Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Ein Schmelztiegel an Themen eröffnet sich dem interessierten Leser in "Von Engeln und Bullis": flexible Arbeits-, Lebens- und Beziehungswelt, Umgang mit Informationen, Medien, Style, Design, Politik und Wirtschaft in einer postdemokratischen, pornographisierten Gesellschaft. Mittendrin Bron Coson, dem der Leser auf einer Art Findungstrip folgt. Anfangs wütend und wertend wandert Bron Coson in seiner Medien- und Informationsgesellschaft umher. Schnell rasend, wie die Informationsflut im globalisiert, vernetzen Internetzeitalter, hetzen der Protagonist und seine Gedanken von einem Schauplatz zum nächsten, um dabei scheinbar jegliches Gefühl von Zeit zu verlieren. Bron Coson fährt keinen ICE und kein Taxi – er fährt Straßenbahn und Fahrrad. Bron Coson ist eine Art Tyler Durden des 21. Jahrhunderts, ein Großstadtnomade. Zerrissen in Gefühlen von Wut und Mut gegenüber seiner Umgebung, begegnet er einer Generation von Bullis. Die Generation Golf ist vorbei, es lebe die Generation der Bullis: Backpackexilanten, die immer wieder heimkehren, Hippies im Geiste und Pippi Langstrumpfs. Keine Hipster, keine Hedonisten, etwas dazwischen, etwas anderes. Nicht mehr eine Generation von Golf-Fahrern, sondern deren Nachfolger: Antimaterialistisch, aber doch in den Zwängen einer Wohlfühl- und Wohlstands-, Medien- und Informationsgesellschaft gefangen – wenn man nicht gerade einen BackpackTrip nach Asien startet. Ist er auch einer dieser LarrifarriPartySafariBullis? Sind die Bullis so larrifarri? Auf seinem Trip durch seine Stadt, durch eine Gesellschaft, die geprägt ist von einer neuen digitalisierten Öffentlichkeit, einer Öffentlichkeit 3.0, versucht er sich zurechtzufinden, Stellung zu beziehen. Endlich einen Ausweg aus dem "Jein", dem Soundtrack der 90er, zu finden. Bron ist ein Synonym, ein Netznickname, ein Statthalter für alle da draußen, die sich selbst in einer verdoppelten Entität begreifen.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 147
Veröffentlichungsjahr: 2013
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
André M. Schier
Von Engeln und Bullis
ein pop-philosophischer (Selbst)Findungstrip
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Vorspiel
SOMMER
Kippenpause
HERBST
Tanzen, nur Tanzen
WINTER
Chill auf Dein Leben
FRÜHLING
Wir-Gefühl
SOMMER 2.0
Wir telefonieren später. Ja?
Impressum neobooks
Ahhhhh, es ist schon wieder Samstag und es ist schon wieder diese Bar!
An Tagen wie diesen bin ich wie ein Jung, der hüpft und springt und von Hamburg singt – denn die im Süden essen Stinktier und ich esse Lachs.
Danach geht’s mit Sack und Pack ab mit Rückenwind auf zum Tag am Meer, wo wir Picknicken.
Dann weck` ich mich endlich auf aus diesem Albtraum – wenn ich morgens in meinem oder einem anderem Bett wach werde.
Nackt.
Nicht alleine.
Der Geruch fleischlicher Lust, gepaart mit dem Duft einer berauschtversoffenvielzuvielgerauchten Nacht, erfüllt den Raum und ich lebe! Oder bin doch nur leer? Schöne Körper und Gesichter liegen da.
Nicht immer, aber oft.
Und manchmal erwache ich auch neben einem Engel – mit 17 geschah dies zum ersten Mal, dann mit 23 und dann mit 30, da schon mehr als einmal (zumindest dachte ich dies in einem ersten Anflug überschäumender Euphorie).
