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Albträume. Geheimnisse aus der Vergangenheit. Und Gegner, die nicht menschlich zu sein scheinen. Die 17-jährige Aurora Dimou lebte bisher friedlich in Griechenland, als sie plötzlich von Warnungen heimgesucht wird, die den angeblichen Weltuntergang prophezeien. Die Einzige, die Antworten auf diese nicht enden wollenden Rätsel haben könnte, ist ihre Großmutter in Luxemburg. Gemeinsam versuchen sie herauszufinden, wer das Ende der Welt herbeiführen will und warum Aurora dazu auserwählt wurde, dies zu verhindern. Doch währenddessen tauchen weitere Geheimnisse auf, die sie daran zweifeln lassen, wem sie wirklich vertrauen kann. Wird Aurora das unvermeidliche Ende aufhalten können, oder werden die schattenhaften Geister ihrer Gedanken sie in den Untergang treiben?
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Seitenzahl: 271
Veröffentlichungsjahr: 2024
Impressum
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
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© 2025 novum publishing gmbh
Rathausgasse 73, A-7311 Neckenmarkt
ISBN Printausgabe: 978-3-7116-0219-0
ISBN e-book: 978-3-7116-0220-6
Lektorat: Emma J. Dharmaratne
Umschlagabbildung: Louisa Rose
Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh
www.novumverlag.com
Kapitel 1
„Nicht schon wieder.“ Das dachte sich Aurora, als sie an der leblosen Klippe stand, keine Menschenseele weit und breit. Hinter ihr befand sich ein dichter Tannenwald, zu dicht, um hindurchzugehen. Eine Eule flog über den tiefen Abgrund, der direkt vor ihr lag. Nichts als Leere, gleich vor ihren Füssen. Ihr war bewusst, dass sie sich in einem Traum befand, aber diese Art von Träumen wurde in der letzten Zeit immer häufiger und damit immer lästiger.
Auf einmal wurde der Wind stärker und es bildete sich vor ihr aus dem Nebel, der durch die Höhen wanderte, eine Frau. Sie sah Aurora an, die fassungslos vor ihr stand. Die Frau sah nicht aus wie ein Mensch, sie strahlte etwas viel Mächtigeres aus. Sie trug ein weißes Kleid mit goldenen Elementen und auf dem Kopf trug sie ein Diadem. Zudem trug die Frau über dem Kleid eine passende Rüstung. Ihre Augen waren, wie der Nebel um sie, eisig grau, dennoch strahlten sie eine tiefe Weisheit aus. Die Eule flog noch einmal über sie hinweg und landete dann auf der Schulter der mysteriösen Frau.
„Ich habe dich erwartet“, sagte die Nebelfrau mit vollkommener Stimme. Aurora starrte sie nur verdutzt an. „Du- Du hast mich erwartet?“, fragte sie die Frau. „Wer bist du?“, fügte sie hinzu.
„Wer ich bin, spielt nun keine Rolle. Ich bin hier, um dir eine Warnung zu übermitteln“, antwortete die Frau aus Wolken. „Sei auf der Hut, meine Tapfere. Schwere Zeiten werden kommen und du musst beginnen, zwischen dem zu unterscheiden, was einfach und dem, was richtig ist.“
„Was meinst du?“, fragte Aurora, doch die Frau schmunzelte nur. „Ein schlauer Kopf wie du wird schon herausfinden, was es damit auf sich hat. Mehr kann und darf ich dir nicht mitteilen. Lebe wohl, meine Gute. Ich zähle auf dich“, sagte die Frau aus Nebel und so schnell wie sie aufgetaucht ist, war sie auch wieder verschwunden. „Was zum …“, konnte Aurora im Traum noch sagen, bevor sie aufwachte. Sie lag in ihrem Bett, schweißgebadet und verwirrt von einem weiteren seltsamen Traum.
Die Umgebung um sie herum war friedlich. Das Fenster war geöffnet und der Nachtwind holte sie sanft zurück in die Realität. Aurora holte sich einen Stift und ihr Notizheft aus der Nachttischschublade und schrieb die genauen Worte, welche sie im Traum gehört hatte, nieder. Seit diese seltsamen Träume begonnen haben, fing sie an die Konversationen daraus aufzuschreiben. Es waren immer dieselben Arten von Warnungen, welche die Gestalten daraus mitteilten. „Das Ende der Welt naht“ oder „Du musst dich auf das Kommende vorbereiten.“, solche Dinge eben. Aurora nahm das Ganze nicht auf die leichte Schulter, schließlich wusste sie, dass alle Träume eine Bedeutung haben. Deshalb schrieb sie sich das alles auch auf. Aber was wollte sie tun?
Sie war erst siebzehn Jahre alt, wohnte auf einer Insel in Griechenland, die man Zakynthos nennt, und hatte ihr Zuhause noch nie wirklich verlassen. Wie könnte sie bitte etwas ausrichten?
Aurora atmete tief durch, legte das Notizbuch weg und versuchte noch einmal zu schlafen, auch wenn sie keine traumlose Nacht seit Wochen hatte, irgendwie musste sie ihre Energie schließlich aufladen.
