Vom Kiez zum Kap - Bernd Volkens - E-Book

Vom Kiez zum Kap E-Book

Bernd Volkens

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Beschreibung

Mit dem Bulli zur Fußball-WM nach Kapstadt "Ein Donnerstagabend im FC Sankt Pauli-Clubheim, kurz nach dem Training der Achten Herren, unserer Fußballmannschaft. Kay erzählt begeistert von seinem letzten Besuch in Kapstadt bei seiner Schwester. Wir reden uns bei ein paar Bier in Rage und sind uns sicher: Wir müssen sie unbedingt mal zusammen in Südafrika besuchen. Fliegen? Nein, mit dem VW Bulli wäre doch viel lustiger. Abenteuer, Land und Leute locken. Und dann ist da noch diese Fußball-WM. Eine Schnapsidee, die schnell ins Rollen kommt ..." Bernd Volkens, AUTO BILD Technikredakteur, erzählt in diesem Buch nicht nur die Geschichte einer großen Reise mit einem VW T3 Synchro. "Vom Kiez zum Kap" ist auch ein Bericht darüber, wie es ist, plötzlich einen Traum leben zu können, den so viele träumen: Endlich ausbrechen aus dem Alltag, ganz andere Probleme bewältigen, aber auch scheitern: Denn so einfach, wie die beiden Fußballfans Bernd Volkens und Kay Amtenbrink sich ihre Reise zur Fußball-WM 2010 nach Kapstadt vorgestellt haben, wird es nicht. Der Motor brennt, der Bulli bleibt im Fluss stecken. Und trotzdem machen sie weiter. Vom Hamburger Kiez bis zum Kap der Guten Hoffnung in Südafrika. Glattrasiert los, bärtig zurück. Und um ein Vielfaches reicher.

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Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation inder Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

 

 

1. Auflage 2015© Delius Klasing & Co. KG, Bielefeld

Folgende Ausgaben dieses Werkes sind verfügbar:ISBN 978-3-667-10314-7 (Print)ISBN 978-3-667-10394-9 (PDF)ISBN 978-3-667-10395-6 (E-Pub)

Text: Bernd VolkensLektorat: Alexander FailingTitelfoto: Kay AmtenbrinkFotos: Kay Amtenbrink sowie Maria Pineiro: S. 7 (m), S. 74, S. 82, S.84 (u), S. 92, S. 100, S. 111, S. 116, S. 122, S. 130, S. 138, S. 149, S. 150, S.151, S. 159, S. 167; Claus Gunetsrainer:. S. 90, S 93, S. 94 (u), S. 96/97,S. 105, S. 140, S. 147, S. 152, S. 173, S. 183; Hendrik Kempfert: S. 177Layout: Kay Amtenbrink, Hoch+Quer, HamburgLithografie: Mohn Media Mohndruck, Gütersloh

Datenkonvertierung E-Book: HGV Hanseatische Gesellschaft für Verlagsservice, München

Alle Rechte vorbehalten! Ohne ausdrückliche Erlaubnis des Verlagesdarf das Werk, auch Teile daraus, nicht vervielfältigt oder an Dritteweitergegeben werden.

www.delius-klasing.de

WIE DIE IDEE ENTSTAND

Zeitsprung, ein Donnerstagabend im FC Sankt Pauli Clubheim, kurz nach dem Training der 8. Herren, unserer Fußballmannschaft. Mein Kumpel Kay erzählt begeistert von seinem letzten Besuch bei seiner Schwester in Kapstadt. Wir reden uns bei ein paar Bier in Rage und sind uns sicher: Wir müssen Schwesterchen unbedingt in Südafrika besuchen. Fliegen? Nein, mit dem Auto wäre doch viel lustiger. Abenteuer, Land und Leute locken. Eine Schnapsidee, die mehr und mehr ins Rollen kommt …

