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Nach dem brutalen Mord an ihrer Schwester und deren Familie flieht Sunny zu ihrem im Verborgenen lebenden Volk. Verfolgt von einer Organisation, die sich selbst als "Der Orden" bezeichnet, muss sie einem Fremden vertrauen, der sie und ihren Großvater in letzter Sekunde vor einem feindlichen Agenten rettet. Gemeinsam erreichen sie ihr Volk, das sich die "Gemeinschaft" nennt und sich und seine übersinnlichen Kräfte vor der Welt verbirgt. Doch auch dort sind sie keineswegs jedem willkommen und der feindliche Agent gibt ebenfalls nicht so schnell auf. Sunny und ihr Begleiter stellen sich einigen Gefahren, um ihre Familien und ihr Volk zu beschützen. Werden sie es schaffen oder wird es keine Zukunft für sie und die Gemeinschaft geben?
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Seitenzahl: 709
Veröffentlichungsjahr: 2025
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© 2025 novum publishing gmbh
Rathausgasse 73, A-7311 Neckenmarkt
ISBN Printausgabe: 978-3-7116-0358-6
ISBN e-book: 978-3-7116-0359-3
Lektorat: BA
Umschlagabbildungen: Roman Egorov, Mopic, Arkadii Ivanchenko | Dreamstime.com
Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh
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Für Mama
Der kurze, aber heftige Herbstregen endete genauso plötzlich, wie er begonnen hatte. Einige Tropfen fielen durch das lichte Blätterdach der Birke, unter der die junge Frau nur mäßigen Schutz vor der Nässe gefunden hatte. Auf dem Boden angekommen, mischten sie sich mit den stummen Tränen, die ihr trauriges Gesicht herunterliefen. Von der kleinen Anhöhe aus, auf der ihr dürftiger Unterstand wuchs, hatte sie die kleine Schar von Regenschirmen beobachtet, die sich ca. fünfzig Meter entfernt versammelt hatte und die nun langsam begann, sich aufzulösen. Zögerlich kämpfte sich die Sonne durch die Wolken und sandte einige Strahlen wie einen letzten Gruß auf die Trauernden, welche einer nach dem anderen das offene Grab verließen. Nur der alte Mann blieb zurück, als der Pfarrer sich mit ein paar tröstenden Worten verabschiedet hatte. Der Alte hatte ihn gar nicht wahrgenommen, sein Blick war stoisch auf die drei Särge gerichtet, die nun darauf warteten, von Erde bedeckt und unter Blumen und Kränzen verborgen zu werden. Er hatte auf einen Schirm verzichtet, daher klebte seine Kleidung jetzt nass und kalt an seiner Haut. Die junge Frau fasste Mut und schritt zaghaft auf den triefenden Mann zu.
Ihr Puls schlug nervös in ihren Venen und sie versuchte, den Kloß in ihrem Hals hinunterzuschlucken, als sie sich bis auf wenige Schritte genähert hatte. „Verschwinde! Du hast hier nichts zu suchen!“ Erschrocken über die schroffen Worte hielt sie kurz inne, dann trat sie entschlossen neben den Alten an das Grab heran. „Sie waren auch meine Familie, Großvater!“„Oh nein, das waren sie nicht, du hast dich gegen uns entschieden, als du dich zu den Freaks bekannt hast. Damals hast du aufgehört, dieser Familie, meiner Familie, anzugehören.“ Seinen Blick auf die Särge gerichtet, ballte er die Fäuste und sagte: „Ich bin sicher, dass ihr daran schuld seid, nur wegen deiner Sippe sind sie umgebracht worden!“ Die Frau ging an ihm vorbei und betrachtete das Bild auf dem hinter der Grube aufgestellten Kreuz. Die kleine Familie darauf sah glücklich aus, so wie sie ihr im Gedächtnis geblieben war, als sie die drei das letzte Mal besucht hatte. Sie erinnerte sich, das Foto selbst aufgenommen zu haben. Nathaniels erster Zahn, den er auf dem Bild lachend zeigte, war der Anlass gewesen. „Dawn hat das nicht so gesehen, sie wusste, dass keine Entscheidung uns trennen konnte. Wir waren Schwestern!“„Und jetzt ist sie tot!“ Der Alte schrie die Frau an und scheuchte dadurch ein paar Vögel auf, die in einem Busch vor dem Regen Zuflucht gefunden hatten. Ohne ein weiteres Wort wandte er sich ab und ließ sie stehen. Gebrochen schlurfte er davon, vorbei an den Särgen seiner Familie. Die junge Frau blieb mit ihrer Trauer allein zurück.Sie hatte so gehofft, ihrer beider Schmerz gemeinsam etwas lindern zu können, aber ihr Großvater war dazu nicht bereit. Er gab ihr die Schuld, und das konnte sie ihm nicht verdenken. Er hatte das alles schon einmal durchmachen müssen, als er vor achtzehn Jahren seine Frau und seine Tochter ebenfalls durch ein Verbrechen verlor. Wahrscheinlich hat er Recht damit, das konnte kein Zufall sein. Aber wie hatten die Leute, die damals ihre Mutter und Großmutter töteten, Dawn und ihre kleine Familie finden können. Achtzehn Jahre! Achtzehn Jahre waren sie untergetaucht. Wie hat man sie gefunden? Erst als der Regen erneut einsetzte, verließ sie die drei Särge, um schnell den Parkplatz zu erreichen und nach Hause zu fahren.Der Mann war ihr schon aufgefallen, als sie vor allen anderen Trauergästen am Friedhof angekommen war. Er mochte Mitte dreißig sein und hatte ein gepflegtes Äußeres, also kein Paparazzi. Wie ein Polizist sah er auch nicht aus, trotzdem vermutete sie, dass er irgendwie in ihre Geschichte involviert war. Diese Annahme bestätigte sich, als er auf sie zutrat. „Entschuldigen Sie, Miss Donavan, könnte isch Sie einen moman sprechen?“ Argwöhnisch betrachtete sie den Mann. „Woher kennen Sie meinen Namen? Sind Sie von der Polizei?“ Der französische Akzent sagte ihr zwar, dass er sicher kein Deutscher war, doch was sagte sowas heutzutage schon aus. Er lächelte sie entwaffnend an und antwortete: „Nischt im eigentlichen Sinne.“ Sunny fand sein ‚nischt‘ sexy und betrachtete ihn genauer. Seine blauen Augen wirkten durch die Lachfältchen sehr freundlich und die gebräunte Haut ließ sie besonders leuchten. Die vollen Lippen schienen zum Küssen gemacht zu sein und verliehen ihm zusammen mit seinem kantigen Kinn ein sehr attraktives Äußeres. „Nun, was sind Sie dann? Ein Privatdetektiv? Ich kann Ihnen nichts sagen, was nicht alle Welt schon aus der Presse weiß.“„Nun, da bin isch anderer ’offnung. Mein Name ist Gérald Beloc und isch bin von Interpol. Sehen Sie!“ Er hielt ihr eine Marke unter die Nase, die sie kaum beachtete. Welcher Normalbürger wusste schon, wie ein echter Ausweis einer Behörde aussieht, mit der er in der Regel niemals in Kontakt kam. „So, so, und wie sind Sie auf mich gekommen? Ich habe mit der Sache doch gar nichts zu tun.“„Oh, isch denke, sie ’aben eine Menge mit der Sach’ zu tun. Isch frage misch, warum die ’iesige Polisei nischts von der Schwester eines der Opfer weiß oder diese sisch nischt zu erkennen gibt, um bei den Ermittlungen zu ’elfen.“Alarmiert starrte sie ihn an. „Woher wissen Sie das und wieso interessiert sich eine internationale Behörde für diesen Fall?“ Es hatte wieder angefangen, stärker zu regnen. Gérald öffnete seinen Schirm und bot ihn ihr an. „Wollen wir das nischt an einem etwas trockenerem Ort besprechen? Wie wäre es mit der Lobby meines ’otels?“ Er deutete auf seinen Wagen. „Sie glauben doch nicht ernsthaft, ich steige mit einem Wildfremden in ein Auto, nach allem, was meiner Familie gerade passiert ist?“ Energisch schlug Sunny den Weg zu ihrem Auto ein. Er folgte ihr langsam. „Es gibt noch mehr solcher Fälle, wissen Sie, überall auf die Welt. Isch verfolge Morde in ganz Europa und Amerika. ’ierbei ’andelt es sich nischt um Einzelfälle! Das sind gesielte Anschläge. Isch vermute schon lange eine Organisation da’inter.“ Sunny verlangsamte ihre Schritte. Er holte auf. „Wenn isch Recht ’abe, sind auch Sie in Gefahr. Diese Leute löschen immer ganze Familien aus. Dabei sind sie sehr gründlich und wenn isch sie finden konnte, können die das wahrscheinlich auch.