Von Kopf bis Fuß – Weil man manchmal erst Umwege gehen muss, um bei sich selber anzukommen - Jana Huhn - E-Book

Von Kopf bis Fuß – Weil man manchmal erst Umwege gehen muss, um bei sich selber anzukommen E-Book

Jana Huhn

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Beschreibung

Jana Huhn ist mit ihrem Account @vonkopfbisfuss_ eine erfolgreiche deutsche Instagrammerin. In ihrem Buch stellt sie sich radikal offen die Fragen, die uns alle beschäftigen: Bin ich glücklich, und mit wem will ich glücklich sein? Wofür brenne ich? Wie führe ich mein Leben? Sie erzählt von ihren persönlichen Wendepunkten und von ihrer Reise zur Selbstliebe. Einfühlsam gibt sie mit ihrer Geschichte allen Leser*innen mit auf den Weg: Es ist in Ordnung, ganz man selbst zu sein, von Kopf bis Fuß und mit allen Ecken und Kanten.

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EPUB
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Seitenzahl: 187

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Zum Buch

Jana Huhn ist mit ihrem Account @vonkopfbisfuss_ eine erfolgreiche deutsche Instagrammerin. In ihrem Buch stellt sie sich radikal offen die Fragen, die uns alle beschäftigen: Bin ich glücklich, und mit wem will ich glücklich sein? Wofür brenne ich? Wie führe ich mein Leben? Sie erzählt von ihren persönlichen Wendepunkten und von ihrer Reise zur Selbstliebe. Einfühlsam gibt sie mit ihrer Geschichte allen Leser*innen mit auf den Weg: Es ist in Ordnung, ganz man selbst zu sein, von Kopf bis Fuß und mit allen Ecken und Kanten.

Zur Autorin

Jana Huhn betreibt seit 2011 ihren Instagram-Blog @vonkopfbisfuss_. Sie ist Krankenschwester, Kolumnistin und Mutter eines Sohnes. Auf ihrem Account beschäftigt sie sich mit den kleinen und großen Krisen des Alltags, mit Selbstliebe und Veränderung. Sie lässt über 100.000 Follower*innen an ihrem Leben teilhaben und inspiriert ihre Community mit ihrem besonderen Gespür für Interior und Styling, mit ihrer einnehmenden Offenheit und ihrem ganz eigenen Blick aufs Leben.

Jana Huhn

Von Kopf bis Fuß

Weil man manchmal erst Umwege gehen muss, um bei sich selber anzukommen

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Zitatnachweis

Olivia Wenzel, 1000 Serpentinen Angst. © S. Fischer Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2020.

Copyright © 2022 by Diana Verlag in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Janine Malz

Umschlaggestaltung: Favoritbuero GbR, München

Umschlagmotiv: © Jaqui Dresen @jaquidanslanuit

Innenteilfotos: Jaqui Dresen @jaquidanslanuit: Fotos 6 und 10, restliche Fotos: Jana Huhn

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-641-26769-8V001www.diana-verlag.de

Das Ding mit dem Erwachsenwerden ist, dass man eigentlich gar nicht so genau weiß, wie es wirklich geht.

Wie schön, dass du mein Buch in den Händen hältst.Dieses Buch habe ich aus tiefstem Herzen geschrieben für:

Dich.Mich.Und alle anderen, die es gerade brauchen.

Inhalt

1. Vorwort

2. Das bisschen Leben

Vom Alleinsein und unsichtbaren Mänteln

Erste Hürden, neue Chancen

Mach das, was du liebst

Die K-Frage

3. Selbstliebe

Ein Begriff, viele Missverständnisse

Was Selbstliebe für mich bedeutet

Hinter der Fassade

(K)ein Leben für Instagram

Warum wir Dinge loslassen müssen

Therapie

Die Last der Eltern tragen

Sei gnädiger mit dir

Grauer Schleier

Heilung

4. Liebe

Von Schmerz, großem Glück und dem, was bleibt

Nie wieder toxische Beziehungen

Mut, zu scheitern

Über die Angst, neu zu lieben

Ein Reminder an mich selbst

Wenn es schwerfällt zu vertrauen

Schmetterlinge

Über die Liebe

5. Freundschaft

Nachricht von M.