INHALT

Deutschland

Vorbereitungen

Europa

Hamburg–Istanbul

Türkei—Syrien

Istanbul–Damaskus

Syrien—Jordanien

Damaskus–Petra

Jordanien—Ägypten

Wadi Rum–Aqaba–Dahab

Ägypten

Dahab–Kairo

Ägypten

Kairo–Assuan

Ägypten—Sudan

Assuan–Wadi Halfa

Sudan—Äthiopien

Wadi Halfa–Khartum

Sudan

Khartum–Metema

Äthiopien

Metema–Gondar

Äthiopien

Gondar–Addis Abeba

Äthiopien

Addis Abeba–Mago–Park

Äthiopien—Kenia

Mago–Park–Kenianische Grenze

Kenia

Kenianische Grenze–Nairobi

Kenia—Tansania

Nairobi–Mombassa–Dar es Salaam

Tansania—Malawi

Dar es Salaam–Lilongwe

Malawi—Sambia

Lilongwe–Kasungula

Sambia—Südafrika

Kasungula–Kapstadt

Deutschland

Epilog

DIE HAUPTAKTEURE

Kay Amtenbrink, geboren 1969, arbeitet als selbstständiger Grafiker, baut Printmagazine fürs iPad um. Fotografie ist sein liebstes Hobby und eine Reise quer durch Afrika war seit Anfang der Neunziger sein ganz großer Traum. Nicht überraschend: Kay arbeitete drei Jahre in Kapstadt – sein südafrikanischer Ex-Chef ist mittlerweile sein Schwager und Vater seiner Nichte. Als notorische »Nachteule« ein optimaler Reiseplaner für die Tour, in späten Stunden sammelte er alles nötige am Rechner – fand die besten Routen, machte die Visa klar, informierte sich über notwendige Impfungen.

Alles nichts gegen seine schwierigste Aufgabe: Er musste Bernd daran hindern, die Strecke in vier Wochen abzureißen!

Bernd Volkens, geboren 1969, arbeitet als Motorjournalist. Die Idee, mit einem Auto durch Afrika zu fahren, war nicht ganz neu für ihn. Schon Ende der Neunziger gab es erste Versuche, so eine Tour durchzuziehen. Damals hat es am Ende dann doch nicht geklappt. Für diesen zweiten Versuch bekam er fünf Monate unbezahlten Urlaub von seinem Arbeitgeber. Das Automobil spielt nicht nur berufsbedingt eine große Rolle in seinem Leben, mit zwei Freunden schraubt er in einer Halle an alten Autos. Entsprechend war es sein Part, den Bulli für die lange Reise vorzubereiten. Wie sich am Ende rausstellte, noch die geringste Herausforderung. Seine wahren Schrauberqualitäten musste er bei unzähligen Pannen im Verlauf der Reise unter Beweis stellen.

MITREISENDE AUF ZEIT

Maria Pineiro, geboren 1972, arbeitet als Projektmanagerin für eine Firma, die Windkraftanlagen herstellt. Die gebürtige Spanierin lebt in Hamburg, ist schon eine halbe Ewigkeit mit Bernd zusammen. Für sie ist das Reisen wichtig, egal wohin auf der Welt, Afrika aber ein ganz besonders lohnendes Abenteuer. Maria war von Ägypten bis Kenia mit Kay und Bernd unterwegs.

Claus Gunetsreiner, geboren 1975, arbeitet als Informatiker. Eigentlich wollte der Bayer gar nicht durch Afrika fahren, er ist schon mal vorher quer durch mit seinem Auto. Allerdings ist Claus in München mit seinen Freunden Donald und Natalie gestartet und die haben ihn überredet, auf dem Weg um die Welt den kurzen Abstecher nach Kapstadt einzubauen.

Claus begleitete, zum Glück für Bernd und Kay, den Bulli mit seinem Toyota Land Cruiser vom Sudan bis nach Malawi.

Joachim Bornemann, geboren 1967, lebt in Hamburg. Der Filmemacher hat die Tour über Teile in Afrika begleitet. Daraus ist der Film »Vom Kiez zum Kap« entstanden, in dem es um den Aufstieg des 1. FC St. Pauli und um die Verbundenheit von Kay und Bernd zum Hamburger Fußballclub geht.

Jo war 14 Tage in Äthiopien und von Tansania bis Südafrika an Bord des Syncros.

