Warmer Regen im Winter - Birgit Clemens - E-Book

Warmer Regen im Winter E-Book

Birgit Clemens

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Beschreibung

Bettina und Wolfgang haben alles, was man sich wünschen kann: eine erfolgreiche Firma, zwei kluge Töchter, ein schönes Haus und eine langjährige Beziehung. Und doch kriselt es in der Ehe öfters, weil Bettina ihre Eifersucht nicht in den Griff bekommt und Wolfgang seiner Frau keine Aufmerksamkeit schenkt. Beide haben ihre eigene Methode, mit dieser Entfremdung umzugehen: Wolfgang tröstet sich mit Alkohol, während Bettina ihre Freundin in Berlin aufsucht. Doch als Bettina nach ihrer Reise zurückkehrt, ist das Haus leer und Wolfgang nach einem Sturz im Krankenhaus verstorben. Für eine Versöhnung bleibt keine Zeit mehr. Wie soll sie weiterleben? Wie kann sie diesen Schmerz verarbeiten? Und warum spürt sie plötzlich warmen Regen, wann immer ihr Mitarbeiter Knut sie anfasst?

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Seitenzahl: 83

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2025 novum publishing gmbh

Rathausgasse 73, A-7311 Neckenmarkt

[email protected]

ISBN Printausgabe: 978-3-7116-0384-5

ISBN e-book: 978-3-7116-0385-2

Lektorat: Ilana Baden

Umschlagfoto: Ruslan Sitarchuk | Dreamstime.com

Umschlaggestaltung, Layout & Satz: novum publishing gmbh

www.novumverlag.com

Kapitel 1

Endlich Freizeit! Bettina und Wolfgang haben ihn lange ersehnt, den Urlaub am Meer. Sie lieben ihre Arbeit in Kassel, aber nachdem ihre Töchter Michèle und Hannah vor drei Jahren flügge geworden sind, haben sie ihre Firma in den Mittelpunkt ihres Lebens gestellt.

Ihr Betrieb ist mit sechs Mitarbeitern relativ klein; dennoch bleibt für Bettina und Wolfgang viel Arbeit zu verrichten. Ihre Tage sind meistens sehr lang, selten verlassen sie ihr Büro vor 20 Uhr.

Vor wenigen Monaten hat Wolfgang auf Drängen seiner Frau seine langjährige Sekretärin Sarah unter dem Vorwand entlassen, Bettina wolle nun selbst diese Arbeit übernehmen. Ihren Mann davon zu überzeugen, hatte Bettina viel Geschick abverlangt, doch sie war nicht nur sehr sicher, sondern auch fest entschlossen, eine Affäre zwischen Wolfgang und Sarah entlarvt zu haben, nachdem beide zusammen drei Tage auf einer Messe in Hannover ausgestellt hatten. Den Beweis dafür konnte sie indes nie erbringen.

Es war vermutlich eine große Portion Eifersucht im Spiel, denn Sarah war eine sehr attraktive Frau. Ihr leicht gewelltes blondes Haar fiel locker auf ihre Schultern und umrahmte dabei ihr ebenmäßiges Gesicht mit den großen blaugrünen Augen und dem verlockend geschminkten Mund. Niemand sah ihr die bereits erreichten siebenundfünfzig Lebensjahre an.

Damit bildete sie rein äußerlich betrachtet einen Gegenpart zu Bettina, die mit ihren fünfundfünfzig Jahren zwar nahezu gleichaltrig war, aber mit ihrem selbst gefärbten knallroten Kurzhaarschnitt, der meistens nach Friseur, Pflegeshampoo und Bürste schrie, eher sportlich daherkam. Vermutlich hatten Bettinas Lippen nie einen Lippenstift, nicht einmal einen Pflegestift gesehen. Das Ganze paarte sie gerne mit Oversize-Kleidung, genau genommen mit einem nichtssagenden Schlabberlook, was die Frage offenließ, ob Bettina einfach ungepflegt war oder bewusst ein Statement setzen wollte.

Wolfgang hatte dieses Misstrauen seiner Frau verletzt, aus seiner Sicht hatte es dafür keinen Grund gegeben. Andererseits hatte ihm der Gedanke gefallen, dass Bettina um ihn zu kämpfen schien. Er erkannte, dass er Bettina ein wenig aus dem Blickfeld verloren und im Laufe der Jahre vergessen hatte, sie als Frau zu betrachten. Sie versorgte den Haushalt gut, die Küche war immer aufgeräumt, seine Oberhemden stets gebügelt. Alles lief scheinbar bestens.

Bettina selbst kam gar nicht auf den Gedanken, sie könne eifersüchtig sein. Sie war der Meinung, nur einer inneren Eingebung gefolgt zu sein. Weibliche Intuition oder Verlustängste? Beides führt zuweilen auf falsche Fährten.

Mit Sarahs Kündigung schien die Sache geklärt. Doch Bettina sollte sich täuschen, denn bei Sarah entwickelte sich zunehmend eine Form von Rachegelüsten, fand sie doch in Kassel und Umgebung keinen adäquaten Job mit so viel Eigenständigkeit, Verantwortung und so guter Bezahlung wie bei Wolfgang. Sie hasste Großraumbüros, wollte doch keine bedeutungslose Nummer in einem großen Betrieb sein.

Es ging ihr nicht gut, seit ihr gekündigt worden war. Ihr fehlten die freundliche, familiäre Atmosphäre, der Respekt und die Anerkennung ihrer Vorgesetzten.

