. Trägt den Siegelring mit unverhohlenem Stolz, euren Ring mit dem großen B, den sie dir bei der Ankunft in Moabit abgenommen haben. Der Mann ist nicht deine erste Wahl, aber was willst du machen, er ist nun mal dein Stellvertreter? Gewählt ist gewählt, das gilt auch für einen Ringverein.

Den roten Hugo nennen sie ihn, und das sagt alles. Weil es eben nichts sagt. Nichts bedeutet. Weil Lenz nichts ist und nichts hat, das etwas bedeutet. Dich nennen sie den Schränker. Weil du einer bist. Einer der besten der Stadt. Keine Tür, die du nicht öffnen, kein Tresor, den du nicht knacken kannst. Und der rote Hugo, was kann der? Nichts. Nicht einmal rot ist der, kriegt nur schnell ’ne rote Birne, wenn er sich aufregt, das ist alles. Schon damals, als du den Tagedieb am Osthafen aufgegabelt hast, nannten sie ihn so. Deswegen. Was aber heute keiner mehr weiß. Lenz erzählt lieber die Legende, dass er anno neunzehn mit den Spartakisten gekämpft und sich dabei eine Kugel eingefangen habe.

Kleinschmidt nimmt dir die Handschellen ab und postiert sich an der Tür. Du könntest Lenz jetzt die Hand geben, doch du setzt dich. Grußlos. Lenz stutzt, dann setzt er sich auch. Schaut dich fragend an. Spielt nervös mit dem Ring an seinem Finger. Fragt dich schließlich, was denn los sei.

Du lässt ihn eine Weile zappeln. Schaust ihn bloß an. Und dann sagst du ihm, was los ist. Was du gehört hast. Was in Moabit erzählt wird, beim Hofgang, in der Schilderwerkstatt, an der Essensausgabe, einfach überall: dass deine Leute, die Mitglieder des ehrenwerten Ringvereins Berolina, sich in einem Nachtclub am alten Ostbahnhof herumtreiben. Dass sie die reichen Schnösel, die im wilden Osten das Abenteuer suchen, mit Nutten und Koks versorgen.

Während du redest, schaut Kleinschmidt auf sein Spiegelbild im Fenster und prüft den Sitz seiner Uniform. Er steht keine fünf Meter entfernt, doch du kannst so tun, als sei er gar nicht im Raum. Kleinschmidt gehört zu den Aufsehern, die von der Berolina regelmäßig mit einem kleinen Betrag bedacht werden. Das hat dich die drei Jahre im Kahn überhaupt erst ertragen lassen. Du bist der ungekrönte König hier drinnen. Adolf I. von Moabit.

Lenz braucht einen Moment, ehe er antwortet.

Der Venuskeller ist nicht irgendeine Kaschemme. Da verkehren die feinsten Leute. Der halbe Westen lässt sein Geld da. Eine Goldgrube.

Du sagst ihm, dann soll die Berolina eben Schutzgeld kassieren und gut.

Das tun wir doch sowieso, Adi. Aber eine Beteiligung wirft mehr ab. Was da an einem Abend allein an Schampus getrunken wird. Zu Mondpreisen, aber das juckt die feinen Leute nicht, die zahlen.

Du wirst so laut, dass sogar Kleinschmidt kurz hinüberschaut. Bis sich eure Blicke treffen und der Aufseher seine Fingerspitzen einer genaueren Inspektion unterzieht.

Ob die Berolina jetzt unter die Gastronomen gegangen sei, fährst du den roten Hugo an, und der zuckt zurück. Als habe er Angst, du könntest ihn schlagen. Weil er weiß, dass du dazu in der Lage bist. Dass Kleinschmidt dich nicht daran hindern wird. Lenz sitzt da wie ein geprügelter Hund. Ganz kleinlaut wirkt er, als er weiterredet.

Natürlich nicht, Adi. Darum geht es doch auch nicht. Das meiste Geld machen die mit Koks. Nicht nur im Club, auch auf der Straße, überall in der Stadt.