UNSER FAHRENDES ZUHAUSE

Der T3 Syncro, gebaut 1992, ist die dritte Evolutionsstufe des VW Busses. Immer noch mit dem Bulli-typischen Heckmotor, erstmals aber auch als Diesel und Allradler unterwegs. Der geländegängige Syncro wurde allerdings nicht wie seine Brüder in Hannover zusammengeschraubt. Steyr baute im VW-Auftrag den Allradler in Graz/Österreich. Auf den ersten Blick lässt sich der Geländetransporter nur an dem nach hinten gewanderten Tankstutzen, der größeren Bodenfreiheit und ein paar anderen Kleinigkeiten erkennen. Der Syncro trägt sein Potenzial im Verborgenen. So besitzt der Unterbau zum Beispiel Gleitschienen – die schützen Antriebswellen, Kardanwelle und Getriebe vor den Kontakt mit steinigen Untergründen. Seine vielleicht einzige Schwäche: Mit gerade einmal 70 PS ist er bei schwierigen Untergründen deutlich untermotorisiert.

DEUTSCHLAND

Vorbereitungen

Kay hat als freier Grafiker zum Glück zwischen seinen Agenturaufträgen viel Zeit, sich um die Reisevorbereitungen zu kümmern: Route, Visabestimmungen, nötige Impfungen und so weiter. In endlosen Nachtschichten arbeitet er alle nötigen Punkte gewissenhaft ab. Nur von Autos hat er dummerweise überhaupt keine Ahnung. Eine für unsere Reise nicht ganz unwichtige Fähigkeit! Mit Autos kenne ich mich richtig gut aus, stecke aber als festangestellter Redakteur zu sehr in der Journalisten-Tretmühle, um einen passenden, fahrbaren Untersatz zu suchen – an die Afrika-taugliche Vorbereitung ist dabei noch gar nicht zu denken. Wenn das mal gut geht!

Zumindest beim Fahrzeugmodell herrscht schnell Einigkeit. Weder Land Cruiser noch Land Rover – für uns Bulli-Fans muss es ein T3 Syncro von VW sein, schließlich wollen wir in einer coolen Kiste durch Afrika rumpeln.

Der Syncro bietet unserer Meinung nach die richtige Mischung aus zuverlässiger, einfacher Technik, einer vernünftigen Geländetauglichkeit und dazu noch jede Menge Platz im Innenraum zum Wohnen, Schlafen und Kochen. Dabei sieht er auch noch verdammt gut aus!

Vorteil des Busses: Er bietet Platz für die Ausrüstung. Aufs Dach kommen leichte Sachen, schließlich muss es sich aufklappen lassen

Bestandsaufnahme beim Spezialisten: Ein zuschaltbarer Allradantrieb muss her

Blöderweise besitzt er zwei große Schwächen: Wird es richtig matschig, sind 70 PS viel zu wenig Leistung, und als Exot in Afrika trifft er auf ein mieses Ersatzteilnetz. Egal, wir wollen den Bulli und verdrängen die üblen Gedanken an das, was alles passieren könnte.

Erst einmal muss man überhaupt einen Syncro bekommen, gar nicht so einfach. Wer einen guten T3 besitzt, gibt ihn nicht her oder verlangt Mondpreise. Selbst billige Bastel-Buden kosten ein paar tausend Euro. Also heißt es suchen, suchen und nochmals suchen – zwischen drei und acht Syncros stehen ständig unter Beobachtung. Und dann endlich – eins, zwei, meins – unser Gebot von 5600 Euro ist das höchste. Geschafft, wir sind komplett und begrüßen einen T3, Erstzulassung 1992 mit über 300 000 Kilometern auf dem Tacho in unserem kleinen Abenteurerkreis.

Kay: Unser Einsteiger-Bulli steht dummerweise in Reutlingen, die Besichtigung, Bezahlung und Überführung ist aufwendiger als erhofft. Mitten in der Nacht holt Bernd mich ab und wir reißen die 700 Kilometer im Dunkeln ab. Morgens bei der Ankunft fährt mir der Schreck in alle Glieder: Ich habe in der Eile meine Tasche mit meinem Anteil an der Kohle in Hamburg vergessen. Ohne Cash kann man schlecht beim Preis handeln. Bernd ist stocksauer, bleibt aber ruhig. Respekt!Der Wagen wird besichtigt, angezahlt und auf der gemeinsamen Rückfahrt kann ich schon planen, wie ich am Wochenende darauf den Bulli allein nach Hamburg bekomme.