Zweimal war es ein Fiasko. Wie das nächste Mal wird? Wir werden´s sehen. Vielleicht ist es diesmal keine Brünette! Vielleicht bringt das ja was, an Sternzeichen liegt es nicht – das hab ich schon geklärt. Die Haarfarbe? Wer weiß, oder liegt es doch letztlich an beiden (also Personen), dass es nicht funktioniert? Ja, „es gehören immer zwei dazu!“ und ich versuche ja schon meinen Teil durch Erfahrungen dazu beizutragen, dass „es“ mal klappt. Nicht mehr zu viel zu grübeln (oder zu wenig? oder nur für sich?), mich mitzuteilen und überhaupt nicht immer so apathisch zu werden, bloß weil ein Engel in meiner Nähe ist. Aber das mit Engeln ist auch schwierig – diese Wesen sind nicht von dieser Welt, so besonders, so einzigartig, so wundervoll, und ich kann glücklich sein, ihre Aufmerksamkeit zu erregen.
Aber locker bleiben, sonst fliegen sie wieder weg!
Ich bin wieder in der großen Stadt, erwache wie gesagt nicht alleine, ui, wo bin ich? Ah, „zuhause“? Wer ist sie?
Oh ja richtig, gestern, da auf´m Platz vor der Kirche. Eigentlich nur ein paar Bier mit den Jungs waren angedacht und da waren auch andere, und auch sie. Wir hatten interessante Gesprächsthemen und ich konnte ihr offenbaren, dass auch wir Jungs Orgasmen vortäuschen und das auch nicht zu selten. Tja, da waren wir dann irgendwann alleine, sie roch an meinem Hals, ein leichtes Frühlingsgewitter setzte ein, es wurde schnell kalt, irgendwann waren wir dann bei mir, mit mehr, eigentlich allem.
Und jetzt muss ich weg.
Sie liegt da noch, aber ich muss meinem Bruder beim Umzug helfen – alte Familienbande wieder aufleben lassen, son scheiß.
Wie gern würde ich jetzt einfach mit ihr hier liegen, nen lecker Kaffee aufsetzen und den ganzen Sonntag halb verkatert, gemütlich bis wild rumvögelnd im Bett verbringen... So wie damals. Aber es ist nicht damals, heute ist auch nicht Sonntag und ich muss los!
Na gut! Du bleib hier liegen, wir telefonieren später. Ja?
Nun, es ist nicht Sonntag, sondern Samstag oder Freitag oder wann auch immer.
Ich stolpere aus meiner Haustür, also der Tür meiner WG in den Flur. Falle fast die Treppe runter beim Versuch, einigermaßen gesittet eben diese hinunterzuschreiten.
Dann raus ins Freie!
Ui, frische Luft is super, aber die Sonne brennt fies im Gesicht und vor allem in den Augen. Zum Glück gibt es ja Sonnenbrillen. Nun ab zur Bahn mit dem Fahrrad. Der Weg ist sonst zu weit. Ich wage es, trotz meines, gelinde gesagt, angeschlagenen Zustand.
Schlangenlinienfahrend erreiche ich ohne größere Zwischenfälle die Station.
Nun sitze ich in der Bahn zu meinem Bruder und blicke auf das, was umher passiert:
War einige Zeit nicht hier und sehe nun vieles anders, vieles verändert.
Vielleicht auch nur wegen meines Alters vieles anders und abgeklärter?
Naja, ich bin ein 80er Baby und 80er Kind,
ein 90er Teenie, der hüpft und der springt,
2001er rastlos und depressiv,
um als 2012er endlich klar zu kommen.
Orientierungslosigkeit ist Scheiße!
Orientierungslos bin ich seit über 30 Jahren. Planlos in die Welt geworfen. Planlos ins Bildungssystem rein geschubst. Planlos wieder da heraus ent- und auf die Welt losgelassen, tappere ich umher.
Nach einem katastrophalen Abschluss meiner Ausbildung hatte ich mich ins Ausland abgesetzt. Bloß weg von hier, weg von allen, weg von ihr. Doch irgendetwas hat mich wieder hierhin gezogen.
ER ist Tod.
Sie wollten, dass ich wieder komme. Und schwupps bin ich wieder da.
Und nun?
Ja, jetzt sitze ich total verstrahlt, übernächtigt und ausgevögelt in der mir nur zu vertrauten Straßenbahn meiner geliebten „quasi“ Heimatstadt. Der eigentlich schönsten Stadt Deutschlands, nur so viele wissen es nicht. Berlin, Hamburg, München werden hochgelobt. Hamburg ist ja noch ok, aber Köln, Köln wird immer belächelt. Wegen dem Klüngel, wegen dem Karneval und überhaupt.
