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„Vom Nadelstich zur Dienstmarke“ beschreibt den Weg einer jungen Frau, die in einem drogenbelasteten Elternhaus aufwächst und sich durch Gewalt und Missbrauch kämpft. Sie findet ihren eigenen Weg aus diesem toxischen Umfeld, schafft es, ihren inneren Frieden zu finden und verwirklicht schließlich ihren Traum einer Karriere bei der Kriminalpolizei. Dieses Buch ist eine mutige und tiefgründige Reise von der Dunkelheit ins Licht, von der Ohnmacht zur Selbstbestimmung. Es geht darum, die Vergangenheit zu heilen, sich von alten Mustern zu befreien und das Leben selbst in die Hand zu nehmen. Ein Buch für all diejenigen, die an sich selbst glauben und aus jeder noch so schwierigen Situation ihren eigenen Weg finden möchten.
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Seitenzahl: 169
Veröffentlichungsjahr: 2025
Franziska Marie Schalk
Vom Nadelstich zur Dienstmarke
Mein Weg vom drogenbelasteten Elternhaus ins Rauschgiftdezernat
© 2025 Franziska Marie Schalk
Website: www.franziskamarieschalk.com
Lektorat von: Sandra Weiße
Covergrafik von: Franziska Marie Schalk
Druck und Distribution im Auftrag der Autorin: tredition GmbH, Heinz-Beusen-Stieg 5, 22926 Ahrensburg, Deutschland
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne ihre Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: Franziska Marie Schalk, Glücksburger Straße 81, 28219 Bremen, Germany. Kontaktadresse nach EU- Produktsicherheitsverordnung: [email protected]
Für alle, die gerade ihren eigenen Weg suchen – und für die, die an meiner Seite waren, als ich meinen gefunden habe.
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Widmung
Vorwort
Prolog
Drück mich
Die Feder des Lebens
Der Weg zur Dienstmarke
Der Verrat
Heroin
Das unsichtbare Band der Liebe
Der Fels in der Brandung
Sei dein eigener Anker
Toxische Beziehungen
Der Narzisst in meinem Bett
Des Glückes Schmied
David gegen Goliath
Was denken die anderen
Die Geheimnisse Lüften
Die Konfrontation
Berlin
Epilog
Über die Autorin
Literatur
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Vorwort
Manchmal schlägt das Leben Wege ein, die man sich nicht aussuchen kann. Ich bin in einer Welt aufgewachsen, die von Dunkelheit und Schmerz dominiert wurde – einer Welt, die kein Kind erleben sollte. Ich bin in einem Zuhause groß geworden, das von der Heroinsucht meiner Eltern geprägt war. Die Spritzen auf dem Tisch waren für mich so normal wie für andere Kinder ihr Spielzeug. Während andere Kinder mit ihren Eltern auf den Spielplatz gingen, fuhr ich mit meiner Mama zu den Dealern und wartete in unserem weißen Ford hinten auf dem Rücksitz, bis sie ihr „Zeug“ hatte.
Cornflakes mit Wasser zum Frühstück, weil es keine Milch mehr gab, waren für mich normal. Junkies, die mitten in der Nacht durch mein Kinderzimmer stürzten, weil sie über den Balkon abhauen wollten – normal. Geschrei, eskalierende Diskussionen, Handgreiflichkeiten, Beleidigungen – normal.
Wenn Eltern einem Kind „krankhaft“ als „normal“ vorleben, ist das aber weder normal noch verantwortungsbewusst. Als Erwachsener muss man sich dann sein eigenes „Normal“ erarbeiten. Das ist anstrengend und kann dazu führen, dass man selbst Süchte entwickelt oder sich einen süchtigen Partner sucht. Es braucht einen starken Charakter und Willenskraft, diese Vorbilder nicht nachzuahmen und einen anderen Weg einzuschlagen. Wie ich es geschafft habe, einen anderen Weg einzuschlagen, den Weg vom Nadelstich zur Dienstmarke, erfährst du in diesem Buch.