“ Am Wagen angekommen, drehte sie sich zu dem Mann um, der sie nun eingeholt hatte. „Sie glauben also, mich beschützen zu müssen? Wieso haben Sie der Polizei dann nichts von alledem erzählt? Arbeiten Sie denn nicht zusammen?“ Er trat näher an sie heran, um sie mit seinem Schirm vor dem stärker werdenden Regen zu schützen. „Um ehrlisch zu sein, ’abe ich damit aufgehört, die suständigen Behörden su informieren, seit mir aufgefallen ist, dass isch dadurch immer be’indert wurde und meine Gegner stets einen Schritt voraus su sein scheinen.“ Sunny starrte Gérald an. „Diese ominöse Organisation hat also die Polizei unterwandert? Wollen Sie das damit sagen?“„Isch sage gar nischts, ich beobachte nur.“ Die junge Frau wurde sich seiner Nähe bewusst und trat einen Schritt zurück, ohne ihn aus den Augen zu lassen. „Aha, und bei diesen Beobachtungen sind Sie auf mich gestoßen?“„In der Tat. Isch ’abe den Tatort nach anderen Kriterien durchsucht als die deutschen Kollegen. Isch bin gut in dem, was isch tue.“ Das glaubte sie ihm aufs Wort. Wenn er ihr etwas hätte antun wollen, gab es bereits mehr als eine Gelegenheit dazu. Sicherlich konnte er mit der Waffe sehr gut umgehen, die sie in dem Holster unter seinem Mantel bemerkt hatte. „Also gut, Sie erzählen mir mehr von ihren Beobachtungen und ich sehe dann, ob ich irgendetwas dazu beitragen kann. Aber machen Sie sich keine großen Hoffnungen. Ich weiß nämlich gar nichts. Welches Hotel?“
Sie hatten verabredet, sich am Abend in seinem Hotel zu treffen. Auf dem Heimweg dachte sie über seine Worte nach. Géralds Vermutungen trafen zu, das wusste sie. Sie hatte es schon als Kind schmerzlich erfahren müssen, als sie Mutter und Großmutter verloren hatte. Diese Leute, von denen Gérald vermutete, dass sie ganze Familien auslöschen, existierten tatsächlich. Ihr Großvater war damals mit seinen beiden Enkeltöchtern untergetaucht, um ihnen zu entgehen. Es hatte achtzehn Jahre funktioniert. Was war passiert? Wie hatten die sie nach all den Jahren aufspüren können? Konnte sie Gérald trauen? Was wusste er über die Familien, die im Fokus dieser mordenden Organisation standen? Ahnte er, dass es sich um ganz besondere Menschen handelt? Aufgewühlt durch die Ereignisse des Tages wurde der Schmerz wieder gegenwärtig, den der Tod ihrer Schwester verursachte. Auch der Vorwurf ihres Großvaters traf sie hart. Sie hätte doch nie zugelassen, dass irgendetwas Dawns Sicherheit gefährdete. Ihre Gedanken kehrten zu der Nacht zurück, in der das Grauenvolle geschehen war, als sie mitten in der Nacht schreiend erwachte und nur eine große Leere in sich fand. Die Verbindung, die sie zu ihrer Schwester hatte, dieses einzigartige Band existierte nicht mehr, sie konnte Dawn nicht mehr spüren. In Panik fuhr sie sofort zur Wohnung der kleinen Familie. Was sie dort vorfand, verfolgte sie jetzt Tag und Nacht. Jemand war in die Wohnung eingedrungen und hatte alles durchwühlt. Im Schlafzimmer wurden ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Dawn lag in einer Blutlache auf dem Bett und starrte mit toten Augen zur Decke. Entsetzt sah sie sich nach ihrem Ehemann Daniel um, konnte ihn aber nicht finden. Dann griff eine Eiseskälte nach ihrem Herzen und sie lief ins Kinderzimmer. Das Bild, das sie dort vorfand, ließ sie beinahe den Verstand verlieren. Ihr Schwager hatte wohl versucht, sein Kind zu schützen, doch gegen den Gegner keine Chance gehabt. Er lag mit durchschnittener Kehle vor dem Kinderbettchen, das Gesicht zu einer ungläubigen Fratze verzehrt. Der kleine Nathaniel lag tot auf ihm. Ein Stich ins Herz hatte sein kurzes Leben genauso brutal beendet wie das seiner Mutter. Sunny hatte nichts mehr tun können oder dürfen. Es gab noch weitere Familienmitglieder, die es zu schützen galt, sie durfte sich nicht mit den Geschehnissen in Verbindung bringen lassen, auch ihr eigenes Leben war in Gefahr. Deshalb stellte sie sicher, dass keine Spuren von ihr zu finden waren, und verschwand aus dem Haus, ohne bemerkt zu werden.
Sie musste einen Fehler begangen haben, sonst hätte dieser Gérald sie niemals finden können. Das war eine der Fragen, die sie dem Mann stellen wollte, denn das beunruhigte sie sehr. Auch die Begegnung mit ihrem Großvater quälte sie. Es war die erste seit fünf Jahren. Das Bedauern, über die Trennung von dem Mann, der ihr und Dawn Vater und Mutter ersetzte, seit sie zwölf Jahre alt war, überwältigte sie und sie begann, schluchzend zu weinen, um wenig später in einen unruhigen Schlaf zu fallen. Sie träumte von ihrer Mutter. Doch das Einzige, an das sie sich davon erinnerte, als sie drei Stunden später erwachte, war die mahnende Stimme ihrer Mutter: „Gib acht, du bist in Gefahr!“„Ach Mom, das ist doch nichts Neues.“ Seufzend stand sie auf, um ihren Kleiderschrank zu durchstöbern. Was sollte sie nur anziehen? Sportlich, leger? Nein, so konnte sie nicht in das Hotel! Das kleine Schwarze? Auf gar keinen Fall! Das war schließlich kein Date. Business? Ja, wenn sie so was hätte. Am Ende fiel die Entscheidung auf eine elegante Jeans, eine weiße Bluse, Turnschuhe und den grauen Kurzmantel. Während sie sich die Zähne putzte, fragte sie sich, wie sie es am besten anstellte, dem Mann Informationen zu entlocken, ohne etwas preisgeben zu müssen, was irgendwie mit ihrer Familie zu tun hatte. Sie hatte geschworen, die Geheimnisse zu bewahren, diesen Schwur nahm sie sehr ernst. Sunny dachte an Gérald. Er war scheinbar sehr nett und obendrein auffallend attraktiv. Wann hatte sich das letzte Mal ein Mann für sie interessiert? „Du dumme Kuh!“, schalte sie sich selbst „Der interessiert sich nicht für dich, sondern für die Morde! Das ist auch alles, was dich zu interessieren hat!“ Trotzdem wurde sie sich wieder einmal der Einsamkeit bewusst, in der sie lebte. Jetzt noch mehr, da sie keine Dawn und keinen Nathaniel mehr hatte. Sofort stiegen ihr die Tränen in die Augen. Sie hatte die beiden so sehr geliebt und ihr grausamer Tod schnürte ihr das Herz zu. Welches Monster brachte es fertig, einen Einjährigen zu töten? Warum? Warum mussten die drei sterben?
Die Lobby war menschenleer. Nur Gérald saß etwas abseits auf einem Sofa und studierte offenbar interessiert eine Zeitung. Sunny fiel auf, dass er sich nicht umgezogen hatte. Er trug dieselben Sachen wie auf dem Friedhof. Trotzdem sah er aus wie aus dem Ei gepellt. Ein gutaussehender Mann, dachte sie. Dann bemerkte er sie und sprang auf, um sie mit einem Handschlag zu begrüßen. „Isch ´atte schon befürchtet, dass Sie misch versetzen. Ihr Deutschen seid doch sonst so für eure Pünktlischkeit bekannt.“ Gallant half er ihr aus dem Mantel. „Bitte setzen Sie sisch!“