Aber ich liebe diese Stadt. Seine Stadtteile, von den Einheimischen und „Immis“ (das sind die Zugewanderten) liebevoll Veedel genannt. Mit Kneipen, Kiosken und Gassen, so gemütlich, einladend. Aber auch der Vielfalt an jeglichen Kulturarten, FidulitätsEskalationsRäumen und natürlich dem grandiosen Rhein. In dieser Stadt fühle ich mich wohl, fühle ich mich daheim.
Diese gilt es nun zu verlassen und in meine ursprüngliche Heimat zu reisen. Also da, wo ich aufgewachsen bin, in der kleinen Welt. Einer Stadt, die außer einer scharfen Topmodel Blondine, einer zugrunde gehenden Papiermacherdynastie, einem InstantKaffepulver-Großfabrikanten und zwei Schloss-Hotels nicht sonderlich viel zu bieten hat. Hier warten jetzt die „Lieben“ auf mich. Mein Bruder zieht mit seiner Freundin zusammen, Mutter ist total paralysiert und ich soll mich mal wieder melden. Soll berichten, was so bei mir passiert.
Aber was passiert denn?
Was will ich?
In den 90er eines ewig vergangenen Jahrhunderts rühmten sich geistig-elitäre Kreise damit, dass sie auf solche Fragen gar keine Antwort haben, sondern sich der Tugend der Orientierungslosigkeit hingeben würden! Scheiße ist das!
Was ist daran toll, nicht zu wissen, was man mit meinem Leben anfangen will? Was ist daran toll, einfach nur so vor sich hin zu sein? Ist das dann überhaupt ein Sein? Ist es dann nicht eher ein Vegetieren, ein bloßes „ich bin“?
Irgendwie, irgendwo, irgendwann?
Ein Sein ohne Sinn?
Ja, ohne Sinn!
Gerne komm ich an dieser Stelle mit den „alten Griechen“ um die Ecke, und liebend gern zahl ich fünf Euro (ja Euro, die Mark ist nämlich nun mal letztlich und endlich tot – Gott hab sie selig) ins Phrasenschwein, Herr Wontorra! Vor allem der „gute alte Grieche“ Aristoteles hat´s gesagt: das höchste Ziel ist die Eudaimonia – die Glückseligkeit, der glückliche Geist, das Glück! Und danach streben alle, Glück durch Geld, Glück durch Macht, Glück durch Rausch, Glück durch Status oder ganz einfach und doch so schwer: Glück durch Liebe!
Und auch die verfickten sogenannten „Orientierungslosen“ hatten die Ausrichtung auf den Lebenszustand eines glückseligen Lebens. Glück durch Geld, oder besser Geld ausgeben. Damals 1996 oder so.
Auch da ist nix mit der Orientierungslosigkeit. Orientierungslosigkeit ist keine, keine, keine Tugend! Danke! Schluss mit dieser „königlichen“ Langeweile – Barre, Kracht, Illies, Dankeschön auf Wiedersehen – Barbourjacken und Koks sind scheiße!
Und nun?
Die sind jetzt alt und established, haben ihre Mark gemacht und was haben „wir“?
Den Euro! Na toll! Da ist es ja jetzt doppelt so schwer, Millionär zu werden und dann der ganze Gedöns mit diesen GIIPS und deren Finanzkrise (oder ist das jetzt „unsere“?). GIIPS, man könnte auch einfach sagen: Griechenland, Irland, Italien, Portugal, Spanien, aber es muss ja alles zeiteffizient verkürzt werden.
Aber bevor´s nach vorne geht, nochmal ein genauerer Blick zurück. Was war denn da los bei „uns“:
Die 68er, die alten Recken haben gegen alles rebelliert, was etabliert war. Sie haben ihre NaziOpas gehasst und ihre Papas, die Papas, die ihre NaziPapas nicht gehasst haben. Die 68er haben es gehasst, dass Frauen und Arbeiter unterdrückt wurden. Sie haben alles anders machen wollen und ein bisschen auch so gemacht.
Die 78er gab es nicht.
Die 90er, ja das waren ganz Tolle!