Denn auch wenn diese Erlebnisse Narben auf meiner Seele hinterlassen haben, die ich nicht verdient hatte, haben sie mich unglaublich resilient werden lassen. Ich könnte vermutlich allein in Sibirien ausgesetzt werden und würde klarkommen. Denn, so hart mein Schicksal manchmal war, so stark hat es mich gleichzeitig gemacht. Es hat mich zu der Person werden lassen, die ich heute bin. Eine Frau, die dem Leben mutig mit offenem Herzen entgegenstrotzt und es mit all seiner Schönheit und seinen Herausforderungen annimmt, und zwar so, wie es kommt. Eine Frau, die mitten im Sturm noch den Sinn und das Geschenk darin sieht. Eine Frau, die sich wie eine Löwin vor andere stellt, wenn sie Ungerechtigkeiten mitbekommt. Eine Frau, die auch lieber mal gegen den Strom schwimmt, ihre Wahrheit spricht und damit sich selbst treu ist, auch wenn es bedeutet, nicht immer allen zu gefallen. Eine Frau, die ehrlich zu sich selbst ist, auch wenn es manchmal unbequem ist. Eine Frau, die für sich, ihr Recht und ihr Glück einsteht und kämpft. Eine Frau, die niemals aufgibt und sich nicht entmutigen lässt, sei der Gegenwind noch so stark. Eine Frau, die im Regen tanzt und trotz der Narben auf der Seele dankbar für das Geschenk namens Leben ist. Eine Frau, die im dunkelsten Tunnel noch das Licht am Ende sieht und unermüdlich der Hoffnung nacheifert. Eine Frau, die das Herz auf der Zunge trägt, die Liebe in jedem Detail der Schöpfung sieht und der Demut, Gnade und Vergebung keine Fremdwörter sind.
Eine Frau, die ihren Weg als Kriminalpolizistin bis ins Rauschgiftdezernat des LKA Berlin gewagt hat, obwohl der Rauschgiftspürhund damals durch ihr eigenes Kinderzimmer hetzte. Ich schaffte es vom Nadelstich zur Dienstmarke.
Mein Weg von den dunklen Schatten meiner Kindheit hin zu meiner Dienstmarke war alles andere als leicht. Aber ich habe das Schicksal überlistet und diese Story neu bestimmt. Und genau das möchte ich dir in diesem Buch mitgeben: Du kannst alles schaffen und erreichen, was du dir vornimmst – egal wo du herkommst und unabhängig davon, welche Karten das Schicksal an dich verteilt hat. In diesem Buch erzähle ich dir meine Geschichte, nicht um Mitleid zu erregen, sondern um dir zu zeigen, dass selbst aus den tiefsten Abgründen ein Weg nach oben führt. Vielleicht erkennst du dich in einigen meiner Erlebnisse wieder. Vielleicht hast auch du Zeiten durchgemacht, in denen alles hoffnungslos schien, in denen du dich verloren gefühlt hast und dachtest, dass es keinen Ausweg gibt. Zeiten, in denen du dachtest, das Leben hat es auf dich abgesehen und die ganze Welt hat sich gegen dich verschworen. Aber dem ist nicht so. Und genau für diese Momente ist dieses Buch geschrieben. Ich möchte dir zeigen, dass kein Schmerz für die Ewigkeit ist, kein Abgrund zu tief, um nicht wieder herauszukommen. Ich will dir zeigen, dass es immer einen Weg gibt, egal wie verdammt erdrückend sich die Umstände anfühlen mögen und wie aussichtslos alles erscheinen mag. Das Leben ist unberechenbar. Aber ich sage dir, du bist stark und es steckt so viel mehr in dir, als du ahnst. Du trägst so eine unfassbare Stärke und Schönheit in dir, einfach nur, weil du existierst und nichts und niemand kann dir dein Leuchten und deine Strahlkraft nehmen. Du musst es nur in dir selbst entdecken. Es ist dieses Feuer tief in jedem von uns, diese Willenskraft, der Hunger nach Leben. Dieses Feuer ist es, was mich alles überstehen lassen hat. Der Glaube daran, dass nichts umsonst geschieht und dass das Leben jeden belohnt, und niemanden vergisst, der aus vollem Herzen an sich glaubt.
Mein Weg „vom Nadelstich zur Dienstmarke“ ist ein Beispiel dafür, dass es möglich ist, selbst aus den schlimmsten Umständen etwas Gutes hervorzubringen. Und darum ist dieses Buch für alle mutigen Kämpfer unserer Zeit, die sich nicht von ihrem Weg abbringen lassen, möge er noch so steinig und schwer sein.
