Wäre ich du, würde ich mich lieben - Horst Evers - E-Book

Wäre ich du, würde ich mich lieben E-Book

Horst Evers

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Beschreibung

Wär doch gelacht! Horst Evers' grandios komische Geschichten über Unbill und Tücken des Alltags Warum erfindet der Mensch elektrische Zahnbürsten, aber keinen Mülleimer, der selbständig in den Hof runtergeht und sich ausleert? Gibt es eine Altersvorsorge, die auch schon in jungen Jahren glücklich und zufrieden macht? Wie hält man vor einem Kater dessen Kastration geheim? Wie die Tücken des Hier und Jetzt auch aussehen mögen: Horst Evers hat zwar nicht immer eine Lösung parat, kann aber so lustig und liebevoll davon erzählen, dass man schon wieder froh ist, dass es die Probleme gibt. Darüber hinaus absolviert Evers eine Ausbildung zum Wikinger, entdeckt mit seiner Tochter eklige Wörter («Currywurstsmoothie») und bringt die wahren Gründe ans Licht, warum der Berliner Flughafen einfach nicht fertig wird. Seine Exkursionen treiben ihn in einen Riss des Raum-Zeit-Kontinuums am Hauptbahnhof Witten, führen ihn zu existenziellen Fragen in Cottbus («Was nützt dem Wolf die Freiheit, wenn er das Schaf nicht fressen darf?») und natürlich auch in die unendlichen Weiten der zwischenmenschlichen Beziehungen: «Wäre ich du, würde ich mich lieben.» In seinem neuen Geschichtenband ist Horst Evers weit davon entfernt, auch nur einen einzigen Ratschlag zu erteilen, hilft aber trotzdem!

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Seitenzahl: 260

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Horst Evers

Wäre ich du, würde ich mich lieben

Ihr Verlagsname

Über dieses Buch

Wär doch gelacht! Horst Evers’ grandios komische Geschichten über Unbill und Tücken des Alltags

Über Horst Evers

Inhaltsübersicht

MottosJedem Anfang wohnt ein Ende inneWäre ich du, würde ich mich liebenGrippe ist noch viel schlimmerDie Chicorée-SalamiDie DrohungSo gut möchte man es auch mal habenOriginal Berliner Bubble TeaWas nützt dem Wolf die Freiheit, wenn er das Schaf nicht fressen darf?Die TafelDie Blüte des VerfallsDer werfe die erste RolltreppeDie NazimeerschweinchenWohlfühlshoppingFlohmarktpädagogikDie schönsten Weihnachtsmärkte der Welt (Folge 26): Der Christkindlesmarkt in NürnbergFrischer FischLeben und Sterben auf der BerlinaleLetzte SätzeAschenputtel de luxeDicke FüßeGroße ErwartungenDer Unterschied zwischen Madrid und BerlinDer Supermarkt der ZukunftWurstbrote per MailEhua-RoutineZukunftssplitterDas unterforderte FerienhausDas TutenPizza DeutschlandTauben auf dem DachDas Konzept BergeModernes TheaterTalent und WirklichkeitDie schönsten Weihnachtsmärkte der Welt (Folge 27): Der Wikinger-Weihnachtsmarkt von RostockDie Glückstrinker vom MarheinekeplatzDas Hobby zum Beruf gemachtPädagogische FreiheitenWas würde Dschingis Khan tun?Der BeistellsalatEin besonderes TalentWas YouTube von mir denktZelten – ein Abenteuer in drei TriumphenDie Geschichte der Räuberei (Folge 263): Die RhönräuberDer flinke KalleSitzgeschwindigkeitHaare auf WeltniveauDer Held des UmzugsMein Taxifahrer erklärtTür aufIch war der KürbisDer gütige SiegfriedGrandezzaVorsicht ist besser als KomfortSortimentsmarmeladengläserAlltägliche VerantwortungDer «Ich-hör-gar-nicht-mehr-zu-Sack»Getauschte TageDas Wittener Raum-Zeit-PhänomenMan weiß ja, wie die Leute sindAltersvorsorge in GüterslohDas Etablissement im ZugLeseprobe: Alles außerirdisch

«Es ist sehr schwer, eine schwarze Katze in einem dunklen Zimmer zu finden. Besonders, wenn sie gar nicht da ist.»

Konfuzius

 

«Ich weiß, dass ich mal Dinge gewusst habe, die mir, bevor ich sie vergessen habe, überhaupt nichts genützt haben. Und doch vermisse ich sie.»

Jemand in einem grünen Hemd in irgendeiner Kneipe, dessen Namen ich leider mittlerweile vergessen habe. Genauso wie den der Kneipe. Nur an das grüne Hemd erinnere ich mich noch, wobei ich mir da bei der Farbe auch nicht ganz sicher bin.

 

«Ich glaube, die meisten Dinge habe ich nur gelernt, um besorgt verfolgen zu können, wie ich sie nach und nach wieder vergesse.»

