Vom Mentalen her quasi Weltmeister - Horst Evers - E-Book

Vom Mentalen her quasi Weltmeister E-Book

Horst Evers

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Beschreibung

Die Welt des Fußballs bietet immer wieder schöne Gelegenheiten, Neues über andere Länder und Völker, über ihre Sitten und Gebräuche zu erfahren. Was macht diese Völker aus? Wie leben die Menschen dort? Was für eine Mentalität haben die so? Welche Geschichte? Welche Eigenheiten? Horst Evers bringt uns wirtschaftliche und gesellschaftliche Strukturen nahe: «Wenn Dänen nach Mitteleuropa kommen, sind sie häufig den ganzen Tag betrunken. Aus Sparsamkeit. Das ist überhaupt das Tolle an Skandinavien: Weil der Alkohol so teuer ist, gelten dort betrunkene und erst recht häufig betrunkene Menschen als sehr, sehr wohlhabend und genießen allergrößtes Ansehen. Beneidenswert.» Er schlägt historische Bögen vom Altertum bis in unsere Tage: «Die Griechen wissen ihre Geschichte gekonnt einzusetzen. Falls also eine Mannschaft plötzlich ein riesiges Holzpferd auf Höhe der Mittellinie entdeckt: auf keinen Fall in den eigenen Strafraum ziehen! Es könnte Brad Pitt oder Otto Rehhagel drinsitzen.» Und er erkundet die Weisheit anderer Völker: «Die Holländer sind hervorragende Kaufleute. Da sie keine Vorhänge mögen, haben sie das Glashaus erfunden. Als sie dann aber wegen der Hitze darin keine Mieter gefunden haben, bauten sie dort einfach Gemüse an, und schwupp waren sie reich.» Warmherzig, liebevoll und schräg porträtiert Horst Evers mehr als fünfzig Nationen dieser Welt und nimmt charakteristische Eigenheiten genauso aufs Korn wie althergebrachte Klischees. Die lustigste Völkerkunde, seit Gott den Ball geschaffen hat.

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Seitenzahl: 217

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Horst Evers

Vom Mentalen her quasi Weltmeister

Rowohlt E-Book

Inhaltsübersicht

Für Alvaro, Marc, ...GRUSSWORTENGLAND: DIE HABEN’S ERFUNDENBRASILIEN: DER GASTGEBERAMERIKAARGENTINIENCHILECOSTA RICAECUADORHONDURASKOLUMBIENMEXIKOURUGUAYUSAEUROPASPANIENITALIENGRIECHENLANDHOLLANDPORTUGALKROATIENBELGIENBOSNIEN UND HERZEGOWINAFRANKREICHSCHWEIZRUSSLANDAFRIKAALGERIENKAMERUNGHANAELFENBEINKÜSTENIGERIAASIEN UND OZEANIENAUSTRALIENIRANSÜDKOREAJAPANDIESMAL LEIDER NICHT DABEIDÄNEMARKSCHWEDENÖSTERREICHTÜRKEIPOLENIRLANDCHINAÄGYPTENPERUNORDKOREANEUSEELANDTSCHECHIENSLOWAKEISLOWENIENMAROKKOFINNLANDBALTIKUMSÜDAFRIKAKATARAUCH NICHT QUALIFIZIERT: HORST EVERSVERLÄNGERUNGFUSSBALL IM WANDEL DER ZEITENKAMPF DER SYSTEMEEIN SPIEL FÜR EXPERTENFAST VERGESSEN: DEUTSCHLANDBildnachweis
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Für Alvaro, Marc, Rodrigo, Pedro, Katja, Gianluca, Micha, Jürgen, Axel, John, Miro, Elena, Slavko, Simone, Marie-Christin, Gabi, Bernd, Anthony, Yussuf, Nadine, Kim-Ha Eun, Agnetha, Klaus, Piotr, Sandy, Franticek und Gerd

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GRUSSWORT

Eine Fußballweltmeisterschaft ist keine UN-Vollversammlung (Wer wüsste das besser als die Österreicher?)

Liebe Leserinnen und Leser,

 

eine Fußballweltmeisterschaft ist die Zeit, in der auch Menschen, die sich sonst gar nicht dafür interessieren, plötzlich Fußballspiele gucken. Und es ist die Zeit, in der die, die Fußball sowieso mögen, sogar Spiele von Mannschaften anschauen, die sie sonst nicht interessieren. Das Ganze macht noch viel mehr Spaß, wenn man informiert ist über die Nationen, die gegeneinander antreten. Was macht diese Völker aus? Wie leben die Menschen dort? Was für eine Mentalität haben die so? Welche Geschichte? Welche Eigenheiten? Was essen die zum Beispiel gerne? Und warum? Im Regelfall hat man ja nicht die Zeit, all dies in Erfahrung zu bringen. Daher habe ich hier für jedes Teilnehmerland mal das Wichtigste aufgeschrieben. Insbesondere auch das, was man eben nicht in der Vorberichterstattung erfährt. Alles natürlich streng subjektiv.