Prolog
Das Sirenengeheul vom Krankenwagen dröhnt durch die Flure und vermischt sich mit dem Lärm der Polizisten, die ins Wohnzimmer stürmen. Das Blaulicht blitzt durch die Fenster und taucht alles in ein unheimliches, flackerndes Licht. Ich bin acht Jahre alt, stehe wie versteinert im Flur und sehe zu, wie immer mehr Menschen – Notärzte, Polizisten, Sanitäter – in unser Wohnzimmer drängen. Für einen kurzen Moment ist es still, als ob die Welt für einen Augenblick den Atem anhält. Ich sehe meine Mutter auf dem Sofa liegen. Ihr Körper zuckt und krampft und Schaum tritt aus ihrem Mund. Eine Überdosis Heroin. Dieses Bild wird sich für immer in mein Gedächtnis brennen. Die anderen Junkies, die sonst bei uns sind, sind verschwunden. Wie Schatten in der Nacht haben sie sich aufgelöst. Nur ich bleibe zurück, unfähig, mich zu bewegen.
Plötzlich wird alles laut, ein ohrenbetäubendes Rauschen in meinen Ohren. Ich beginne zu schreien, ein Schrei, bestehend aus Verwirrung, Schmerz und Todespanik. Die Polizistin, die sich um mich kümmert, packt mich sanft, und versucht, mich aus meinem Schock herauszuholen. Ihre Stimme klingt beruhigend, aber ich kann sie nicht verstehen. Alles, was ich fühle, ist Angst, Hilflosigkeit und Verzweiflung. Sie schüttelt mich ein bisschen, zuerst sanft, dann fester, um mich zu beruhigen. Aber nichts hilft, ich kann nicht aufhören zu schreien. Sie nimmt mich schließlich mit in mein Kinderzimmer und schließt die Tür. In diesem Raum, der noch nie wirklich friedlich war, versucht sie mich zu trösten. Sie fragt mich viele Dinge, aber ich kann nicht antworten. Irgendwann fragt sie mich, was ich einmal werden will, wenn ich groß bin. Ich schaue auf ihre Uniform und das Polizei-Emblem. Dann zeigt sie mir ihre glänzende Dienstmarke. In diesem Moment, zwischen den Schreien und dem Chaos im Wohnzimmer, vergesse ich alles um mich herum. Ich vergesse die Heroinspritzen auf dem Tisch und zeige auf die Dienstmarke. Die Polizistin lächelt mich an und sagt mir, dass ich Menschen helfen kann, dass ich alles erreichen kann, egal woher ich komme oder was ich erlebt habe. Sie erklärt mir, dass nichts unmöglich ist, und dass ich nie vergessen darf, dass ich alles schaffen kann, wenn ich nur daran glaube. Wenn ich an mich glaube.
In diesem Moment, während ich auf ihre Dienstmarke starre, beschließe ich, Polizistin zu werden. Auch wenn ich in meinem kindlichen Geist nicht wusste, wie wichtig dieser Moment für mich sein wird, spürte ich eine plötzliche Ruhe und Zuversicht und auch das heillose Durcheinander im Wohnzimmer legte sich. Meine Mutter überlebte. Sie schaffte es an diesem Tag. Im Gegensatz zu meinem Vater einige Jahre später …
Drück mich
Es gibt Dinge, die man nicht wirklich in Worte fassen kann – Dinge, die so tief sitzen, dass sie fast nicht auszuhalten sind. Einer dieser unerträglichen Punkte in meinem Leben ist die Abwesenheit meines Vaters. Ich habe ihn nicht kennengelernt und werde es leider auch nicht mehr, weil er an einer Überdosis Heroin starb, als ich 17 Jahre alt war. Den Gedanken, dass er allein in seiner Wohnung starb und es eine Weile dauerte, bis ihn jemand vermisste und man ihn fand, muss ich regelmäßig beiseiteschieben, um nicht daran zu zerbrechen.
