Wanted (1): Lass dich verführen - J. Kenner - E-Book
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Wanted (1): Lass dich verführen E-Book

J. Kenner

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  • Herausgeber: Diana
  • Kategorie: Erotik
  • Serie: Wanted
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2014
Beschreibung

»Vielleicht hätte ich davonlaufen sollen. Aber ich wollte ihn. Mehr noch, ich brauchte ihn: diesen Mann und das Feuer, das er in mir entfacht hat.«

Die junge Angelina Raine hütet ein Geheimnis: ihre Gefühle für Evan Black, Geschäftspartner ihres Onkels, attraktiv, undurchsichtig, gefährlich. Jahrelang hielt sie sich von ihm fern, doch als sie ihm jetzt wiederbegegnet, weckt er ungeahnte Sehnsüchte in ihr. Vollkommen überwältigt lässt sich Angelina ganz auf Evan ein und genießt die Erfüllung und die Geborgenheit, die sie bei ihm findet. Doch sie ahnt, dass die Dämonen der Vergangenheit ihre Liebe bedrohen …

Sexy, berauschend und gefährlich – der New-York-Times-Bestseller von J. Kenner

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Seitenzahl: 482

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J. KENNER

WANTED

Lass dich verführen

Roman

Aus dem Amerikanischen von Christiane Burkhardt

 

 

Zum Buch

Für die dreiundzwanzigjährige Angelina Raine bricht eine Welt zusammen, als ihr Onkel plötzlich stirbt. Er war wie ein Vater für sie. Mit ihm teilte sie ihre Begeisterung für Kunst, und nur ihm konnte sie ihre schmerzhaften Erinnerungen an jenen Tag anvertrauen, der ihr Leben und das ihrer Familie für immer veränderte. Erst das Wiedersehen mit dem attraktiven Evan Black reißt Ange­lina aus ihrer Trauer. Ihr Onkel hatte sie vor dem undurchsichtigen Geschäftsmann und seinen dunk­len Geheimnissen gewarnt. Doch Angelina kann Evans Anziehungskraft nicht länger widerstehen. Als ihre Sehnsucht immer stärker wird und ihre Gefühle sie zu überwältigen drohen, muss sie eine Entscheidung treffen. Denn ihre Liebe hat nur eine Chance, wenn sich beide den Schatten ihrer Vergangenheit stellen …

Zur Autorin

J. Kenner wurde in Kalifornien geboren und wuchs in Texas auf, wo sie heute mit ihrer Familie lebt. Sie studierte Rechtswissenschaften und arbeitete für verschiedene ­Anwaltskanz­leien, bevor sie sich ganz dem Schreiben widmete. Nach ihrer internationalen Erfolgsserie um Nikki Fairchild und Damien Stark erscheint nun ihre neue Trilogie Wanted. Der erste Band Lass dich verführen begeisterte in den USA bereits die Leser und wurde sofort ein New-York-Times-Bestseller.

 

 

Die Originalausgabe erschien 2014 unter dem Titel Wanted bei Bantam Books,

an imprint of Random House, a division of Random House LLC,

a Penguin Random House Company, New York

Die WANTED-Serie von J. Kenner im Diana Verlag:

Lass dich verführen

Lass dich fesseln

Lass dich fallen

Deutsche Erstausgabe 11/2014

Copyright © 2014 by Julie Kenner

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 2014 by Diana Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Redaktion | Kristof Kurz

Umschlaggestaltung | t.mutzenbach design, München

Umschlagmotiv | © Shutterstock

Satz | Christine Roithner Verlagsservice, Breitenaich

Alle Rechte vorbehalten

eISBN 978-3-641-14642-9

www.diana-verlag.de

 

1

Ich weiß genau, wann mein Leben auf den Kopf gestellt wurde, kann mich noch genau an den Moment erinnern, als er mir in die Augen blickte, und ich nicht länger Freundschaft darin sah, sondern Gefahr, Lust und Leidenschaft.