Zum Glück konnte sie weiterschlafen, ohne von einem weiteren Traum heimgesucht zu werden.
Am nächsten Morgen wurde sie von der Sonne wachgekitzelt. Es war Freitag, was bedeutete, dass das Wochenende bald eingeläutet werden würde. Sie blinzelte, warf einen Blick auf ihren Wecker und erkannte, dass es bereits acht Uhr war. Sie stand auf und zog sich eines ihrer Sommerkleider an. Danach putze sie sich ihre Zähne und kämmte sich ihre dunkelbraunen Haare.
Sie trug etwas Mascara auf und ging danach zurück in ihr Zimmer. Aurora nahm ihr Handy, stellte ihre Lieblingsplaylist ein und textete ihren beiden besten Freundinnen, Elenor und Freya: Um 12.00 Uhr beim alten Brunnen, Picknick am Strand?
Anschließend ging sie hinunter in die Küche, in welcher sie ihre Eltern vorfand. „Guten Morgen, Schätzchen“, begrüßte sie ihr Vater. „Guten Morgen“, antwortete Aurora und goss sich etwas vom Orangensaft in ihr Glas.
„Gut geschlafen?“, fragte ihre Mutter. Aurora vermied Blickkontakt und antwortete nur mit einem: „Es gab schon schlimmere Nächte.“ Ihre Mutter und ihr Vater tauschten einen Blick aus.
„Heute ist Geschichte dran“, sagte ihre Mutter. „Ich weiß. Ich gehe erst auf den Markt, heute ist Mittwoch“, sagte Aurora und gab ihrer Mutter ein Kuss auf die Wange. „Und am Nachmittag gehe ich vermutlich mit Elle und Freya picknicken“, ergänzte sie. „Gut, aber erst die Kapitel, okay?“, fragte ihre Mutter. „Klar!“, rief Aurora, als sie bereits zur Tür hinaus ging und sich ihre Tasche über die Schulter war.
Aurora war nie in die öffentliche Schule gegangen. Ihre Eltern unterrichteten sie. Trotzdem hatte sie niemals Probleme, wenn sie sich mit anderen Kindern unterhielt. Aurora wusste alles, was man wissen musste und noch mehr in den Gebieten, in welchen sie sich besonders interessierte. Seit sie etwas älter geworden ist, fing sie an, sich den Unterrichtsstoff selbst beizubringen. Brauchte sie Hilfe, konnte sie immer noch ihre Eltern fragen. Dieses Prinzip hatte sich in den letzten Jahren gut bewährt.
Aber Aurora trieb es immer mehr in die Welt hinaus, sie wollte Abendteuer erleben, sich verlieben und anfangen ihr Leben zu leben. Sie kannte jede Ecke der Insel, da sie als Kind mit Elenor und Freya jede freie Minute unterwegs war und sie alles erkundet haben, was es nur zu erkunden gab.
Als sie beim Marktplatz ankam, kaufte sie etwas Gemüse, das sie nicht bei sich im Garten wachsen hatten. Aurora lebte in einem Dorf auf der Insel, welches glücklicherweise nicht viele Touristenbesuche hatte. Außerdem war es eher klein, was heißt, dass sich hier eigentlich jeder kennt. Unter anderem lebt ihr Onkel Elias hier, der mit ihr früher immer auf Bootstour ging, bevor er körperlich dazu nicht mehr in der Lage war. Für eine Zeit lebte auch ihre Großmutter auf der Insel. Dafür zog sie extra aus Luxemburg hierher, um bei der Erziehung von Aurora zu helfen. Die Hälfte der Dinge, die Aurora weiß, erlernte sie von ihrer Großmutter Antoinette.
Als Aurora aber älter wurde, zog ihre Großmutter wieder zurück nach Luxemburg, blieb mit Aurora aber in stetigem Kontakt. Nachdem Aurora das Gemüse gekauft hatte, machte sie sich auf den Rückweg.
Die Sonne strahlte bereits und ließ das Meer mit tausenden Blautönen glitzern. Eine sanfte Brise hüllte die bereits warme Juni-Luft in den Geruch von blühendem Mohn ein.
Das würde ein ereignisvoller Tag werden, das wusste sie.
Kapitel 2
Zuhause angekommen räumte sie die Einkäufe ein, bereitete sich einen Eistee zu und ging in ihr Zimmer. Die Bücher standen bereits auf ihrem Tisch, aber bevor sie sich in die Materie stürzte, sah sie kurz auf ihrem Handy nach und sah, dass beide ihrer Freundinnen ihre Anfrage auf das Picknick bejahten. Aurora führte einen kurzen Freudentanz in ihrem Kopf auf, legte ihr Handy weg und widmete sich den Büchern. Sie freute sich eigentlich immer auf das Lernen neuer Dinge, aber die Geschichtskapitel, welche ihre Mutter ihr für heute herausgesucht hatte, waren alles andere als spannend, und noch viel wichtiger; für was würde sie diese Informationen jemals brauchen?