Diese unglaubliche Nachlässigkeit von mir hat, trotz allem, auch etwas positives: Sie erweist sich als gute Bewährungsprobe, wie wir mit Fehlern und Problemen auf der Reise umgehen werden: Keine Vorwürfe – akzeptieren und Lösungen finden.

Willkommen, Bus, und ab in die Werkstatt. Kaufe kein Auto unbesehen, schon gar nicht, wenn du damit durch den schwarzen Kontinent fahren möchtest.

Vom Kiez zum Kap: Kay, der Grafiker im Team, hat das Logo entworfen

Unsere Kiste muss auf Afrikatauglichkeit getrimmt werden. Bei einem T3-Spezialisten lassen wir Ölkühler sowie zuschaltbaren Allradantrieb nachrüsten, das Getriebe überholen und besorgen zusätzlich eine gebrauchte Markise. Auf einen Heckträger für die Anhängerkupplung sollen Campinggas, -tisch und -stühle platzsparend mitfahren. Wir montieren eine Konsole; um den Beifahrersitz drehen zu können, so verbessern sich die Platzverhältnisse im Bulli gewaltig. Kay entwirft ein großes Afrika-Logo und beklebt den Bus von außen mit den Flaggen der Länder unserer geplanten Reiseroute.

Was noch fehlt: Um an Bodenfreiheit zu gewinnen, wollen wir Reifen in der Dimension 30x9,5 R15 aufziehen. Der größere Raddurchmesser sorgt für mehr Platz unter dem Auto. Nur sind die passenden Stahlfelgen für den Bulli verdammt schwer zu finden; komischerweise stammen sie von einer alten Mercedes S-Klasse. Also losstapfen, um sie auf einem Hamburger Schrottplatz aufzutreiben – neu sind sie uns mit über 200 Euro pro Rad viel zu teuer. Mit klammen Fingern heißt es Anfang Januar Schnee von den Felgen kratzen, um das heilige Kürzel 6J15 ET30 zu entziffern. Das Erkennungszeichen ist in eine Speiche des Rades gestempelt. Nichts ist: gefühlte 1000 Räder angepackt, Finger abgefroren und keine passende Felge gefunden. Vielleicht doch noch einmal bei Mercedes nachfragen? Nein, das sprengt die Reisekasse. Also zurück in die Kälte, es gibt noch viele Schrottplätze rund um die Hansestadt. Und, oh Wunder, gefunden, 30 Euro will der Altteil-Händler pro Stück für die Räder, weil das Profil noch so gut ist. Der Schrotti wundert sich über unser blödes Grinsen, weiß zum Glück nicht, wie verzweifelt wir gesucht haben und dass wir auf die aufgezogenen Reifen überhaupt keinen Wert legen.

Die Nadel im Heuhaufen – die Suche nach dem Ersatzrad hat Tage gedauert

Die Routenwahl durch Afrika erweist sich als schwierig. Anfangs favorisiert: die Westpassage. Das heißt über Spanien, verschiffen von Gibraltar nach Marokko und weiter über Mali. Doch das müssen wir verwerfen, der globale Terrorismus sucht auch im Jahr 2010 Entführungsopfer und das genau auf unserer geplanten Route. Als die Nachrichten vermelden, dass es tatsächlich passiert ist, Europäer verschleppt wurden, knicken wir ein. Üble Geschichte, auf diese Erfahrung möchten wir verzichten. Aber es gibt ja noch die andere Seite. Jetzt steht der Weg entlang der Ostküste. Auch für diese Länder gibt es auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes jede Menge Reisewarnungen, aber keine liest sich so bedrohlich wie die Anmerkungen zu den Ländern auf der anderen Seite Afrikas.

Kay: Die Westroute zu nehmen ist sofort beschlossen. Bernd und ich waren noch nicht in Westafrika, zudem führt die Strecke durch zehn Länder, die an der WM teilnehmen – Fußball ist also sehr präsent, weshalb wir dort auf mehr Verständnis, Hilfe und lustige Begegnungen hoffen. Ich trage über Monate einen dicken Ordner mit Infos über Grenzen, Camps, Gefahren, Straßen, Konsulate, Karten, Werkstätten, selbst Nationalspieler und wichtige Vereine aller Länder zusammen.