Vielleicht hätte ich mich abwenden, vielleicht hätte ich davonlaufen sollen.

Aber das habe ich nicht. Ich wollte ihn. Mehr noch, ich brauchte ihn: diesen Mann und das Feuer, das er in mir entfacht hat.

Zumal ich in seinen Augen gesehen habe, dass er mich auch braucht.

In diesem Moment hat sich alles von Grund auf geändert. Vor allem habe ich mich geändert.

Aber ob zum Guten oder Schlechten, muss sich erst noch ­­zeigen.

Selbst im Tod wusste mein Onkel Jahn, wie man eine verdammt gute Party schmeißt.

Sein Penthouse in Chicago, direkt am See, quoll förmlich über vor wild zusammengewürfelten Trauergästen. Die meisten hatten so viel Wein aus Howard Jahns berühmtem Keller intus, dass jede Melancholie verflogen war. Mit der Folge, dass diese Totenwache, dieser Empfang oder wie immer man das nennen wollte alles andere als eine deprimierende Angelegenheit war. Politiker mengten sich unter Banker und die wiederum unter Künstler und Intellektuelle. Alles strahlte, lachte und trank auf den Verstorbenen.

Auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin hatte es keine steife Beerdigungszeremonie gegeben. Nur diese Zusammenkunft von Freunden und Verwandten, auf der gegessen, getrunken, getanzt und gefeiert wurde. Jahn – er hasste den Namen ­Howard! – hatte ein bewegtes Leben geführt, und nie wurde das so deutlich wie jetzt, wo er tot war.

Ich vermisste ihn wahnsinnig, hatte aber nicht geweint. Ich hatte weder geschrien noch getobt, sondern eigentlich gar nichts getan, außer wie betäubt weiterzuleben. Ich war wie versteinert.

Seufzend spielte ich mit dem Anhänger meines Bettelarmbands. Er hatte mir das kleine Motorrad erst vor einem Monat geschenkt und mir damit ein Lächeln entlockt. Seit meinem sechzehnten Geburtstag hatte ich nicht mehr davon gesprochen, Motorrad fahren zu wollen. Und es war Jahre her, dass ich mit einem Jungen mitgefahren war – die Arme fest um seine Taille geschlungen, das Haar wild im Fahrtwind flatternd.

Aber Onkel Jahn kannte mich besser als jeder andere. Er sah hinter meine Prinzessinnenfassade, sah die junge Frau, die gezwungenermaßen Mauern um sich herum errichtet hatte, sich aber nichts sehnlicher wünschte als ihre Freiheit. Die davon träumte, in eine abgewetzte Jeans zu schlüpfen, sich eine alte Lederjacke zu schnappen und mal so richtig auszuflippen.

Manchmal tat sie das sogar. Und manchmal ging es gründlich daneben.

Ich umklammerte den Anhänger im Gedenken an Jahn, der meine Hand gehalten und mir versprochen hatte, meine Geheimnisse für sich zu behalten. Die Erinnerungen drohten mich zu überwältigen und trieben mir die Tränen in die Augen. Verdammt, er hätte jetzt eigentlich neben mir stehen müssen. Vom lauten Gelächter und den lebhaften Gesprächen um mich herum wurde mir übel.

Obwohl ich wusste, dass Jahn es genau so gewollt hatte, ­musste ich mich schwer beherrschen, nicht auf die Leute los­zugehen, die mich umarmten und mir zuraunten, dort wo er jetzt sei, ginge es ihm besser. Hätte er nicht ein herrliches Leben geführt? Von wegen! Er war nicht mal sechzig ge­worden. Lebenslustige Männer um die fünfzig sollten nicht an einem Aneurysma sterben, und keine tröstend gemeinte Binsenweisheit dieser Welt konnte mich vom Gegenteil überzeugen.

