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Früher, wenn der Onkel Indianerschmuck und Piratenschwerter gebastelt hatte, waren sie wie drei Kinder, hier im Garten, den ganzen Sommer lang. Jetzt pfeift der Onkel aus allen Löchern, obwohl er erst 52 ist, und Nichte und Neffe haben kurzerhand beschlossen, in das weiße Haus mit den blauen Läden zu ziehen. Eine WG in der Bretagne, am Ende der Welt. Der Onkel badet nie, mit der Metallplatte in seiner Hüfte schafft er es nicht mehr über die Felsen ans Meer. Höchstens fährt er mit dem Roller zum Supermarkt, wo es Wurst und Cola gibt. Aber am liebsten bleibt er in seinem Zimmer - Betreten verboten! - und schaut fern, auch wenn die Antenne vom Dach gekommen ist. Während der Bruder sich die meiste Zeit den Blattläusen an den vier frisch gepflanzten Obstbäumen widmet, beginnt die Schwester, den Onkel zu umkreisen, erkundet seine in dreißig Jahren Alleinleben entwickelten Eigenarten. Nach und nach breitet sich eine etwas ungemütliche Familienlandschaft aus, in der ein Wohnblock in einem Pariser Vorort und ein Haus am Hang in der Schweiz geografische Fixpunkte sind und wo, wie es sich fast nebenbei erzählt, einen Bruder zu haben ein einziger Segen war. - Ein flimmerndes, vielschichtiges wie berührendes Debüt, das mit originellen Figuren besticht und durch seinen rhythmischen erzählerischen Atem einen starken Sog auslöst.
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Seitenzahl: 137
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Rebecca Gisler
Vom Onkel
Roman
atlantis
Für Yannick und Victor
Was lässt meine Ohren pfeifen? Woher kommen die Bläschen, die in der Luft explodieren? Bin ich die Rinde eines Baums, in der es wimmelt von unbeschreiblichem Fleisch, oder ein unbeschreibliches Fleisch im Rindenkorsett? Wo ist mein Hundeschwanz? Wo sind meine Maikäferfühler? Im Paradies putzten Kolibris meine Ohren und Augen. Jetzt muss ich es selbst tun, und nach und nach werde ich bei dieser Tätigkeit geschickter. Im Paradies wurde mir der Hintern abgewischt.
Eugène Savitzkaya
Mitten in der Nacht wache ich mit der Gewissheit auf, dass der Onkel nicht mehr da ist, und als ich dann schlaftrunken die Toilettentür öffne, sehe ich, dass er durch die Toilette verschwunden sein muss. Auf dem Fliesenboden liegen meterweise Toilettenpapier, Konfettis und Hunderte weißer Federn verstreut, als hätte eine Kissenschlacht stattgefunden. Die Toilettenschüssel und die Wände sind überall mit Haaren und Kot verschmiert, und erst als ich mich über den Toilettenabfluss beuge, denke ich daran, dass es für den Onkel gar nicht so einfach gewesen sein muss, sich durch dieses schmale Loch zu quetschen, und ich frage mich, was ich anstellen könnte, um ihn zurückzuholen, denn es ist zu bedenken, dass der Onkel einen guten Doppelzentner wiegt. Ich greife zur Klobürste, schiebe sie so weit wie möglich ins Klo, an dessen Boden sich bräunliches Wasser gesammelt hat, das ich mit der Bürste aufmischte, und trotz der Ahnung, dass es wahrscheinlich nichts nützt, weil der Onkel bestimmt bereits die Kläranlage erreicht hat, rühre ich hektisch weiter, bis das sumpfige Wasser über den Toilettenrand schwappt, und mit ihm ein Strom übel riechender Materie, der sich über meine Beine auf den Boden ergießt. Der Pegel steigt und steigt. Immer mehr versinken meine Knie in diesem Gemisch, und im Versuch, mich aufrecht zu halten, rutsche ich aus, es ist, als ob ich mich in der Bucht befände, kurz nachdem sich das Meer zurückgezogen hat, wenn alles schlammig ist und schwankt.