Da ich als vermutlich einziger Mensch auf der ganzen Welt das große Glück habe, alle Völker, Nationen und Mannschaften wirklich exakt gleich sympathisch zu finden, kann ich also auch ganz gerecht und ausgewogen von all ihren Stärken, Schwächen, Eigenheiten und Gebräuchen berichten und brauche dabei keinerlei Rücksicht auf irgendwelche Befindlichkeiten zu nehmen, wie es wahrscheinlich ein offizieller Repräsentant der UN tun müsste. Somit kann ich direkt und ohne Umschweife das Wesentliche zu jedem Volk schreiben. Das spart Zeit und erhöht erheblich den Unterhaltungsfaktor.

Womöglich wird manch einer nach der Lektüre dieses Buches zu dem Schluss kommen, dass er sogar sehr viel mehr erfahren hat, als für die Fußballweltmeisterschaft eigentlich nötig gewesen wäre. Zumal ich ja noch eine ganze Reihe von Ländern vorstelle, die dieses Mal bei der Weltmeisterschaft nicht dabei sein dürfen, obwohl sie doch auch ziemlich gut Fußball spielen (Tschechien), als Land einfach sehr wichtig sind (Türkei), extrem viel Geschichte haben (Ägypten, China) oder einfach nur liebenswert sind (Österreich). Hierzu möchte ich anmerken: Das Leben hört ja nach so einer Weltmeisterschaft nicht auf. Solch einschlägige Kenntnisse braucht man auch sonst immer mal wieder. Oft geht es in alltäglichen Gesprächen um ferne Länder oder andere Völker, und da ist es schon nicht schlecht, wenn man dazu kurz und prägnant was sagen kann.

Für all jene, die auch in Sachen Fußball noch die eine oder andere Information benötigen, habe ich am Ende drei Servicetexte angefügt. Der erste skizziert die Geschichte des Spiels von den Anfängen in China über die Entwicklung des modernen Fußballs in England und endet mit einem Ausblick, was nach Torlinientechnologie und Chip-im-Ball wohl noch so kommen könnte. Es folgt eine kurze Taktikschule, in der die wichtigsten Spielsysteme und Fachbegriffe wie «Falscher Neuner» oder «Gestreifter Vierer» erklärt werden. Und schließlich ein Text, in dem ich die Analysen der Experten analysiere.

In «Auch nicht qualifiziert» berichte ich noch von meiner eigenen Zeit als aktiver Fußballer. Doch genug von mir. Schauen wir lieber mal, was das eigentlich für Länder sind, die an dieser Weltmeisterschaft teilnehmen.

 

Viel Gutes wünscht Ihnen

Horst Evers

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ENGLAND: DIE HABEN’S ERFUNDEN

ALLGEMEINES

Der Engländer ist berühmt für seinen Kampfgeist. Weil er den ganzen Tag ununterbrochen kämpft beziehungsweise fightet, muss er natürlich auch viel transpirieren. Hierdurch entsteht der berühmte ganzjährige Londoner Nebel.

Der Großteil der männlichen Engländer sieht im Prinzip aus wie Wayne Rooney. Leider. Außer James Bond, der sieht aber auch nur so aus, wie er aussieht, weil er ausgedacht ist und alle paar Jahre der Schauspieler wechselt. Die englischen Frauen sehen im Schnitt natürlich sehr viel besser aus, wobei auch das umstritten ist. Wenn Engländer oder Engländerinnen in südlichen Ländern am Strand sind, haben sie furchtbaren Sonnenbrand. Weil Engländer immer alles toasten, auch sich selbst.