Es ging um die Geschichte von spanischen Piraten. Ein Mann namens Andrés de la Fuente eroberte ganze Gebiete an der Ostküste von Amerika. Aurora las gelangweilt weiter, nippte ab und zu an ihrem Eistee, bis sie zu einer Stelle gelangte, die ihre volle Aufmerksamkeit erweckte. „Der spanische Seefahrer Andrés kehrte nach seiner Kolonialisierungszeit in Amerika wieder nach Spanien zurück und gründete eine Familie, die Jahre später nach Luxemburg auswanderte. Er wollte sich mit seinem Namen der Gründerfamilien anschließen, um sein Reichtum zu teilen. Diese stießen ihn jedoch ab und Andrés und seine Familie wurden aus dem Land vertrieben. Warum und wo er danach gelandet ist, weiß man bis heute nicht. Die Geschichte der de la Fuentes und die Gründergeschichte des so kleinen europäischen Landes wurden in einem Museum in Luxemburg festgehalten. Es wurde am Ende des 19. Jahrhunderts eröffnet und steht bis heute im Zentrum der Stadt“, beschrieb der Text in ihrem Buch. Deshalb hatte ihre Mutter ihr dieses Kapitel gegeben. Die Geschichte dieser Familie führte bis in ihr Heimatland.
Aurora notierte sich gedanklich irgendwann einmal in dieses Museum zu gehen, wenn sie es einmal bis nach Luxemburg schaffen sollte.
Die nächsten Stunden las sie sich weiter die herausgesuchten Kapitel durch und machte sich Notizen dazu. Aurora mochte es, über die Geschichte der Welt und der Menschen zu lesen. Es gab ihr das Gefühl, sich in dieser Zeit wiederzufinden und die jetzige Welt aus einer ganz anderen Sicht zu sehen.
Als es kurz vor halb zwölf war, wurde sie mit den Kapiteln und Notizen fertig. Sie legte die Bücher weg, stand auf und ging in die Küche, um das Picknick vorzubereiten. Elenor und Freya bestätigten ihr, dass sie das Geschirr mitbringen würden. Aurora machte Sandwiches, einen Fruchtsalat und packte noch einige Snacks mit ein. Außerdem bereitete sie die Grapefruit-Schorle zu, die ihnen so schmeckte. Sie packte alle Lebensmittel in einen Korb und ging dann zu ihren Eltern, um sich zu verabschieden.
Aurora ging hinaus, schnappte sich ihr Fahrrad und fuhr zum Brunnen. Er war nicht weit weg, aber dennoch gestaltete es sich etwas schwer mit einem großen Korb über Stock und Stein zu fahren, ohne dabei zu stürzen. Nach wenigen Minuten kam sie aber unversehrt beim Brunnen an und wartete auf ihre Freundinnen.
In der Zeit, in der sie wartete, dachte sie über die vergangen Träume nach. Sie wollte es nicht, aber es war, als würden sich diese Erinnerungen immer wieder in ihr Bewusstsein schleichen und ihre Gedanken vernebeln. Plötzlich befand sie sich in einer Erinnerung, die das Blut in ihren Adern gefrieren ließ.
Aurora befand sich in einer Art Höhle, nur war diese unendlich groß und sie selbst stand an einem Ort weit entfernt von dem, was unter ihr geschah. Feuer, die unter ihr brannten und der Klang von Menschen, die schrien. Aurora brauchte nicht hinunterzusehen, um zu wissen, dass sich diese Personen in den Flammen befanden und unendliche Qualen über sich ergehen lassen mussten. Das kann nur die Hölle sein. Das dachte sich Aurora, als sie sich traute, in die Tiefen hinabzublicken, nur um zu erkennen, dass sich ihre Vermutungen bestätigten. Höllenfeuer, heiß und qualvoll.
Auf einmal erklang eine Stimme hinter ihr, die ihr sagte: „Du musst aufwachen, Kind. Wach auf!“ Aurora verstand nicht. Sie sah sich um, konnte aber niemanden erkennen. Zudem hatte sie zu große Angst, irgendwas zu sagen, vor allem, weil sie sonst selbst in den Abgründen unter ihr landen könnte. Doch sie gab sich einen Ruck und stotterte: „W-Wer bist d-du?“
Keine Antwort. Sie sah sich noch einmal um. Aurora wünschte sich nur noch, hier wegzukommen. Sie fragte noch einmal, diesmal mit mehr Selbstbewusstsein: „Wer bist du?“
Ein Wispern ertönte. Sanft und doch voller Schrecken. „Wach auf, Kind. Du musst aufwachen.“ „Ich verstehe nicht!“, antwortete sie panisch. „Das Schicksal ist in deinen Händen. WACH AUF!“, schrie die Stimme noch, bevor Aurora plötzlich aus ihren Erinnerungen gezogen wurde. Schweiß lief ihre Stirn hinab und sie versuchte sich auf die Realität vor sich zu konzentrieren. Aurora blinzelte zwei Mal und sah vor sich zwei Mädchen stehen. Sie blinzelte noch einmal.