Die Orientierungslosen (s.o.), die aus einer Not eine Tugend machten, und vor allem junge „Literaten“ halbwegs reich, wenn sie´s nicht eh schon waren, dank Mum und Dad. Selbstgefällig, dem Hedonismus der Selbstgerechtigkeit verfallen, inszenierte sich eine Generation von Golf- und Porsche-Fahrern, an deren Spitze eine königliche Oberschicht stand, die sich in der neuen Tristesse pudelwohl fühlte, in ihre Barbourjacken mummelte, die Zigaretten bloß nicht mehr selbst drehte und nur auf eins bedacht war: Lebe! Genieße! Prasse! Und seh´ bloß zu, dass Du keine Klamotten von Aldi trägst!
Das war nach der Wende (hipp hipp hurra) und dann kam der 11.09.2001.
Da war dann Schluss mit lustig und eine neue Ernsthaftigkeit wurde inszeniert.
Die 68er waren mittlerweile an der Macht angekommen und hatten in Medien, Wirtschaft und Politik alle Positionen besetzt, um ihren ganzen Sponti- und DagegenSeinErfahrungschatz dafür einzusetzen, alle Formen des organisierten Protestes zu kanalisieren, mit Konsumgelüsten zu übertünchen und alles in einen Tran zu tauchen, der gesellschaftliche Teilhabe eindümpelte.
Und jetzt? Die 68ers und die 90ers haben sich zusammengetan und die „Generation Doof“, „-Facebook“, „-Porno“ oder wie auch immer, ist einer dieser AblenkungsEindümmpelVersuche!
Ein alter Mann hat gesagt: „Empört euch!“ und Gott verdammt, ich empöre mich!
Was ist mit den 00er Kindern?
Die „00er“! Klingt wie diese WC-Ente damals in der Werbung in den guten alten 90ern.
Aber im Ernst, was ist mit der neuen Kohorte der, sagen wir mal von 1978 bis 1988 Geborenen? Was zeichnet „uns“ aus? Was wollen „wir“? „Wir“ werden gefordert und es heißt, „wir“ sind doof, oder werden „wir“ doof gemacht?
Die Spiegelbestsellerliste strotzt vor gehaltlosem Firlefanz und einzig diskursantreibend sind die platten, zugespitzten, pseudoempirischen Phrasen und Polemiken eines schielenden Ex-Bankenvorstands, digitalen Feuchtgebieten, erschütternden Seelenstrips ehemaliger First Ladys oder den atemberaubenden Autobiographien von 23-jährigen Popsternchen.
Das kann´s doch bitte nicht sein!
Dann empör ich mich halt, mal gucken, ob es überhaupt wer wahrnimmt. Und über mich kann man sich bitte auch empören! Aber so weichgespült geht’s nun auch nicht weiter.
Weiter geht’s hier in der Bahn auch gerade nicht. Ein Auto hat sich mal gedacht: Ach! Wenn ich schon von meinem Fahrer hier, mitten auf dieser riesengroßen Kreuzung, mitten auf die Schienen gefahren werde, obwohl es an der Ampel einen enormen Rückstau gibt, dann geh´ ich doch genau in dem Moment einfach mal aus, wenn er eigentlich weiterfahren will und blockiere so einfach mal den kompletten Verkehr. Die Straßenbahn war nämlich schon ein wenig losgefahren, die anderen Autos setzen sich auch in Bewegung, als dieses eine böse Ding stehen bleibt. Und jetzt passiert erstmal gar nix mehr.
Na toll! Ich hasse es zu spät kommen und jetzt hänge ich bei dieser unglaublichen Hitze (es ist erst halb zehn, aber wir haben jetzt schon wieder gefühlte 45 Grad in diesem Backofen) und strahlendem Sonnenschein in der Bahn fest. Natürlich werden die Türen auch nicht aufgemacht, ist ja zu gefährlich, hier mitten auf der Kreuzung, mit den ganzen Autos und so. Tja, und so fangen die Leute an sich zu empören. Toll. Über sowas empört man sich, aber über grundlegende Sachen nicht. Super!
Da muss ICH nicht mitmachen, ICH bleib entspannt und widme mich den wichtigen Dingen des Lebens.
Was machen also die 00er?
Wer sind die 00er? Oder besser die 10er? Ja, die 10er?