TAGESABLAUF

Der englische Mann steht jeden Morgen ganz früh auf, fünf Uhr oder so, weil um sechs muss der Nebel fertig sein. Später steht dann auch seine Frau auf und macht ihm erst mal ein leckeres pappiges Toastbrot mit bitterer Orangenmarmelade. Er bedankt sich dafür mit einem herzlichen «The toast tastes delicious, darling!», denn er ist ein extrem höflicher Mensch und würde niemals zugeben, dass er diese widerliche bittere Orangenmarmelade längst nicht mehr sehen kann. Dann kleidet er sich in feinstes englisches Tuch, nimmt seine Melone und den Regenschirm, geht aus dem Haus, was sein Castle is, und bildet eine Schlange an der Bushaltestelle, wo er auf einen roten Doppeldeckerbus wartet, der stets auf der falschen Straßenseite kommt. Der Engländer ist dabei immer sehr gelassen, summt Beatleslieder und macht trockene Witze. Der englische Humor gilt als der beste der Welt. So, wie der Engländer kocht, braucht er diesen Humor aber auch. Seine Gelassenheit rührt ebenfalls hierher, denn er sagt sich: «Alles ist besser, als schon wieder essen zu müssen.» Der Engländer hat immer als Erster die beste Musik, die angesagteste Mode und die innovativsten Fernsehserien. Sollte es ihm aber doch einmal langweilig werden, dann steigt er einfach in Doctor Whos alte Notrufzelle und reist in die Zukunft, wo er Daleks bekämpft, oder auch in seine reiche Vergangenheit mit den ordentlich durchnummerierten Königen und Königinnen, oder es verschlägt ihn gar zu Shakespeare, der ja aus diesen Geschichten immer gleich ein Drama gemacht hat.

TRADITION UND GESCHICHTE

Alle Engländer lieben ihr Königshaus. Queen Elizabeth II. arbeitet jeden Tag am härtesten von allen Engländern, deshalb muss sie auch am heftigsten schwitzen und schafft den meisten Nebel. Darum ist sie auch Königin.

Früher mal war der Engländer die Weltmacht überhaupt, und überall in der ganzen Welt gab es Menschen, die England sehr mochten, ja verehrten. Das lag aber daran, dass überall auf der ganzen Welt Engländer waren, die sich dann eben selbst mochten. Die Engländer brachten allen Kolonien wichtige Erfindungen: den Indern den Tee, den Australiern das Strafvollzugssystem und den Amerikanern den Unabhängigkeitskrieg.

Die Deutschen mag der Engländer nicht so und nennt sie Krauts, was ungerecht ist, weil die Deutschen gar nicht den ganzen Tag Sauerkraut essen. Anders als der Engländer, der den ganzen Tag Plumpudding isst. Aber im Gegensatz zum Deutschen pauschalisiert der Engländer eben gern und macht sich nicht so viele Gedanken über differenzierte Darstellungen.

Engländer beim traditionellen täglichen Schwitzen. Sie machen das wirklich bis zum Umfallen.

Grundsätzlich gilt England als das Mutterland der modernen Demokratie. Vielleicht noch gemeinsam mit den USA. Leider haben diese beiden Staaten, wie Eltern generell, Schwierigkeiten loszulassen und installieren daher quasi weltweit bei allen jüngeren Demokratien so was wie Babyphone, um diese zu überwachen und vor Ungemach zu bewahren. Dabei sind sich eigentlich sämtliche Familienpsychologen einig, dass fortwährende Bemutterung und Kontrolle über die Pubertät hinaus letztlich alle Beteiligten ins Zwanghafte und Unfreie führt.

FUSSBALL

Engländer können leider praktisch gar keine richtigen Tore schießen. Sie schießen die Bälle immer nur an die Latte und behaupten dann, es sei ein Tor gewesen. Die Engländer glauben zwar, den Fußball erfunden zu haben, aber eigentlich nur, um ihn dann an die Latte oder den Pfosten zu donnern. Speziell im Elfmeterschießen. Das einzig relevante Elfmeterschießen, das eine englische Mannschaft je gegen ein deutsches Team gewinnen konnte, war das sogenannte «Finale dahoam» zwischen Bayern München und Chelsea London. Man könnte von daher folgende Regel aufstellen: Engländer gewinnen Elfmeterschießen nur, wenn bei ihnen ein Tscheche im Tor steht, einer von der Elfenbeinküste die Elfmeter schießt und ein Russe alles bezahlt. Außerdem ist es natürlich hilfreich, wenn es noch einen Holländer gibt, der für die gegnerische Mannschaft die Elfmeter schießt.

Jaja, so ist das mit dem Engländer.

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BRASILIEN: DER GASTGEBER

ALLGEMEINES

Vielleicht ist Brasilien das in Deutschland beliebteste Land überhaupt, womöglich auch weltweit. Vor allem während Fußballweltmeisterschaften hat Brasilien Freunde allüberall. Viele Deutsche versuchen sogar während des Turniers, zu Brasilianern zu werden. Nicht nur die Fußballer, auch die Fans. Der einfachste Weg, ein gefühlt waschechter Brasilianer zu werden, ist, viel Caipirinha zu trinken. Spätestens nach dem dritten Caipirinha in praller Sonne spricht man zumindest schon mal so wie Ailton:

«Ailton nicht dick, Ailton schießt Tor, wenn Ailton Tor, dann dick egal.»