Auf allen vieren und bis zu den Ellbogen von braunem Wasser umspült, halte ich den Atem an, tauche kopfüber in die Toilettenschüssel und rufe den Namen des Onkels, und der Name des Onkels hallt in der Tiefe wider, aber der Onkel antwortet nicht, kein einziges Mal, und ich sage mir, dass ich nichts mehr tun kann, um ihn zu retten, nein, er wird ausnahmsweise allein zurechtkommen müssen. Also reiße ich meinen Kopf aus der Kloschüssel, und im selben Augenblick geht hinter mir die Tür auf.
Mein Bruder trägt sein neongrünes T-Shirt, das knapp über seinen Bauchnabel reicht, und auf dem T-Shirt steht día libre. Jede Nacht schläft mein Bruder in diesem T-Shirt, weil jede Faser mit dem Geruch von Blumen imprägniert sei, mit dem Geruch all jener köstlichen Blumen, die im Frühling im Garten blühen, meint mein Bruder, der ein glühender Verfechter der Liebe und der Blumen ist und dessen Augen vom tiefen Schlaf noch verklebt sind. Ich frage ihn, ob er gut geschlafen habe, und er bedeckt seine Nase mit dem T-Shirt, wobei man sehen kann, dass er einen schönen, nach innen gekehrten Bauchnabel hat, als ob er genau im richtigen Moment von der Nabelschnur unserer Mutter getrennt worden wäre. Dann streckt er mir seine Hand entgegen, um mir beim Aufstehen zu helfen, und ich lege meine Hand in seine Hand, und er sagt: Heute bist aber du dran mit Saubermachen, gestern habe ich es getan.
Wenn der Onkel am Esstisch sitzt, kann der Bauch nicht anders, als gegen die Tischplatte zu pressen, denn der Bauch des Onkels ist so dick, dass er gar nicht zum Körper zu gehören scheint, vielmehr sieht er aus wie Gepäck oder wie ein Haustier, aber ich muss zugeben, dass sich der Onkel trotz des sicherlich sehr schweren Bauchs immer schön aufrecht hält, sodass sich sein Rücken sanft an die Stuhllehne anschmiegt und nicht umgekehrt. Der Haustierbauch legt sich dabei immer ein wenig auf den Tisch, und er wackelt und gurgelt wie ein wirkliches Tier, das auf seinem Schoß sitzt, während der Onkel auf den schwarzen Bildschirm des Fernsehers schaut, und am Esstisch sagt der Onkel in letzter Zeit, immer wieder, schade, dass der Fernseher nicht mehr funktioniert.
Der schwarze Bildschirm des Fernsehers ist mit Fingerabdrücken befleckt, weil der Onkel, als der Fernseher noch funktionierte, liebend gerne seine großen Zeigefinger auf die flimmernden Bilder drückte, und obwohl der Fernseher nun nicht mehr funktioniert, starrt der Onkel immer auf den schwarzen Bildschirm, als ob er in der Leere die Erinnerung an seine Lieblingssendungen finden würde.
Wenn ich das Abendessen auf den Tisch stelle, dreht der Onkel den Kopf vom Bildschirm weg, reibt seine Hände aneinander und sagt, heute keine Möwe, und er lacht, was aber ich nicht wirklich lustig finde, also lächle ich nur und sage, nein, heute keine Möwe, und der Onkel fragt, Pfeffer, und ich sage, in der Küche, und der Onkel steht auf, um den Pfeffer aus der Küche zu holen, und dabei atmet er schwer und hustet.
Zurück am Tisch, pfeffert er sein Omelett, klopft mit der Handfläche auf den Plastikboden des Pfefferstreuers, damit es Pfeffer regnet, und wenn das Omelett mit einer grauen Schicht bedeckt ist, beginnt der Onkel zu essen. Bereits beim ersten Bissen steigen ihm der Pfeffer in die Nase und Tränen in die Augen, wobei er errötet und niesen muss, ein erstes Mal sehr heftig, ein zweites Mal noch heftiger, ohne sich die Mühe zu machen, die Hand vor den Mund zu halten, woraufhin ich ihm dann meistens in aller Ruhe rate, sich mit einem Taschentuch die Nase zu putzen.