Die Bulli-Fahrer, die keinen Bock mehr auf das etepetete Wohlstandsstatussymbolgehabe haben, aber dennoch Geld brauchen, haben müssen in einem System, das alles möglich macht, aber eben nur durch Geld.
Noch nicht mal mehr Macht wollen die, aber Geld brauchen die!
Was wollen die dann?
Freiheit? Freiheit!
Selbstverwirklichung? Selbstverwirklichung!
Man will Freiheit?
Kostet!
Man will Selbstverwirklichung?
Kostet!
Wie gesagt, das liebe Geld ist so enorm wichtig. Es nimmt einen unglaublichen Stellenwert im Leben dieser Bulli-Fahrer ein.
Die Frage nach dem Wert beschäftigt diese Menschen enorm.
Es gab da mal so ne Debatte über Werte: Materialistisch, PostMaterialistisch, NeoIrgendwie (so Liberal, oder doch Materialistisch, oder Konservativ).
Da konnte man sich nicht drauf einigen.
Es hieß nur, irgendwie ist alles zu Ende, die Geschichte, der „Westen“.
Aber es geht nie irgendwas zu Ende. Aber es geht nie etwas zu Ende, es geht immer weiter und weiter.
Und so stehen die Leute heute da. Und bei all dem Überall und Nirgendwo sein wollen sie doch nur mit ihren Bullis durch die Gegend fahren oder mit ihren Füßen überall rumschlendern und dem sauteuren OutdoorSchnickSchnack irgendwas machen.
Draußen zu Hause sein. Frei sein. Nur um immer wieder unfrei zu sein, die Unfreiheit nie gänzlich abzulegen. Denn Freiheit und Individualität muss man sich erkaufen, VERDIENEN. Und das kommt nun mal vom „Dienen“ und „Dienen“ heißt nicht frei sein.
Irgendwie ist die Masse, die Gesellschaft also zerfasert. Man ist mal hier ein bisschen, dann mal dort, aber nie auf eins fokussiert.
Aber dennoch hat die „Masse“ Eigentümlichkeiten, Gemeinsamkeiten. Frei sein wollen, sich selbst ausleben wollen, aber dennoch, neben dem ganzen freien, individualistischen, eigentümlichen doch nicht allein sein. Sondern mit wem, im Bett, auf´m Brett, in Gedanken, in Erscheinung und so weiter.
Und da vernetzt man sich, man findet sich, tauscht sich aus, verknüpft sich.
Und da gibt’s dann den KA rl, die Mitch Bitch, die Dani E La´s, oder doch nur Carola Steffens, Bastian Schulte oder wie sie alle in ihrem echten Leben heißen. Tyler Durdans, die in der kunterbunten Wunderwelt der Netzkommunikation ein pseudonym- oder auch nicht-haftes Leben führen, sich austauschen, vernetzen, kommunizieren, präsentieren, beteiligen (oh, auch sogar politisch) und mit einer Urgewalt an Informationen konfrontiert werden!
Und alldem begegnet man – ist beschäftigt. Mit sich, mit den anderem, mit der Suche nach Ablenkung, anstatt sich aufzulehnen. Dann doch wieder AB! ABlehnen, ABlenken, ABhauen.
AB nach „Hause“ geht’s jetzt auch endlich. Die Kreuzungs-Situation ist gelöst und die Bahn setzt sich wieder in Bewegung. Endlich komme ich meinem Ziel (leider) näher. Vielleicht schaffe ich es echt, heute noch bei meinem Bruder AN zu kommen, nachdem ich ABgehauen war. Also da bin ich dann gleich da, nur um dann möglichst schnell wieder ABdampfen zu können.
Aber ich war beim „Wir“.
„Wir“ haben also so einiges, was „uns“ beschäftigt!
Dieses „Wir“!
Ein Pseudonym für ein PseudoGemeinschaftsgefühl?
Ich ertappe mich dabei, verfalle immer wieder in diesen Automatismus, diesen Trieb, alles mit „WIR“ zu titulieren.
Aber was ist „Wir“?
Pärchen, die ihre Individualität aufgeben und zu einem WirSchatzBärchenKollektiv verschmelzen?
„Wir“, die „wir“ ja in einer WG wohnen, Nachbarn sind. Alles immer, um uns von den anderen abzugrenzen?
Macht das Sinn?
Was haben „Wir“?