Irgendein anderer, quasi als Antwort, einige Stunden später im selben Lokal. Möglicherweise auch ich selbst.

 

«You will still be here tomorrow, but your dreams may not.»

Cat Stevens, noch mal deutlich später am gleichen Abend, als sonst keiner mehr was gesagt hat, aus der Musikanlage.

Jedem Anfang wohnt ein Ende inne

Wäre ich du, würde ich mich lieben

«Kennen Sie dieses Gefühl, wenn Sie die ganze Zeit total müde sind und trotzdem einfach nicht einschlafen können? So erging es mir im Prinzip während der Pubertät mit meiner Sexualität.»

Die Ärztin schaut mich lange und fragend an.

«Warum genau haben Sie mir das jetzt erzählt?»

«Na ja, ich bin nun Mitte vierzig. Die zweite Lebenshälfte beginnt. Es spricht einiges dafür, dass wir in den nächsten Jahren viel Zeit miteinander verbringen werden. Wohl auch manche Gespräche führen. Zudem sind Sie die erste Ärztin, die deutlich jünger ist als ich. Daher wahrscheinlich die letzte Ärztin meines Lebens. Sie werden mich begleiten, wenn das Alter Besitz von mir ergreift. Mich durch lustige Krankheiten und entwürdigende Metamorphosen schiebt. Wenn ich mich an sämtliche Bremer Torschützen des Meisterjahres 1988 erinnere, aber nicht mehr an den Beginn des Satzes, den ich gerade spreche. Wenn die Kraft nachlässt und das Gewebe erschlafft, Schließmuskeln schlampig zu arbeiten beginnen und für große persönliche Enttäuschungen sorgen …»

«Halt! Halt!», unterbricht sie mich. «Wenn Sie jetzt schon alles verraten, nehmen Sie ja die ganze Spannung raus. Lassen Sie mir und sich selbst doch ein bisschen Vorfreude.»

«Also gut, natürlich. Ich dachte nur, es wäre vielleicht ganz klug, Ihnen frühzeitig ein wenig von mir zu erzählen. Von meiner Kindheit, meinem Leben. Damit ich Ihnen etwas ans Herz wachse. Damit Sie mich, wenn bei mir Selbstbild und Körperwirklichkeit immer weiter auseinanderklaffen, trotzdem bereitwillig, freundlich und anteilnehmend dorthin begleiten, von wo noch nie ein Mensch zurückgekehrt ist: ins Alter.»

Die Miene der Medizinerin verzieht sich keine Sekunde.

«Haben Sie sich das selbst ausgedacht, oder ist das ein Zitat?»

«Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung. Ich zitiere häufig aus dem Kopf, und wenn ich dann google, wer das ursprünglich gesagt hat, stelle ich fest: niemand. Niemand hat das bislang gesagt. Wissen Sie, dass es eine Studie gibt, nach der mehr als die Hälfte aller berühmten Zitate gar nicht von den Leuten erdacht wurden, denen sie zugeschrieben werden? Manchmal haben die berühmten Leute diese Sätze sogar nicht einmal gesagt. Also häufiger, als man meint.»

Sie nickt. «Das kenne ich. Sie würden staunen, wie viele Menschen an Krankheiten leiden, die sie eigentlich gar nicht haben. Manchmal sterben sie sogar daran. Sie sollten nicht so viel über das Alter nachdenken. Aber wenn Sie einen Rat wollen, kann ich Ihnen nur dringend empfehlen, Ihren Körper und alle Veränderungen …»

«Ich weiß schon, anzunehmen und zu respektieren. Meinen Körper zu mögen, auch wenn es mir schwerfällt. Dieses ganze Zeug.»

«Nee, mit Mögen kommen Sie da nicht weit. Reicht nicht. Um glimpflich durchs Alter zu kommen, müssen Sie Ihren Körper bedingungslos lieben. Ihm alles vergeben, alles verzeihen, auch wenn er sich noch so enttäuschend verhält. Nur wenn Sie blind vor Liebe sind, wird Ihnen das alles nichts oder zumindest wenig ausmachen.»

Vor meinem inneren Auge erscheint ein Bild aus der Vergangenheit. Ich kannte mal eine Katja. Mit Anfang zwanzig war ich einige Wochen mit ihr zusammen. Sie war sprunghaft, extrem temperamentvoll und wirklich anstrengend. «Wäre ich du, würde ich mich lieben», hatte sie irgendwann gesagt, «weil sonst hält man das mit mir nicht lange aus.» Das stimmte. Obwohl ich es trotzdem nicht lange ertragen habe, hat mir ihr Rat später oft geholfen. Wenn etwas wirklich nicht mehr auszuhalten ist, hilft nur noch Liebe. Nun soll das also auch noch fürs Altwerden gelten.