Ein Satz, der so quasi auch für mich gilt. Wer Weisheit suchte, konnte bei Ailton Honig saugen ohne Ende:

«Ailton gut, guter Tag, Ailton nicht gut, morgen neuer Tag.»

Daran sieht man auch: Wirklich große Philosophie braucht keine Verben.

Ein anderer, allerdings sehr viel mühsamerer Weg, Brasilianer zu werden, ist das Feiern, Trommeln und Tanzen. Also speziell das Tanzen kann einen echt fertigmachen. Samba, Bossa Nova und Lambada sind die bekanntesten brasilianischen Tänze. Vor allem der Lambada ist tückisch, weil er im Wesentlichen aus diesem extremen Hüftkreisen besteht. Das sind dann doch Bewegungen, die vielen Deutschen, insbesondere mir, von Natur aus eigentlich fremd sind, was man mir leider auch ohne große Sachkenntnis problemlos ansieht, wenn ich denn mal Lambada tanze. Dennoch lasse ich meine Hüften mit einer Entschlossenheit und Konsequenz kreisen, dass ich selbst manchmal Angst bekomme. Da dies viele Deutsche ähnlich handhaben, ja sogar bereit sind, noch weiter zu gehen in ihrem vor Lebensfreude überschäumenden Hüftkreisen, dürften die eigentlichen Gewinner dieser brasilianischen Weltmeisterschaft letzten Endes die Orthopäden und Hersteller von Hüftimplantaten hierzulande sein.

DER GASTGEBER

Seit Brasilien den Zuschlag als WM-Gastgeber bekommen hat, gibt es immer wieder Schlagzeilen in Europa, die würden das nicht hinkriegen. Alles sei eine einzige Katastrophe. Die Stadien, die Infrastruktur, nichts werde pünktlich fertig. Völlige Fehlplanung und Missmanagement da. Die Brasilianer könnten so was eben nicht, verglichen mit dem Organisationsweltmeister Deutschland.

In einer kostspieligen Simulation haben wir den Baufortschritt eines durchschnittlichen brasilianischen WM-Stadions errechnen lassen, wenn es von den Planern des Flughafens Berlin-Brandenburg errichtet worden wäre. Dies wäre der voraussichtliche Fertigstellungsstand zur zweiten WM-Woche.

Hierzu sei kurz angemerkt, dass Brasilien seine Hauptstadt Brasília in nur gut drei Jahren, von 1956 bis 1959, aus dem Nichts in den Urwald gebaut hat. Eine komplette 2,6-Millionen-Stadt, größer also als Hamburg, das nun seit sieben Jahren damit beschäftigt ist, eine Philharmonie an die Elbe zu bauen. Drei Jahre braucht Berlin allein, um nach der geplatzten Eröffnung des Flughafens die Mängel zu zählen und einen neuen voraussichtlichen Eröffnungstermin bekanntzugeben. Und wie lange Stuttgart an seinem Bahnhof bauen wird, ist zurzeit noch geheimer als die Füllung hausgemachter schwäbischer Maultaschen.

Selbstverständlich gibt es aber auch echte, ernstzunehmende Probleme in Brasilien. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft so weit auseinander wie in fast keinem anderen Land der Welt. Proteste und Demonstrationen vor und während der Weltmeisterschaft werden daher kaum ausbleiben, und das ist auch verständlich. Die Kriminalitätsrate nimmt zu, Korruption greift immer weiter um sich, überhaupt ist eine erstaunliche Skrupellosigkeit zu beobachten. Aber es gibt auch Hoffnung. In dem Moment, in dem die Führungsebene der Fifa das Land nach der Weltmeisterschaft wieder verlässt, werden sich zumindest schon mal Skrupellosigkeit und Korruption in Brasilien auf einen Schlag um die Hälfte reduzieren.

Mit Blick auf die beiden nächsten WM-Gastgeber, Russland und Katar, sei noch kurz angemerkt, dass Brasilien homosexuelle Aktivitäten bereits im Jahr 1823 entkriminalisiert hat. Als eines der ersten Länder weltweit.

WIRTSCHAFT

Die wichtigste Industrie in Brasilien neben dem Kaffee ist ohne Frage das Wetter. Mit seinem Regenwald macht der Brasilianer quasi das Wetter für die ganze Welt. Leider ist dieser Regenwald und damit auch das Wetter aber ständig gefährdet.