Nervös trat ich von einem Fuß auf den anderen. Auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes hatte man eine Bar aufgebaut, und ich stellte mich so weit wie möglich davon weg, weil ich mich im Moment am liebsten mit Tequila betrinken wollte. Ich wollte mich einfach nur gehenlassen, diese Starre überwinden, die mich lähmte. Ich wollte nur noch weg von hier. Etwas fühlen.

Aber das konnte ich mir abschminken. Kein Tropfen Alkohol würde heute über meine Lippen kommen. Schließlich war ich Jahns Nichte und damit in gewisser Weise die Gastgeberin. Ich saß im Penthouse fest: dreihundertsiebzig Quadratmeter – trotzdem hatte ich das Gefühl, von den mit Kunst zugepflasterten Wänden erdrückt zu werden.

Ich wollte die Wendeltreppe zum Dachgarten hinaufrennen und dann über die Brüstung in den Nachthimmel springen.

Ich wollte über den Michigan-See hinwegfliegen, über die ganze Welt. Ich wollte etwas kaputtmachen, schreien und toben, die gottverdammte Welt verfluchen, die mir diesen wunderbaren Mann genommen hatte.

Mist. Ich holte tief Luft und betrachtete das kostbare, altertümlich aussehende Notizbuch in der Vitrine aus Glas und Chrom, an der ich lehnte. Das ledergebundene Buch war die extrem gute Kopie eines kürzlich entdeckten Notizbuchs von Leonardo da Vinci. Dieses sogenannte Buch der Kreaturen bestand aus sechzehn Seiten mit Tierstudien. Es war in der Mitte aufgeschlagen und zeigte eine fantastische Skizze des noch jungen Malers – seinen Entwurf für den berühmten, aber verloren gegangenen Drachenschild. Jahn hatte versucht, das Notizbuch zu kaufen, und ich wusste noch ganz genau, wie wütend er gewesen war, als es ihm Victor Neely – ein anderer Geschäftsmann aus Chicago, der eine ähnlich wertvolle Privatsammlung besaß wie mein Onkel – vor der Nase weggeschnappt hatte.

Damals hatte ich gerade an der Northwestern Politikwissenschaften und Kunstgeschichte studiert. Ich bin nicht überdurchschnittlich begabt, habe aber mein ganzes Leben lang gezeichnet. Kunst fasziniert mich – besonders Leonardo da Vinci –, und zwar seit mich meine Eltern im Alter von drei Jahren zum ersten Mal mit ins Museum genommen haben.

Ich fand das Buch der Kreaturen ultracool und konnte Jahns Enttäuschung gut verstehen, als er es nicht nur nicht bekommen hatte, sondern die Medien auch noch Salz in seine Wunden streuten, indem sie ausführlich von Neelys neuester Anschaffung berichteten.

Etwa ein Jahr später zeigte mir Jahn das Faksimile, das hell erleuchtet in der extra dafür angefertigten Vitrine lag. Eigentlich kaufte mein Onkel keine Kopien. Wenn er das Original nicht bekam – sei es nun ein Rembrandt, Rauschenberg oder da Vinci –, schaute er sich anderweitig um. Als ich ihn fragte, warum er beim Buch der Kreaturen eine Ausnahme gemacht habe, zuckte er nur die Achseln und sagte, die Zeichnungen seien mindestens genauso interessant und wichtig wie ihre Provenienz. »Außerdem: Wer erfolgreich einen da Vinci kopieren kann, hat selbst ein Meisterwerk geschaffen.«

Obwohl es kein Original war, war das Notizbuch unter Jahns vielen Handschriften und Artefakten mein Lieblingskunstwerk.

Und jetzt, wo ich mich auf der Vitrine abstützte, hatte ich irgend­wie das Gefühl, er wäre noch bei mir.

Ich atmete tief durch, wusste, dass ich mich zusammenreißen musste – und sei es nur, um nicht allzu mitgenommen auszusehen. Denn dann würden die Gäste erst recht versuchen, mich aufzumuntern. Wenn man Angelina Hayden ­Raine heißt, einen amerikanischen Senator zum Vater und eine Mutter hat, die im Vorstand eines Dutzends internationaler Wohltätigkeitsorganisationen sitzt, lernt man sehr schnell, Öffent­liches von Privatem zu trennen. Vor allem, wenn man etwas zu verheimlichen hat.