Als Polizistin war ich schon öfter an Einsatzorten, an denen eine verstorbene Person bereits mehrere Tage unbemerkt in der Wohnung lag. Der Geruch ist brutal, wenn man in die Wohnung kommt, da der menschliche Körper sehr schnell anfängt Gase auszustoßen, die in den Augen und in der Nase regelrecht eine beißende Wirkung haben. Oft waren es Wohnungen, die darauf Rückschlüsse zuließen, dass dieser Mensch nicht nur Chaos in der Wohnung, sondern auch in seinem Leben hinterließ. Als Polizistin am Einsatzort fragst du dich eher selten, wie wohl die Lebensgeschichte eines jeden Einzelnen gewesen sei, welches Schicksal hier seinen Lauf nahm und warum es keine Angehörigen gab, die diesen Menschen bereits nach wenigen Stunden vermissten und erst der Verwesungsgeruch, der sich seinen Weg unter der Wohnungstür ins Treppenhaus suchte, die Nachbarn dazu trieb, die Polizei zu alarmieren. Du hast schlichtweg nicht die Kapazität dafür, diese emotionalen Fragen an dich heranzulassen, denn sonst bekommst du nach dem Dienst selbst kein Auge mehr zu. So war es bei mir aber nicht immer, denn oft fragte ich mich, ob es bei meinem Vater auch so war. Ob dort in seinem Wohnzimmer auch Polizeibeamte standen, die mit einem flüchtigen Blick auf ihn den Sachverhalt abarbeiteten und anschließend zum nächsten Einsatzort fuhren. Diese Rationalität ist wichtig für Polizeibeamte, damit man diesen Beruf machen kann. Sie ist gut – bis zu dem Punkt, an dem du selbst betroffen bist von einer Situation, die in Emotionen kaum auszudrücken ist. Da macht dich diese rationale Welt nur fertig.
Lange fühlte ich mich unbewusst schuldig dafür, dass mein Vater so elendig starb. Ich frage mich manchmal, ob alles anders gewesen wäre, wenn wir eine Beziehung zueinander gehabt hätten? Es ist fast schon absurd, dass ich ihn nicht kennengelernt habe, zumal er in derselben Kleinstadt wie ich gelebt hat. Wobei er mich kannte und wusste, wer ich bin, ich aber nicht wusste, wer er ist. Vermutlich fragst du dich jetzt, wie das überhaupt möglich ist und ganz ehrlich, ich versuche es bis heute zu verstehen. Die Erwachsenen um mich herum in meiner Familie hielten es für „besser“, dass ich ihn nicht kennenlernte, da er zum Zeitpunkt meiner Geburt schon stark mit Alkoholproblemen zu kämpfen hatte und wohl nicht das „vorzeigbarste“ Leben führe. Wenn ich in meinem Familienkreis nachfrage, heißt es immer nur, dass man mich schützen wollte. Treibende Kraft dabei sollen wohl meine Großeltern gewesen sein. So wie ich es erzählt bekommen habe, haben sie meinem Vater verboten Kontakt zu mir aufzunehmen.
Anfänglich war er immer nochmal bei meiner Uroma, um sich heimlich Fotos von mir zeigen zu lassen. Aber mit den Jahren der Alkohol- und Heroinsucht nahm das ab und er ließ sich nicht mehr blicken, um nach mir zu fragen. Ich habe nie einen Brief erhalten, nie einen Anruf, keinen Besuch, keine Karte. Er blieb ein nahezu komplett Unbekannter in meinem Leben.
Ich habe heute nur ein einziges Foto von ihm und ein Kuscheltier, welches er nach meiner Geburt als Geschenk für mich hatte. Ein weißer Stoffhase mit einem Herz auf dem Bauch, in dem steht: Drück mich. Ich wünschte so sehr, ich hätte meinen Vater wenigstens ein einziges Mal im Leben drücken können. Ich wünschte, ich wüsste, wie er roch, wie seine Stimme klang, wie er sich bewegte und wie seine Augen in natura aussahen. Von Erzählungen weiß ich, dass er mich zumindest einmal gedrückt hat. Am Tag meiner Geburt. Er war im Krankenhaus und hielt mich auf dem Arm. Meine Mama sagt, dass er ganz nervös und aufgeregt war, dass er kaum geredet hat und mich einfach nur anstarrte, während er mich auf dem Arm hielt. Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll, aber ich habe das Gefühl, dass ich diesen Moment der Liebe tief in mir spüre und ihn als eine fundamentale Erinnerung abgespeichert habe. Als hätte ich gewusst, dass diese Umarmung die erste und letzte sein wird. Als hätte das Schicksal festgelegt, dass es diesen Moment nur genau einmal geben wird und man ihn deshalb mit jeder Zelle seines Körpers abspeichert. Es ist, als wäre die Magie dieses Moments in meinem Herzen gespeichert. Es ist, als wäre dadurch eine unerschütterliche Liebe zum Leben entstanden. Ich kann es nicht erklären, aber da ist einfach eine tiefe Gewissheit in mir, dass mein Vater wusste, als er mich anblickte, dass ich das Beste und das Schönste bin, was er jemals in seinem Leben gesehen hat. Dieser Schmerz, diese Umarmung nur einmal gespürt zu haben, und die Gewissheit, dass ich diese nie wieder spüren werde, ist nicht zu beschreiben. Worte auf Papier können diese tiefe Sehnsucht nicht ausdrücken und den Schmerz, der tief aus mir heraus ins Universum schreit, nicht einfangen.