„Tja, um ehrlich zu sein, habe ich mit dem Gedanken gespielt, aber ich bin sicher, dann hätten Sie es bei mir zu Hause versucht und ich habe sehr neugierige Nachbarn.“ Gérald nickte grinsend. „Berufskrankheit, isch lasse misch nischt abwimmeln. Was machen Sie beruflich?“ Sunny sah in seine wachen, blauen Augen, die sie unschuldig anblickten, und zog skeptisch eine Augenbraue hoch. „Spielen Sie keine Spielchen, Sie haben sich doch im Vorfeld genauestens über mich informiert. Sagen Sie einfach, was Sie von mir wollen!“ Der Mann hob beschwichtigend seine Hände und entgegnete schmunzelnd: „Alles klar, isch sehe schon, Ihnen kann isch nischts vormachen. Isch will nur verstehen, warum Ihre Schwester ins Visier einer Organisation geraten ist, die auf ganze Familien Jagd macht. Familien, die alle einen, sagen wir mal, ungewöhnlichen ’intergrund ’aben.“ Sunny wurde hellhörig. „Oha“, dachte sie, „da kommen wir also sofort in schwieriges Fahrwasser.“ Laut meinte sie: „Ich verstehe nicht ganz, was soll das bedeuten? Ungewöhnlicher Hintergrund? Meine Schwester lebte ein normales Leben, mit durchschnittlichem Job, einem liebevollen Ehemann in einer unauffälligen Wohnung. Sie waren engagiert, aber nicht abgehoben, ein wenig spießig, aber überall beliebt. Ganz normale Bürger eben.“ Gérald wurde ernst. „Und genau das nehme isch Ihnen nischt ab. Diese Leute nehmen keine Normalos aufs Korn! Jeder, der von ihnen sur Strecke gebracht wurde, ’atte Verbindungen zu Personen, die nischt gerade das gutbürgerliche Durchschnittsleben führen, das ihre Schwester angeblich lebte. Sie fallen da schon eher in das Beuteschema dieser Organisation.“Die junge Frau zwang sich, ruhig zu bleiben. „Für wen oder was halten Sie mich denn Gérald? Was könnte mich denn so interessant machen für ‚die‘?“ Gérald lehnte sich zurück und strich eine Strähne seines blonden Haares aus der Stirn. „Sagen Sie es mir! Was ist das für ein Laden, den Sie führen?“„Ich verkaufe keine Drogen, wenn Sie darauf hinauswollen, und ich habe auch keine Kontakte zur Drogenszene oder irgendwelchen Kriminellen. In meinem Laden kauft man Tee und Kräuter, Duftkerzen und so manchen spirituell angehauchten Krimskrams. Nichts weiter.“„Sie sind also keine ’exe?“ Das war direkt! Darauf war sie nicht gefasst. „Wie bitte?“„Sie wissen schon! Jemand, der irgendwelche Pülverchen und Tränke anrührt und seine Mitmenschen beeinflusst. Rituale im Mondschein und die Anbetung irgendwelcher obskurer, finsterer Gestalten?“ Sunny hatte sich schnell von ihrer Überraschung erholt und entgegnete schmunzelnd: „Sie haben den Tanz um den Blocksberg und die nächtlichen Ausritte auf dem Besen vergessen, obwohl wir heutzutage lieber einen Vorwerk-Staubsauger nehmen, akkubetrieben versteht sich.“ Gérald lehnte sich leicht zurück und blickte sie eine Weile lächelnd an. „Isch meine das völlig ernst, Miss Donavan, isch ’abe in den letzten fünf Jahren Dinge gesehen, die sisch nischt mit rationalen Argumenten erklären lassen. Dinge, die in keinem offiziellen Bericht auftauchen dürfen, weil man sonst Gefahr läuft, seinen Job zu verlieren oder in eine Anstalt eingewiesen zu werden. Dinge, die einem nachts den Schlaf rauben. Ja, wenn Sie so wollen, bin isch ein Gläubiger. Die Wahrheit ist irgendwo da draußen.“ Sunny hob beschwichtigend die Hände. „Immer schön langsam, Mr. Mulder! Ich glaube Ihnen, dass sich in Ihrem Beruf überall Abgründe auftun, und sicher gibt es genug Menschen, die sich in okkulte Welten flüchten, aber Sie glauben doch nicht ernsthaft an Hexerei?“„Doch! Das tue isch und diese Leute, ’inter denen isch ’er bin, tun das auch. Da draußen findet eine Jagd statt! Eine Jagd auf Menschen mit besonderen Fähigkeiten. Isch ’abe Opfer aus allen Gesellschaftskreisen, arm wie reisch, jung wie alt, schwarz, weiß oder sonstiger ’autfarbe, Frauen, Männer, Kinder. Alle ’aben nur eines gemein: Verbindungen zu Gruppierungen mit okkultem oder, wenn Sie so wollen, magischem ’intergrund. Isch bin es leid, immer zu Tatorten und Opfern gerufen zu werden, um festzustellen, dass jemand sie, wie auch immer, ausfindig gemacht und allesamt ermordet ’at. Sie, Miss Donavan sind etwas Besonderes. Das erste Mal ’abe isch ein Mitglied so einer Familie vor mir, das noch lebt. Isch werde diese Chance nischt verstreichen lassen und susehen, wie jemand Sie tötet. Dieses Mal werden die nischt gewinnen!“Die Frau hatte ihn seinen emotionalen Vortrag beenden lassen, stand dann aber auf und meinte bedauernd: „Ich denke, ich verstehe Ihre Frustration, aber ich kann nur wiederholen, weder ich und ganz bestimmt nicht meine Schwester haben etwas mit irgendeinem Hokuspokus zu tun. Ich lasse gern meine Kunden in dem Glauben, der Laden habe etwas Mystisches, aber das sind reine Verkaufsstrategien. Es tut mir leid, aber ich denke nicht, dass ich Ihnen in irgendeiner Weise behilflich sein kann. Ich wünsche ihnen viel Erfolg bei Ihrer Suche, aber bitte lassen Sie mich in Zukunft damit zufrieden.“ Gérald erhob sich ebenfalls. „Das kann isch nischt, isch weiß, dass isch einer großen Sach’ auf der Spur bin, isch werde jetzt nischt aufgeben.“ Sunny ging um ihn herum. „Leben Sie wohl, Mr. Beloc!“ Dann verließ sie das Hotel. Er machte keine Anstalten, ihr zu folgen.
Es wäre schön gewesen, hätte sie ihm trauen können, doch in ihrer Familie lernte man noch vor dem Laufen, dass man niemandem vertrauen durfte. Sunny saß eine Minute hinter dem Lenkrad ihres alten Käfers und sammelte sich. Dann fuhr sie los. Heute wollte sie versuchen, etwas länger zu schlafen, obwohl sie die Angst vor ihren stets gleichen Albträumen nicht abschütteln konnte, die sie seit Dawns Tod jede Nacht heimsuchten. Gérald hatte schon Recht. Wenn er sie finden konnte, können die es wahrscheinlich auch. Sie war ganz in Gedanken über das, was er alles gesagt hatte, als ihr Telefon klingelte. „Samantha“ leuchtete im Display auf. Ihre einzige Mitarbeiterin, die sie heute im Laden vertreten hatte, war sehr zuverlässig. Wenn sie um diese Zeit anrief, musste irgendwas passiert sein, also ging sie, trotz der Müdigkeit, ran. „Hallo Sam, was gibts?“
„Oh, Gott sei Dank! Sunny!“, rief Samantha atemlos. „Sunny, hier wurde eingebrochen. Ich bin noch mal in den Laden gekommen, weil ich mein Handy hab’ liegen lassen, da hab’ ich es sofort gesehen. Die Polizei ist auch schon da. Die wollen mit dir reden.“„Sam, beruhige dich! Ich bin eh gleich da.“ Sie beschloss, den Käfer nicht auf seinen Tiefgaragenparkplatz zu fahren, sondern schlug den Weg direkt durch die Altstadt zu ihrem Laden ein. Die Polizei würde sie sicher nicht abschleppen, wo sie doch gerade Opfer eines Einbruchs geworden war. „Sag der Polizei, dass ich in fünf Minuten da bin!“ Schnell beendete sie das Gespräch.„Was glauben die wohl, was sie in meinem Laden vorfinden? Schwarze Altäre und umgedrehte Kreuze?“ Sunny war klar, dass das kein gewöhnlicher Einbruch sein konnte. Nur ein Zufall? Nein! Zufälle gab es nicht. ‚Die‘ mussten das gewesen sein. Sie hatten sie wohl gefunden, so wie Gérald es befürchtet hatte. Regenburgs verwinkelte Gassen waren jetzt, Ende Oktober, um diese Uhrzeit nicht mehr sehr belebt und so kam sie, ihre Ortskenntnisse nutzend, tatsächlich in fünf Minuten an ihrem Laden an. Schon von Weitem sah sie die Lichter des Polizeiautos blinken. Sam stand vor dem Laden und wedelte vor den Beamten aufgeregt mit den Armen umher. Ihre Freundin entsprach in ihrem Goth-Look schon eher dem Klischee einer Hexe und plötzlich wurde ihr bewusst, in welcher Gefahr Sam steckte, wenn hier tatsächlich ein Inquisitor sein Unwesen trieb. Wer wusste schon, was in diesen kranken Hirnen vorging. Vielleicht dachte so einer ja, er wäre hier auf ein ganzes Nest von Hexen gestoßen. Sie schüttelte die bösen Gedanken ab, wappnete sich für das Gespräch mit den Polizisten und stieg aus. Sam sah sie auf sich zukommen. „Sunny, Sunnyyyy!“ Ihre Freundin so aus dem Häuschen zu sehen, war ein ungewohntes Bild. Sonst gab sie sich immer cool und geheimnisvoll, jetzt schien sie fix und fertig zu sein. „Die haben ganz schön gewütet da drinnen. Ich kann dir nicht mal sagen, ob was weggekommen ist. Das muss in der halben Stunde passiert sein, die ich weg war. Stell dir vor, ich wäre eher gekommen. Vielleicht hätte ich den Dieb überrascht. Das Wechselgeld aus der Kasse fehlt aber nicht. Was haben die bloß gesucht?“ Sunny warf einen Blick an Sam vorbei in den Laden. Ein wildes Durcheinander sagte ihr, dass da erhebliche Kosten auf sie zukamen. „Hoffentlich deckt die Versicherung das ab.“ Einer der Polizisten trat auf die beiden Frauen zu. „Entschuldigung, sind Sie Frau Donavan?