Eine Werbeaktion in Deutschland führte dazu, dass viele Menschen, gerade auch in meinem Bekanntenkreis, außerordentlich viel Bier getrunken haben. Nicht aber, wie sonst der guten, jahrhundertealten Tradition folgend, aus Durst oder schierer, schöner Unvernunft. Nein, sie tranken, weil die Brauerei versprochen hatte, dann für den Erhalt von mehr Regenwald zu sorgen und somit für besseres Wetter. Was meine Bekannten letztlich zu der steilen These verführte: «Wir trinken gegen die Klimakatastrophe an.» Eine doch zweifelhafte Behauptung, da heftiger Bierkonsum ja den Bierbauch wölbt und ein erheblicher Bierbauch in der alltäglichen Pflege auch nicht gerade klimaneutral ist.

DER BRASILIANER AN SICH

Eine gute Freundin lebt seit vielen Jahren mit einem Brasilianer zusammen. Der ist extrem korrekt, geradezu fanatisch pünktlich, einigermaßen unmusikalisch, und Fußball spielen kann er überhaupt nicht. Daran erkennt man: Der Brasilianer ist auch nicht mehr das, was er mal war. Oder: Der Brasilianer an sich ist sehr viel facettenreicher, als man so meint. Doch das gilt ja, vielleicht mit Ausnahme des Deutschen, letztlich für praktisch alle Völker und hilft uns hier nicht weiter. Da er aber außerdem ein sehr freundlicher Mensch ist, hat mir der brasilianische Mann meiner Freundin bereitwillig Auskunft darüber gegeben, wie der Brasilianer so in Wirklichkeit ist:

Der durchschnittliche Brasilianer schläft tendenziell gerne etwas länger. Dabei ist es ihm eigentlich ganz egal, um welche Uhrzeit er aufstehen muss. Hauptsache, er kann dann noch etwas länger schlafen. Nach dem Aufstehen schaut er schnell auf den Kalender, ob nicht gerade Neujahr ist, weil dann müsste er nach São Paulo laufen. Anschließend macht er sich einen schönen Topf Feijoada, also Reis mit schwarzen Bohnen und irgendeinem Fleisch drin. Sobald er satt ist, fährt er mit Barry Manilow zur Copacabana oder einen Strand weiter, um dem «Girl from Ipanema» nachzuschauen, das wunderschön ist, aber auch stolz. Es schaut nie zu ihm, sondern nur geradeaus. Zur Abkühlung setzt sich der Brasilianer dann in sein Boot und paddelt den Amazonas rauf, bis zu den letzten unentdeckten Völkern, die er aber auch nicht unnötig entdecken will, weshalb er, während er so paddelt, unentwegt von 10 auf 1 runterzählt und «Ich komme!» ruft, damit die letzten unentdeckten Völker sich vor ihm verstecken können. Eventuell schießen sie aber doch ein paar Giftpfeile auf ihn, nicht, um ihn zu verletzen, sondern weil dieses Gift womöglich der langgesuchte Wirkstoff ist, der vermeintlich unheilbare Krankheiten heilt oder zumindest ein endlich mal funktionierendes Mittel gegen Schnupfen oder Haarausfall ermöglicht. Wobei ich persönlich in puncto Haarausfall längst sagen würde: «Jetzt ist es auch egal.» In meiner Pubertät, da hättet ihr am Amazonas oder Orinoco mal bitte ein bisschen ernsthafter nach so einem Mittel suchen dürfen, das hätte mir vielleicht einiges erspart. Aber heute ist meine Frisur schon so lange selbstregulierend, dass plötzlicher Haarwuchs mich nur noch stressen würde.

Der Brasilianer hat immer gute Laune und lacht viel. Wenn er doch mal traurig ist, schaut er fünf bis sechs Telenovelas, die bei ihm rund um die Uhr im Fernsehen laufen und zuverlässig zeigen, dass selbst auf der größten und schönsten Hazienda auch nicht alle Tage Sonntag ist. Am Abend nascht er dann ein bisschen vom Zuckerhut, bevor er in der Happy Hour Cocktails zum halben Preis schlürft, seine Sambatrommeln schlägt und vom Karneval träumt, bei dem er sich endlich wieder in sein textilarmes Kostüm mit den zwanzigtausend Pailletten und dem großen Kopfschmuck stürzen und zwei Wochen durchtanzen kann, ohne müde zu werden. Dann allerdings schläft er natürlich auch gern wieder mal ein bisschen länger.