Wenn ich in dieser Situation ganz ruhig bleibe, dann deshalb, weil ich solche Explosionen gewohnt bin und auch weil ich weiß, dass dem Onkel keine Zeit bleibt, meinen Rat zu befolgen, denn in der Tiefe bahnt sich schon immer ein nächstes Niesen an, ein Niesen, das alles, was sich ihm in den Weg stellt, hinwegfegen könnte. Bis ich mich entschließen kann, ihm endlich selber ein Taschentuch zu reichen, ist es oftmals zu spät, weil der Kopf des Onkels bereits scharlachrot angelaufen ist, als ob er kurz davor wäre zu platzen, und tatsächlich platzt es aus ihm heraus, und zwar so, dass ein ziemlich großes Stück seines versabberten Omeletts wieder zum Vorschein kommt, und sobald es auch auf meinem T-Shirt landet, erlaube ich mir, ihm einen zweiten Ratschlag zu geben, diesmal mit etwas mehr Entschlossenheit, dass er es mit dem Pfeffer besser lassen soll, wenn er ihn nicht verträgt.
Der Onkel aber ist überzeugt, dass seine Niesanfälle nichts mit Pfeffer zu tun haben, und quittiert meinen Rat mit einem lauten Seufzen, als stecke hinter dem Rat eine Verschwörungstheorie, die ich ihm hier aufzutischen versuche, und ich habe keine andere Wahl, als ihm stillschweigend ein weiteres Taschentuch hinzuhalten, in das er laut schnäuzt, bevor er aufsteht, um es in den kalten Kamin zu werfen und sich hechelnd zurück an den Tisch zu setzen, wo er nun sein Omelett aufisst und sagt, dass das Omelett sehr gut schmecke, und wie immer spart er auf, was er am liebsten mag, nämlich das Stück Knoblauchbrot, das mit ein paar Tomatenscheiben neben dem Omelett liegt und in das der Onkel zum guten Schluss hineinbeißt, knurrend, zufrieden stöhnend, mit glühenden Augen, auf den schwarzen Bildschirm starrend.
Der Onkel sitzt immer auf dem Platz am nächsten beim Fernseher, und ich sitze immer auf dem vom Onkel am weitesten entfernten Platz, und mein Bruder hatte es sich angewöhnt, weit weg vom Tisch, weit weg vom Onkel und weit weg von mir zu sitzen, er zog es vor, auf dem Sofa zu essen, hinter dem Onkel, und manchmal, vor nicht all zu langer Zeit, als der Fernseher noch funktionierte, schaute der Onkel während des Essens die Nachrichten, drehte die Lautstärke hoch und war von den alarmierenden, spektakulären Neuigkeiten, die ihm der alte Fernseher überbrachte, völlig absorbiert.
Eine seiner Lieblingsbeschäftigungen bestand darin, die Nachrichten zu kommentieren und bis ins Unermessliche zu übertreiben, er sagte zum Beispiel, dass es am nächsten Tag fünfhundertfünfzig Grad heiß werde, dass ein Komet bald die Bretagne streife, dass das Virus durch Fliegenbisse übertragen würde oder dass es an der belgischen Grenze riesige Zecken gebe, und ich wusste, dass es meinem Bruder immer schwerer fiel, dem Onkel zuzuhören, wenn er diesen Unsinn plapperte. Mein Bruder versuchte dem Onkel zu erklären, warum er nicht alles glauben solle, was im Fernsehen gesagt wurde, aber der Onkel wollte es nicht hören, weil er fand, dass die Welt so interessanter war, geschwollen und aufgebläht, durch ferne, blutrünstige Ereignisse gelähmt, als hinge diese Welt in der endlosen Wiederholung eines Splatterfilms fest.