Elenor und Freya, die sie besorgt ansahen. „Es ist wieder passiert, nicht wahr?“, fragte Freya und legte ihre Hände auf Auroras Schultern. Aurora antwortete mit einem aufgesetzten Lächeln und sagte: „Mir geht es gut.“ Elenor und Freya tauschten einen Blick. „Hör zu, diese Nummer kaufen wir dir nicht mehr ab“, sagte Elenor.
Sie war schon immer Diejenige gewesen, die ihre Gedanken und Bedenken hemmungslos mitteilte, während Freya eher die ruhigere der drei Freundinnen war. Aurora wollte antworten, aber Elenor kam ihr zuvor.
„Wir sind deine besten Freundinnen. Und wir sehen, dass dich etwas quält, also bitte sag es uns. Dass du immer in deinen Gedanken verloren gehst und wir dich wachrütteln müssen, sodass wir dich wieder aus deiner Trance zurückholen können, ist nicht normal. An was denkst du? Welche Gedanken tun dir das an?“, fragte sie sanft.
Aurora war klar, dass ihre Freundinnen immer für sie da waren und dass sie ihnen auch alles sagen könnte, ohne von ihnen verurteilt zu werden, aber sie hatte nun mal Angst.
Aurora war nie ein normales Mädchen gewesen. Das hatte ihre Großmutter ihr immer gesagt, und je älter sie wurde, desto mehr hatte sich das bestätigt. Einmal, als sie an einem Bach war, und die spiegelnde Oberfläche sah, hätte sie schwören können eine Frauengestalt hinter sich zu sehen. Als sie sich dann aber umdrehte, war da niemand zu sehen. Oder als sie einmal allein im Wohnzimmer saß und las, zündete sich plötzlich von selbst eine Kerze an. Oder ein anderes Mal, als sie noch klein war und in der Wiese spazierte, sah sie wie sich eine Spur aus Blumen hinter ihr formte.
Das waren kleine Dinge, nicht ausreichend genug, um sie für verrückt zu erklären, aber dennoch konnte sie sich nie erklären, wie sie passiert sein konnten. Weil Aurora wusste, dass ihre Großmutter immer für alles eine Lösung hatte, erzählte sie ihr von den Geschehnissen, doch ihre Großmutter blinzelte nicht einmal. Sie sagte Aurora: „Das ist nichts Schlimmes. Eines Tages wirst du es verstehen.“ Dieser Tag war offensichtlich noch nicht gekommen, aber Aurora fand sich damit ab.
Doch seit sie diese seltsamen Träume hatte, war sie sich nicht mehr so sicher, ob Aurora eine Gefahr sein konnte. Sie hatte weder die Intention jemandem wehzutun, noch der Welt selbst zu schaden. Warum also, hatten dann die Erinnerungen an diese Träume eine solche Macht über sie, sodass sie fast zu ertrinken schien in Geschehnissen, die niemals wirklich passiert sind. Sie wusste nicht, welche Bedeutung genau hinter den Träumen steckte, und bis sie das nicht herausgefunden hatte, wollte sie es für sich behalten.
„Mir geht es gut, wirklich“, antwortete Aurora sanft. Die beiden sahen sie traurig an. Sie wussten, dass Aurora mit etwas zu kämpfen hatte, aber sie konnte ihnen diese Last nicht weitergeben. Wenn der Zeitpunkt richtig wäre, würde sie ihre Freundinnen einweihen. Auch wenn sie insgeheim hoffte, dass der Zeitpunkt niemals richtig sein würde.
Kapitel 3
Die drei Freundinnen radelten in den Wald an ihre Lieblingsstelle. Die Landschaft war bereits etwas trocken, dennoch blühten unterschiedliche Blumen hier, welche die Luft in einen wohligen Duft einhüllten. Sie stellten ihre Räder ab, hockten sich auf die Wiese und breiteten die Picknickdecke aus.
Aurora fühlte sich nach dem Gespräch mit ihren Freundinnen schuldig, aber sie schob den Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf das Picknick. Solange sie sich nicht sicher war, welcher Grund hinter diesen seltsamen Träumen steckte, konnte sie es ihnen nicht sagen.
Die Freundinnen aßen die Leckereien und schlürften glücklich ihre Grapefruit-Schorle. Die Nachmittagssonne schien zwischen den Ästen hervor und das Rauschen der Wellen war aus der Ferne zu hören. Es war ein Moment voller Frieden. Und Aurora genoss jede Sekunde davon. „Das Essen ist wirklich lecker“, sagte Elenor schmatzend. Aurora lachte. „Freut mich, wenn es dir schmeckt“, antwortete Aurora und lächelte in sich hinein.
„Das machen wir viel zu selten“, ergänzte sie und lächelte die beiden an. Da riss Freya die Augen auf. „Warum machen wir nicht wieder einmal eine Übernachtungsparty?“, fragte sie aufgeregt. Aurora und Elenor stimmten begeistert zu. „Es ist vielleicht etwas spontan, aber wie wäre es heute Nacht. Bei mir?“, fragte Aurora. „Klar!“, riefen Elenor und Freya gleichzeitig und die drei lachten.
Den Nachmittag blieben sie weiter im Wald und genossen die Sonne. Es war bereits Abend und die Sonne neigte sich schon Richtung Westen.