Wenn ich jemandem von meinem Papa erzähle, fühlt es sich oft unreal an, als würde ich das Schicksal einer anderen Person beschreiben oder eine Filmszene aus einem Drama erzählen, die neulich im TV lief. Doch dann begreife ich, dass dies kein Blockbuster ist, sondern mein Leben und ich muss feststellen, dass die Schattenseiten des fehlenden Vaters mehr als real sind.
Insbesondere in Partnerschaften durfte ich als erwachsene Frau erkennen, dass die Abwesenheit meines Vaters nicht ganz unbeteiligt an meinen toxischen Beziehungen war. Durch die Ablehnung entstanden unbewusste Minderwertigkeitsgefühle gegenüber Männern. Der Vater ist die erste und wichtigste männliche Bezugsperson. Wenn diese Beziehung gestört ist, wie sollen da gesunde Bindungen zu Männern entstehen? Mein Grundvertrauen in Männer war von Anfang an nicht vorhanden. Denn egal welche Rechtfertigungsgründe mein Vater für sein Verhalten und sein Schicksal hatte, am Ende hat er mich aufgegeben, nicht nur sich. Er hat seinen Mann nicht gestanden und nicht um mich gekämpft. Er hat sich seinem Schicksal gebeugt und sich dem Suff und den Drogen hingegeben, um seinen Schmerz zu betäuben, anstatt die Liebe zu mir stärker werden zu lassen. Auch diesen Gedanken muss ich oft beiseiteschieben, da ich mich sonst in einem Kreis aus Wut und Trauer verliere und es sinnlos ist, einem Toten gegenüber Wut und Groll zu hegen, der dazu noch unbekannt ist.
Durch die zusätzlich vertauschten Rollen zwischen meiner Mutter und mir entstand eine Co-Abhängigkeit. Ich war die Mutter für meine Mutter. Eine übermäßige Fürsorge und ein ungesundes Verantwortungsgefühl für andere, insbesondere für meine Partner, entstand. Diese Kombination, der fehlende Vater und die bedürftige Mutter, sorgte dafür, dass ich häufig Menschen mit Problemen in mein Leben zog, um die ich mich dann kümmerte und regelrecht ein Helfersyndrom entwickelte. Insbesondere in Partnerschaften zeichnete sich dieses Muster ab. So war ich ständig in Beziehungen, in denen es für mich etwas zu tun gab und ich meinem Partner helfen konnte. Aber nicht in einer gesunden Form von Unterstützung, weil man ein Team ist. Es waren egozentrische Männer mit vielen Baustellen, die immer Probleme in allen möglichen Lebensbereichen hatten. Probleme, die man fixen muss. Probleme, die ICH fixen musste und auch konnte, denn wenn ich durch diese turbulente Kindheit eins gelernt habe, dann ist es, wie man ganz schnell Probleme löst. Per se ist das nichts Schlechtes, es hilft mir auch sehr oft im Leben weiter, aber dennoch brachte mich dieses Muster unbewusst immer wieder in Schwierigkeiten. Wenn ich mich in jemanden verliebte, fühlte ich mich sofort für ihn verantwortlich. Aber das war mir egal, denn ich fühlte mich zugleich bei ihm zu Hause. Nein, es war noch viel mehr, diese Person war dann mein Zuhause. Und zwar das Zuhause, das ich nie hatte. Dadurch stellte ich die Person auf ein immens hohes Podest und gab ihr schnell Macht über mich und meine Gefühlswelt. Dadurch machte ich mich emotional abhängig von ihr, was insbesondere bei manipulativen Menschen alles andere als optimal ist.