«Ich kenne übrigens teilweise Ihre Bücher», beendet meine neue Ärztin den Vorsorgetermin. «Falls ich darin demnächst vorkommen sollte, würde ich mich sehr freuen, wenn Sie auf Beschreibungen meiner starken Kurzsichtigkeit verzichten, auch auf Witze darüber und erst recht auf irgendwelche Formulierungen wie ‹ungläubiges Staunen durch dicke Brillengläser› oder so.»

«Selbstverständlich, vielleicht fängt das nächste Buch sogar mit unserem ersten gemeinsamen Infekt an. Sie werden gut aussehen», verspreche ich ihr und bekomme zur Belohnung einen warmen, liebevollen Blick aus ihren funkelnden grünen Augen.

Grippe ist noch viel schlimmer

Als ich am Morgen ins Badezimmer komme, stelle ich fest, dass der Spiegel kaputt ist. Das, was er mir als mein Gesicht andrehen will, ist nun wirklich eine bodenlose Frechheit. Erkenne mich quasi nur am Pyjama und am Badezimmerregal im Hintergrund.

Der lustlose Spiegel wirkt, als hätte ich ihn überrascht, als wäre er mit der Darstellung meines Gesichts nicht einmal halbfertig geworden. Es sieht maximal so aus, als hätte jemand mit einem ganz feinen, dünnen Bleistift eine Skizze vom Kopf gemacht, die Skizze durch Butterbrotpapier durchgepaust und dann einen Becher Kaffee darauf verschüttet. Obwohl, wie Kaffee sieht es nicht aus, eher wie verdünnte Himbeermarmelade. Ja, jetzt erkennt man es gut. Als hätte jemand auf das Butterbrotpapier mit dem durchgepausten Kopf noch mit Kaffee und Graupensuppe verdünnte Himbeermarmelade geschüttet.

Frage: «Spieglein, Spieglein an der Wand – wer ist der Schönste im ganzen Land?»

Der Spiegel versteht die Frage nicht.

Die Freundin meint, ich sähe schlimm aus. Quasi wie ein farbloser Schnapsmatrizenabzug meiner selbst.

Antworte: «Ich weiß, habe schon mit dem Spiegel gesprochen.»

Sie meint, der Spiegel sei kaputt. Die Tochter habe für ein Naturwissenschaftsprojekt im Bad einen Pappmaché-Planeten mit einem Gemisch aus Himbeermarmelade, Kaffee und Graupensuppe besprüht und dabei versehentlich den ganzen Spiegel gleich mit.

Murmle: «Ach.»

Die Freundin ärgert mich fröhlich. «Hätte man’s gewusst, hätte sie sich die ganze Arbeit sparen und stattdessen einfach deinen Kopf zur Projektstunde mitnehmen können. Der würde zurzeit auch ohne weiteres als Eins-a-Marsoberfläche durchgehen.»

Stöhne: «Ich hab Grippe.»

Sie meint: «Das ist höchstens ein grippaler Infekt. Richtige Grippe ist noch viel, viel schlimmer.»

«Schlimmer als das, was ich habe, ist tot. Mindestens. Fühle mich wie lebendig ausgestopft. Als hätte mich der schlechteste Tierpräparator der Welt mit achtzig Kilo Schleim gefüllt. Nachdem er mich vorher esoterisch betäubt hat. Also diese Betäubung, wo einem nur so eine große Metallklangschale über den Kopf gestülpt wird, und dann schlägt eine sehr kräftige Person mit einem riesigen Klöppel mal ordentlich dagegen. Diese Art Betäubung. Hallt rund eine Woche nach.»

Rufe bei der Ärztin an. Die Sprechstundenhilfe fragt, was ich habe.

Sage: «Uaahhhwwwlallwahlallaschwuaschgmpfflwhaa…äää ääähhhh.»

Sie meint: «Hm, das haben ja im Moment praktisch alle.»

Röchle: «Genau. So Grippe eben.»

«Neenee, das ist nur ein grippaler Infekt. Richtige Grippe ist noch viel, viel schlimmer.»

Na toll. Teile ihr mit, keinen Wert auf ihre Vordiagnosen zu legen. Das wollen wir doch mal lieber der Ärztin überlassen, und überhaupt sei so was am Telefon ja wohl nicht seriös zu beurteilen.

Die Sprechstundenhilfe entschuldigt sich für ihre Vorwitzigkeit. Es gebe aber einen Schnelltest, mit dem man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen könne, ob es Grippe oder grippaler Infekt sei. Ich solle mich doch einmal nach vorne beugen, meinen Kopf durch die gespreizten Beine stecken und versuchen, mir selbst in die linke Hacke zu beißen.

Lege den Hörer zur Seite. Bewege den Kopf langsam nach vorn, Richtung Beine. Verliere das Gleichgewicht, stürze ins Altpapier und rocke dann mit meinem Hintern scheppernd das Altglas. Höre aus dem Hörer ein lautes und fröhliches Lachen. Ziehe mich zum Telefon, stöhne: «Ich hab’s leider nicht geschafft. Heißt das, ich habe doch die richtige Grippe?»