Was Freundschaft für mich bedeutet

6. Epilog

Worte an dich

Mamas Worte

7. Herzenstexte

Danke

Bildteil

1 Vorwort

Wenn du dieses Buch liest, solltest du wissen, dass ich es während der Corona-Pandemie geschrieben habe. Eine Zeit, in der vieles passiert ist. Eine Zeit, in der vieles anders gekommen ist als geplant. Eine Zeit meines persönlichen Umbruchs.

Seit Monaten hadern wir mit der Zukunft, die so sicher schien, und nun gerät alles ins Wanken. Das Leben, das vorher so atemlos wie selbstverständlich war, gibt es nicht mehr, und wir erleben eine Zeit voller Unsicherheiten. Eine Zeit voller Wehmut, Ängste, Hoffnungen, Träume und der Sehnsucht nach ein wenig Normalität. Oder der Sehnsucht nach dem, was noch nicht war und plötzlich entdeckt werden will.

Doch irgendwo zwischen Hoffnung und Lähmung keimt sie, die kleine, große Chance. Eine Chance der Veränderung. In jeder Hinsicht. In einer Zeit, die so unberechenbar scheint, bekommen wir die Chance, uns neu zu sortieren.

Die Chance, mal ganz tief in uns hineinzuhorchen.

. . .

Wenn wir wollen. Und wenn wir können.

. . .

Fragen, die wir uns vorher so nicht gestellt hätten, tauchen plötzlich auf der Bildfläche auf. Bin ich glücklich? Was macht mich glücklich, was nicht, und mit wem will ich glücklich sein? Wo liegen meine persönlichen Grenzen, und wie kann ich sie meinem Umfeld mitteilen, ohne jemanden vor den Kopf zu stoßen? Wie führe ich das Leben, das ich mir wünsche? Wie mache ich Platz für Neues, ohne das Alte aufzugeben, und wie komme ich durchs Leben, ohne durchzudrehen?

Das sind nur einige der Fragen, die ich mir gestellt habe und immer noch stelle. Das Leben ist ein ständiger Lernprozess, und egal wie sehr wir glauben, alles schon zu kennen oder durchlebt zu haben, lernen wir immer wieder neu dazu. Tag für Tag. So auch ich. Ich bin im ewigen Prozess mit mir selbst.

In diesem Buch werdet ihr übers Scheitern lesen, über gute und schlechte Zeiten und was mir geholfen hat, meine eigene Mitte zu finden. Oder, besser gesagt, wie ich immer wieder von Neuem nach ihr suche.

In diesem Buch möchte ich über meine wichtigsten Stationen der Vergangenheit sowie der letzten Jahre reden. Über Dinge, die mich schon sehr lange begleiten, die ich aber jetzt erst angefangen habe, zu reflektieren und aufzuarbeiten. Hier findet ihr Geschichten von damals und von heute. Geschichten von kurzen und langwierigen Prozessen, und wie ich stets versuche, mich und das Leben besser zu verstehen.

. . .

Dieses Buch schreibe ich vor allem für mich selbst, um all das festzuhalten, was mich geprägt, verändert und fast zur Verzweiflung getrieben hat. Dieses Buch schreibe ich aber auch für dich, um dir zu zeigen, dass du mit deinen Gefühlen, Empfindungen, Erfahrungen, all deinen unschönen und schönen Momenten nicht alleine bist. Ich sehe dich. Ich verstehe dich. Ich höre dich. Ich frage mich manchmal, ob es noch ein Buch braucht, in dem jemand über verschiedene Stationen, die Höhen und Tiefen seines Lebens redet. Aber die Antwort lautet JA, da ich glaube, Nein weiß, dass es nicht genug Bücher geben kann, durch die man sich gehört, gesehen und verstanden fühlt, egal wovon sie handeln. Wir brauchen es schwarz auf weiß, dass es Menschen da draußen gibt, die die gleichen Probleme haben wie wir selbst, damit wir uns weniger verloren fühlen.