»Das ist dermaßen beschissen, dass ich am liebsten laut schreien würde.«

Ich spürte, wie meine Mundwinkel leicht nach oben wanderten. Als ich mich umdrehte, sah ich direkt in Kats gerötete Augen.

»Ach, Angie, verdammt!«, sagte sie. »Er hätte einfach nicht sterben dürfen.«

»Könnte er dich weinen sehen, wäre er stinksauer!«, sagte ich und blinzelte meine eigenen Tränen weg.

»Mir doch scheißegal!«

Fast musste ich lachen. Katrina Laron nahm einfach kein Blatt vor den Mund.

Ich weiß nicht, wer von uns beiden sich zuerst vorbeugte, aber schon bald umarmten wir uns so fest, dass uns beinahe die Luft wegblieb. Schniefend löste ich mich schließlich von ihr.

Das mag jetzt vielleicht gefühllos klingen, aber allein die Gewissheit, dass jemand meine Trauer teilte, half ungemein.

»Ständig habe ich das Gefühl, er könnte jeden Moment um die Ecke biegen«, sagte ich. »Fast wünsche ich mir, gar nicht erst hergezogen zu sein.«

Als Onkel Jahns Aneurysma vor vier Monaten entdeckt wurde, war ich zu ihm gezogen. Ich hatte mich beurlauben lassen – was nicht weiter schwer ist, wenn man für den eigenen Onkel arbeitet. Zwei Wochen lang hatte ich die Krankenschwester gespielt, nachdem er aus der Klinik entlassen worden war. Und als die Ärzte absurderweise Entwarnung gaben, hatte ich seine Einladung, dauerhaft bei ihm einzuziehen, angenommen. Warum auch nicht? Die winzige Wohnung, die ich mir mit meinem Jugendfreund Flynn geteilt hatte, war alles andere als luxuriös. Und obwohl ich Flynn unheimlich gern hatte, war er kein einfacher Mitbewohner. Er kannte mich einfach viel zu gut, und es macht mich nervös, wenn jemand sieht, was ich lieber verbergen will.

Doch jetzt sehnte ich mich nach dem schützenden Kokon meines winzigen Zimmers, nach Flynns beruhigender Gegenwart. So sehr ich das Penthouse auch liebte – ohne meinen Onkel war es kalt und leer. Die Vorstellung, allein hier wohnen zu müssen, war der reinste Albtraum.

Kats Blick war warm und verständnisvoll. »Ich weiß. Aber er hat sich so gefreut, dich um sich zu haben! Keine Ahnung, warum«, fügte sie mit einem schiefen Grinsen hinzu. »Schließlich machst du nichts als Ärger!«

Ich verdrehte die Augen. Mit ihren siebenundzwanzig war Katrina Laron bloß vier Jahre älter als ich. Doch das hinderte sie nicht daran, sich bei jeder Gelegenheit als die Ältere und Reifere aufzuspielen. Dass wir uns unter ziemlich seltsamen Umständen angefreundet hatten, spielte sicherlich auch eine Rolle.

Sie hatte in einem der Coffeeshops in Evanston gearbeitet, in dem ich im ersten Studienjahr meinen Koffeinbedarf zu decken pflegte. Wir hatten ein paarmal miteinander geredet, so nach dem Motto: »Eine Extraportion Sahne bitte, denn heute ist so ein beschissener Tag!« Doch im Grunde kannten wir uns kaum.

Das sollte sich gründlich ändern, als mir eines Tages auch eine Extraportion Sahne nicht weiterhelfen konnte. Nicht im Entferntesten!