Irgendwann hatte mein Bruder aufgehört, die Nachrichten zu schauen und mit dem Onkel zu diskutieren; er sagte überhaupt nichts mehr und betrachtete vom Sofa aus den Schädel des Onkels, auf dem das wächst, was man hierzulande einen Lauch nennt, un poireau, und mein Bruder kniff die Augen zusammen, um das große Muttermal, das wie zwei oder drei zusammengewachsene Rosinen am Hinterkopf des Onkels klebte und aus dem ein einziges Haar prangte, anzuschauen, irgendwie hatte sich mein Bruder immer schon besonders für diesen Lauchschädel interessiert, und wenn er seine Augen zusammenkniff, sah er aus, als würde er einen Hinkelstein im Nebel beobachten, und er konnte nicht anders, als dabei seine großen Zähne auszupacken und sein Gesicht zu verformen, ganz egal wie oft ich ihm sagte, dass er mit dieser Grimasse minder intelligent aussah; es ist schwer, alte Gewohnheiten aufzugeben, wie der Onkel sagt, der seinen Neffen über alles liebt und es nicht mag, wenn ich meinen Bruder zu sehr belästige.
Es ist also so, dass mein Bruder und ich dem Onkel am Tisch nie gegenübersitzen, denn der Platz gegenüber dem Onkel bleibt für Gäste reserviert, die wir testen wollen, wie zum Beispiel die neuen Liebhaberinnen meines Bruders oder alle möglichen jungen Leute, die zu höflich sind, um zu rebellieren. Denn gegenüber dem Onkel zu speisen bedeutet, dass man akzeptiert, sein Essen zu teilen, es bedeutet, dass man den Speichelregen akzeptiert, der einem ins Gesicht gestottert wird, wenn der Onkel während des Essens spricht, und der Onkel ist gesprächig, besonders mit den Neuankömmlingen, bei denen es darum geht, sie herzlich willkommen zu heißen.
Seit unserer Kindheit verbringen wir den größten Teil des Sommers meistens im Haus unserer Großeltern, das seit ihrem Tod zum Haus des Onkels, ihres Sohnes, geworden ist. Aber das Haus des Onkels ist auch das Ferienhaus meiner Mutter, seiner Schwester, die sich dort drei Wochen im Sommer und zwei Wochen im Winter aufhält.
Je mehr Zeit vergeht, desto weniger wissen wir aber, um wessen Haus es sich handelt, denn aus etwas undurchsichtigen Gründen bildete ich zusammen mit dem Onkel und meinem Bruder das, was ich eine unvorhergesehene Wohngemeinschaft nennen möchte, eine unvorhergesehene Wohngemeinschaft oder eine Vereinigung von Müßiggängern: Fern allerdings war uns die Vorstellung, wir müssten uns darüber beschweren.
Das Haus liegt in einem kleinen Weiler am Meer. Es ist ein weißes Haus mit blassblauen Fensterläden, die aufgrund des salzigen Windes immer rissiger werden, ein Haus, dessen Mauern vom Efeu angefressen sind. Mit der ganzen Familie haben wir jeden Sommer versucht, das Efeu herauszureißen, obwohl uns die Nutzlosigkeit des Unterfangens bewusst war und das Efeu von einem Jahr zum anderen wieder nachwachsen und die Fassade mit unauslöschlichen Schatten und Sternen überziehen würde. Bestimmt hätte man schon viel früher gegen das Efeu ankämpfen und das Wachstum dieser Pflanze im Auge behalten müssen, aber damals waren wir nur Urlauber, Saisonarbeiter, Amateure, nicht in der Lage, uns in die Frequenzen der Pflanzen hineinzufühlen und ihre Blattformen nachzubilden, um sie auf einen anderen Weg zu leiten. Und leider konnten wir uns in dieser Angelegenheit auch nicht auf den Onkel verlassen, denn der Onkel liebt das Efeu, er ist der Meinung, dass das Haus dank dieser Pflanze wie ein Geisterhaus aussieht, überwuchert, wie ein verlassenes Haus irgendwo am Ende der Welt, und tatsächlich verwittert das Haus weiter vor sich hin, in einem verlorenen Weiler zwischen zwei Wiesen, auf denen Pferde mit blauen und roten Iriden grasen.