FUSSBALL

Es heißt, Brasilianer würden schon mit dem Ball am Fuß geboren, was das Leben für die brasilianischen Mütter, zumindest bei der Geburt, auch nicht gerade einfacher macht.

Die Brasilianer erwarten von ihrer Seleçao («Auswahl») allerbesten amtlichen Zauberfußball und natürlich immer den Weltmeistertitel. Selbst wenn es nur die Südamerikameisterschaft ist, wollen die brasilianischen Fans nichts weniger als den Weltmeistertitel. Jetzt, wo die WM in Brasilien stattfindet, erwartet man wahrscheinlich sogar zwei oder drei Weltmeistertitel für die Seleçao. Nun, in der Vorrunde wartet der Angstgegner Mexiko, im Achtelfinale wohl Spanien oder Holland und im Viertelfinale womöglich Italien oder Uruguay, das den Brasilianern bei der ersten WM in Brasilien, 1950, ein Trauma bescherte, das sie bis heute plagt. Was immer auch passiert, eines ist sicher: Die brasilianischen Spieler werden sehr, sehr gute Nerven brauchen.

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AMERIKA

ARGENTINIEN

ALLGEMEINES

Der durchschnittliche Argentinier lebt auf einer Hazienda mitten in der Pampa. Die Pampa in Argentinien ist im Prinzip so etwas wie hier die Lüneburger Heide. Nur halt ohne Heidschnucken und ohne Lüneburg. Na ja, und ohne Heide eigentlich auch.

Oder besserer Vergleich: Die Pampa ist so etwas wie ein Einkaufszentrum auf der grünen Wiese am Sonntagvormittag. Nur ohne Einkaufszentrum. Und so richtig grün in dem Sinne wäre diese grüne Wiese dann eigentlich auch nicht. Oder anderer Vergleich: Die Pampa ist so etwas wie Wolfsburg, nur ohne VW und ohne Stadt. Mühelos könnte man noch viele andere Vergleiche finden, würde dadurch aber wohl über kurz oder lang in so eine Art geistige Pampa geraten.

TAGESABLAUF

Jeden Morgen steht der Argentinier erstaunlich zeitig auf, isst zum Frühstück ein riesiges Steak mit Kräuterbutter und Salat vom Buffet, der umsonst ist, wenn man ein Steak von mindestens zweihundertfünfzig Gramm nimmt, und macht sich dann an seine Arbeit als Gaucho. Ein Gaucho ist so etwas wie ein Cowboy, nur ohne Indianer. Dazu summt er natürlich ununterbrochen «Don’t Cry for Me Argentina». Nach der Arbeit nimmt er ein schnelles Bad im Rio de la Plata, um frisch für den Abend zu sein, an dem wieder schön gegrillt wird, so Asado oder so, und Tango getanzt, yoho, oho, bis allen tun von Zeh zu Zeh die Füße weh, oh jé, olé!

Nach feuriger Nacht schließlich genießt der Argentinier zufrieden die Morgendämmerung, das unvergleichliche Licht auf Feuerland, und schaut bis zum Horizont, wo die arktischen Pinguine steppen oder lustige Bauchklatscher machen.

NATURELL

Eine mir gut bekannte Argentinierin beschwerte sich stets, dass die Deutschen einfach keinen Tango tanzen können. Diese chauvinistische Aussage revidierte sie dann allerdings, nachdem sie auch mal mit anderen Deutschen Tango getanzt hat, nicht nur mit mir. Tango, erklärte sie mir später, sei nicht nur ein Tanz, sondern vor allem pure Leidenschaft. Ein Kampf zwischen Mann und Frau um Dominanz, mit Blicken und Gesten. Demzufolge ist der abendliche Konflikt um die Fernbedienung wohl so etwas wie die deutsche Spielart des Tangos.

Argentinier sind extrem stolz. In den offiziellen Reiseempfehlungen für Touristen steht, man solle Argentinier auch heute, über dreißig Jahre nach dem Falklandkrieg, lieber nicht auf die Falklandinseln ansprechen, auch nicht auf Großbritannien. Die Namen der wirtschaftlich erfolgreicheren Nachbarländer Brasilien und Chile hört man in Argentinien ebenfalls nicht gern. Es sei denn, die argentinische Nationalmannschaft hat gerade gegen eines dieser beiden Länder gewonnen. Sollte die argentinische Nationalmannschaft gegen irgendeine Nation verloren haben, erwähnt man den Namen dieser Nation besser für rund achtzehn Monate nicht mehr. Noch besser allerdings wäre es, zu bestreiten, dass das Spiel überhaupt je stattgefunden hat.