Wir begegneten uns in der Neiman-Marcus-Filiale in der Michigan Avenue. Ich brauchte unbedingt einen Adrenalinkick, um diesen wirklich beschissenen Tag zu überstehen. Deshalb hatte ich gerade ein Paar Fünfzehn-Dollar-Ohrringe vom Räumungsverkauf heimlich, still und leise in meiner Hand­tasche verschwinden lassen. Aber anscheinend nicht heimlich, still und leise genug.

»Du bist wirklich eine blutige Anfängerin!«, hatte Katrina geflüstert und mich in die Damenschuhabteilung gezerrt. »Bei so einer beschissenen Technik ist es ein Wunder, dass du nicht schon längst verhaftet worden bist.«

»Verhaftet!«, kreischte ich, als könnte man diese Worte bis nach Washington hören, wo sie meinem aufmerksamen Vater zu Ohren kommen würden. Die Angst, erwischt zu werden, war vermutlich ein Teil des Kicks. Aber tatsächlich erwischt zu werden, wäre wirklich scheiße. »Nein, ich habe nichts – ich meine …«

Eine ungeduldige Geste genügte, um meinen Protest im Keim zu ersticken. »Ich sage doch nur, dass du dich geschickter anstellen musst. Wenn du schon was riskierst, dann soll es sich auch lohnen! Diese Ohrringe sind ja nicht gerade der Hit.«

»Es geht mir nicht um die Ohrringe«, gab ich schnippisch zurück und zuckte gleich darauf zusammen. Die Worte waren mir einfach so herausgerutscht, aber deshalb nicht we­niger wahr: Es ging nicht um die Ohrringe, sondern um meinen Dad. Um die Uni und meine weitere Karriere. Um die unausgesprochene Tatsache, dass ich mich so sehr anstrengen konnte, wie ich wollte: Meine Schwester hätte es besser gemacht.

Es ging um meine Zukunft, darum, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Was mich dermaßen belastete, dass ich dringend ein Ventil brauchte.

Kat musterte meine Handtasche, als könnte sie durch das weiche Leder hindurchsehen. Dann kehrte ihr Blick langsam wieder zu meinem Gesicht zurück. Eine ganze Minute lang schwiegen wir unbehaglich. Dann nickte sie. »Keine Sorge, ich mach das schon.« Sie zeigte mit dem Kinn zum Ausgang. »Los, komm!«

Erleichterung durchflutete mich, und meine vor Angst und Scham erstarrten Gliedmaßen tauten langsam wieder auf. Sie führte mich zu ihrem Auto, einem kirschroten Mustang, und ich stieg ein. Sie raste mehr oder weniger mit Lichtgeschwindigkeit die Michigan Avenue hinunter, arbeitete sich bis zum Lake Shore Drive vor und fuhr dabei so dicht auf die anderen Autos auf, schlängelte sich dermaßen ungeduldig durch den Verkehr, dass ihr Cabrio nur wie durch ein Wunder nicht völlig zerschrammt wurde. Mit anderen Worten, es war wirklich beeindruckend! Das Verdeck war runtergeklappt, der Wind peitschte mir die Haare in Gesicht und Mund, und ich konnte nur den Kopf in den Nacken legen und laut lachen.

Kat setzte unser beider Leben aufs Spiel, als sie mir einen kurzen Seitenblick zuwarf. »Ja«, sagte sie. »Ich glaube, wir verstehen uns.«

Von diesem Moment an betete ich Kat förmlich an. Jetzt, wo Jahns Tod mein Leben in seinen Grundfesten erschüttert hatte, merkte ich, dass ich sie nicht nur gerne mochte, sondern auch brauchte.

»Ich bin wirklich froh, dass du hier bist.«

»Wo sollte ich sonst sein?« Sie sah sich im Raum um. »Sind deine Eltern hier auch irgendwo?«

»Sie haben es nicht rechtzeitig geschafft. Sie sitzen in Übersee fest.« Die altbekannte Starre ergriff wieder von mir Besitz, als ich mich an das hysterische Schluchzen meiner Mutter erinnerte, an die tiefe Trauer in der Stimme meines Vaters, als er vom Tod seines Halbbruders erfuhr. »Es war furchtbar, sie benachrichtigen zu müssen«, flüsterte ich. »Es war wie bei Gracie.«

»Es tut mir so leid!« Kat hatte meine Schwester nie kennengelernt, kannte aber die Geschichte. Zumindest die offizielle Version, und ich wusste, dass ihr Mitgefühl aufrichtig war.