. . .

Das Buch möchte ich mit einem Text beginnen, den ich 2019 schrieb und der aus heutiger Sicht für mich aktueller ist als je zuvor:

. . .

Du musst nicht unbedingt den kürzesten Rock anziehen und den tiefsten Ausschnitt tragen, damit dich Männer wahrnehmen. Es ist o. k., nicht zu wissen, was du beruflich machen willst und wohin der Wind dich weht, manchmal braucht es Jahre, bis du deinen Platz findest. Es ist nicht nötig, Dinge zu erfinden, nur damit dich Menschen mögen, die du eigentlich gar nicht magst. Das ist nicht clever, sondern wirft dich einfach nur zurück. Du musst nicht die unbequemste Unterwäsche anziehen, in der du dich unwohl fühlst, nur weil es angeblich so heiß aussieht, auch Schiesser Feinripp kann sexy sein. Du musst im Bett nicht Dinge mit dir machen lassen, auf die du keinen Bock hast, nur weil es in Pornos gut aussehen mag. Gut fühlt sich anders an. Du musst nicht jedes Wochenende durch die Clubs ziehen, obwohl du einfach nur zu Hause bleiben willst, auch zu Hause ist’s ganz schön. Es ist absolut o. k., keinen Bock auf Sex zu haben, manchmal hat man keine Lust, und manchmal braucht es einfach nur Zeit. Du musst nicht jedem Arsch alles hinterhertragen, und wenn du jeden Montag mit Bauchschmerzen auf die Arbeit gehst, dann ist es Zeit, zu gehen – JETZT. Wenn dich etwas stört, dann rede. Wenn du unglücklich bist, dann versuche, etwas zu ändern. Wenn du dich ausprobieren willst, dann tue es, und wenn du etwas wirklich willst, dann kämpfe. Wenn es Hürden gibt, über die du klettern musst, dann klettere, gib nicht auf und mach dich nicht klein, auch wenn man dich am Boden sehen will. Wenn du etwas zu sagen hast, dann sag es, wähle deine Worte aber weise. Beiß die Zähne zusammen, wenn’s hart wird, erfinde dich neu, wenn du es willst, höre dir Meinungen an, auch wenn du sie nicht teilst, und wenn sich etwas ergibt, worauf du lange gewartet hast, dann zögere nicht. Lerne, nach links zu gehen, während andere nach rechts gehen, und stecke den Kopf nicht in den Sand, auch wenn’s mal wieder nicht klappt. In vielen Dingen hätte ich dir gerne damals weitergeholfen, liebe Jana, aber es sind keine Fehler, die du gemacht hast, sondern Erfahrungen, und sie haben dich dahin geführt, wo du jetzt bist. Ich bin gespannt auf das, was da noch kommt. Auf die nächsten Jahre. Auf die Erfahrungen. Aufs Leben. Auf dich. Auf uns.

Cheers.

2 Das bisschen Leben

Vom Alleinsein und unsichtbaren Mänteln

Wenn man im Internet nach dem Begriff des Alleinseins sucht, dann kommen meist Vorschläge wie: Verlassenheit, Isoliertheit oder Einsamkeit.

Aber ist das wirklich so?

. . .

Bedeutet alleine zu sein, niemanden zu haben?

Bedeutet alleine zu sein Einsamkeit?

. . .