„Ich glaube ich mache einen kleinen Spaziergang. Ich brauche Bewegung“, sagte Freya und stand auf. „Ich komme mit“, sagte Elenor. „Ich bleibe hier und genieße die Sonne noch etwas“, erklärte Aurora und blieb liegen. „Okay, wir sind bald wieder da“, antwortete Elenor und die beiden liefen davon.
Aurora blieb noch eine Weile liegen und sog die Abendsonne in sich auf. Es war bereits sehr warm für einen gewöhnlichen Tag im Mai, aber eine kühle Brise zwischendurch diente als leichte Erfrischung. Die Vögel zwitscherten, das Meer rauschte und die Bienen summten. Wieder einer dieser vollkommenen Momente. Sie atmete tief ein, wieder aus und stand dann auf. Ihr stand nun auch der Sinn nach einem Spaziergang, um das Picknick zu verdauen und die Beine zu vertreten.
Sie räumte die Decke und die restlichen Snacks wieder in den Korb und verschloss ihn, damit keine Tiere sich an dem Essen bedienten und ging dann in eine andere Richtung als ihre Freundinnen gelaufen sind. Aurora ging in Richtung Meer. Es waren nur wenige hundert Meter bis sie an der Klippe ankommen würde, denn dort befand sich einer ihrer Lieblingsplätze. Vor allem bei Sonnenuntergang strahlte dieser Ort nur so vor Magie. Und da es bald so weit sein würde, hatte Aurora gute Chancen diese Magie mitzuerleben.
Gute fünfzehn Minuten später kam sie dort an. Es war kurz vor Sonnenuntergang und Aurora setzte sich ins Gras, um auf das bereits schimmernde Meer zu blicken. Die Sonne würde genau vor ihren Augen untergehen und hinter dem Meer verschwinden.
Die Brise wurde nun zu einem Wind und ließ die Äste hinter ihr knistern. In der Ferne waren Surfer zu sehen, die den Wind nutzten, um über das Wasser zu gleiten.
Aurora atmete tief durch. Auf einmal kam ihr wieder eine Traumerinnerung in die Gedanken. Sie tat das nicht mit Absicht, es war, als ob diese Erinnerungen abwarteten, bis Aurora einen Moment der Ruhe hatte, damit sie dann wieder von Erinnerungen heimgesucht werden kann. Es kam so plötzlich, dass Aurora sich fühlte, als ob sie direkt in diese Erinnerung fallen würde und plötzlich befand sie sich in einer Werkstadt.
Um sie herum brannte ein Feuer in einer Schale, tausende von Werkzeugen lagen herum und ein großer Amboss stand genau neben ihr. Außer dem knisternden Feuer war nichts zu hören. Aurora sah sich um, konnte aber keine Person sehen und was noch viel schlechter war; keinen Ausgang. Keine Fenster, keine Türen. Vermutlich befand sie sich unterirdisch.
Sie sah sich die Werkzeuge an und versuchte eines zu finden, mit dem sie vielleicht eine Chance hatte hier herauszukommen. Aber leider fand sie keines. „Okay, nicht durchdrehen. Es ist nur ein Traum, du bist nicht wirklich hier“, sagte sie zu sich selbst, nur half das leider nicht wirklich. Bisher hatte sie es nicht selbst geschafft sich aus diesen Erinnerungen zu befreien. Sie atmete tief durch und auf einmal sagte eine tiefe Stimme hinter ihr: „Du musst keine Angst haben. Ich tue dir nichts.“
Aurora drehte sich um. Ein großer Mann, stark und muskulös stand vor ihr mit einer Schürze über der Brust. Nur seine Statur war etwas … außergewöhnlich. Er sah sie frustriert an und widmete sich dann seiner Arbeit, die auf der Arbeitsfläche lag. Er hämmerte an irgendetwas rum. Aurora glaubte ihm, aber das würde ihr nicht viel bringen. Sie kam immer noch nicht hier heraus. Sie dachte nach. „Ha-Hast du mir nicht irgendwas zu sagen?“, fragte sie den Mann zögernd. Bisher hatte sie von irgendeiner Gestalt immer eine Nachricht bekommen, nur sah es nicht so aus, als hätte der Mann es dringend, um eine Botschaft zu übermitteln.
Erst sah der Mann sie verwirrt an, doch dann sah es so aus, als ob er sich an etwas Wichtiges erinnern würde. „Ah, du hast recht. Ich soll dir ausrichten, dass du dich auf einen Kampf vorbereiten musst, Kind. Schwere Zeiten werden kommen, und du musst bereit sein, wenn es so weit ist“, erklärte er, sah sie an und konzentrierte sich dann wieder auf seine Arbeit. Aurora war verwirrt. Sie wollte den Mund aufmachen, um etwas zu fragen, aber sie wurde wieder aus der Erinnerung herausgezogen, bevor sie etwas fragen konnte.