Ich rang mir ein zittriges Lächeln ab.

»Das ist einfach Scheiße«, sagte Kat. »Und so was von ungerecht. Dein Onkel war viel zu cool zum Sterben!«

»Ich fürchte, das Universum schert sich nicht um Coolness.«

»Das Universum kann ganz schön arschig sein«, erwiderte Kat seufzend. »Soll ich heute Nacht hierbleiben, damit du nicht so alleine bist? Wir könnten bis in die Puppen aufbleiben und uns dermaßen betrinken, dass die Albträume keine Chance haben.«

»Danke, aber ich komm schon klar.«

Sie musterte mich zweifelnd. Sie gehörte zu den wenigen, denen ich meine Albträume gestanden hatte, und obwohl ich Mitgefühl zu schätzen wusste, wünschte ich mir manchmal, den Mund gehalten zu haben.

»Wirklich«, sagte ich. »Kevin ist hier.«

»Ach ja? Und wie läuft es so? Seid ihr schon verlobt?«

»Noch nicht«, sagte ich trocken. Da wir schon zwei Mal miteinander geschlafen hatten, ging ich davon aus, dass wir ein Paar waren. Aber bisher hatte ich es vermieden, Exklusi­vität anzumelden. Keine Ahnung, warum. Der Sex war zwar nicht weltbewegend, aber okay. Und ich mochte ihn wirklich.

Trotzdem hatte ich ihn in den letzten Monaten am ausgestreckten Arm verhungern lassen, ihm gesagt, ich müsse mich auf Jahns Operation beziehungsweise auf seine Genesung konzentrieren.

Doch mit seinem plötzlichen Tod hatte ich ganz und gar nicht gerechnet.

Es war schon ziemlich schrecklich von mir, dass ich es bedauerte, nach Jahns Tod keine weiteren Ausreden zu haben, die ich Kevin auftischen konnte.

Neben mir verrenkte sich Kat schier den Hals und schaute suchend in die Menge. »Wo ist er?«

»Er musste mal kurz telefonieren. Eigentlich hat er heute Dienst.«

»Und was willst du jetzt machen?«, fragte Kat.

»Mit Kevin?« Ehrlich gesagt hoffte ich, diesbezüglich erst mal gar nichts machen zu müssen.

»Beruflich«, erwiderte sie. »Um Geld zu verdienen. Mit deinem Leben. Hast du dir schon Gedanken darüber gemacht, was du jetzt tun willst?«

»Oh.« Ich ließ die Schultern hängen. »Nein, eigentlich nicht.« Mit dem Job in der PR-Abteilung von Jahns Firma konnte ich zwar meine Rechnungen bezahlen, aber mein Lebensinhalt war er nicht gerade. Kat war eine der wenigen, der ich dieses dunkle Geheimnis anvertraut hatte. Doch in diesem Moment wollte ich lieber das Thema wechseln. Zum Glück hatte ein anderer im Raum Kats Aufmerksamkeit erregt und lenkte sie von meinem mangelnden Ehrgeiz und meiner fehlenden Zielstrebigkeit ab.

Sie richtete sich ein wenig auf, und ihre Mundwinkel wanderten leicht nach oben, verzogen sich fast zu einem Lächeln. Neugierig drehte ich mich um, konnte aber nichts als ein Meer aus schwarzen Anzügen und Kleidern entdecken. »Was ist denn? Kevin?«, fragte ich und hoffte, dass er nicht gerade auf uns zukam.