Ich kann euch sagen, Alleinsein hat nichts damit zu tun, dass man sich einsam und alleine fühlt, sondern damit, dass man die Chance nutzt, seinen inneren Akku aufzuladen. Nur für sich selbst. Ohne Stress. Ohne Druck. Mit viel Zeit. Mit viel Ruhe und vor allem: ganz für sich alleine. Seit einigen Jahren zelebriere ich das Alleinsein für mich ohne Reue und Scham, auch wenn das bedeutet, Treffen abzusagen, wenn ich einfach nichts mehr aufnehmen kann. Aber dass ich das darf, kann und vielleicht sogar muss, das akzeptierte ich erst nach einigen Anläufen. Dass ich das darf, musste ich erst lernen. Ich akzeptierte erst, dass das Alleinsein eine Art mentaler Rettungsanker sein kann, als ich wusste, dass ich hochsensibel bin. Eine Person, die eine gesteigerte Sinneswahrnehmung hat und viel mehr fühlt, wahrnimmt und verarbeitet als vielleicht manch andere*r. Schon immer konnte ich mich gut in andere Menschen hineinfühlen und bemerkte Veränderungen in ihrem Wesen, ohne dass irgendjemand es laut aussprach. Ich sah es an den Gesten, der Mimik, dem Verhalten, und selbst wenn ich nicht sofort wusste, was passieren wird, hat sich meine Vorahnung wenig später meist bewahrheitet.

Es ist Fluch und Segen zugleich.

Ein Fluch, weil ich nicht aufhören kann, zu denken und zu fühlen.

Ein Fluch, weil meine feinen Sensoren jeden Tag auf Hochtouren arbeiten und es mir manchmal nahezu körperliche Schmerzen bereitet, weil ich die Stopptaste nicht betätigen kann.

. . .

Ich fühle zu viel. Und das pausenlos.

. . .

Ein Fluch, da ich selbst bei unausgesprochenen Dingen meist schon weiß, was passieren wird, oder mir auch mal grundlos den Kopf zerbreche über Dinge, die nie eintreten werden.

Ein Fluch, weil ich manchmal Angst habe, an meinem Zuviel an Gefühlen zu zerbrechen.

Ein Fluch, weil ich mich dadurch Menschen nicht nähern kann, die ich eigentlich sehr mag.

. . .

Aber es ist auch ein Segen, weil ich so emphatisch und sensibel sein kann, wie es nur geht, seit ich weiß, dass ich nicht verrückt bin und auf meine Wahrnehmung vertrauen darf.

Ein Segen, weil ich auf mich selbst hören und mich vor negativen Dingen schützen kann, wie schlechten Einflüssen, Menschen, Gefühlen oder Geschehnissen. Ich kann mich und andere besser schützen, da ich mein Umfeld sogar unterbewusst so genau beobachte und analysiere, dass ich Zusammenhänge schneller begreife.

Ein Segen, weil ich nicht mehr das Bedürfnis habe, überall dabei sein oder die Lauteste sein zu müssen, um eine Stimme zu haben. Ich habe eine Stimme, nur tief in mir drin. Aber das anzunehmen, daraus zu lernen und daran zu wachsen, das ist schwer und braucht Geduld mit sich selbst sowie Zeit.

Hochsensibilität ist bis heute noch nicht komplett erforscht, und eigentlich weiß man noch recht wenig über dieses Phänomen der gesteigerten Sinnesempfindung. Was man aber weiß oder annimmt, ist, dass es wahrscheinlich sogar vererbbar ist und weitergegeben werden kann. Was man außerdem weiß, ist, dass diese Art der Empfindung nicht abtrainiert werden kann, man trägt diese Veranlagung in sich. Was dem Thalamus, einem wichtigen Teil unseres Zwischenhirns, zu verdanken ist. Dieser Teil ist dafür verantwortlich, dass das Gehirn von hypersensiblen Menschen die Reize, die es aufnimmt, als noch wichtiger einstuft als ohnehin schon.

Auch haben sich bisher nur wenige Psycholog*innen mit diesem Thema intensiv befasst, was sich allerdings mit steigendem Interesse an den Themen Achtsamkeit, Mental Health und Selbstliebe ändern dürfte. Denn in Zeiten, in denen sich unsere Generation verstärkt auf Social Media herumtreibt und sich unser Leben nahezu nur noch auf TikTok oder Instagram abspielt, sehnen wir uns gleichzeitig nach dem wirklichen Sinn des Lebens. Wir sehnen uns nach:

. . .

Uns selbst. Und nach Entschleunigung.

. . .