Aurora blinzelte. Sie saß wieder auf dem Gras, in der Nähe der Klippe. Niemand um sie herum. Sie war allein. Die Sonne war bereits untergegangen, aber das konnte noch nicht lange her sein, da es immer noch hell war. Aurora hatte es allein aus dem Tagtraum herausgeschafft. Aber ihre Freude blieb kurz, denn gleich daraufhin fielen ihr ihre besten Freundinnen ein. Die hatten vermutlich keine Ahnung, wo sie war, und fingen sich wahrscheinlich an Sorgen zu machen.
Aurora stand auf und ging den Weg, den sie gekommen war, so schnell wie möglich zurück. Ihre Handys hatten sie beim Picknickkorb zurückgelassen, da so gut wie keine Menschen hier herumliefen und sie keine stehlen würde. Sie lief so schnell sie konnte, bis ihr etwas neben ihr auffiel. Viele Blumen waren bereits am Blühen und alle Kräuter und Pflanzen ebenfalls. Bis auf eine.
Es war ihr vorhin nicht aufgefallen, aber jetzt wo einige Blumen bereits geschlossen waren, hatte sie bessere Sicht auf die Pflanzen dazwischen. Ihre Neugier gewann und sie blieb stehen, um sich diese Pflanze kurz anzusehen. Durch die Pflanzenkunde, die ihr ihre Mutter früher gegeben hatte, erkannte sie die Pflanze; Es war Wermutkraut. Nur sah es nicht so aus, wie es aussehen sollte. Das Kraut war verdorben, nicht ausgetrocknet, sondern schlecht, krank.
Alle anderen Pflanzen darum herum waren intakt und gesund. Aurora verstand nicht. Aber sie war unter Zeitdruck und musste zurück, bevor sich die anderen ernsthaft Sorgen um sie machten. Aurora stocherte das Kraut aus und legte es vorsichtig in ihre Tasche. Sie musste etwas überprüfen, sobald sie zuhause ankommen würde.
Sie lief weiter und hoffte, dass sie noch dort ankommen würde, solange es hell war. Einige Minuten später kam sie am Picknickplatz an und fand ihre zwei besorgen Freundinnen vor. „Aurora! Dir geht es gut!“, sagte Freya und schloss sie in dir Arme. „Sag uns das nächste Mal Bescheid, wenn du wieder allein losziehst“, sagte Elenor und sah sie wütend und erleichtert zugleich an. Aurora verstand, dass die anderen froh waren, sie zu sehen, da die Beiden nicht wussten, wo sie war, aber warum machten sie so einen Aufstand? „Ich war doch nur ein paar Minuten weg“, sagte Aurora verwirrt.
„Ein paar Minuten?“, fragte Freya erschrocken. „Aurora, wir sind vor einer Stunde hier angekommen und du warst nicht da“, erklärte Elenor und sah Freya besorgt an. Sie war mehr als eine Stunde weg? „Klar“, sagte Aurora nachdenklich. „Ja, ich war nur etwas länger Richtung Meer am Spazieren. Mir geht es gut, aber ich sag auch nächstes Mal Bescheid“, antwortete sie und hoffte, dass die beiden nicht bemerkten, dass Aurora sich über sich selbst sorgte. Denn sie hätte schwören können, dass sie nur etwas mehr als eine halbe Stunde weg war.
Die Beiden sahen sie besorgt an. „Bist du sicher?“, fragte Freya, stirnrunzelnd. „Ja klar, kommt gehen wir zurück“, antwortete Aurora und zwang sich zu lächeln. „Wir haben noch eine Pyjamaparty zu feiern“, fuhr sie fort und versuchte die vorherigen Ereignisse zu vergessen.
Kapitel 4
Auf dem Heimweg scheiterte Aurora am Versuch diese Dinge zu vergessen. Seltsame Träume, Erinnerungen daran, die sie immer wieder aus der Realität ziehen, seltsame Kräuter und jetzt sogar eine Veränderung des Zeitgefühls? Sie wusste, dass das alles mit etwas Größerem zusammenhing, aber was war das nur?
Und vor allem wurde es langsam schwer diese Vorkommnisse vor ihren Freundinnen zu verschweigen. Sie vermuteten etwas und das war nicht gut.
Den ganzen Weg lang redeten die drei kein Wort. Am Brunnen trennten sie sich und vereinbarten, dass Elenor und Freya in einer halben Stunde zu Aurora kommen würden.
Sobald Aurora zuhause war, verstaute sie ihr Fahrrad, packte in der Küche die Reste des Picknicks aus, sagte ihren Eltern vom spontanen Besuch ihrer Freundinnen Bescheid und verschwand dann in ihrem Zimmer. Das Ganze machte sie langsam irre und sie brauchte eine Bestätigung, dass es nicht ihrer Fantasie entsprang.
Aurora öffnete ihren Kräuterschrank, den sie für Tinkturen und weiteres angelegt hatte, und suchte das Wermutkraut aus ihrer Schublade heraus. „Oh Mann“, sagte sie leise zu sich selbst, als sie das Kraut aus dem Wald mit dem aus ihrer Sammlung verglich. Beide waren verdorben. Doch der Rest ihrer Kräutersammlung war immer noch brauchbar, so wie sie es sein sollten.