Der Mann ist wirklich schwer von Begriff. Du musst ihn daran erinnern, dass die Berolina ein ehrbarer Ringverein ist. Und Kokain ein schmutziges Geschäft. Nutten sowieso. Ihr macht saubere Brüche, bei denen niemand zu Schaden kommt, das ist die Tradition der Berolina seit ihrer Gründung vor fast dreißig Jahren, noch zu Kaisers Zeiten. Eine Tradition, verbunden mit hohem Profit und hohem Risiko, aber eine ehrbare Tradition. Dafür steht euer Ringverein, deswegen sitzt du im Bau. Das alles sagst du ihm, und du sagst es laut.

Du solltest dir das Angebot mal anhören, Adi. Wenn wir auf Schutzgeld verzichten und stattdessen mit fünfzehn Prozent einsteigen …

Du fährst ihm über den Mund. Erinnerst ihn daran, wer hier der Chef ist. Dass ohne deine Zustimmung in der Berolina gar nichts läuft.

Ist doch noch nichts entschieden, Chef. Du bist in anderthalb Wochen draußen, dann mach ich dich mit den richtigen Leuten bekannt …

Du sagst ihm, dass es da nur eine Entscheidung gibt. Dass die Berolina niemals mit Zuhältern und Drogenhändlern zusammenarbeiten wird. Dass ihr, wenn der Venuskeller so gut läuft, eben das Schutzgeld verdoppeln müsst.

Lenz sagt nichts mehr, er nickt nur.

Dann fällt ihm ein, weswegen er eigentlich hergekommen ist, und er holt das Päckchen aus seiner Tasche. Schiebt es über den Besuchertisch. Du weißt, was drin ist. Die übliche Ration. Für die letzten Tage. Kippen. Kippen und Schnaps. Das Nikotin macht die Tage im Kittchen erträglicher, der Alkohol die Nächte.

Anderthalb Wochen noch.

Du dankst ihm mit einem Nicken und steckst das Paket in deinen Hosenbund. Dein Stuhl schrammt mit einem hässlichen Geräusch über den Boden, und Kleinschmidt wird aus seiner Lethargie gerissen.

Du nimmst Lenz zum Abschied freundschaftlich in den Arm, klopfst ihm auf die Schultern und fragst, als dein Mund nahe genug an seinem Ohr ist, nach dem Stand der Discontosache.

Lenz flüstert ebenfalls. Von diesen Dingen erfährt auch Kleinschmidt besser nichts.

Läuft, Chef. Sobald du draußen bist, drehen wir das Ding.

Du schaust ihm in die Augen. Da steht dein alter Lenz, gehorsam wie ein Hündchen. So muss es sein. War nötig, ihm mal wieder den Kopf zu waschen.

Er geht zur Tür, die nach draußen führt, in die Freiheit, und klopft. Aufseher Grunert, auch einer von denen, die Geld von euch bekommen, führt ihn hinaus.

Während du dem roten Hugo hinterherschaust, holt Kleinschmidt die Handschellen hervor. Er fesselt dir die Hände immer vor der Brust, das ist nicht so demütigend wie hinter dem Rücken. Sieht bleich aus, der Mann, hat Schweißtropfen auf der Stirn, irgendwas stimmt mit dem nicht. Na, soll nicht deine Sorge sein.

Er geht neben dir, hat dich vorschriftsmäßig am Arm gefasst und führt dich durch mehrere Stahlgitter, die er mit seinem Schlüsselbund öffnet. Vor der Wachstube, nur zwei Schlösser trennen euch noch von deiner Zelle in Block D, bleibt Kleinschmidt unvermittelt stehen und krümmt sich.

Du fragst ihn, was los ist, und er zeigt auf die Tür der Wachstube. Es gehe ihm nicht gut, er müsse dringend auf den stillen Ort, ob er dich eine Weile allein lassen könne?

Natürlich kann er das. Du bist doch nicht so blöd und setzt kurz vor Ultimo deine Entlassung aufs Spiel. Du nickst, und mit einem gequälten Lächeln verschwindet Kleinschmidt in der Wachstube. Das ist das Reich der Wärter, dort essen sie ihre Pausenbrote oder spielen Skat, wenn ihnen langweilig wird, dort haben sie auch ihre Klos. Im Moment ist die Stube leer, sind alle beim Einschluss, auf den Tischen stehen nur ein paar Thermosflaschen und blecherne Brotdosen. Und eine Schreibmaschine. Du wunderst dich noch, was die da zu suchen hat, da fällt die Tür auch schon zu.