Sie lacht immer noch. «Nein, nein. Für den Grippe-Schnelltest bräuchten wir selbstverständlich eine Speichelprobe. Das war nur der Schnelltest, ob Sie eine miese Körperbeherrschung haben und ein Idiot sind. Glückwunsch, beides trifft zu. Ist aber nur vorläufig, eine genaue, seriöse, endgültige Diagnose kann natürlich nur die Ärztin stellen.» Dann gibt sie mir einen ganz schnellen Termin. Ich glaube, sie mag mich.

Mir wird schwindlig, als hätte erneut jemand mit einem riesigen Klöppel auf diesen großen Klangeimer auf meinem Kopf geschlagen. Sinke zurück ins Altglas. Lächle. Rufe mit letzter Kraft zur Freundin: «Mein Plan ist es, innerhalb der nächsten zwei Stunden wieder aufzustehen und zur Ärztin zu gehen. Würdest du, wenn ich die Wohnung verlasse, bitte kontrollieren, ob ich Kleidung trage?»

Sie sagt irgendwas, was ich wegen des Dröhnens der Klangschale nicht verstehe.

Rufe zurück: «Ach ja, und falls ich innerhalb von vierundzwanzig Stunden nicht zurück bin, habe ich die Sprechstundenhilfe geheiratet und bin mit ihr durchgebrannt.»

Die Freundin meint: «Alles klar, vergiss aber deinen Reisepass nicht!»

Dann schlägt der Klöppel wieder zu.

 

Unbestimmte Zeit später sitze ich mit meinem grippalen Infekt im Wartezimmer. Um mich herum nur Menschen, die sich offensichtlich mindestens genauso elend fühlen wie ich. Niemand sagt etwas, und doch hört man im Raum so eine Art Summen. Als würden sich all unsere Viren angeregt miteinander unterhalten:

 

– Und wie geht’s dir so?

– Ach, ich kann nicht klagen. Seit ich beim Evers untergekommen bin, ist alles geschmeidig. Ich kleistere ihn mit Schleim zu, verpasse ihm Fieberphantasien und lasse ihn nachts nicht schlafen. Das Übliche eben. Routinejob.

– Ja, muss ja, ne. Ich mach hier auch nichts groß anderes.

– Genau, das übliche Tagesgeschäft. Wenn du willst, komm doch mal vorbei. Für so einen kernigen Nebenvirus ist hier beim Evers immer Open House.

– Gern, klingt nett.

– Ja, kannst ruhig eine Weile bleiben. Hier lässt sich’s leben.

– Neenee, ich bleib ja nie lange. Wenn du einen Virus mit richtig Sitzfleisch suchst, dahinten ist ein Influenza A/H3N2. Der Buddha unter den Grippeviren. Wenn der erst mal irgendwo sitzt, dann sitzt er. Den kriegste so schnell nicht wieder weg. Es gibt Kollegen, die behaupten, so ganz geht der überhaupt nie wieder …

 

Fühle mich unwohl. Versuche Sudokus zu lösen. Die Zahlen verschwimmen mir vor den Augen. Meine Nachbarin meint: «Ich habe die Zeitschrift zu Hause. Das Sudoku habe ich schon gemacht. Die Lösungszahlen sind null, eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht und neun.» Bedanke mich und setze mich um. Ihren grippalen Infekt möchte ich mir nun wirklich nicht einfangen.

Sollte zur Ablenkung etwas weniger Anstrengendes als Sudokus machen. Vielleicht atmen. Ein-aus-ein-aus-ein-ein-ein … Mist, diese Atmerei ist irgendwie auch zu anspruchsvoll. Der riesige Klöppel schlägt wieder gegen die imaginäre Klangschale auf meinem Kopf. Endlich. Falle erneut in Trance. Als das Vibrieren nachlässt, sitze ich schon im Behandlungsraum. Die Ärztin schaut nachdenklich. Redet mit mir. Wie lange wohl schon?

«Also, ich verschreib Ihnen dann erst mal was gegen die Kopfschmerzen.»

«Na ja, richtige Kopfschmerzen habe ich eigentlich gar nicht. Es ist mehr so eine Kopftaubheit.»

«Glauben Sie mir, Sie werden auch noch erhebliche Kopfschmerzen bekommen. Ganz erhebliche.»

«Hm. Können Sie mir schon sagen, was ich habe?»

Ihr Blick wird noch ernster. Sie grübelt, tippt einiges in ihren Computer.

«Noch nicht. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Wenn Sie sich einfach ein wenig ruhig verhalten, wird Ihnen nichts passieren. Ich hole Ihnen mal einen Grippetest aus dem Labor.»

Sie verschwindet durch die Tür. Ich stürze zu ihrem Schreibtisch, um auf dem Monitor zu lesen, was sie gerade so nachdenklich besorgt geschrieben hat. Donnere mit voller Wucht mit dem Kopf gegen die tiefhängende Schreibtischbeleuchtung. «Au!!!» Schiebe meinen dröhnenden Schädel nun vorsichtig Richtung Computer und lese: «Sehen Sie, ich habe doch gesagt, Sie sollen sich ruhig verhalten. Das Rezept gegen Kopfschmerzen liegt vorne.»