Impfmarathon – unser Abwehrsystem ist im Dauerstress, produziert Antikörper

Als wir Anfang Januar, drei Wochen vor der geplanten Abfahrt, beschließen, die Ostroute zu nehmen, bin ich trotz richtiger Entscheidung geknickt. Bei der Abfahrt habe ich das mulmige Gefühl, nicht top vorbereitet zu sein, was sich dann leider auch schnell bewahrheitet.Terrorismus ist nicht die einzige Gefahr – neben politischen Unruhen warten fiese Tropenkrankheiten in Afrika auf uns. Und entsprechend sehen die Vorbereitungen aus: Morgens werden unsere Arme durchstochen, nachmittags wird am Bus gebohrt. Die Spalten des Impfbuches füllen sich: Cholera, Tollwut, Gelbfieber, Hepatitis A und B, um einige der gemeinen Gesellen zu nennen die, laut Tropenmediziner, in den tiefen Afrikas lauern. In den Bus versenken wir ein paar tausend, in unsere Adern gerade mal 350 Euro – toll, wir sind zumindest viel preiswerter fit für Afrika zu machen. Kay schlägt sich die Nächte um die Ohren, plant eine völlig neue Tour mit allen Konsequenzen. Infos müssen gesammelt werden, neue Visa sind zu beantragen, die Zeit rennt.

Istanbul: Endlich Orient

EUROPA

Hamburg–Istanbul

Hamburg, Millerntor, 15. Februar 2010: Eigentlich sollte es schon am 1. Februar losgehen, aber der Bulli wurde einfach nicht rechtzeitig fertig. Was soll’s, starten wir eben zwei Wochen später, wird ja wohl trotzdem genug Zeit für die Tour durch Afrika bleiben. Freunde, Familie, Kollegen und ein Reporter von NDR 90,3 sind da, um uns zu verabschieden – sie alle sorgen für Gänsehaut auf unseren blau zerstochenen Oberarmen. Die letzte Spritze gab es beim Frühstückskaffee, der Impfschutz steht. Besonders die Familie tut sich schwer, uns ziehen zu lassen – wäre es nicht so kalt, säßen wir wohl immer noch vorm St. Pauli-Clubheim im Schnee. Winke, winke und ab dafür! Mit einer Flasche Sekt zwischen den Knien und einem Grinsen im Gesicht geht es über die Elbbrücken, auf die lange Reise von Hamburg nach Kapstadt. Hurra, ab jetzt bitte immer nur noch Richtung Süden!

Zugegeben, lang ist die erste Etappe nicht, sie endet schon nach 273 Kilometern. Gütersloh, Kays Vater wohnt hier, er konnte nicht nach Hamburg kommen. Macht nichts, die letzten 14 Tage waren die Hölle. Wir haben die notwendigen Vorbereitungen völlig unterschätzt, entsprechend viel war zu tun und es gab wenig Zeit zum Ausruhen. Also kurz durchatmen und lange schlafen in Ostwestfalen. Der Bus muss noch vernünftig eingeräumt werden, im ganzen Trubel landete vieles einfach so im Fahrzeugheck des Bullis. Überraschend, wie viel die paar Schubladen schlucken können. Klamotten, Lebensmittel, Reiseapotheke und noch ein paar anderer Gimmicks wie eine Machete, Weltempfänger und Klappspaten. Extrem schwer war es, die notwendige Ersatzteilliste für den Bulli zu erstellen. Wer kann schon voraussagen, was unterwegs so alles kaputt geht? Ein paar Filter, eine Kupplung, Radlager und Bremsbeläge, hoffentlich brauchen wir nichts davon.