Eine Herausforderung, das kann die Hochsensibilität auch sein, bringt sie doch Folgendes mit sich:

Gesteigertes HarmoniebedürfnisPerfektionismusSchwierigkeiten mit starren StrukturenIntensives Erleben von Kunst und MusikStarke innere WahrnehmungVielschichtige GedankengängeStarke Beeinflussbarkeit durch Gefühle und Empfindungen anderer MenschenHohe BegeisterungsfähigkeitDetailreichere Wahrnehmung von Licht, Geräuschen, Gerüchen und/oder MenschenSchwierigkeiten mit Leistungsdruck und StressAusgeprägten GerechtigkeitssinnGroße EmpathieGutes EinfühlungsvermögenHohe Eigenverantwortung & den Wunsch nach UnabhängigkeitDetaillierte Selbstreflexion & langen emotionalen Nachklang von erlebten Situationen und Ereignissen

. . .

All diese Stichpunkte können, müssen aber nicht Symptome der Hochsensibilität sein, denn sie sind individuell und jede*r hat andere Triggerpunkte.

Vor vielen Jahren entdeckte ich meinen eigenen Triggerpunkt durch Zufall, als ich merkte, dass es mir enorm Stress verursachte, wenn ich mit Menschen zusammen war. Und dabei war es ganz egal ob es meine Freund*innen waren, Bekannte oder völlig Fremde. Ich bin zwar ein Mensch, dem es ungeheuer leichtfällt, mit Fremden Small Talk zu halten. Aber nur weil ich weiß, dass dies nur von kurzer Dauer ist und danach jede*r seines/ihres Weges geht. Anders bei meinen Freund*innen. Früher fiel es mir ziemlich leicht, Freundschaften zu pflegen, doch mit der Zeit und mit dem Älterwerden änderte sich dies. Irgendwann konnte ich keine Nähe mehr ertragen, und jede Unternehmung wurde mir zu viel. Verabredungen, Unterhaltungen, Chats und Telefonate fielen mir irgendwann total schwer, und in mir wuchs ein großer Fluchtreflex, wenn ich an all das dachte. Innerlich bekam ich regelrecht Panik und Schweißausbrüche, wenn ein Treffen bevorstand, und ich war nicht mehr in der Lage, Anrufe anzunehmen oder Termine einzuhalten, obwohl sie schon lange geplant waren. Innerlich hoffte ich immer mehr, dass jemand all diese Treffen absagen würde. In mir wuchs der Wunsch nach dem Alleinsein und Zeit für mich, anstatt die Zeit mit Menschen zu verbringen, die ich mochte. Gleichzeitig fühlte ich mich undankbar, weil ich so dachte, und schämte mich dafür, weil das doch nicht normal sein konnte. Denn immerhin ist es ja normal, soziale Kontakte adäquat zu pflegen.

Und so hörte ich noch eine ganze Zeit lang auf das, was man wohl so macht, anstatt auf das zu hören, was für mich und meinen Körper das Richtige war. Ich quälte mich durch überfüllte Clubs, Partys und Treffen, obwohl tief in mir drin alles nur nach Pause schrie. Eine ganze Zeit lang ging das gut, auch wenn es mich innerlich zerriss. Doch irgendwann stand ich inmitten des Lärms und des Gedränges, und alles ringsum wurde plötzlich ganz leise, oder es wurde unerträglich. Mein Körper fing an zu jucken, und mich überkam das Gefühl, erdrückt zu werden. Erdrückt von all den Sinnesreizen um mich herum. Mir wurde klar: Ich muss raus hier.

Und so rannte ich ohne Kommentar und ohne mich umzudrehen aus der Gefahrenzone, um wieder atmen zu können. Am meisten im Gedächtnis blieben mir die Momente, wenn ich aus dem stickigen, heißen Club in die klirrend kalte Nachtluft des Winters trat. Draußen war es recht ruhig, weil nur die wenigsten zum Rauchen hinausgingen, und meist war ich alleine mit den leer gefegten Straßen und dem Laternenlicht. Oft zog ich nicht mal mehr eine Jacke an, weil ich die Kälte spüren musste, um herunterzukommen. Und ich genoss es in vollen Zügen. Nur die Stille und ich. Weit weg schienen all der Trubel und all die Menschen, durch die ich mich unwohl fühlte.