Die lustige Ärztin kommt zurück. «Na bravo, durch Sie habe ich gerade eine Wette gegen Frau Kalkow, meine Sprechstundenhilfe, die mit Ihnen telefoniert hat, verloren. Immerhin bekomme ich so aber am schnellsten heraus, ob ein Patient gewillt ist, ärztlichen Anweisungen Folge zu leisten oder eben nicht. Frau Kalkow meinte, der Tiefe-Lampen-Test wäre bei Ihnen das Sinnvollste, um zügig ein Problembewusstsein zu schaffen.»

Reibe meinen Kopf. Die Sprechstundenhilfe hat tatsächlich über mich nachgedacht, sie muss mich wirklich sehr mögen. Lächle, bemerke dann erschrocken, dass die Ärztin offensichtlich die ganze Zeit weitergeredet hat.

«… Haben Sie das verstanden?»

«Äääh, ja, natürlich.»

«Schön, wenn Sie sich wirklich mal ein paar Tage richtig ruhig verhalten und Brühe schlürfen, geht das ganz von allein wieder weg. Sonst nehmen Sie halt Medikamente. Rezept liegt vorne, aber wenn Sie die Mittel nehmen, bitte unbedingt genau so, wie ich es Ihnen gerade erklärt habe.»

Ich nicke.

«Doch grundsätzlich wäre es sehr viel besser, wenn Sie sich und Ihrem Körper ein paar Tage völlige Ruhe gönnen würden. Warum sehen Sie diese Krankheit nicht einfach mal als Geschenk?»

 

Ja, warum eigentlich nicht? Immerhin gelingt es meinem Geschenk auch drei Tage später noch, mich stets aufs Neue zu überraschen. Vergleichbar vielleicht mit der Überraschung eines Boxers, der in Runde vier oder fünf staunt, dass es dem Gegner gar nicht langweilig wird, ihm immer weiter in die Fresse zu schlagen. Wenigstens zeigen die Medikamente Wirkung. Die metallene Klangschale über meinem Schädel hat sich nun in ein riesiges Popcorn verwandelt. Ein Popcorn, das allerdings noch im heißen Fett brutzelt, und niemand kann sagen, wann es explodiert. Irgendwann muss es aber explodieren. Das hoffe ich zumindest, also so wie man auf eine furchtbare, unkontrollierbare Katastrophe hofft, nur damit sich mal etwas verändert. Vielleicht hätte ich die Ärztin doch noch einmal fragen sollen, wie genau die Medikamente einzunehmen sind.

Als mein Freund Peter mich besucht, achte ich peinlich darauf, dass wir uns nicht zu nahe kommen, er nichts berührt oder auch nur streift, mit dem ich Kontakt gehabt habe.

«So einen schlimmen, schlimmen grippalen Infekt, wie ich ihn habe», erkläre ich, «nach einstimmiger Expertenmeinung übrigens ein grippaler Infekt, der von einer richtigen und ungewöhnlich bösartigen Grippe eigentlich nur durch die Bezeichnung zu unterscheiden ist, also den wünscht man wirklich seinem ärgsten Feind nicht.»

Peter stutzt kurz, meint dann: «Och, ich schon.»

«Was?»

«Na, ich würde das meinem ärgsten Feind eigentlich schon gönnen. Aber hallo!»

Er ist plötzlich ganz aufgeregt und erklärt mir, er habe übermorgen Vormittag zufällig ein Treffen mit Mitarbeitern der Investorengruppe, die das Haus, in dem er wohne, gekauft habe. Jetzt würden die wohl aus allen Wohnungen Ferienapartments oder Eigentumswohnungen machen wollen. Peter findet, ich könne doch gut mitkommen zu diesem Termin, als sein Rechtsbeistand oder so. Um dann als Zeichen unseres guten Willens all diesen Mitarbeitern mal kräftig die Hand zu schütteln.

Ich winke ab. «Ich bin viel zu krank. Ich kann die Wohnung höchstens verlassen, um zur Ärztin oder zur Apotheke zu gehen. Wenn ich getragen werde, schaff ich’s vielleicht auch bis zum Friedhof.»

Peter lässt nicht locker. «Du darfst dich nicht der Verantwortung entziehen. Das Schicksal hat dir diesen Virus nicht ohne Grund geschenkt. Es ist deine heilige Pflicht, mit ihm für eine bessere Welt zu kämpfen. Im Prinzip bist du jetzt ein biologischer Kampfstoff.»

«Du meinst, ich bin so was wie ein Grippe-Mudschahed?»