Kay in Panik: Er hat zum Glück nur das Schutzglas des Objektives geschrottet

Zweiter Reisetag, jetzt geht es richtig los und doch nur bis nach Österreich. Ist zwar keine Steppenlandschaft mit schiefen Rundhütten und wilden Tieren, merkwürdig sprechende Eingeborene kann man aber auch hier schon treffen. Ansfelden, Gasthof zur Post und erste Verständigunsschwierigkeiten, so früh haben wir damit nicht gerechnet. Kontakt aufgenommen, freundliche Gesellen, auch mit ihrer Ernährung kommen wir klar – lecker Schnitzel. Der nächste Morgen startet gleich mit einem bösen Patzer. Kay schwingt sich bei einem Zwischenstopp an einen Baumarkt sportlich aus dem Auto, verfängt sich in seiner Kameratasche und lässt das gute Stück, extra für die Afrikareise gekauft, hart auf den Asphalt klatschen. Autsch! Aber noch mal Glück gehabt, es sind zwar zwei UV-Filter zerbrochen, die Linse des Objektives hat aber nur einen winzigen Kratzer abbekommen. Er wird es überleben. Nicht das einzige Drama bei unseren Nachbarn: Im Alpenstaat wechselt unser Navi einfach mal so die Route. Der Rechner entscheidet, wir beugen uns: Ein kleines Stück Slowakei und quer durch Ungarn fallen weg, dafür kommen Slowenien und Kroatien neu dazu. Passt zwar nicht zu den Flaggen, die Kay von den Ländern durch die wir fahren auf den Bus geklebt hat, entsprechend ist er etwas mucksch, aber Kilometerfressen zählt. Die beiden neuen Länder zeigen sich zumindest von ihrer schönsten Seite. Die östliche Flanke von Slowenien, über Maribor, fliegt bei Tempo 90 an den Bus-Fenstern vorbei, die Sonne scheint. Die Fahrt durch Kroatien zieht sich länger, kurze Pause, Mittagsstopp und schnell weiter. Es gilt, die bei der Vorbereitung so großzügig verprasste Zeit wieder aufzuholen – wir wollen möglichst langsam durch Afrika, müssen im Umkehrschluss Vollgas durch Europa. Schließlich sind die Länder hier auch in jedem stinknormalen Urlaub locker zu erreichen. Und für einen ersten Eindruck reicht sogar der schnelle Spurt. Aber war die chaotische Abreise vielleicht doch zu hektisch? Haben wir an alles gedacht? An der Grenze von Kroatien zu Serbien kommt die Antwort auf diese Frage aus einer unerwarteten Richtung: Eine nett lächelnde Zöllnerin verlangt die grüne Versicherungskarte. Sch…, sie liegt faul und trocken auf Kays Schreibtisch statt pflichterfüllend aus dem Handschuhfach heraus die Grenzübertritte zu erleichtern. Allein für die kurze Fahrt durch Serbien kostet uns das Malheur 106 Euro, plus der fälligen 30 Euro Maut versteht sich. Damit es nicht an jedem Schlagbaum so teuer wird, kommt uns eine wie wir meinen geniale Idee. Ab jetzt geht es mitten in der Nacht über die Grenzen. Der Plan: Verschlafene Zöllner haben keinen Bock, gründlich zu kontrollieren.

In Bulgarien klappt es tatsächlich bestens, verpennt winkt uns der Beamte durch. Der Ärger kommt erst später in der Hauptstadt: Polizisten zeigen uns in Sofia die Kelle, erklären auf Bulgarisch und mit Händen und Füßen ihre Unzufriedenheit. Da bleibt nur Schulterzucken. Unsere Vermutung: Sie sorgen sich um die unterschiedlichen Füllstände von Touristenbrieftaschen und Bullen-Portemonnaies. Blöd, dass wir sie einfach nicht verstehen wollen und mit jedem Hinweis dümmer werden. Am Ende ist es ihnen zu dumm, sie schicken uns mit voller Geldbörse weiter Richtung Türkei. Nachts geht es durch eine verschlafene Stadt, in der man in den teils runtergekommenen Straßenzügen noch den Atem der sozialistischen Genossen im Nacken spürt. Okay, wir sind ungerecht und sauer, schließlich gehört Sofia zu den ältesten Siedlungen Europas, bietet viele Sehenswürdigkeiten. Aber, sorry, selber schuld – ihr habt angefangen zu stänkern, die gastunfreundliche Aktion eurer Ordnungshüter hat uns den Spaß am Sightseeing genommen. Wir bleiben bei unserem Plan, drücken auf die Tube. Gefühlt geht es Kreuz und quer, erst durch die Stadt, dann durchs Land, bis sich plötzlich eine lange Schlange von Lkw auf unserer Fahrspur bildet. Oh Gott, die Grenze ist noch ewig weit weg. Hoffentlich erwartet keiner der Trucker, dass wir uns in diese schleichende Karawane Richtung Schlagbaum einreihen. Wer nicht fragt, bekommt auch keine unerwünschten Antworten. Kay zieht nach links und brettert die nächsten Kilometer ohne das Tempo zu drosseln an den stehenden Brummis vorbei, gut gemacht.