Obwohl der Onkel so nah am Meer lebt, badet er nie und rechtfertigt dies damit, dass die Einheimischen prinzipiell nicht im Meer baden, denn das Baden sei den Touristen vorbehalten, und ohnehin sei das Wasser heutzutage voll mit Dung und Schweinekot und Grünalgen, was jedoch all die Touristen, die in der Bucht baden, nicht zu stören scheint. Sie fischen nämlich weiterhin im Wattenmeer; bei Flut sitzen sie in Barken und werfen ihre Netze und Angeln ins Wasser, und bei Ebbe klettern sie auf den Felsen herum oder bohren ihre Finger in den Sand, da, wo einst schöne rote Krebse und Spinnenkrabben lebten, die nun kleinen, fast durchsichtigen und anonymen Krustentieren Platz gemacht haben, die müde geworden sein müssen, in dieser Schräglage im Schlick zu gehen.
Früher, als wir alt genug waren, um unser eigenes Alter zu kennen, merkten wir nicht, dass unser Onkel deutlich älter war.
Der Onkel bastelte uns indianische Kopfbedeckungen und Piratenschwerter aus Pappe, und es war immer er, der die Spielsachen austeilte oder ans Fenster in den oberen Stock rannte, um den Bumerang meinem Bruder zuzuwerfen, der mit zusammengekniffenen Augen und erhobenen Händen im Garten auf den Anflug wartete.
An manchen Tagen führte uns der Onkel durch die Bucht, wo er uns zeigte, wie man Wellhornschnecken vom Felsen klaubt und roh verschluckt. Denn der Onkel verschlang Wellhornschnecken mit Schale, und er verschlang auch Meeresschnecken und Schwertmuscheln, Algen und Tintenfische. Der Onkel war wie ein Oger, und damals war er zwar eher dünn und weich, aber stark genug, um uns auf seinem Rücken zu tragen, und beweglich genug, um sich im Garten unter der Hecke zu verstecken. Die Hecke war damals nur halb so hoch wie heute, und man konnte durch sie hindurch oder über sie hinweg auf die Straße schauen, was heute mit zwei Metern, hoch wie breit, dicht verzweigter Thuja-Sträucher nicht mehr möglich ist, denn die Hecke nimmt ihren Namen beim Wort und zäunt das Haus des Onkels ein, definiert seine Parzelle und beschützt vor neugierigen Spaziergängern, die von der anderen Seite der Lebensbäume aus in den Garten des Onkels schielen könnten. Weil diese Bäume Lebensbäume genannt werden, stellte ich mir immer vor, wie die Verstorbenen in der Hecke weiterlebten. Manchmal verkrochen wir uns zu dritt unter der Hecke und beobachteten einerseits die Insekten, Ameisen und andere kleine Lebewesen, die es sich in dem Blattwerk gemütlich machten, und andererseits die Schuhe der Passanten, wobei unser Lieblingsspiel darin bestand, anhand der Schuhe zu erraten, ob es sich um arme Dorfbewohner oder um reiche Touristen handelte, und wir legten fest, dass jeder reiche Tourist ein Außerirdischer war, bei dem wir aufschrien und schnellstmöglich zurück ins Haus rannten. Der Verlierer musste dem Gewinner sein ganzes Hab und Gut, das heißt die gesammelten Muscheln und Steine, übergeben.
Jedes Mal, wenn wir mit unserer Mutter in den Ferien aus der Schweiz hierherreisten, verbrachte der Onkel ganze Tage damit, mit uns zu spielen; er hatte nichts Besseres zu tun, denn damals arbeitete er noch nicht in der Abtei, und er hörte nur auf zu spielen, um an seiner Zigarette zu paffen. Die Zigarette war vielleicht das Einzige, was uns voneinander unterschied, ihn, den Onkel, von uns Kindern, den echten Kindern.
Nun muss es mehr als zwanzig Jahre her sein, seit der Onkel zum letzten Mal in die Bucht gegangen ist, und das ist mehr als begreiflich, wenn man den Weg dorthin kennt, denn um zur Bucht zu gelangen, muss man auf einem schmalen Pfad am Hang entlanggehen, und dann eine steile, felsige Treppe hinunter, bevor man eine Weile im dicksten Schlamm watet, und nicht umsonst nennen wir diesen Weg den Abenteuerpfad: Die Steintreppe ist mit Algen und Flechten bedeckt, und sie kann gefährlich sein, sehr glitschig, je nach den Gezeiten, die mehr oder weniger Wasser an den Felsen tragen.