«Nee, mehr so was wie Spiderman. Aber statt einer mutierten Spinne hat dich eben ein mutierter Schnupfen gebissen. Sozusagen. Und jetzt hast du virale Superkräfte, die du aber noch nicht richtig kontrollieren kannst …»

Für einen kurzen Moment überlege ich, ob die Ärztin dies vielleicht mit dem Geschenk gemeint haben könnte. Und wem ich alles so wirklich gern mal die Hand schütteln würde. Ich lächle. Dann jedoch explodiert endlich das riesige Popcorn auf meinem Kopf.

Die Chicorée-Salami

«Hui, das riecht aber komisch!», sagt die schöne Paketpostbotin, als sie mir das Päckchen überreicht.

Murmle: «Ich weiß» und gebe ihr das Nachporto. Ich kenne diesen Geruch und das Nachporto schon seit vielen Jahren.

Vor mehr als zwei Jahrzehnten war ich mit meiner damaligen Freundin bei ihren Eltern in Franken zu Gast. Zum Frühstück gab es eine eigenartige Wurst, die ich nicht essen wollte, die mir die Mutter der Freundin dann aber irgendwie auf meinen Wecken draufgeredet hat. Die Wurst schmeckte mir nicht besonders, eigentlich gar nicht, doch aus Höflichkeit sagte ich auf Nachfrage: «Ganz gut … eigentlich.» Das war, im Nachhinein gesehen, ein schwerer Fehler.

Die Mutter der Freundin interpretierte dieses «Ganz gut … eigentlich» offenbar als einen emotionalen Ausbruch des Entzückens und wandelte es für sich in die Gewissheit um: «Er liebt diese Wurst, ohne sie kann er praktisch überhaupt gar nicht mehr leben!» Seitdem schickt sie sie mir in regelmäßigen Abständen aus Franken zu. Und während sich die Tochter bereits vor fast zwanzig Jahren von mir getrennt hat, sind mir Mutter und Wurst bis heute erhalten geblieben.

Das ist nicht ungewöhnlich. Ich habe mich von mancher Frau oder, besser gesagt, manche Frau hat sich von mir im Laufe meines Lebens getrennt, aber die Mütter haben mir fast alle bis zum heutigen Tag die Treue gehalten. Ich bin so eine Art Lieblingsfreund für Mütter. Diese Freundin, Meike, bot seinerzeit sogar an, mir unsere gemeinsam angeschaffte Comicsammlung zu überlassen, wenn ich im Gegenzug bereit wäre, der Mutter gegenüber auf unbestimmte Zeit als amtierender Freund aufzutreten. Dadurch hielt Meike den nachfolgenden Freunden schön den Rücken frei, und die Mutter hatte jemanden, dem sie von Zeit zu Zeit Wurst schicken konnte. Erst als Meike schwanger wurde, erwies sich diese Konstruktion als zu kompliziert, und sie stellte ihren neuen Freund nun doch zu Hause vor.

Das hinderte Meikes Mutter aber nicht daran, mich weiterhin sehr zu mögen und, noch wichtiger, mir auch weiter Wurstpäckchen zu schicken.

Die Wurst ist übrigens eine Chicorée-Salami, eine regionale Spezialität, die es praktisch nur noch in der Metzgerei dieses Dorfs bei Kulmbach gibt. Das heißt, eigentlich gibt es die auch dort schon lange nicht mehr, da der Metzger sie normalerweise nicht mehr produziert. «Die schmeckt einfach keinem!», soll er zur Begründung gesagt haben, als er sie aus dem Sortiment nahm. «Du bist der Einzige», so hatte die Mutter mir nicht ohne Stolz berichtet, «der diese Chicorée-Salami über alle Maßen liebt. Weshalb ich ja auch den Metzger immer wieder überrede, ein paar dieser Würste speziell für dich anzufertigen.»

Daher kommen ungefähr alle halbe Jahre diese seltsam riechenden Päckchen bei mir an. Stets zu knapp frankiert, weil die Mutter der fragwürdigen Logik anhängt, dass sich Postboten bei Päckchen, bei denen Nachporto fällig wird, mehr Mühe mit der Zustellung gäben. Da sie ja noch Geld zu bekommen hätten.

Mein Versuch, das Wurstpäckchen-Problem unauffällig elegant zu lösen, indem ich einfach die Nachzahlung verweigerte und damit das Päckchen retour gehen ließ, ist vor vielen Jahren recht spektakulär gescheitert.

Meikes Mutter hat damals direkt meine Eltern angerufen und ihnen mitgeteilt, ich sei vermutlich verstorben. Ihre Wurst sei nämlich zurückgekommen. Hat sich dann im Übrigen beschwert, dies von einer zurückgekommenen Wurst erfahren zu müssen, man hätte ihr auch ruhig mal eine Karte schicken können.

Nachdem mich daraufhin meine Eltern angerufen hatten und ich sie mit etwas Mühe davon überzeugen konnte, dass ich noch am Leben war, rief ich wiederum bei Meikes Mutter an, um zu fragen, warum sie bei meinen Eltern und nicht direkt bei mir angerufen habe.