„Wir“ haben Medien und Musik.
Super deutsche Bands, Stefan Raab, Lena – na gut, die ist für alle da, aber die ist klasse, die könnt ich eigentlich mal fragen, ob „wir“ in Gottes Halmack Becher (dieser netten Kneipe da in diesem einen Veedel) mal ein Bier trinken gehen und ne Runde kickern, aber nur wenn der Stefan den Bild Futzies mit Haue droht, dass „wir“ in Ruhe bleiben können, ohne Fotos und so – will ja schließlich dann doch eventuell meine ExExExEx Freundin zurück, obwohl... ne, das hab ich ordentlich verkackt und ich glaub, die denkt immer noch, ich wär ein psychopathischer Stalker geworden. Aber das nur am Rande.
„Wir“ haben scripted Docus, Hartz IV- und Richter-TV, Dekoschauen, GartenHeimwerkerExzesse, Menschen lassen sich vor laufenden Kameras die Schädelknochen zertrümmern und mit Saugrüsseln in ihre Bauchdecke stechen, um endlich bekannt beachtet und schöööööön zu sein.
„Wir“ haben LCD 3D Fernseher und Bluray für zu Hause und HD und FullHD. Wer checkt das noch alles?
„Wir“ haben gute Filme, „wir“ haben schlechte Filme.
Tarantino und Rodriguez – geil! Gewalt und Kunst. Emmerich und Cameron mit ihrem Blockbuster Geballer, die immer mehr, immer bombastischer daher kommen, aber jetzt irgendwie in eine Absatzkrise geraten sind.
Wo sind Filme wie Dirty Dancing? Also Teil 1, nicht dieser Nachfolge Scheiß! Teil 1, der durch Handlung und zeitlos schöne Musik überzeugen konnte. Alle Filme, sogar megablockbusterteuere ActionSpecialEffectFilme versuchen sogar mittlerweile Anspruch zu haben, siehe Inception, die neuen Batmans usw.
Es geht letztlich aber eh darum, noch mehr Geld zu verdienen. Da, schon wieder das mit dem Geld!
SuperheldenComicverfilmungen sind der letzte Renner und jeder Schrott wird in 3D gefilmt digitalisiert. Worin liegt eigentlich der sinnhafte Unterschied zwischen 3D und real3D? Sind die denn alle bescheuert? Nur um einem 15,00 Euro für ne Kinokarte abnehmen zu können?! Versucht mal nen Film nicht mehr in 3D zu gucken. Letztens kam ich aus der ganz gelungenen Fortsetzung dieses Meilenstein-Disney-Computertraums. Mir war ganz schwindelig und schlecht, weil ich nach dem ganzen blinken, flimmern, fliegen und überhaupt 3D sein mit dem echten realreal 4D gar nicht mehr klar kam – schlimm war das!
„Wir“ haben Events – jedes SportMusikOderSonstwasEreignis wird zum Massenzirkus gehyped – so etwa die Hochzeit von William und Kate. Da gab es sogar mediale Aufrufe zum Rudelgucken – und es gab dann auch Massen, die sich zu eben einem solchen zusammentrafen!
Warum wird denn jeder Scheiß zu einem kollektiven Massenevent hochstilisiert – Public Viewing, Mallorca, Fußballstadien. Immer wieder Events, zum Vertreiben von dieser ganzen „freien“ Zeit.
„Wir“ haben Musik!
Da nix grundlegendes Neues kommt, werden verschiedene Stile gemixt, jeder hat seins. Indie und Rock sind groß und Elektro und Schlager und alles zusammen irgendwie.
Das Sampeln fing in den 80er so richtig an, Mode zu werden. Heute in der schönen, neuen, digitalen 10er Welt ist alles gemixt:
Tausende von Seiten haben kluge oder so in etwa, pseudokluge, Menschen geschrieben, was es alles für Popgenres so gibt. Wo das herkommt, wo das hingeht, was das mit uns macht. Die Popper, die Beater, die Punker, die Rocker. Heute ist alles immer noch da, nur jeder nimmt sich aus dem Bausatzkasten, was er wie gerne hätte und mixt fleißig vor sich hin und für sich rum. Da ist das dann auch egal, wenn man schon 50 Jahre alt ist, aber trotzdem noch Bock auf Indie hat.