“ Sunny griff nach ihrer Handtasche. „Ja, die bin ich. Hier ist mein Ausweis.“Die beiden Beamten waren sehr nett. Nachdem sie alle Personalien aufgenommen hatten, durfte Sunny noch kurz nach dem Rechten sehen. Als feststand, dass die Türen ordnungsgemäß schlossen, wurde ein Siegel angebracht, das erst die Spurensicherung am nächsten Morgen wieder brechen würde. Jetzt erwartete sie ein Berg an Papierkram, aber das waren ihre geringsten Sorgen. Sie gab Sam ein paar Tage frei und bat sie, sich eine Zeit lang bei Freunden einzuquartieren, da sie Angst habe, die Täter hätten Informationen über sie gefunden und würden ihr vielleicht etwas antun. Dann fuhr sie ihr Auto in die Tiefgarage unter ihrer Wohnung und stieg hastig aus. „Ob sie in meiner Wohnung auch schon aufgetaucht sind? Vielleicht sollte ich zuerst mit dem Rat Kontakt aufnehmen und fragen, was zu tun ist?“ Sie verschloss den Wagen und wandte sich dem Treppenhaus zu, als sie eine Bewegung aus den Augenwinkeln heraus wahrnahm. „Wer ist da?“, fragte sie mit rasendem Puls. Waren sie gekommen, um ihr Werk zu vollenden?„Isch ’abe es ihnen gesagt.“ Die junge Frau atmete erleichtert auf, als sie die Stimme erkannte. „Gérald, Sie haben mich erschreckt. Was haben Sie hier verloren?“ Géralds Gestalt schälte sich aus dem Schatten einer Säule. „Es tut mir leid.“ Er trat vor sie und hob die Hand. „Aber Sie wollten ja nischt ’ören.“ Gerade wollte sie nachfragen, wie er das meinte: „Was …?“, als eine Kugel in die Mauer zwischen ihr und Gérald einschlug. Der Polizist hechtete nach vorne und riss Sunny mit sich, dann zerrte er die perplexe Frau hinter den nächsten Wagen, kurz bevor der nächste Schuss durch das Parkhaus hallte. Er hatte seine Waffe gezogen und feuerte sie einmal in die Richtung ab, in der er den Schützen vermutete, die Frau hinter sich drückend, um sie mit seinem eigenen Körper abzuschirmen. „Was zum …“„Sch …“, mit dem Zeigefinger auf den Lippen brachte er sie zum Schweigen und lauschte. „Er ist weg.“ Gérald klopfte sich den Schmutz von der Kleidung, dann drehte er sich zu Sunny, um ihr auf die Beine zu helfen. Die zitternde Frau ergriff seine Hand und ließ sich von ihm hochziehen, aber ihre Beine wollten nicht gehorchen und so wäre sie beinahe erneut zu Boden gegangen, wenn Gérald sie nicht festgehalten hätte. Nun lehnte sie, immer noch schwer atmend, an seiner Schulter, seine starken Arme drückten sie an sich. „Wir sollten irgendwo ’in, wo wir nischt so eine perfekte Sielscheibe abgeben“, meinte er, sich in alle Richtungen umsehend. Sie sah ihn mit ihren großen, grünen Augen an und nickte. „Ist meine Wohnung sicher?“ Er blickte sich suchend um und antwortete: „Sischerer als ’ier allemal!“ Dann führte er sie zum Treppenaufgang und sie beeilten sich, ihre Wohnung zu erreichen.Nachdem er die Tür verschlossen und die Fenster kontrolliert hatte, ließ er sich neben ihr auf dem Sofa nieder. Eine Weile saßen sie stumm da und gingen ihren Überlegungen nach, bis Sunny das Schweigen brach. „Danke.“„Gerne.“ Sie sah ihn an. „Du hast mir das Leben gerettet.“ Er erwiderte ihren Blick. „Ist irgendwie mein Job.“„Willst du was trinken?“ Er schüttelte den Kopf, ohne sie aus den Augen zu lassen. „Ich bin im Dienst. Aber trink ruhig was, ’ilft gegen den Schock!“ Sie wandte den Blick ab und wollte aufstehen, aber ihre Beine gaben nach und sie plumpste wieder zurück auf das Sofa, wo Gérald sie festhielt und meinte: „Vielleicht sollte isch dir was ’olen.“ Er strich ihr eine Strähne des rabenschwarzen Haares aus dem Gesicht. Sie waren sich so nah, dass sie den Atem des anderen spürten. „Nein“, entgegnete sie, „ich glaub, ich brauch jetzt was ganz anderes.“ Ohne Gegenwehr zog sie seinen Kopf näher und bot ihm ihre Lippen an. Kurz zögerte er, dann küsste er sie erst zaghaft, dann fordernd. Sie löste seine Krawatte und er öffnete sein Hemd, während sie sich ihrer Bluse entledigte. Am Rande nahm sie seine zahlreichen Narben wahr, dann schloss sie die Augen, als seine Küsse ihren Hals hinunterwanderten. Wohlige Schauer durchfuhren ihren Körper, sie wollte mehr. Geschickt öffnete er ihren BH, während sie versuchte, seinen Gürtel zu öffnen. Dann hob er sie unverhofft hoch und trug sie ins Schlafzimmer. Dabei spürte sie die Muskeln seines durchtrainierten Körpers. Sanft legte er sie auf das Bett. Als er aus seiner Hose schlüpfte, zog sie ihre Jeans aus, um für ihn bereit zu sein. Sein Blick glitt über ihre schlanke, aber wohlproportionierte Gestalt. Fragend blieb er kurz an ihrem Tattoo, einem Eisvogel über der Brust unterhalb der linken Schulter, hängen, dann legte er sich zu ihr.
Mitten in der Nacht fuhr sie erschrocken hoch. Den Nachhall ihres Albtraums in den Ohren sah sie sich nach Gérald um. Der saß am Bett und beobachtete sie. „Du ’attest einen bösen Traum, nischt wahr?“
„Denselben, wie jede Nacht, seit …“, antwortete sie. „Entschuldige, hab‘ ich dich geweckt?“Gérald zog sich gerade das Hemd über. „Nein, um ehrlisch su sein, ’ab isch gar nischt geschlafen. Isch dürfte auch gar nischt ’ier sein. Es wird nicht gestattet, mit …“Sunny grinste schief. „Du hättest nicht mit mir schlafen dürfen?“„Ja, nein, es ist komplisiert.“„Also kein Alkohol und kein Sex während des Dienstes! Ich sag’s nicht weiter, also keine Panik!“ Sie schwang die Beine aus dem Bett und wickelte sich in das Laken, während sie beobachtete, wie er seine Hose anzog und nach den Socken suchte. „Du bereust es doch nicht etwa? Hey, ich erwarte nichts von dir. Wir sind zwei erwachsene Menschen, keine verliebten Teenies.“ Gerade war er in seine Schuhe geschlüpft. Er wirkte gereizt. „Du verstehst nischt, isch muss Abstand wahren, damit isch meine Arbeit erledigen kann, die Situasion ist neu für misch, isch ’ab misch noch nie mit einem unteralten, geschweige denn …“„Mit einem was?“, fiel sie ihm ins Wort.„Einem Überlebenden! Isch ’ab dir doch ersählt, dass du die Erste aus so einer Familie bist, die überlebt ’at. Alle anderen sind tot, wenn ich eintreffe.“„So einer Familie? Was sind denn das für Familien?“ Sie setzte sich neben ihn auf die Bettkante.„Das ’ab isch schon bei unserem ersten Gespräch erwähnt. Die Opfer sind immer Menschen mit besonderen Fähigkeiten. Wenn isch in der Vergangenheit dieser Leute ’erumstochere, finde isch immer dieselben Auffälligkeiten. Da gibt es Wahrsager, Wunderheiler, Leute, die das Wetter beeinflussen können, die das Wasser oder Feuer beherrschen, sisch unsichtbar machen können und vieles mehr. Manche wurden gefürchtet, andere wie ’eilige verehrt, natürlisch alles ohne physische Beweise. Das ’eißt aber nischt, dass das Fantastereien sind. Sie wurden getötet, weil für diese Organisation zweifelsfrei feststand, dass sie ‚abnormal‘ waren. Isch glaube daran, und isch bin überzeugt davon, dass du und deine Schwester deshalb in deren Fokus geraten seid. Sie war eine, und du bist höchstwahrscheinlich auch eine!“Sunny sah ihn ernst an. „Deine Vorgesetzten glauben dir nicht. Ist zu fantastisch, was? Und das nagt an dir, du beginnst selbst daran zu zweifeln, nicht wahr?“Gérald sprang auf. „Nein, isch kann mir keine Zweifel erlauben. Diese Leute, diese Sekte, wenn du so willst, ist jedenfalls überseugt, sie werden weiter Menschen ermorden, die anders sind, bewiesen oder nischt. Wenn isch nischt herausfinde, wie sie ihre Ziele ausmachen, werde isch immer nur ’interherlaufen. Dann kann isch niemanden retten. Bitte verlasse auf keinen Fall die Wohnung! Isch melde misch.