Hierauf meinte sie, die Vorstellung, bei einem Toten anzurufen, habe sie einfach sehr gruselig gefunden, worauf ich einwandte, dass ich ja gar nicht tot sei, was sie aber nur bestärkte: «Ja eben, dass du trotz deines Todes noch lebst, macht die Sache ja noch mal gruseliger.»

Seit diesem Erlebnis zahle ich einfach das Nachporto und arrangiere mich eben mit der seltsam riechenden Chicorée-Salami.

Meine heutige Freundin meint, ich solle vielleicht einmal ein offenes Wort mit Meikes Mutter reden. Ihr die Wahrheit sagen: dass ich sie schon mag, aber die Wurst eigentlich gar nicht. Doch das wäre schon rein mathematisch nicht sinnvoll. Ich würde quasi zugeben, sie zwanzig Jahre angelogen zu haben, bekäme also für einen Moment der Wahrheit ungefähr zwanzig Jahre Lüge raus. Das rechnet sich doch nicht. Auch die Mutter hätte nichts von der Wahrheit, im Gegenteil, ich würde ihr nur die Erinnerung an zwanzig gute Jahre mit guter Wurst versauen.

Also warte ich geduldig, bis meine Tochter irgendwann einen höflichen, schüchternen jungen Freund hat, dem ich dann ein paar Scheiben von dieser Chicorée-Salami aufs Brot quatschen kann. Und sobald er etwas sagt wie: «Ganz gut … eigentlich», ist er dran.

Nachtrag: Kürzlich fragte mich eine Leserin, ob alle meine Geschichten eigentlich so richtig wahr wären. Also, ob die genau so passiert seien oder ob ich mir nicht doch vieles einfach ausgedacht hätte. Beziehungsweise, da es ja vermutlich eine Mischung wäre, wie groß denn so durchschnittlich der Anteil von Wahrheit und der Anteil von Fiktion in meinen Geschichten jeweils sei. Da ich das recht häufig gefragt werde, möchte ich hier einmal die Gelegenheit nutzen und ein für alle Mal erklären: Alle meine Geschichten sind komplett wahr, zu einhundert Prozent, Wort für Wort.

Aber, diese Einschränkung gestehe ich zu, sie sind nicht ganz genau so passiert. Leider. Oder auch Gott sei Dank.

Das Problem ist, bei allem, mit dem man so den Tag über konfrontiert wird, erlebt man doch nur selten wirkliche Wahrheit. Meistens, das kennt jeder, passiert nur Zeug. Eigenartiger, skurriler, oft nerviger Kram. Überflüssiges, tagesaktuelles, bedeutungssimulierendes Realitätsgehupe. Die Wahrheit muss man sich da schon selbst dazudenken. Oder kurz gesagt: Wer Wahrheit sucht, wird in der Wirklichkeit selten fündig.

Dennoch fußen aber fast alle meine Geschichten auf tatsächlichen Erlebnissen – die dann noch von mir ein wenig mit Wahrheit ausgeschmückt werden. Der Anteil von Realität und Wahrheit variiert natürlich von Geschichte zu Geschichte. Aber um einen ungefähren Eindruck des üblichen Verhältnisses zu vermitteln, schildere ich jetzt mal das reine Erlebnis, welches zur «Chicorée-Salami-Geschichte» geführt hat, exakt so, wie es tatsächlich passiert ist. Die Realität ohne beschönigende Wahrheit:

 

«Hmm, das riecht aber gut!», sagt die schöne Paketpostbotin, als sie mir das Päckchen überreicht. Also genau genommen sagt sie nicht «Hmm», sondern eher «Hä», und auch nicht «Das riecht aber gut!», sondern «Das riecht aber!». Und es ist auch nicht die schöne Paketpostbotin, sondern ein offenkundig angetrunkener, unrasierter Expresspaketzusteller, der von seinem skrupellosen Arbeitgeber auf skandalöse Weise ausgebeutet wird, sich dafür aber bei ihm rächt, indem er abends Dinge isst, die dafür sorgen, dass sich ihm versehentlich zu nahe gekommene Kunden verzweifelt fragen, was dieser Mensch nur gegessen haben kann, dass seinem Atem noch am nächsten Tag eine derart furchteinflößende, betäubende Kraft innewohnt, die dem Inhalt des Pakets nun wirklich in nichts nachsteht. Zudem ist er selbst für einen Expresszusteller eher leger gekleidet. Ob sein Hemd nun eine Art Uniform, ein Pyjamaoberteil oder auch beides ist, bleibt unklar, ist aber für den reinen Akt der Paketzustellung natürlich irrelevant.

Nachdem er mir also mit den Worten «Hä, das riecht aber!» das Paket übergeben hat, teilt mir der Expresszusteller weiter mit, er sei übrigens der neue Mieter der Gewerberäume im Souterrain, habe heute Morgen für mich dieses Paket angenommen, von der schönen Paketpostbotin, aber weil das ja so rieche, jetzt noch mal geklingelt und sich, da ich durch die Gegensprechanlage geantwortet hätte, entschlossen, es mir einfach hochzubringen.