WIRTSCHAFT UND GESELLSCHAFT

Früher hatte der Argentinier auch eine schöne Menge Regenwald. Den hat er allerdings zu großen Teilen abgeholzt, damit seine Steaks Platz zum Grasen haben. Heute bezieht er seine klimatischen Bedingungen daher auch vom Brasilianer, der mit seinem Regenwald ja der weltgrößte Exporteur für Klima und Wetter überhaupt ist (siehe «Brasilien»). Die Frage, ob ein Staat bankrottgehen kann, hat Argentinien 2001 recht eindrücklich mit «Ja» beantwortet. Wirtschaftlich geht es Argentinien also so, wie es einem eben in einer Insolvenzverwaltung geht. Genauer kann das wahrscheinlich Herr Zwegat erklären.

Viele Deutsche sagen, sie würden sich in Argentinien vermutlich unwohl fühlen, weil dort nach dem Zweiten Weltkrieg so viele Altnazis aufgenommen wurden und unbehelligt leben durften. Diese Deutschen kann ich beruhigen. Hier in Deutschland durften nach dem Zweiten Weltkrieg sehr viel mehr Altnazis unbehelligt leben als in Argentinien.

BERÜHMTE ARGENTINIER UND FUSSBALL

Der berühmteste Argentinier aller Zeiten ist natürlich Diego Armando Maradona. Maradonas Trick war es früher, alle immer denken zu lassen: «Ach, der ist viel zu klein und zu dick, der kann ja gar nicht richtig schnell laufen.» Und während noch alle dachten: «Guck mal, wie klein und dick der ist», hatte er schon, schwupp-schwupp-schwupp, den Ball ins Tor geschossen oder getanzt oder gezaubert, zum Beispiel mit der Hand Gottes. Mittlerweile ist der Papst ein Argentinier, wodurch nun also quasi die rechte und die linke Hand Gottes aus Argentinien kommen.

Diego Armando Maradona bei der Vorbereitung auf die WM1986.

Der Fuß Gottes gehört aber wohl eher Lionel Messi. Pep Guardiola, sein ehemaliger Trainer, soll einmal gesagt haben, sein größtes Ziel sei es gewesen, Messi dazu zu bringen, einmal ein Buch zu lesen. Ob es ihm gelungen ist, weiß ich nicht. Jedenfalls habe ich daraufhin mit einigen Freunden überlegt, welches Buch hierfür am geeignetsten wäre. Nach langen Diskussionen einigten wir uns schließlich auf «Ulysses» von James Joyce. Vielleicht erleichtert es gerade den Zugang, wenn man gänzlich ohne konventionelle Lesegewohnheiten in diesen Roman geworfen wird. Außerdem ist der psychologische Effekt wahrscheinlich grandios, falls man anschließend doch noch mal ein zweites Buch liest. Egal um welches Buch es sich handelt, man wird garantiert denken, extrem schnelle Fortschritte in Sachen Leseverständnis gemacht zu haben. Es sei denn, man wählt ausgerechnet «Finnegans Wake».

Alle Argentinier gehen eigentlich davon aus, dass ihre «Albiceleste» («Weiß-Himmelblauen») bei dieser Weltmeisterschaft den Titel holen. Falls doch nicht, wird man wohl davon ausgehen, dass das Turnier quasi in dem Sinne nie stattgefunden hat.

CHILE

ALLGEMEINES

Chile ist ein extrem langes und gleichzeitig sehr schmales Land am linken Rand Südamerikas. Es ist fast so lang wie China und genauso schmal wie Lettland. Und wenn man die Anfänge dieser Ländernamen zusammennimmt, also Chi-na und Le-ttland, dann erhält man ja auch Chile, was außer mir, glaube ich, noch nie jemandem aufgefallen ist. Tatsächlich wurde der Ländername aber wohl von «chilli» abgeleitet, einem Wort der Aymara, das so viel bedeutet wie «Das Ende der Welt».