Du spürst, dass du nicht allein bist, dass du beobachtet wirst, und wendest deinen Blick. Da, am anderen Ende des Raums, steht jemand. Kein Aufseher. Ein Mann, der die gleiche Kluft trägt wie du, den schicken Anzug, den sie einem beim Einzug in Moabit verpassen. Mit einer vierstelligen Nummer auf der Brust.

Ja, dahinten, direkt vor der Tür zur Gefängniskapelle, steht tatsächlich ein Gefangener. Ohne jede Aufsicht, genau wie du.

Im Besuchsraum war der nicht, den hattest du für dich allein, wie immer. Wo kommt der Kerl her? Hat er sich in der Kapelle versteckt? Glaubt er, auf diese Weise abhauen zu können? Dann hat er keine Ahnung, wie viele Gitter und Wärter sich noch zwischen ihm und der Lehrter Straße befinden. Fast bemitleidest du den Kerl. Der wird gewaltigen Ärger kriegen.

Du hast den Mann noch nie gesehen, muss einer von den Neuen sein, die sie heute Morgen in Block C eingeliefert haben. Puh, der wird sich noch umgucken. Nach der Nummer werden die Wärter ihn gehörig in die Mangel nehmen. Drei Tage im Loch sind das Mindeste, das einem für so einen Ausflug blüht, da verstehen sie hier keinen Spaß.

Der Kerl glotzt dich an. Weiß wohl nicht, dass man dich nicht anglotzt, weder hier drinnen noch draußen in der Stadt. Nicht dich, Adolf Winkler, den Schränker. Den Vorsitzenden des ehrenwerten Ringvereins Berolina und ungekrönten König dieses Knasts.

Der Kerl sagt keinen Ton. Glotzt dich nur an. Macht einen Schritt auf dich zu. Kommt näher und hält dich dabei im Blick wie ein misstrauisches Raubtier. Oder eher wie eine in die Enge getriebene Ratte.

Du siehst es in seiner Rechten blitzen. Eine Klinge. Die Ratte hat ein Messer. Äußerlich bleibst du ruhig, doch innerlich nimmst du die Fäuste hoch. Du bist auf dich allein gestellt, kein Wärter weit und breit. Außer Kleinschmidt, der mit einem flotten Otto auf dem Scheißhaus sitzt. Ausgerechnet jetzt.

Du sagst der Ratte, wer du bist, dass es nicht ratsam ist, sich mit dir anzulegen.

Ich weiß genau, wer du bist.

Das ist alles, was die Ratte sagt, dann greift sie an. Kommt auf dich zu, holt mit dem rechten Arm zum Stich aus. Du spannst die Kette zwischen den Handschellen mit ausgestreckten Fäusten. Das Messer trifft die Kette, die Klinge rutscht ab, streift deinen Unterarm, doch weiter kommt sie nicht, das Heft des Messers ist in der Handschellenkette gefangen. Du hast den Angriff abgewehrt, die Wucht des Stoßes wirft dich nach hinten gegen die Wand.

Das Messer hängt in der Kette, doch der Angreifer gibt nicht auf; mit aller Kraft versucht er, die Klinge an deinen Hals zu bringen, mit aller Kraft hältst du dagegen. Der will dich tatsächlich abmurksen, das ist keiner, der sich einfach nur Respekt verschaffen will.

Wo bleibt der verdammte Kleinschmidt nur? Wo die anderen Wärter? Es ist das erste Mal, dass du dich hier drinnen allein einem Angriff stellen musst.

Du hältst stand, und in dem Moment, als der Druck kurz nachlässt, legst du all deine Kraft in Arme und Handgelenke und katapultierst der Ratte das Messer aus der Hand. Mit einem hellen Klirren landet es auf dem Beton, schliddert ein paar Meter und malt eine dünne Blutspur auf den Boden. Vor der Kapellentür bleibt es schließlich liegen.