“ Energisch schnappte er sich seinen Trenchcoat und schickte sich an, die Wohnung zu verlassen. Sunny konnte die Zweifel förmlich spüren, die ihn umtrieben. Er wollte so verzweifelt glauben, aber langsam bröckelte seine Überzeugung. Sie konnte ihm nicht helfen. Sie sollte seine Zweifel sogar noch schüren, das hatte sie geschworen, als sie sich der Gemeinschaft angeschlossen hatte. Genau den Personen, die Gérald so dringend aufzuspüren versuchte. Ohne ein weiteres Wort verließ er die Wohnung. Sie hatte sowieso nicht vorgehabt, jetzt die Sicherheit ihrer vier Wände zu verlassen. Géralds Meinung nach würden sie es nicht ein zweites Mal am selben Ort versuchen, sie glaubte ihm, er war schließlich der Experte. Allerdings wollte sie nicht untätig herumsitzen. Es wurde Zeit, sich mit Großonkel George in Verbindung zu setzen. Sie zog sich ihr übergroßes Mickey-Mouse-Shirt über, das sie als Nachthemd nutzte, und setze sich im Schneidersitz aufs Bett. Auf ihren immer ruhiger werdenden Atem lauschend, entspannte sie sich zusehends, um bald tief in Meditation zu verfallen. Trotz geschlossener Augen nahm sie nun jede Einzelheit des Zimmers wahr. Die Möbel, Vorhänge und das Bettzeug, die tanzenden Schatten, die der Baum vor ihrem Fenster wegen des aufkommenden Windes an ihre Wände projizierte, selbst die Fliege, die sich im Lauf des Tages in ihre Wohnung verirrt hatte, bemerkte sie. Dann dehnte sie ihr Bewusstsein aus. Die Wände klappten zur Seite und über ihr war der bewölkte Sternenhimmel zu sehen. Sie konzentrierte sich auf die Energie ihres Großonkels und fand bald einen Pfad in dessen Geist. „Onkel George!“, rief sie mit ihrer geistigen Stimme. „Onkel, ich muss mit dir reden.“„Hast du gar kein Zeitgefühl? Weißt du eigentlich, wie spät es ist, Kindchen?“ Die müde Antwort erinnerte sie daran, dass es mitten in der Nacht war, das schlechte Gewissen ignorierte sie jedoch. Sie musste jetzt mit jemandem reden, der wusste, um was es ging. „Tut mir leid, Onkel, aber ich muss mit dir sprechen, heute ist etwas passiert. Jemand versucht, mich umzubringen.“„Das war zu erwarten. Der Mord an deiner Schwester war nur der Anfang, jetzt sind sie auf der Suche nach allen Familienangehörigen, wie die, die zur Beerdigung kommen. Eine ganz alte Taktik! Bist du auf der Beerdigung gewesen?“ Sunny wusste, dass sie ihn nicht belügen konnte. „Ja.“ Der alte Mann schnaubte. „Gegen meine Anordnung! Kind, du musst lernen, zu gehorchen, sonst gibt es hier keinen Platz für dich. Wie geht es Thomas?“ Erschrocken über die barschen Worte schluckte die junge Frau kurz, bevor sie antwortete. „Er ist ein gebrochener Mann. Er hasst mich und gibt der Gemeinschaft die Schuld. Er ist der Meinung, dass ich die Inquisitoren auf Dawns Spur gebracht habe, weil ich mich euch angeschlossen habe.“ Nach kurzem Zögern erwiderte ihr Onkel: „Dein Großvater hat mehr erleiden müssen als die meisten von uns. Erst verliert er Frau und Tochter durch diese Bastarde und jetzt auch noch seine Enkelin und seinen Urenkel. Natürlich ist er völlig zerstört. Da kann man schon verstehen, dass er wild um sich schlägt. Wenn etwas Zeit vergangen ist, wird ihm bewusst, dass du nun alles bist, was ihm geblieben ist. Er hasst dich nicht wirklich, er liebt dich.“ Seine Worte trösteten sie ein wenig, aber trotzdem zweifelte sie daran. „Wird er mich auch dann noch lieben, wenn er die ganze Wahrheit erfährt?“ Onkel George seufzte. „Du hast es ihm immer noch nicht erzählt? Auf was wartest du? Soll Filly sich selbst vorstellen, wenn sie alt genug ist?“Sunny dachte an ihre kleine Tochter, die sie bei der Gemeinschaft gelassen hatte. Warm fluteten Erinnerungen durch ihren Geist. Sie hatte Felicitas schon ein halbes Jahr nicht mehr gesehen, es war zu gefährlich geworden. Die Vierjährige lebte in der Familie ihres Großonkels, weil sie selbst nicht in der Lage war, sie aufzuziehen. Der Vater des Kindes hatte sich verzogen, sobald er von ihrer Schwangerschaft Wind bekam und Sunny war nicht in der Lage, sich alleinerziehend um ihre Tochter zu kümmern, vor allem da sie wusste, dass das Kind nicht ‚normal‘ sein würde. Die Gemeinschaft konnte sich besser um sie und ihre besonderen Bedürfnisse kümmern. „Wie geht es Filly?“ Den Spitznamen ihrer Tochter konnte sie nicht leiden, aber sie hatte ihrer Meinung nach nicht das Recht zur Kritik. „Deine Kleine ist glücklich, das weißt du, ihre Fähigkeiten sind jetzt schon sehr ausgeprägt und wir haben alle Hände voll zu tun, sie im Zaum zu halten. Du hast Recht gehabt, sie bei uns zu lassen. Sie wäre nirgendwo sicher gewesen, selbst Thomas würde das so sehen. Das ändert aber nichts daran, dass er von ihr erfahren sollte, sie ist ein Teil seiner Familie!“ Sunny dachte an die vergangenen Wochen zurück. „Nein, ich bin froh, dass er nichts weiß, noch nicht. Stell dir vor, die Leute, die heute versucht haben, mich zu töten, würden die Information aus ihm herausfoltern. Er ist ein alter, gebrechlicher Mann.“ Der Onkel stimmte mit einem „Hm“ widerstrebend zu. „Erzähl mir von dem Anschlag auf dein Leben!“In knappen Worten erzählte sie ihm von der Beerdigung, der Begegnung mit Gérald, dem Einbruch in ihren Laden und den Schüssen auf sie in der Tiefgarage. Natürlich ließ sie die kleine Episode in ihrem Schlafzimmer aus. „Wäre Gérald nicht gewesen, hätte ich es nicht geschafft.“ Onkel George ließ die Informationen eine Weile auf sich wirken. Sunny dachte schon, er sei vielleicht eingeschlafen, da meldete er sich mit einer Frage zurück. „Dieser Polizist hat dich also nach der Beerdigung angesprochen?“„Ja, er war aber schon vorher da.“
„Hm.“ Irgendwie schien ihn diese Tatsache zu stören. „Was hat er von dir gewollt, als er in der Garage auf dich gewartet hat?“ Die junge Frau dachte über die Frage nach, hatte aber keine Antwort. „Bist du sicher, dass da noch jemand anderes war?“
„Die Kugel hat neben uns in die Wand eingeschlagen, sie hat uns nur wenige Zentimeter verfehlt. Wenn du andeuten willst, dass Gérald was damit zu tun hat, warum sollte er dann mein Leben retten? Wieso hat er mich dann beschützt?“ Onkel George ließ nur ein nachdenkliches „Hm“ hören, dann meinte er: „Du solltest zu uns kommen! Dein Platz ist hier, jetzt da Dawn nicht mehr da ist. Jetzt könntest du dich um dein Kind kümmern und die eigenen Grenzen ausloten. Deine Ausbildung ist noch lange nicht abgeschlossen.“ Sunny dachte über seine Einladung nach. Es klang verlockend, wieder mit Felicitas vereint zu sein. Sie vermisste ihre Tochter. Dann jedoch dachte sie an ihren Großvater. „Ich will Opa nicht allein lassen. Wenn du Recht hast, könnten die es auch auf ihn abgesehen haben.“ Nach einer kurzen Pause folgte wieder ein „Hm“ ihres Onkels. „Ich denke, denen ist klar, dass er nichts weiß und dass er nicht wie wir ist. Ich habe noch nie gehört, dass sie normalen Menschen etwas antun, davon abgesehen, dass sie ihr Leben und ihr Glück zerstören.“„Ich weiß nicht, vielleicht ist es ja an der Zeit, zurückzuschlagen? Die Jäger zu Gejagten zu machen. Wenn ich Gérald helfe, könnten wir ihnen unter Umständen Schaden zufügen, sie schwächen.“„Nein! Auf gar keinen Fall wirst du dich diesem Menschen offenbaren! Ich werde mich mit dem Rat treffen. Morgen schon. Tu nichts ohne seine Erlaubnis! Wenn du dich widersetzt, hat das schwere Konsequenzen! Denk an deine Tochter!“ Damit löste er die Verbindung und sie war allein unter dem Sternenzelt. Langsam holte sie ihren Geist wieder in ihren Körper zurück, bis sie sich wieder auf dem Bett in ihrem Schlafzimmer fand. ‚Schwere Konsequenzen! Denk an deine Tochter!‘ Hatte ihr Großonkel gerade damit gedroht, ihr das Kind vorzuenthalten? Erschöpft ließ sie sich in die Kissen fallen. Sie sollte etwas schlafen, der Tag hatte sie sehr erschöpft und die Verbindung zu Onkel George war anstrengend gewesen, in mehr als körperlicher Hinsicht.