Nuschle freundlich: «Das dachte ich mir schon, dass Sie der neue Mieter der Gewerberäume unten sind.»

Er fragt, ob ich wisse, was in dem Paket da so stinke.

Ich sage: «Ja, ich weiß, was in dem Paket da so stinkt.»

Er wartet.

Ich warte auch. Denke, unglaublich, womit man so alles seine kostbare Lebenszeit verbringt. Frage ihn, was für ein Gewerbe er denn im Souterrain eigentlich ausüben wolle.

«Na, ein Dschuhs-Hostel.»

«Ein was?»

«Ein Dschuhs-Hostel, eine Unterkunft für jugendliche Berlinbesucher aus aller Welt, Dschuhs-Hostel! Noch nie gehört?»

«Doch, doch, aber so, wie Sie es jetzt ausgesprochen haben, hatte ich für einen Moment gehofft, Sie meinen tatsächlich ein Juice-Hostel, also so was wie eine Saft-Herberge, quasi eine Art Getränkelager. Eben junge Getränke aus aller Welt, die Berlin besuchen.»

Er schaut beleidigt, wie eine nicht gegessene Salatbeilage auf dem Steakteller. «Nee, ich mein aber ein Dschuhs-Hostel.»

«Hm, soweit ich den Laden da unten kenne, hat der höchstens zweihundert Quadratmeter. Ist das nicht ein bisschen klein für ein Youth-Hostel?»

«Ach, wenn man die beiden Kellerräume noch dazunimmt, sind das schon fast zweihundertfünfzig, und wenn man die Kosten gering hält, kann man auch mit nur zweiunddreißig Betten ein durchaus profitables Dschuhs-Hostel führen. Meine Devise ist: Klein, aber fein. Ich setze da mehr auf so einen familiären Charme.»

Überlege, ob familiärer Charme bedeutet, dass es schon vorher verwandtschaftliche Verhältnisse gibt, also bevor zweiunddreißig Personen auf maximal zweihundertfünfzig Quadratmetern gemeinsam wohnen, oder erst danach. Doch das ist vielleicht auch Privatsache. Frage ihn, ob er sich schon etwas fürs Frühstück in seinem Kellerhostel überlegt hat. Zufällig hätte ich nämlich Zugriff auf eine sehr exklusive fränkische Wurstspezialität.

«Klingt interessant», antwortet der zukünftige Herbergsvater. «Wie schmeckt die denn so?»

«Genau so, wie sie riecht!», sage ich und zeige aufs Päckchen. «Ich hab das Gefühl, das könnte genau Ihr Geschmack sein.»

Und so war es dann auch.

Die Drohung

Am Morgen liegt eine Leiche vor der Wohnungstür. Denke: Na wunderbar, das haste nu vom frühen Aufstehen. Da meint man, der Frühling steht vor der Tür, und stattdessen liegt da der Tod. Als wenn mich der Frühling nicht ohnehin schon immer irgendwie schwermütig machen würde. Das wird von einer toten Maus auf der Fußmatte ganz sicher nicht besser.

Erkundige mich bei Freundin und Tochter, ob vielleicht eine von ihnen eine tote Maus bestellt hat. Beide versichern mir glaubwürdig, dass dem nicht so sei. Sie glauben sogar, ich würde einen Scherz machen. Warum sollte ich? Sehe ich aus wie jemand, der vor sieben Uhr morgens Scherze macht? Wenn es nach mir ginge, würde ich vor sieben Uhr morgens gar nicht existieren.

Hole ein Kehrblech, schiebe die Maus drauf und zeige sie dann zum Beweis den beiden, die übrigens noch im Bett liegen. Es kommt zum Streit. Für die Uhrzeit ein viel zu lauter Streit. Zudem weiß ich gar nicht, ob Streit überhaupt der richtige Begriff ist, wenn nur die eine Seite die andere anschreit. Der Kern der an mich gerichteten Vorwürfe:

a) Ich sei eklig, würde

b) meinen Scherz bei weitem übertreiben und solle

c) doch um Gottes willen das Kehrblech gerade halten.

Wobei, wenn das jetzt wirklich sooo wichtig war, war es natürlich ziemlich dämlich, mich dermaßen anzuschreien. Klar, dass ich mich dadurch erschrecke. Also in einer Heftigkeit erschrecke, dass ich dann auch das Kehrblech unabsichtlich … also vor Schreck … wer kennt das nicht?

Obwohl die Berührung nur ganz kurz war, musste ich später die gesamte Bettwäsche wechseln und die Matratzen ausklopfen. Dabei war es fast gar kein Kontakt, eher nur ein Streifen ohne wirklichen Verweilmoment. Aber bei Kleinnagern in der Wohnung oder im Bett zeigen Damen, gleich welcher Generation, ja tendenziell eher wenig Interesse an rationalen Bewertungen.