Wie das gemeint ist, lässt sich wohl am ehesten ermessen, wenn man in Chile mit öffentlichen Bussen unterwegs ist. Ein Freund, der dort auf Reisen war, erzählte mir, es gebe in Chile zwar erstaunlich viele Busse, aber leider keine Fahrpläne oder feste Routen. Vielmehr stellt man sich dort einfach an eine Bushaltestelle und wartet, bis irgendwann ein Bus irgendwo hinfährt. Es empfiehlt sich daher dringend, bei Reisen mit öffentlichen Bussen in Chile das Ziel erst am Ende der Reise zu wählen. Sonst gibt es nur unnötige Enttäuschungen und Streit. Es bedarf also eines gewissen philosophischen Langmuts, um glücklich mit Bussen durch Chile zu reisen. Gut, da es dort ja im Großen und Ganzen ohnehin nur zwei Richtungen gibt, wäre dies alles, laut meinem Freund, nicht einmal so problematisch – doch zudem hätten leider die Fahrer noch mal ganz eigene, alles in allem eher willkürliche Vorstellungen davon, wann sie an einer Bushaltestelle halten und wann nicht. Daher hat Chile jetzt, meines Wissens als einziges Land der Welt, ein Gesetz verabschiedet, das die Fahrer öffentlicher Busse unter Androhung empfindlicher Strafen dazu verpflichtet, an bestimmten Haltestellen immer zu halten und den einsteigenden Fahrgästen seriös Auskunft zu erteilen, in welche Richtung sie höchstwahrscheinlich weiterfahren.

TOPOGRAPHIE UND WIRTSCHAFT

Chile besteht praktisch nur aus Küste und Bergen, weshalb sich die berühmte Frage «Fahren wir in den Ferien jetzt ans Meer oder in die Berge?» in Chile so eigentlich nicht stellt. Man kann dort gar nicht in die Berge fahren, ohne nicht auch gleichzeitig Meerblick zu haben. Es sei denn, man dreht sich während des gesamten Urlaubs nicht ein einziges Mal um. Aber wer will das denn? Wenn man schon mal Urlaub hat, möchte man sich ja doch auch gern mal umdrehen.

Und der Chilene kann sich guten Gewissens umdrehen, er hat nichts zu verbergen. Chile ist das Land mit der geringsten Korruptionsrate in Mittel- und Südamerika. Wahrscheinlich eben, weil das Land viel zu schmal ist, um irgendwelche Hinterzimmer zu bauen.

GESCHICHTE UND KULTUR

Die Hinterzimmer des Chilenen befinden sich dann doch eher in anderen Ländern. Als 1970 nach einer demokratischen Wahl der Sozialist Salvador Allende chilenischer Präsident wurde, sagte Henry Kissinger den legendären Satz: «Ich sehe nicht ein, weshalb wir zulassen sollen, dass ein Land marxistisch wird, nur weil die Bevölkerung unzurechnungsfähig ist.» Daraufhin wurde ein Militärputsch initiiert, der das Land in die fünfzehnjährige Dunkelheit der Pinochet-Diktatur stieß, mit Folter, Mord und nicht zu zählenden Menschenrechtsverletzungen. Mittlerweile jedoch ist Chile zur Demokratie zurückgekehrt.

Der wichtigste Exportartikel des Chilenen war zu jeder Zeit die Literatur. Viele Autoren von Weltrang kommen aus Chile: Pablo Neruda, Isabel Allende oder Roberto Bolaño, um nur die drei berühmtesten zu nennen.

Der Maler Egon Schiele hat nichts mit Chile zu tun. Die Auswahl eines der zahlreichen Bilder verwelkender Blumen des sympathischen Depressionisten an dieser Stelle ist genau genommen ein Missverständnis.

SONSTIGES

Und dann gibt es ganz unten bei Chile natürlich noch das Kap Hoorn. Einen mir bekannten Segler, der tatsächlich mal ums Kap Hoorn herumgesegelt ist, habe ich vor langer Zeit gefragt, wie das denn so sei, also so ums Kap Hoorn herumzusegeln. Er schaute mich mit großen, schreckgeweiteten Augen an und sagte: «Jeder …» – Pause – «Jeder …» – Pause – «Jeder, der schon mal ums Kap Hoorn herumgesegelt ist, der …» – Pause – «der …» – Pause – «ja, der weiß, was es bedeutet, mal ums Kap Hoorn herumzusegeln.»

Nun gut, seitdem hab ich aufgehört, Seglern überhaupt noch irgendwelche Fragen zu stellen.

FUSSBALL

Den fußballerisch wirklich größten Erfolg der chilenischen Nationalmannschaft hat es bislang leider nicht gegeben. Oft waren sie aber dicht dran. Der Chilene gilt als spielstark und rustikal zugleich. So schmal, wie sein Land ist, versteht er es natürlich, sich auf engstem Raum zu behaupten. Er ist mit Spanien, Holland und Australien in einer Gruppe, und er wäre sicher gut beraten, wenn er den Achtelfinalbus frühzeitig gesetzlich verpflichten würde, bei sich zu halten.

COSTA RICA

ALLGEMEINES

Geologisch gesehen, ist Costa Rica so etwas wie das Nesthäkchen unter den WM