Das laute Klopfen und Klingeln riss Sunny aus dem unruhigen Schlaf, in den sie nach dem Gespräch mit ihrem Onkel endlich gefallen war. Die Sonne stach durch die Löcher ihres Rollladens, den sie gestern nicht mehr ganz geschlossen hatte. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie zu lange geschlafen hatte. Eigentlich hatte sie vorgehabt, wegen des Einbruchs schon früh zur Polizei zu gehen, um in Erfahrung zu bringen, wie es nun weiterging. Sie hatte Kopfschmerzen, eine Nebenwirkung des Gesprächs mit Onkel George und das erneute Klingeln erzürnte sie. „Ja, ja, ich komm‘ ja schon!“ Ohne auch nur an Géralds Warnung zu denken, öffnete sie die Wohnungstür, nachdem sie sich noch einen Bademantel übergeworfen hatte. Erst, als sie dem Polizeibeamten in der Tür gegenüberstand, dachte sie an die Situation, in der sie gerade steckte. Erschrocken blickte sie zu dem Mann auf, der sicher einen ganzen Kopf größer war als sie. „Was ist denn passiert? Geht es um den Einbruch in den Laden? Ich bin sowieso schon fast auf dem Weg ins Revier.“ Der Riese schmunzelte amüsiert. „In dem Aufzug? Ich hoffe nicht!“ Sunny sah an sich hinunter. Sauer auf sich selbst, wegen ihres ungepflegten Äußeren, antwortete sie schnippisch: „Kann Ihnen doch egal sein, wie ich meine Individualität auslebe!“ Der Polizist wurde ernst und deutete auf das Klingelschild an ihrer Tür. „Sind Sie Frau Donavan?“ Sunny folgte seinem Fingerzeig mit den Augen und meinte pampig: „Wenns da steht, wirds wohl so sein.“ Jetzt verfinsterte sich seine Miene und er gab angesäuert zurück: „Hören Sie, ich bin hier nicht zu meinem Vergnügen! Nachbarn haben angegeben, heute Nacht in der Tiefgarage dieses Hauses Schüsse gehört zu haben. Haben Sie davon etwas mitbekommen?“
Beinahe hätte sie lauthals gelacht, konnte sich aber gerade noch beherrschen. „Ha, das war sicher wieder die Meisel aus 10 a. Die kann eine Fehlzündung nicht von einem Schuss unterscheiden. Ich hab‘ jedenfalls nichts gehört. Wars das? Ich hab‘ noch was vor.“ Sie wollte schnell die Tür zuziehen, aber der Bulle war noch nicht zufrieden mit ihrer Antwort und stellte sein Bein in die Tür. „Sie gehen etwas zu locker mit Ihrer Situation um. Gestern wurden Sie Opfer eines Einbruchs und nun kümmert Sie nicht mal eine vermeintliche Schießerei in Ihrem Haus? Ganz schön abgebrüht!“ Sunny betrachtete ihr Gegenüber neugierig. Der athletisch gebaute Hüne hatte seine rotbraunen Haare zu einem Zopf im Nacken gebunden, die Polizeiuniform wollte nicht so recht zu seinem restlichen Äußeren passen. Dabei fiel ihr ein, dass er sich nicht einmal ausgewiesen hatte. Sie blickte in seine hellbraunen Augen und fragte skeptisch: „Darf ich mal Ihren Ausweis sehen?“ Er kratzte sich seinen Dreitagebart und entschuldigte sich grinsend. „Selbstverständlich, ich bitte um Verzeihung. Mein Name ist Philipp Schmitt. Kommissar Schmitt. Hier ist mein Ausweis.“ Er hielt ihr einen Ausweis unter die Nase, der in etwa so aussah wie der von den Beamten vor ihrem Laden gestern. Nicht, dass sie deshalb sagen konnte, ob er echt war. Was wusste sie schon, wie so ein Ausweis auszusehen hatte, aber die Augen schienen ihr ehrlich. Er sah überhaupt sehr vertrauenerweckend aus. Dann wurde ihr bewusst, dass er ihren sondierenden Blick erwiderte, und sie blickte verlegen zu Boden. Sie konnte sein Schmunzeln förmlich fühlen. „Also, ich bin hier mit meinen Befragungen fertig. Soll ich Sie mit aufs Revier nehmen?“„Nein, danke, ich werde mich wohl erst anziehen und dann selbst hinfahren. Aber danke für das Angebot.“ Er nahm den Fuß aus der Tür, damit sie sie schließen konnte, hielt ihr aber noch eine Visitenkarte hin. „Passen Sie auf sich auf, und wenn irgendwas ist, scheuen Sie sich nicht, mich anzurufen!“ Sie nahm die Karte entgegen, bevor sie die Tür schloss. Kopfschüttelnd lehnte sie sich dagegen. „Wie doof kann man eigentlich sein? Mach ich doch glatt dem Nächstbesten die Tür auf! Gérald sollte lieber jemanden mit mehr Grips das Leben retten, da hätte er mehr davon.“ Ächzend ging sie ins Bad, um sich fertig zu machen. Die Karte des Bullen steckte sie dann in die Hosentasche.
Die Tiefgarage sah nicht anders aus als tags zuvor, trotzdem fühlte sie sich beklommen und hetzte zu ihrem Auto. Merkwürdigerweise hatte sie nicht die Spur eines Kratzers an der Wand ausmachen können, wo sie gestern ins Fadenkreuz eines Killers geraten war. Vielleicht würde sie die Stelle später noch genauer untersuchen, jetzt aber wollte sie so schnell wie möglich zum Revier fahren. Unter Umständen wusste man dort schon mehr über den Einbruch. Gérald kam ihr in den Sinn. Seine Frustration war nachvollziehbar. Wenn es sich wirklich so verhielt, wie er gesagt hatte, und er immer nur die Massaker vorfand, ohne in seinen Ermittlungen vorwärtszukommen, musste das zermürbend sein. Alles in ihr drängte danach, ihm zu helfen, aber Onkel George hatte sich sehr deutlich ausgedrückt. Undenkbar, wenn er sie aus der Gemeinschaft ausschließen würde, dann könnte sie Felicitas für immer verlieren und auch keinen anderen aus der Familie je wiedersehen. Sie war eine einsame junge Frau und nur der Gedanke an ihre Tochter und all die Verwandten und Freunde, die sie vor fünf Jahren wiedergefunden hatte, ließ sie nicht verzweifeln. Als Sunny damals von ihrem Zustand erfuhr, kamen all die Erinnerungen an ihre Kindheit wieder, die ein einziges Sommermärchen gewesen war, bis zu dem Tag, an dem ihre perfekte Welt zerbrach. Die hatten sie gefunden, keiner weiß bis heute wie. Bevor die Gefahr erkannt wurde, hatte die Inquisition schon ihre halbe Familie ausgelöscht. Nur weil sie so viele waren, hatten die anderen entkommen können, der Preis war jedoch sehr hoch gewesen. Ihre Mutter und Großmutter hatten bei ihren Bemühungen, die Leben der Kinder zu retten, ihr eigenes lassen müssen. Niemals könnte sie die Verzweiflung ihres Großvaters vergessen, als er, um seine Enkelinnen zu retten, seine tote Frau und Tochter zurücklassen musste. Er war danach nie wieder derselbe. In der Folge hatte er vom Rat verlangt, dass die Kräfte seiner Enkel blockiert werden und sie sich nie wieder in ihr Leben einmischen sollten. Der Rat stimmte unter der Bedingung zu, dass die Kinder mit ihrer Volljährigkeit selbst darüber entscheiden durften, ob sie ihre Kräfte wieder haben wollen oder nicht.
An das Kind denkend, das sie unter dem Herzen trug, war sie zur Gemeinschaft gefahren und hatte um Hilfe gebeten. Onkel George bot ihr jede Hilfe an, der Haken daran war, dass sie das Kind hierlassen und für immer gehen oder der Gemeinschaft beitreten musste. George hatte erklärt, dass es äußerst schwierig werden würde, das Mädchen aufzuziehen. Schon im Mutterleib zeigten sich Kräfte, die auf ein gewaltiges Potential hinwiesen. Es wäre nicht zu verheimlichen gewesen, dass das Kind anders ist. Felicitas musste hierbleiben, das war die einzige Möglichkeit, ihre Sicherheit zu gewährleisten. Also hatte sie sich entschieden, bis zur Geburt bei ihrer Familie zu bleiben und dann weiterzusehen. Die Entbindung war ein einschneidendes Erlebnis gewesen, danach konnte sie sich nicht vorstellen, ihr Kind auch nur für eine Minute allein zu lassen. Ihrem Großvater brach es allerdings das Herz, als sie ihm ihre Entscheidung mitteilte. Das Gespräch mit ihm auf dem Friedhof fiel ihr wieder ein. Sie musste unbedingt noch einmal versuchen, mit ihm zu reden. Gleich nach dem Besuch bei der Polizei wollte sie zu ihm fahren. Es war egal, was Onkel George sagte, sie sollte ihn warnen, und vielleicht war es auch wirklich an der Zeit, ihm von Felicitas zu erzählen. Konnte ja gut sein, dass es ihn ein wenig trösten würde.
Die Untersuchungen der Polizei hatten ergeben, dass der Einbrecher sich durch ein Toilettenfenster zum Hinterhof Zugang verschafft hatte. Die alten Fenster boten keinen wirklichen Schutz, das war dem Besitzer klar, trotzdem hielt er eine Modernisierung für überflüssig. Wer sollte denn bitte schön in einen ollen Teeladen einbrechen? Hier gab es doch nichts zu holen. Die Polizisten versprachen, zügig einen Bericht zu erstellen, den Sunny für die Versicherung brauchte, und gaben den Tatort wieder frei. Die junge Frau beschloss, kurz im Laden vorbeizuschauen und dann Großvater Thomas aufzusuchen. Die Parkplatzsituation in Regensburg war katastrophal, also entschied sie sich, das Auto wieder auf ihrem Tiefgaragenstellplatz abzustellen und ging zu Fuß. Auf dem Weg dorthin rief sie ihre Freundin Sam an. Das Gespräch mit Onkel George war der letzte Schubs gewesen, den sie brauchte, um sich dazu durchzuringen, den Laden aufzugeben. Schon seit Dawns Tod spielte sie mit dem Gedanken, ihn Samantha zu überlassen. Sie wollte hier ihre Zelte abbrechen und zu ihrem Kind zurückkehren. Der Grund, warum sie hierher zurückgekommen war, existierte nicht mehr.