Straßenzüge voller Werkzeug

Die historische Straßenbahn fährt durch Istiklal Caddesi

Der nächste Stopp fällt am türkischen Schlagbaum, schlechtes Timing, genau auf den morgendlichen Schichtwechsel. Gut gelaunt, mit einem Lächeln auf dem Lippen, kommt es wie es kommen muss, die gutaussehende Zöllnerin haucht: »Your Green Card, please«. Mist, wer oder was hat uns verraten? Egal, mit 55 Euro ist die Versicherung im Vergleich zu Serbien ein Schnäppchen, wenn auch ein unnötiges. Müde und verschlafen belohnt uns die Türkei mit einem kräftigen Kaffee, milden Temperaturen und hilfsbereiten Menschen. Ein aufregendes Istanbul wartet in knapp 270 Kilometern. Europas Tor zum Orient, der Einstieg über die türkische Metropole ist perfekt – schonend bekommen wir die orientalische Lebenseinstellung beigebracht.

Erste Lektion: Der Verkehr – Freiräume auf der Straße sind augenblicklich auszufüllen, wer dies nicht tut, wird gnadenlos angehupt. Zwei Paar Augen reichen bei weitem nicht, um den Überblick über das ganze Chaos zu behalten. Die Fahrspuren mit ihren Markierungen, inklusive Standspur, sind allenfalls ein grober Hinweis für die Anzahl von Autos, die nebeneinander passen. Irgendwie geht immer noch eines in die Lücke. Vorteil für uns: Wir sind sofort als Deutsche identifiziert, der Türke hat Mitleid und verzeiht unsere planlosen Spurwechsel. Es wir gehupt, gescheucht, gewunken und gelächelt.

Zweite Lektion: Auch wenn Sprachbarrieren im Weg stehen – fragen hilft. Beim Bummeln durch die Altstadt landen wir im Werkzeugviertel. Das passt gut, unserem Bulli fehlen noch ein paar Ersatzschläuche. Bei Beschädigungen an den Reifenflanken sollen sie zur Pannenhilfe dienen und ein 12-Volt-Kompressor zum Befüllen eben dieser. Die elektrische Luftpumpe finden wir schnell, zweimal im falschen Laden nachgefragt, gibt es im dritten Geschäft ein passables Gerät. Mit den Schläuchen für die Reifen ist es schwerer – falsche Abteilung. Zur Erklärung: Man muss sich Istanbul wie einen großen Mischwarenladen vorstellen. Statt verschiedener Regalreihen wie im Baumarkt oder Einkaufszentrum gibt es ganze Straßenzüge, die sich spezialisiert haben. In welcher Abteilung man sich gerade befindet, lässt sich ganz einfach durch ein Blick in die Schaufenster erkennen – Küchen, Kleidung, Sanitärbedarf – alles findet sich in bestimmten Ecken der Stadt. Rund um unser kleines Hotel decken sich beispielsweise Zahnärzte ein. In einem kleinen, dunklen Geschäft, das irgendwie an eine alte Dorfschmiede aus dem 19. Jahrhundert erinnert, finden wir zwar keine Ersatzschläuche für den Bus (hier geht nur Fahrradzubehör über den Tresen), am Ende sitzen wir aber im Privatwagen eines anderen, zufällig anwesenden Kunden aus dem Laden. Der nette Fahrer spricht kein Englisch, versteht entsprechend kein Wort von dem, was wir sagen, bringt uns aber lächelnd in das Autozubehörviertel. Und dort geht es freundlich weiter. Am Ende schenkt uns ein Händler zwei gebrauchte Schläuche mit neuen Ventilen. We love Turkey!