Was hatte es damit auf sich? Was war denn besonders an diesem Kraut? Aurora versteckte die Kräuter in der Schublade und versuchte ihre Sorgen gleich mit darin zu verstecken.
Sie freute sich auf die Übernachtungsparty, vor allem, weil die Wahrscheinlichkeit, dass sie bald schlafen würden, eher gering war. Und alles, was Aurora jetzt vermeiden wollte, war allein zu sein und zu Schlafen. Träume und Flashbacks waren jetzt das Letzte, das sie gebrauchen könnte.
Aurora holte die Luftmatratzen aus dem Keller, pumpte diese auf, legte sie in ihrem Zimmer aus und ging dann in die Küche, um ein weiteres Mal Snacks und Getränke vorzubereiten.
Kurz darauf kamen Elenor und Freya, alle schmissen sich in ihre Pyjamas und hockten sich auf das Sofa, um sich plötzlichPrinzessin anzusehen.
„Wisst ihr, der Film wird einfach niemals alt“, sagte Elenor und lachte. Die anderen beiden schlossen sich ihr an. „Ich gehe schnell in die Küche, um die Chips aufzufüllen, bin gleich wieder da“, erklärte Aurora. Als sie in der Küche war und noch ein paar Früchte aufschnitt, kam Freya dazu. „Brauchst du Hilfe?“, fragte sie. Aurora schüttelte den Kopf. „Ich bin gleich fertig“, antwortete sie und widmete sich wieder den Früchten.
Freya nickte und wollte schon wieder gehen, als sie sich umdrehte und Aurora besorgt ansah. Freya hatte, wie Aurora, immer schon ein Gespür dafür gehabt, wenn es anderen Menschen nicht gut ging. Das machte es umso schwerer etwas vor ihr geheim zu halten.
„Ich weiß, dass es dir nicht gut geht. Irgendwas beschäftigt dich“, sagte Freya und sah Aurora mitfühlend an. Aurora wollte bereits zu einer weiteren Ausrede ansetzten, aber Freya kam ihr zuvor. „Du musst mir nicht sagen, was es ist. Aber ich bin immer für dich da und du kannst mir alles sagen. Wir finden schon eine Lösung“, ergänzte sie, umarmte Aurora und lief hinaus. Aurora blieb verdutzt in der Küche stehen. Solche guten Freundinnen hatte sie nicht verdient.
Den Rest des Abends lachten die drei, sahen sich nach plötzlich Prinzessin den zweiten Teil an und stopften sich mit Snacks und frischen Früchten voll.
Danach tanzten und sangen sie eine Stunde zu ABBA-Songs, bis sie dann müde in ihre Betten fielen.
Aurora war zwar hundemüde und es war auch bereits nach ein Uhr morgens, aber sie wollte nach wie vor den Schlaf vermeiden, solange es nur möglich war.
„Hey, wie wäre es mit einem Spiel?“, fragte Aurora in die Runde. „Es ist zwanzig nach eins. Ich weiß wir sind jung und sollten unsere Jugend genießen, aber ich schlafe gleich ein vor Müdigkeit. Und du solltest auch schlafen“, sagte Elenor und gähnte. „Ach kommt, wir können immer noch schlafen, wenn wir tot sind. Warum bleiben wir nicht die ganze Nacht wach und sehen uns den Sonnenaufgang an?“, fragte Aurora mit Euphorie.
Elenor und Freya starrten sie an. „Okay, okay, kein Sonnenuntergang-Ansehen also. Aber wie wäre es mit einer Kissenschlacht, Horrorgeschichten erzählen oder Fingernägel lackieren?“, schlug sie vor.
„Geht es dir gut?“, fragte Elenor und runzelte die Stirn. „Klar, ich will nur etwas Schwung in die Bude bringen, das ist alles. Wie sind jung, das Leben ist noch vor uns“, erklärte Aurora.
Sie erntete eine zweite Runde des Starrens. Die beiden wussten, dass etwas los war, schon den ganzen Tag. „Aurora, du bist diejenige, die an einem Freitagabend lieber Bücher liest als feiern zu gehen. Die lieber in die Natur geht als sich mit den anderen Dorfkindern zu treffen. Seit wann bist du diejenige, die um halb zwei am Morgen anfangen will produktiv zu werden?“, fragte Elenor misstrauisch.
Aurora gab auf. „Ihr habt ja recht. Mich beschäftigt schon seit Wochen etwas, aber ich wollte euch da nicht davon Bescheid sagen, solange ich nicht wusste, was wirklich dahintersteckt“, erklärte Aurora. „Und ich weiß es immer noch nicht, bevor ihr fragt“, ergänzte sie. Aurora atmete tief durch und die Blicke ihrer beunruhigten Freundinnen klebten an ihr.
„Seit einigen Wochen verfolgen mich Albträume. Es sind immer außergewöhnliche Plätze und Kreaturen, die mich vor irgendetwas warnen. Und es klingt ernst.“ Sie seufzte. „Aber ich weiß nicht, was ich tun soll. Diese Träume schleichen sich immer wieder in mein Bewusstsein und manchmal falle ich in diese Erinnerungen so stark zurück, dass ich mich fast in einer Trance befinde. Und es macht mir Angst“, ergänzte sie und die Beunruhigung ihrer Freundinnen verwandelte sich in Mitgefühl.