Immer wenn ich dann zu Hause ankam, empfand ich nichts als Erleichterung, und meist öffnete ich mein Dachfenster, durch das ich die ganze Stadt bei Nacht sehen konnte, zündete mir eine Zigarette an und fühlte mich endlich wieder frei.

Eine ganze Zeit lang versuchte ich dennoch alles, um die Fassade aufrechtzuerhalten, weil es mir irgendwie peinlich war, vor meinen Freund*innen zuzugeben, dass ich mich nicht mehr regelmäßig treffen oder melden konnte, weil es für mich zu viel Druck bedeutete. Ich hatte Angst, ihnen zu erklären, dass nicht sie das Problem sind, sondern dass mich die vielen Kontakte und Termine einfach überfordern und ich die Zeit mit mir alleine brauche, um meinen inneren Akku wieder aufzuladen, damit ich ihnen beim nächsten Mal meine volle Aufmerksamkeit widmen kann. Aber war das normal? War ich normal? Ich sollte doch froh darüber sein, so viele Freund*innen zu haben, wieso stellte ich mich eigentlich so an?

Irgendwann konnte ich nicht mehr, und da es immer häufiger zu Streitigkeiten und Missverständnissen kam, versuchte ich zu erklären, wie ich mich fühlte. Oft hörte ich dann das Argument, dass ich doch so offen und kommunikativ sei, geradezu extrovertiert, und man nie von mir gedacht hätte, dass ich insgeheim so sensibel, ruhig und verhalten sein könnte. Doch genau das ist ja der Trugschluss. Menschen werden manchmal in bestimmte Schubladen gesteckt, weil sie durch gewisse Aspekte in die eine oder die andere Kategorie zu passen scheinen. Extrovertierte Menschen können gleichzeitig leise, verängstigt und unsicher sein, auch wenn man es ihnen auf den ersten Blick nicht ansieht, und genau dasselbe gilt auch für vermeintlich introvertierte Menschen, die als eher ruhig und zurückgezogen gelten, diese Merkmale aber nicht immer erfüllen.

Die verschiedenen Gespräche damals mit meinen Freund*innen bezüglich meines Wunsches nach mehr Alleinsein haben mir gezeigt, dass nicht alle Menschen bereit dazu sind, zu versuchen, mich zu verstehen oder zu akzeptieren, dass es nicht an ihnen liegt, sondern an meiner Reizüberflutung und dass ich nicht anders kann, als Treffen abzusagen. So lange, bis ich mich wieder aufnahmefähig fühle. Es wäre natürlich auch falsch von mir, zu glauben, dass jede*r Verständnis für meine Situation oder mein Wesen aufbringen kann, denn die Welt dreht sich weiter, sie bleibt nicht wegen mir stehen. Was vielleicht manchmal fehlt, ist der offene Diskurs über Gefühle oder die Weitsicht, dass es verschiedene Freundschafts- und Kommunikationsmodelle und vor allem unterschiedliche Persönlichkeiten und Charakterzüge gibt. Es ist gar nicht so leicht, Menschen zu finden, die das alles akzeptieren, die bereit sind, sich darauf einzulassen, oder die all das genauso empfinden wie man selbst.

Diese Gespräche zu führen tat auf der einen Seite weh, weil ich dadurch Menschen verlor, mit denen ich schöne Zeiten gehabt hatte, aber ich habe die Angst davor abgelegt, so zu sein, wie ich bin, und das auch zu kommunizieren. Vielleicht hat man dann ein paar gute Seelen weniger in seinem Leben, aber am Ende bleiben die zurück, vor denen man sich nicht verstellen muss. Mittlerweile rede ich offen darüber, dass ich mir nichts Schöneres vorstellen kann, als zu Hause zu sitzen, meinetwegen auch jeden Abend, anstatt mich ständig mit Freund*innen oder Kolleg*innen zu verabreden, weil ich die Zeit nutzen kann, um meine Akkus nach einem anstrengenden Tag aufzuladen. Sei es mit einem Glas Wein, der Lieblingsserie, einem guten Essen, einem guten Buch, dem Kuscheln auf der Couch mit dem Lieblingsmenschen oder einfach, indem man rein gar nichts tut, außer sich selbst zu spüren. Heute gehe ich ganz offen damit um, dass ich mir immer noch kurz vor einer Verabredung wünsche, dass sie abgesagt wird, und es ist erstaunlich, wie viele es gibt, die spätestens da zugeben, dasselbe zu denken, aber selber nie den ersten Schritt wagen würden, aus Angst, verurteilt zu werden.