Ihre Gedanken schweiften ab. Als Felicitas ein Jahr alt war, erschütterte ein Anruf von Dawn ihr neues und eigentlich glückliches Leben. Ihre Schwester war an Leukämie erkrankt. Sie hatte mit Großvater Thomas Hilfe bereits eine Chemo und eine Knochenmarktransplantation überstanden, aber ihre Verfassung gab Anlass zur Sorge. In der Gemeinschaft gab es genügend Heiler, die ihre Hilfe anboten, aber Dawn hatte sich gegen die Gemeinschaft und ihre Kräfte entschieden, als sie vor die Wahl gestellt worden war und daher den Zugang zu ihr verloren. Natürlich bettelte Sunny den Rat und Großonkel George so lange an, bis sie nachgaben und, auch unter Berücksichtigung von Großvater Thomas Schicksal, eine Ausnahme machten. Sunny ließ ihre kleine Tochter bei ihrer Familie und verließ die Gemeinschaft, um ihrer Schwester beizustehen. Nach einem Besuch von ‚Tante Clara‘ beschleunigte sich Dawns Genesungsprozess rapide und ein paar Wochen später wurde sie als geheilt entlassen. Als sich das mit dem Laden ergab, beschloss Sunny, mit Erlaubnis des Rates noch eine Weile ein Auge auf ihre kleine Schwester zu werfen. Dann lernte Dawn ihren Daniel kennen und es schien, als wäre Sunnys Aufgabe erledigt. Es war allerdings nicht so leicht, sich von ihrer Schwester zu trennen, wie sie dachte. Als Nathaniel unterwegs war, wollte sie Dawn nicht allein lassen, schon allein wegen des Babys. Wenn es begabt war, wie Filly, mussten seine Fähigkeiten blockiert werden, sonst könnte es nicht außerhalb der Gemeinschaft aufwachsen. Also verlängerte sie ihren Aufenthalt noch eine Weile und hätte sicher immer wieder einen Grund gefunden, um in ihrer Nähe zu bleiben. Jetzt hielt sie nur noch ihr Großvater hier, der sie hasste. Sam meldete sich verschlafen, kurz bevor sie wieder auflegen wollte. „Hallo? Sun, bist du das?“ Ein Schmunzeln schlich sich auf Sunnys Lippen. „Na was glaubst du, wie viele Leute haben dieselbe Nummer wie ich?“„Hä? Ach Sun, ich bin noch nicht mal richtig wach. Ist der Urlaub schon vorbei? Soll ich wieder in den Laden kommen?“Sunny seufzte. „Das kommt drauf an, ob du dir einen neuen Job suchen oder in Zukunft deine eigene Chefin sein willst. Ich geb’ dir den Laden, wenn du ihn haben willst.“
Es dauerte sicher eine halbe Stunde, bis sie den Mut aufbrachte, das Auto zu verlassen und zum Haus zu gehen. Langsam schritt sie durch den Vorgarten und erinnerte sich an das erste Mal, als sie den kurzen Kiesweg betreten hatte. Der Großvater schritt mit einer großen Kiste voran und die beiden Mädchen tappten, sich an den Händen haltend, mit neugierigen Augen hinterher. Jede einen kleinen Koffer mit ihren Habseligkeiten hinter sich herziehend. Überall wucherte Unkraut und die Bäume hatten schon lange keinen Schnitt mehr erhalten, in der Fantasie der Mädchen zogen sie in ein verwunschenes Schloss mit Zaubergarten. Großvater Thomas brauchte Jahre, um ihn in den Zustand zu bringen, in dem er jetzt war. Bei genauerer Betrachtung wirkte der Garten jedoch ein wenig ungepflegt, der Rasen hätte gemäht werden müssen und in den Blumenbeeten spross Unkraut, außerdem sollte mal wieder gegossen werden. Alles wäre bereits verdorrt, hätte es die letzten Tage nicht geregnet.
Die Haustür war nicht abgeschlossen, eine Nachlässigkeit, die ihrem Großvater nicht ähnlich sah. Vorsichtig trat sie ein und lief den Flur entlang zum Wohnzimmer. Im Vorbeigehen warf sie einen Blick in Küche und Bad. Beides unaufgeräumt und schmutzig. „Großvater?“ Als sich nichts rührte, stieg sie die Treppen hinauf zu den Schlafzimmern. Schließlich fand sie ihn in Dawns altem Zimmer. Offenbar hatte er sich in den Schlaf geweint, ein Bild seiner Enkeltochter in den Armen. Sunny erinnerte sich an das Foto. Es war Dawns erster Schultag gewesen, stolz hielt sie Ranzen und Schultüte und grinste mit ihrer Zahnlücke hinter der Schulbank hervor. Sunnys Blick schweifte in dem kleinen Raum umher. Sie hatten keine Fotos von ihrer Familie in ihr neues Leben mitnehmen können, daher hatte Dawn aus dem Gedächtnis heraus Bilder gezeichnet, erst noch recht kindlich, dann wirklich gut. Sie war so talentiert, dass sie die Kunsthochschule besuchen durfte und Kunst und Design studierte. Alles in dem Raum war unverändert. In diesem Zimmer hatte sie gelebt, bis sie nach ihrer Krebserkrankung Daniel kennenlernte und heiratete. Langsam trat Sunny an das Bett heran, beugte sich über den schlafenden Mann und streichelte seine unrasierte Wange. „Großvater! Bitte wach auf!“ Zögerlich öffnete er die verquollenen Augen. „Verschwinde!“„Nein! Es geht dir nicht gut, ich bleibe!“Er drehte ihr den Rücken zu. „Ich brauch dich nicht. Geh weg!“Sie setzte sich an den Bettrand. „Ich räum jetzt ein bisschen auf und koch dir eine Suppe. Tu dir einen Gefallen und geh in der Zwischenzeit ins Bad, du riechst streng!“Der alte Mann zog sich das Kissen über den Kopf. „Dann geh‘ doch, ich will dich hier nicht haben, ich brauche deine Hilfe nicht!“Sie stand auf und erwiderte gelassen: „Du wirst mich erst los, wenn du mir zugehört hast. Also, wenn du willst, dass ich verschwinde, dann mach dich frisch!“Eine Stunde später kam er immer noch unrasiert, aber geduscht und mit frischen Kleidern in die Küche und setzte sich an den Tisch, den Sunny für zwei gedeckt hatte. „Der Eintopf ist gerade fertig geworden.“ Thomas blickte sich in der nun sauberen Küche um. „Hmpf“, grunzte er. „Hättest du nicht machen müssen!“ Trotzdem schaufelte er den Eintopf, den sie ihm hinstellte, hastig in sich hinein. Auch Sunny aß ein wenig. Stumm beendeten sie die Mahlzeit, dann brummte Thomas: „So, jetzt hab´ ich geduscht und gegessen, jetzt kannst du ja gehen.“„Nein Opa, ich kann nicht einfach wieder gehen. Wir sollten reden.“„Ich wüsste nicht, was wir zu besprechen hätten.“ Sunny stellte das Geschirr in die Spüle. Sie atmete tief ein und drehte sich zu ihrem Großvater um. „Ich werde wieder zurückgehen, ich verlasse die Stadt, noch nicht gleich, aber dann für immer. Ich will, dass du mitkommst.“ Thomas stand auf und ging ins Wohnzimmer. „Und ich will, dass du verschwindest!“ Die Frau folgte ihm. „Ich mein´ das ernst! Hier gibt es nichts mehr für uns beide. Die Gemeinschaft ist eine Alternative, sie bietet uns Schutz und wir könnten zusammen sein.“„Ich brauche keinen Schutz. Hinter mir ist niemand her, die verfolgen nur deinesgleichen!“ Wütend ließ er sich auf das Sofa fallen. „Das ist nicht wahr, die könnten dich benutzen, um uns zu schaden, um uns wehzutun.“„Ach was, ich weiß doch nichts. Geh einfach! Und vergiss mich!“Sunny stöhnte. „Ich könnte dich nie vergessen. Ich liebe dich.“ Mit einer Kraft, die sie ihm nicht zugetraut hatte, schlug er die Faust auf den Couchtisch, dass sie erschrocken zusammenfuhr. „Aber ich liebe dich nicht! Nicht mehr, seit du dich von mir abgewandt hast.“ Sie setzte sich zu ihm vor den Tisch. „Ich habe mich nicht von dir abgewandt!“„Doch, das hast du! Du bist zu den Leuten zurückgegangen, die für den Tod meiner Frau und meiner Tochter verantwortlich sind. Und das, nachdem ich dich jahrelang aufgezogen und beschützt habe.“ Er spuckte die Worte förmlich aus. Mit Tränen in den Augen griff sie nach seinen Händen. „Es war die schwerste Entscheidung meines Lebens, dich zu verlassen, aber ich hatte keine Wahl, das musst du mir glauben!“ Er schüttelte ihre Hände ab. „Du hattest eine Wahl, zwischen uns und etwas viel Wichtigerem, nicht wahr? Was war wichtiger als deine Familie?“ Er war sehr laut geworden und Sunny schrumpfte vor dem Tisch zu einem Häufchen Elend. Tränen liefen ihre Wangen hinab und sie schluckte schwer, bevor sie antwortete: „Meine Tochter.“