Sie sagten nichts, wechselten nur einen Blick und umarmten ihre Freundin. Es kam unerwartet, aber Aurora hatte unterschätzt, wie sehr sie es gebraucht hatte. „Wir verstehen es“, antwortete Elenor. „Es wird alles wieder gut“, sagte Freya und Aurora ließ sich in die Arme ihrer Freundinnen fallen.
Nach einer Weile des Schweigens und Umarmens, schliefen Elenor und Freya ein.
Aurora tat so, als ob sie sich ebenfalls schlafen legen würde, aber die Angst vor neuen, traumatischen Träumen verhinderte das. Sie sah von ihrem Bett aus in den Nachthimmel, an welchem tausende Sterne zu sehen waren. Aurora wandte den alten Trick an, versuchte alle Sterne, die sie kannte zu benennen und tatsächlich wurde sie dadurch in den Schlaf gezogen.
Kapitel 5
Als sie dieses Mal einschlief, zeigte sich ihr erneut ein Traum, doch nun befand sie sich an einem gewöhnlichen Strand. Was sie wunderte, denn davor strandete sie immer an den ungewöhnlichsten Orten, an welchen sie noch nie zuvor war oder die gar nicht real zu sein schienen. Die Sonne glitzerte auf dem Wasser und sie sah in die ewigen Weiten des Ozeans hinaus. Der Strand erinnerte sie an ihre Heimat. Es war definitiv kein Strand, den sie kannte, denn hinter ihr waren keine Häuser, welche eine Stadt bildeten, sondern einfach wunderschöne Hügel bedeckt mit Wäldern. Es schien ein friedlicher Ort zu sein.
Am Horizont entdeckte sie Delfine, welche um die Wette schwammen und gleich neben ihr spazierten Krebse entlang. Dieser Ort ließ sie alle Sorgen vergessen und zur Ruhe kommen.
Aber ehe sie sich versah, war der innere Frieden auch schon vergangen, denn die Sonne sah plötzlich außergewöhnlich riesig aus und sie fühlte, wie es immer wärmer wurde um sie herum und sie merkte, wie ihr der Schweiß nur so von der Stirn lief. Als sie nun doch das Verlangen hatte, hier wegzugehen und sich in die Wälder, in den Schatten zu flüchten, spürte sie plötzlich eine enorme Macht hinter sich. Es fühlte sich an, als ob sich die Energie einer Atomexplosion hinter ihr ausbreitete und sie förmlich wegdrückte, als hätte sie keine Berechtigung dort zu sein.
Dann erkannte sie, wie aus dem Nichts ein gigantisches Wesen auftauchte. Aurora rannte schneller. Es war, als würde die Kreatur aus flüssigem Gold bestehen und soeben aus dem Sonnenlicht gegossen worden sein.
Die Kreatur war ein Wirbelsturm aus Gold, Licht und Sand und ehe sie es sich versehen konnte, stand ein gewöhnlicher Mann in einem goldenen Gewand vor ihr.
Anders als erwartet, hatte sie keine Angst vor ihm, denn er stand mit einer solchen Ruhe und Gelassenheit vor ihr, dass diese sich sofort auf Aurora übertrug. Das Gesicht des Mannes sah aber alles andere als unbesorgt aus.
Bevor sie nur den Mund aufmachen konnte, um ihm etwa hundert Fragen zu stellen, sagte er, mit tiefer Stimme: „Wach auf, Aurora. Du bist unsere einzige Hoffnung. DU musst sie besänftigen oder die Welt wird im Chaos versinken.“ Aurora verstand nicht. „Was meinst du damit?“, fragte Aurora zögernd. „Meine Schwester ist der Rache verfallen, du, eine Schwester des Mondes, kannst sie aufhalten.“ Noch immer hatte sie keinen blassen Schimmer, wovon der Mann sprach. „Es tut mir leid, ich würde dir gerne helfen, aber ich glaube du redest mit der Falschen.“ Nun wurde aus dem besorgten Gesicht des Mannes, ein eher verzweifeltes Gesicht.
„Ich bin kann dir nicht mehr sagen, die Götter verbieten mir es mit den Sterblichen zu kommunizieren, doch lasse dir eins gesagt sein: Verfärbt sich der Himmel in der Farbe des Blutes, hat die Beschützerin der Jagd ihre Warnung ausgesprochen.“ Es schien, als würde die Sonne erneut grösser und kräftiger werden, nur versuchte sie nun, den Mann zu verschlingen. „Denke an meine Worte Aurora, du musst sie aufhalten!“
Und mit diesen Worten, war der Mann in einem Wirbel der Sonne verschwunden.
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Als Aurora am nächsten Morgen aufwachte, war sie überrascht, dass sie die Nacht durchgeschlafen hatte, trotz des weiteren Albtraums. Dennoch war es früh am Morgen und die Sonne war noch nicht aufgegangen. Sie war als erste wach und hatte deshalb