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Lebendig begraben. Um aus dem Gefängnis zu fliehen, lässt sich ein Bankräuber beerdigen – zwei Meter tief unter der Erde wartet er auf Rettung. Auf einem Flug von Paris nach Deutschland trifft ein Geschäftsreisender auf den geheimnisvollen Magnus – mit fatalen Folgen. Ein verlassenes DDR-Forschungsgelände soll einem Paintball-Areal weichen. Ein Bauarbeiter macht dort eine erstaunliche Entdeckung. 2022 – ein deutscher Polizist bildet sich bei der spanischen Grenzpolizei weiter. Doch die hat recht eigenwillige Methoden. Unter der Sonne Afrikas macht der Sklavenjäger Walid blutige Beute – doch unter seinen Gefangenen befindet sich auch ein Junge mit anklagenden Augen. Mit Illustrationen von Ariane Hessenius Außerdem erschienen: Band 1: Von dunklen Seelen - Fünf abgründige Kurzgeschichten Band 2: Von heimtückischen Morden - Fünf niederträchtige Kurzgeschichten Band 4: Von tragischer Liebe - Fünf herzzerreißende Kurzgeschichten Pr
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Seitenzahl: 53
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Christian Grohganz
Von verlorenen Orten
Fünf verhängnisvolle Kurzgeschichten
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Kapitel 1
Künstlerin dieser Ausgabe
Impressum neobooks
Christian Grohganz
Von verlorenen Orten
Fünf verhängnisvolle Kurzgeschichten
Illustrationen: Ariane Hessenius
Copyright (c) Christian Grohganz und Ariane Hessenius
Alle deutschen Rechte vorbehalten
Inhaltsverzeichnis
Zwei Meter
One Flight down
Perfekte Schwärze
Die Säulen des Herakles
Highway to Nyamlell
Künstlerin dieser Ausgabe
Zwei Meter
Tock. Tock. Die frisch ausgehobene Erde fiel auf den massiven Eichenholzdeckel. Tock. Tock. Tock. Ich atmete tief ein, der Geruch von Moder, Holz und abgestandener Luft kroch in meine Nase. Ich roch das tote Fleisch des leblosen Körpers neben mir, und obwohl ich mich für abgebrüht hielt, überkam mich Ekel. Aber nur für einen kurzen Moment.
„Schon ironisch", hörte ich dumpf die Stimme des Leichengräbers zu mir herunterhallen. „Was?", fragte ein anderer.
„Dass er es nicht mehr dort rausgeschafft hat?"
„Jedem so, wie er es verdient.“
Meine Hände hatten kaum Platz, aber ich schaffte es, sie an der Leiche vorbei auf meinen Mund zu legen und mit aller Kraft gegen meine Lippen zu pressen. Ich wollte lachen – aber musste es mir verkneifen. Nur noch wenige Minuten, dann hatten sie ihr Handwerk getan. Ich wurde lebendig begraben, 2 Meter tief im Erdboden – und fühlte mich wie der glücklichste Mensch der Welt.
In der absoluten Dunkelheit wird Zeit zu einem fließenden Fluss. Ich kann nicht sagen, wie lange es gedauert hat, aber irgendwann drangen keine Geräusche mehr an meine Ohren. Totenstille.
„Jetzt sind wir zwei alleine“, flüsterte ich und fühlte mich so ausgelassen wie seit Jahren nicht mehr. Die Bilder meiner Vergangenheit erschienen auf dem Sargdeckel, als wäre ein Beamer in meinem Kopf.