»Cole August«, sagte sie. »Zumindest dachte ich, ich hätte ihn gesehen.«

»Oh.« Ich leckte mir über die Lippen. Auf einmal hatte ich einen ganz trockenen Mund. »Ist Evan bei ihm?« Ich zwang mich, beiläufig zu klingen, doch mir schlug das Herz bis zum Hals. Wo Cole war, war meist auch Evan nicht weit.

Dann fiel mir wieder ein, welcher Tag heute war, und mein Herz beruhigte sich etwas. Gleichzeitig war ich enttäuscht.

»Wird heute Abend nicht der Krankenhausflügel eingeweiht, den Evan gestiftet hat?«

Kat würdigte mich keines Blickes, sie suchte nach wie vor die Menge ab. »Keine Ahnung.« Sie sah mich kurz an. »Ja. Du hast mich doch dazu eingeladen, bevor, naja, du weißt schon …«

Ich blinzelte neue Tränen weg. »Evan wird gar nicht begeistert sein, das hier zu verpassen. Jahn war wie ein Vater für ihn.«

Kat wich neben mir einen Schritt zurück, und ich zuckte verblüfft zusammen.

»Was ist denn?«

Sie riss sich von der Menge los und sah mich dann stirnrunzelnd an. »Ich … Oh, Mist. Ich muss dringend mal telefonieren. Ich bin gleich wieder da, einverstanden?«

»Äh, einverstanden.« Wen zum Teufel musste sie ausgerechnet jetzt anrufen? Doch mir blieb keine Zeit mehr, mir darüber Gedanken zu machen, denn ich entdeckte Cole. Und direkt neben ihm Evan, der aussah, als gehörte ihm die ganze Welt und alles, was darin kreuchte und fleuchte.

Sofort bekam ich kaum noch Luft und eine Art elektrischen Schlag. Obwohl ich ihn gesehen hatte, machte mir erst meine körperliche Reaktion auf ihn seine Anwesenheit so richtig bewusst. Erst nachdem ich ihn gespürt hatte, konnte ich ihn richtig erkennen.

Und er bot wirklich einen fantastischen Anblick!

Wenn Cole supersexy war, war Evan Black Versuchung pur. Heute Abend war er ganz besonders unwiderstehlich. Er kam wohl direkt aus dem Krankenhaus, denn er trug nach wie vor einen Smoking. Obwohl er eindeutig overdressed war, fühlte er sich absolut wohl in seiner Haut. Egal ob im Smoking oder in Jeans – bei Evan zählte nur der Inhalt, nicht die Verpackung.

Er sah aus wie aus Stein gemeißelt. Zur Blütezeit Holly­woods hätte man ihn sofort für den Film entdeckt, und sein Selbstvertrauen und Auftreten hätten ihn zum Publikums­magneten schlechthin gemacht. Eine kleine Narbe unterbrach seine linke Braue und verlieh seinem engelsgleichen Gesicht etwas Teuflisches.

Er stammte aus einer äußerst vermögenden Familie und hatte selbst schon Millionen verdient. Das merkte man an seiner gesamten Haltung – daran, wie er einen Raum betrat und auf Anhieb völlig beherrschte.

Seine Augen waren wolfsgrau und sein Haar tiefbraun. Im richtigen Licht schimmerte es kupferfarben. Er trug es lang, sodass es ihm bis auf den Kragen fiel, und seine Naturwellen ließen es wie eine Mähne aussehen – was den Eindruck von Ungezähmtheit nur noch verstärkte.

Ungezähmt oder nicht – ich musste zu ihm! Musste ihm durch seine Locken fahren. Ich stellte mir sein weiches Haar vor – aber das war auch das einzig Weiche an ihm. Alles andere war stahlhart. Seine markanten Züge und sein muskulöser Körper verliehen ihm etwas Gefährliches.

Keine Ahnung, ob diese Gefahr echt war oder nur Einbildung. Doch in diesem Moment war mir das völlig egal.

Ich wollte ihn einfach nur berühren.