Der Wein war zu warm. Thomas rührte ihn eh kaum an. „Warum, in aller Welt, hast du mir davon nie etwas gesagt? Ich hätte doch geholfen. Hast du es mir altem Knacker nicht mehr zugetraut? Nachdem ich dich und deine Schwester aufgezogen habe?“ Sunny trank einen Schluck des faden Weins und schüttelte den Kopf. „Ja, das hast du auch wunderbar gemacht, du hast uns weitgehend ein normales und glückliches Leben geschenkt, aber dieser Fall liegt anders. Weißt du, als ich im vierten Monat war, hab‘ ich es schon bemerkt, es gab merkwürdige Vorfälle, überall wo ich hinging, passierten komische Sachen. Zuerst hab‘ ich gedacht, ich selbst würde die Dinge schweben lassen oder das Radio einschalten. Ich dachte, das Flackern der Lichter bedeutet, dass ich die Kontrolle über meine Kräfte verlor, dass aus irgendeinem Grund die Blockade weg war. Deshalb hab‘ ich mich an die Gemeinschaft gewandt. Ich konnte mir selbst nicht mehr vertrauen. Aber stell dir vor, ich war das gar nicht, es war das Kind!“ Thomas starrte sie ungläubig an. „Das ungeborene Kind?“
„Ja, Onkel George ließ mich fachkundig untersuchen und man hat festgestellt, dass mein Mädchen ganz besonders begabt sein würde. In einer Weise, die man nicht unterdrücken oder ganz blockieren konnte. Sie war zu stark, ihre Kraft ist einfach nicht zu bändigen.“ Sie sah ihm in die Augen und hielt seine Hand. „Verstehst du, was das bedeutet, Großvater?“ Der alte Mann machte große Augen. Er pfiff durch die Zähne und bejahte mit einem Nicken. „Sie hätte niemals unter normalen Menschen aufwachsen können. Zu ihrer, aber auch zur Sicherheit anderer musste sie dortbleiben, wo sie nicht auffällt und wo man sie unter Kontrolle halten kann, bis sie gelernt hat, mit ihren Fähigkeiten umzugehen.“„Ganz genau. Die Gemeinschaft hat mir die Wahl gelassen, das Kind in ihre Hände zu geben und zu gehen oder mit ihr dortzubleiben.“ Sie drückte seine Hände. „Großvater, ich habe mich nicht gegen dich, sondern für mein Kind entschieden.“ Thomas wischte eine Träne von der Wange und schloss die Augen. „Aber wieso, wieso hast du mir das nicht erzählt, warum hast du mir mein Urenkelkind verheimlicht?“
„Ich weiß nicht, ich habe mich geschämt, ein lediges Kind zu haben, noch dazu eines mit viel von der Kraft, die du so verachtest. Ich wollte dich nur nicht enttäuschen. Außerdem wollte ich nicht hören, wie du sagst: ‚Ich hab’s ja gleich gesagt!‘ Du hattest nämlich vollkommen Recht mit deiner schlechten Meinung über den Kindsvater. Er hat mich fallen lassen wie eine heiße Kartoffel, als er von der Schwangerschaft erfuhr. Gab mir ein wenig Geld für die Abtreibung und verschwand auf nimmer Wiedersehen.“ Thomas schnippte mit den Fingern. „Ha! Das war dieser Idiot, dieser Mark! Der war ein Windei, das habe ich sofort gemerkt!“ Sunny lächelte ergeben. „Er hieß Falk, und ja, du hattest Recht. Er war ein Idiot.“ Ihr Großvater tippte sich, schelmisch grinsend, auf die Nasenspitze, dann wurde er wieder ernst. „Wie alt ist sie heute?“
„Im nächsten März wird sie fünf.“ Er nickte nachdenklich. „Welchen Namen hast du ihr gegeben? Ich hoffe nicht Spring oder Paris, Venus oder Star! Ich will sie rufen können, ohne mich zu schämen!“ Sunny lächelte glücklich. Es schien, als habe er Interesse an seiner Enkelin. „Nein Opa, ich gab ihr den schönsten Namen, den ich mir vorstellen kann. Sie heißt Felicitas, ich habe sie nach ihrer Oma genannt.“„Großvater, ich weiß, dass dein Verlust und dein Schmerz dadurch nicht weniger werden, aber ich möchte gern, dass du Filly kennenlernst. Sie ist so ein außergewöhnliches Kind, so klug und doch so süß. Jeder verliebt sich sofort in sie. Vielleicht ist das eine ihrer Gaben. „Ach Kind, was soll denn ein so alter Knabe, noch dazu ohne Kräfte, in eurer Gemeinschaft? Ich würde mich nicht wohlfühlen unter all den …“„Unter all den Freaks?!“, ergänzte sie seinen Satz. Er hob die Hände entschuldigend und nickte. „Aber Großvater, das versteh ich nicht, Oma war doch auch nicht ‚normal‘, genau so wenig wie deine Tochter und trotzdem hast du die beiden doch geliebt.“„Das war was anderes. Sie waren mein Leben, meine Liebe, mein Fleisch und Blut. Ihr Tod hat eine klaffende Wunde in meine Seele gerissen und die ist nie richtig verheilt. Du und deine Schwester, ihr habt mich am Leben erhalten, aber jetzt ist diese Wunde wieder aufgerissen worden und ich kann mir nicht vorstellen, dass sie jemals wieder heilen wird.“ Sunny setzte sich zu Thomas auf das Sofa und als er keine Gegenwehr gab, nahm sie ihn in die Arme und drückte ihn an sich. Sie redeten die halbe Nacht und als sie ihren Großvater zu Bett gebracht hatte, machte sie sich selbst das Sofa zurecht. In Dawns Bett konnte sie nicht schlafen und ihr eigenes altes Zimmer war nur noch eine Rumpelkammer. Sie schloss alle Fenster und ließ überall ein wenig Energie in die Schlösser und Riegel fließen, um sie zu stärken, falls irgendjemand etwas versuchen sollte. Nach dem langen und versöhnlichen Gespräch hoffte sie, ein wenig besser zu schlafen als die letzten Tage.
Dieser Traum war anders. Viel friedvoller, als es die vorhergehenden gewesen waren. Er zeigte eine Szene aus ihrer Kindheit, vor dem großen Unglück, als ihr Name noch Kassiopeia, kurz Kassie, lautete. Schon lange hatte sie es sich nicht mehr gestattet, an diese glückliche Zeit zu denken. Zu schmerzhaft war das Verlustgefühl, das stets darauf folgte. Jetzt aber wollte sie sich darauf einlassen und sich in das warme Gefühl der Geborgenheit einwickeln. Entfernt konnte sie sich an das Gelände erinnern. Sie saß auf einer Wiese vor einem alten Bauernhaus, die Sonne schien auf die Blumen und Bienen summten auf ihrem Weg von Blüte zu Blüte. Ein lauer Wind strich sanft über ihr Gesicht und sie atmete den würzigen Duft der Natur ein. Im Hintergrund klangen leise Glocken, die freilaufende Kühe um die Hälse gebunden trugen. Vor ihr im Gras saß Dawn, damals hieß sie noch Elektra, und spielte mit einer Holzgans. Sunny erinnerte sich gut an das Spielzeug. Zuerst hatte es ihr gehört, als aber ihre Schwester geboren wurde, schenkte sie es ihr. Die Gans war auf zwei Räder montiert und konnte mit einer Schnur um den Hals gezogen werden. Der Lack war schon ziemlich abgewetzt, aber das Kind liebte die Gans. Sunny sah an sich herunter und lächelte. Mit ihrer zarten Kinderhand strich sie bedächtig über das Sommerkleidchen, das sie trug. Es war ihr absolutes Lieblingsstück gewesen. Dann vernahm sie eine Stimme und sofort musste sie ihre Tränen unterdrücken. „Kassie, nimm Elektra an die Hand und komm rein! Essen ist fertig.“ Der Klang der Stimme ihrer Mutter war einzigartig, weich und melodisch, aber doch frisch und humorvoll. „Ja Mama, wir kommen.“ Hastig stand sie auf und zog das kleine Mädchen vor ihr auf die Beine. „Komm Elektra! Wir gehen zu Mommy.“ Begeistert klatschte die Kleine in ihre Patschhändchen und ließ sich von der großen Schwester in Richtung des Hauses ziehen. Das Haus, eher eine Hütte, schmiegte sich an eine Felswand, welche sich steil in den Boden des Platos bohrte, das sich an den Ausläufern eines Gebirges befand. Ihre Erinnerung reichte nicht so weit, um sagen zu können, um welche Gegend es sich handelte. Für sie zählte nur, dass es sicher war und Heimat bedeutete. Sunny, alias Kassiopeia, folgte dem Ruf ihrer Mutter, sie führte das kleine Mädchen in die einfache Hütte und umarmte ihre Mutter. Gierig sog sie den Duft ein, den deren Kleidung verströmte. Ihre Mutter roch nach Schmalz, Zimt, Apfel und einer ihr ganz eigenen Note, die sie nicht identifizieren konnte. „Nun setz‘ dich schon, die Pfannkuchen werden ja kalt!“ Folgsam nahm sie an dem Tisch Platz und grinste ihre kleine Schwester an, die bereits mit Messer und Gabel ungeduldig auf den Tisch klopfte, bis die Pfannkuchen dampfend und duftend auf selbigen gestellt wurden. Sunny hatte sich so in diesen Traum fallen lassen, dass sie die Veränderung erst gar nicht bemerkte, bis ihre Mutter sich zu ihr setzte und ihre Hand fest in die ihre nahm. Plötzlich war sie nicht mehr Kassie. Sie war erwachsen und ihr Name lautete Sunny. Elektra war verschwunden und mit ihr die Küche und die Hütte. „Mom, was ist los?“, fragte sie irritiert. Ihre Mutter blickte ihr ernst in die Augen. „Hör zu, mein Kind, du bist in größerer Gefahr, als du denkst. Verschenk dein Vertrauen nicht so leichtfertig, die Dinge sind selten so, wie sie scheinen! Pass auf!“ Dann riss sie ein lauter, eindringlicher Ton aus ihrem Traum.