In der Rechten eine Pistole, meine linke Hand öffnet die Glastür der Bank. Robert schreit, dass sich keiner bewegen soll, ich packe eine Kundin – eine blonde Frau mittleren Alters - an den Haaren und zerre sie zu Boden. In der Bank riecht es nach Reinigungsmittel. Der Boden ist noch feucht, eine kleine mollige Putzfrau – offensichtlich asiatischer Abstammung – klammert sich an ihren Schrubber. Robert wirft die grüne Adidas-Sporttasche über den Schalter, eine verstörte junge Frau mit sorgsam hochgesteckten Haaren sieht zu einem älteren Mann hinüber. Der faucht Robert wütend an, dass die Polizei bereits auf dem Weg sei. Mein Komplize jagt ihm zwei Schüsse in den Brustkorb. Die Leute in der Bank geraten in Panik, die Frau neben mir springt auf und schreit hysterisch. Reflexartig schlage ich zu. Der Pistolengriff hinterlässt eine hässliche Wunde auf ihrem Hinterkopf. Im Prozess würde ein Arzt aussagen, dass mein Schlag eine Schädelfraktur verursacht hatte und sie zu einem Pflegefall machte. Ich sehe Robert nach, der eine prall gefüllte Tasche in der Hand hält. Einige Scheine fliegen wie Herbstblätter auf den feuchten Boden, als wir nach draußen rennen. Die Luft riecht nach Erlösung und Freiheit. Während wir zum Auto sprinten, blockiert auf einmal ein herannahender Streifenwagen unseren Weg. Robert schießt, wartet erst gar nicht darauf, dass das Fahrzeug zum Stillstand kommt. Blut spritzt auf die Innenseite der durchschossenen Scheibe. Der zweite Bulle steigt aus, zielt auf Robert und beide schießen. Wie ein Patt beim Schach – beide sind getroffen. Ich überlege nicht lange, greife mir die Tasche. Robert gurgelt, versucht zu sprechen. Ruft mir hinterher, dass ich ihn nicht zurücklassen soll – aber da sehe ich mich schon in den Wagen steigen.
Ich hatte keine Zeit das Geld nachzuzählen. Es mussten ungefähr 30.000 Euro gewesen sein, die ich unter einer alten Linde - nicht weit von meinem Elternhaus - vergrub. Meine Oma hatte mir im Sommer immer Märchen darunter vorgelesen. Ich brauchte das Geld für ihre Operation. Mir fiel
auf, dass wir beide in derselben Erde, auf dem gleichen Friedhof lagen.
Ich wünschte mir in diesem Augenblick eine Uhr. Etwas, an dem ich mich festhalten konnte – abgesehen von dem hopsgegangenen Kumpel neben mir. Ein Gedanke erschien wie ein Gespenst in meinem Schädel: was, wenn mir die Luft ausgehen würde? Sofort schlug mein Herz schneller, ich fühlte mich auf einmal so beengt, dass meine Fingernägel gegen das Holz kratzen wollten.
„Ganz ruhig!“, flüsterte ich. „Alles in Ordnung! Wir haben einen Vertrag geschlossen.“
Ich sehe den faltigen kleinen Mann vor mir, der einen teuren schwarzen Anzug trägt, aber Trauerränder unter den Fingernägeln hat.
„Sie waren doch in den Nachrichten zu sehen, oder?“
„Wer hier nicht?“, antwortete ich und spucke auf den Schneeboden.
Wir warten im Innenhof des Knasts neben der Leiche des alten Charly – ein 76-Jähriger, der seine Tochter 30 Jahre als Sexsklavin hielt und der beim Hofgang einen Herzinfarkt erlitten hatte.
„Armer Teufel“, sagt der Bestatter. „Ich habe auch schon einen Bypass.“
„Erzählen sie das jemandem, den es interessiert!“
Ich wurde eingeteilt, die Leiche in den Sarg zu heben. Meine Finger sind blau, mir ist kalt. Ich will wieder in meine Zelle zurück.
„Das Geschäft mit dem Tod hat mein Leben ruiniert, wissen sie?“, sagt er und bietet mir eine Zigarette an.
Ich knurre und fingere mit meinen tauben Fingern eine Kippe aus der Schachtel.
„Wenn man zu viel mit den Toten beschäftigt ist, vernachlässigt man die Lebenden.“
Er gab mir Feuer und zündete sich selbst eine an.
„Meine Frau hat immer gesagt, ich soll nicht qualmen. Nicht so viel Zeit mit der Arbeit verbringen. Heute interessiert sich niemand mehr für mich.“
„Hören Sie, es interessiert mich wirklich einen feuchten Dreck, was sie da erzählen. Ich stehe hier, weil ich neulich verschlafen habe und ...“
„Was haben sie mit dem Geld gemacht?“
„Was für Geld?“
„Tun sie nicht so. Die Beute vom Bankraub!“
Ich will ihm drohen, dass ich ihn mit einem Schlag gleich zu seinem Kunden dort auf den Boden schicken werde, als er plötzlich sagt: „Ich kann sie hier rausholen!“
„Ach?“ Erstmal anhören, was er zu sagen hat.
„Ich weiß, dass sie erst in zehn Jahren hier rauskommen. Und ich habe da ein Mädchen kennengelernt. Sie ist Prostituierte, kommt aus der Ukraine. 15.000 Euro und wir könnten in ihre Heimat fahren. Mit dem Geld kann man dort leben wie ein König. Ich will meine letzten Tage genießen ...“