Dieses verzweifelte Bedürfnis, zu fliehen, das mich schon den ganzen Abend begleitete – es ließ mich förmlich in Evans Arme fliegen.

Ich brauchte diesen Adrenalinstoß, diesen Kick.

Ich wollte diesen Mann.

Doch leider, leider, wollte er mich nicht.

 

2

Ich kannte Evan Black seit fast acht Jahren – und andererseits auch wieder überhaupt nicht.

Ich war gerade sechzehn geworden, als ich ihn zum ersten Mal sah. In jenem heißen Sommer, der mir so einige Premieren bescherte: Es war der erste Sommer, den ich ausschließlich in Chicago verbrachte. Der erste Sommer ohne meine Eltern. Und es war das erste Mal, dass ich mit einem Mann fickte. Denn genau das war es: ein Fick und keine süße Teenie-Romanze. Reines Abreagieren durch Sex – mehr nicht. Flucht und Vergessen.

Und damals hatte ich mich weiß Gott danach gesehnt, vergessen zu können, denn es war auch der erste Sommer ohne meine Schwester, die zu Hause in Kalifornien knapp zwei Meter unter der sonnenverbrannten Erde lag.

Nach ihrem Tod war ich verloren gewesen. Meine Eltern, die selbst am Boden zerstört waren, hatten versucht, mich aufzufangen, zu helfen, zu trösten. Aber ich hatte mich dagegen gesträubt, litt zu sehr unter dem Verlust, um ihre Nähe zu suchen. Meine Schuld war zu groß, um noch glauben zu können, dass ich ein Recht auf ihre Hilfe oder ihre Zuneigung hätte.

Es war Jahn, der mich aus diesen Höllenqualen rettete. Am ersten Freitag der Sommerferien stand er plötzlich bei uns in La Jolla vor der Tür und führte meine Mutter sofort ins dunkel vertäfelte Arbeitszimmer, zu dem ich keinen Zutritt hatte. Als sie zwanzig Minuten später wieder herauskamen, standen erneut Tränen in ihren Augen, aber sie schaffte es, mir aufmunternd zuzulächeln. »Geh und pack deine Sachen«, sagte sie. »Du gehst mit Onkel Jahn nach Chicago.«

Ich hatte drei Tank Tops, meinen Badeanzug, ein Kleid, eine Jeans und die kurze Hose dabei, die ich auf dem Flug trug. Ich rechnete damit, ein Wochenende zu bleiben. Stattdessen blieb ich den ganzen Sommer.

Onkel Jahn wohnte damals überwiegend in seinem Haus am See in Kenilworth, einem sagenhaft reichen Vorort von Chicago. Ganze zwei Wochen lang tat ich nichts anderes, als in der Gartenlaube zu sitzen und auf den Michigan-See zu starren. Das war so gar nicht meine Art, denn bei meinen letzten Besuchen war ich Jetski oder Skateboard gefahren oder mit einem geliehenen Bike die Sheridan Road hinuntergesaust – zusammen mit Flynn, dem Jungen, den ich später ficken würde. Er wohnte zwei Häuser weiter und war genauso schwer zu bändigen wie ich. Mit zwölf hatte ich sogar eine Seilrutsche von meinem Mansardenzimmer bis ans andere Ende des Pools gespannt und machte begeistert davon Gebrauch – und zwar trotz der entsetzten Schreie und Flüche meiner Mutter, als sie sah, wie ich durch die Luft flog und dann mit einem gewal­tigen Platschen im Wasser landete.

Grace hatte mich von ihrer Sonnenliege aus, auf der sie wie auf einem Thron saß, angeschrien und mir vorgeworfen, ihre gebundene Ausgabe von Stolz und Vorurteil zu ruinieren. Und von meiner Mutter bekam ich für den Rest des Tages Stubenarrest. Onkel Jahn hatte kein Wort darüber verloren, aber als ich an ihm vorbeiging, glaubte ich ein belustigtes Funkeln in seinen Augen zu sehen und vielleicht sogar so etwas wie Bewunderung.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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