Aber wenn ich nach all den Jahren der Suche, der (Um-)Wege, der Missverständnisse und der schließlichen Erkenntnis eines gelernt habe, dann Folgendes:

. . .

Dass das Abstecken der eigenen Grenzen nicht bedeutet, dass dir die Bedürfnisse anderer nicht wichtig sind, sondern dass du nicht mehr alles dafür geben musst, um so zu sein, wie man dich haben will. Kenne und erkenne deinen eigenen Wert, deine Grenzen, deine Bedürfnisse, deine Rettungsanker und handle danach. Nur weil du auch mal Nein sagst, bist du kein*e Egoist*in. Und noch etwas habe ich gelernt. Dass Alleinsein nicht bedeutet, dass du niemanden hast oder einsam bist. Ganz im Gegenteil. Durch das Alleinsein mit sich selbst kann man dort seine Batterien aufladen, wo andere vorher Energie abgezapft haben.

Alleinsein, das ist eine Art Schutzmantel. Ein Unsichtbarkeitsmantel. Und den dürfen wir uns jederzeit ohne schlechtes Gewissen überstreifen, wenn wir denken, dass uns die Welt da draußen zu viel wird.

Erste Hürden, neue Chancen

Es ist echt erstaunlich, wie unser Körper manchmal schon lange vor uns merkt, was gut für uns ist, bevor wir auch nur den Hauch einer Ahnung davon haben. Es ist schon merkwürdig, wie empfänglich unsere feinen Antennen sind, wenn wir neuen Situationen ausgesetzt werden, und wie lange es manchmal braucht, bis das in unser Bewusstsein vordringt. Kennt ihr selbst auch diese Momente, in denen ihr eigentlich tief in euch spürt, dass sich euer Körper gegen eine bestimmte Sache wehrt, ihr es aber ignoriert? Kennt ihr das Gefühl, dass ihr euch fehl am Platz fühlt, aber immer die Hoffnung habt, dass sich das ändert, wenn ihr nur durchhaltet? So ging es mir auch, als ich nach meiner Absage beim Juwelier eine Ausbildung in der Versicherungsbranche anfing. Eigentlich wollte ich diesen Job nie machen und habe mich auch nie darin gesehen, aber meine Eltern wünschten es sich damals so sehr, und nach meiner katastrophalen Schulzeit wollte ich sie vor allem stolz und glücklich machen.

Ich spürte schnell, dass das hier nicht mein Weg sein konnte, aber ich hatte immer im Hinterkopf, durchzuhalten. Wenn ich die Zähne nur zusammenbeißen würde, würde ich schon ans Ziel kommen. Außerdem konnte ich doch nicht schon wieder auf mein Bauchgefühl hören und etwas aufgeben, das noch gar nicht richtig angefangen hatte.

Mit Anfang zwanzig sollte ich doch so langsam mal im Leben ankommen, schließlich konnten andere das ja auch. Doch je mehr ich mich bemühte, mein Bauchgefühl Woche für Woche zu ignorieren, desto schlimmer wurden die Tage auf der Arbeit. Je mehr ich versuchte, meine ständigen Zweifel, Grübelattacken und Bauchschmerzen jeden Sonntagabend zu ignorieren, desto frustrierter wurde ich. Gefühlt schickte mir selbst das Universum kleine Zeichen, um mir zu sagen, dass ich wohl noch immer nicht das Richtige für mich gefunden hatte.