Sie mochte Wolfgang sehr, verehrte ihn förmlich, aber ihn lieben? Nein, das tat sie wahrlich nicht!

Deshalb war ihr auch nie in den Sinn gekommen, Bettina könne eifersüchtig sein.

Eigentlich verschwendete Sarah keine Gedanken an Bettina, da diese nie im Betrieb präsent war und außerdem in ihrer eigenen Welt zu leben schien.

Wenn Wolfgang sich auch in einem gewissen Maße ärgerte, Sarah als kompetente Arbeitskraft verloren zu haben, so war er rein wirtschaftlich betrachtet sogar froh darüber, auf diese Weise seine finanzielle Lage begünstigen zu können.

Die Geschäfte liefen erträglich, doch nachdem der russische Absatzmarkt für ihn entfallen war, wurde seine wirtschaftliche Lage immer problematischer, und neue Absatzmärkte zu rekrutieren, erwies sich in der derzeitigen Situation als extrem schwierig.

Wolfgangs familiäre Verbindungen nach Rostow am Don hatten ihm im Laufe der Jahre zu einem vermeintlich stabilen und überaus profitablen Absatzmarkt verholfen.

In regelmäßigen Abständen hatten Bettina und er berufliche Anlässe für Besuche bei ihren Verwandten in Rostow genutzt. Dazu gehörten Spaziergänge in der Bol’shaya Sadovaya Straße, dem „Broadway“ von Rostow, mit dem Rathaus und vielen weiteren beachtlichen Gebäuden. Daneben luden interessante Geschäfte zum Kaufen ein. Dort zu flanieren, war stets Bettinas Lieblingsbeschäftigung gewesen, während Wolfgang sich in der Zeit häufig mit wichtigen Kunden zum Abendessen getroffen hatte.

Schöne Erinnerungen an wunderbare Reisen und zauberhafte Erlebnisse, angenehme Erinnerungen an für sie wirtschaftlich florierende Zeiten.

Neben Sarah mussten sie zwei weitere Mitarbeiter aus der Produktion entlassen, da die Auftragslage deren Beschäftigung nicht mehr zuließ.

Es stand zwar noch keine Insolvenz im Raum, doch ihr finanzielles Polster, das sie sich im Laufe der letzten fünfunddreißig Jahre nicht zuletzt durch Sparsamkeit zugelegt hatten, schmolz sichtlich dahin.

Aufgrund der allgemeinen Rezession in Europa und damit auch in Deutschland war es ein schlechter Zeitpunkt für einen möglichen Verkauf des Geschäftes. So beschloss Wolfgang, die Produktion von Regalwänden und Schränken für geschäftliche Zwecke herunterzufahren und sich stattdessen stärker auf die Ausgestaltung von Geschäftsräumen auf innenarchitektonischer Basis zu spezialisieren, um dann in einigen Jahren in den Ruhestand gehen zu können.

Nach einer Tischlerlehre hatte Wolfgang in jungen Jahren Innenarchitektur studiert, weil sein Vater es partout so wollte. Wenngleich Wolfgang das Studium auch nach sechs Semestern abgebrochen hatte, so konnte er doch in seinem späteren Geschäft durchaus davon profitieren.

Getreu dem Motto „Pläne braucht der Mensch“ hatte Wolfgang Bettinas und sein Leben von vorne bis hinten durchgeplant. Bettina liebte ihn dafür und war selbst nach sechsundzwanzig Ehejahren noch voller Bewunderung für ihren gutaussehenden und erfolgreichen Mann. Sie folgte ihm gern in seinen Entscheidungen. Von seinem nahenden Ruhestand erhoffte sie sich mehr Aufmerksamkeit für sie als Frau und Ehefrau, denn die emotionale Nähe war im Laufe der Jahre auf der Strecke geblieben. Hatte Wolfgang früher schöne Dessous an ihr geliebt, die er ihr sogar selbst geschenkt hatte, so blieben selbige nun schon seit Längerem ohne Wirkung. Wolfgang nahm sie gar nicht mehr wahr.

Hier sah Bettina plötzlich Handlungsbedarf und entwickelte schon so manche Idee, ihr Eheleben zu bereichern, vor allem angesichts der hoffentlich gerade abgewendeten Affäre ihres Mannes mit Sarah. Zu diesem Plan gehörte auch, dass sie beide nach nunmehr drei Jahren Umgestaltung der Firma für drei Wochen die Verantwortung ihrem Mitarbeiter Knut übergeben wollten. Knut gehörte gefühlt zum Inventar des Hauses, arbeitete er doch schon dreiundzwanzig Jahre für Wolfgang und war somit in alle Prozesse eingeweiht und daran gewöhnt, selbstständig zu arbeiten.

Als Zeichen der Wertschätzung und des Vertrauens hatte Wolfgang ihm anlässlich seines zwanzigsten Dienstjubiläums offiziell Prokura erteilt. Nach der Erhöhung zum Prokuristen und dem Eintrag ins Handelsregister war er nun auch zu gerichtlichen und außergerichtlichen Geschäften und Rechtshandlungen berechtigt.

Kapitel 2

Es ist 6 Uhr, der Wecker holt sie aus ihrem Tiefschlaf:

Urlaub, endlich Urlaub.

Bettina hüpft in ihre Küche, drückt auf den Kopf der Kaffeemaschine, um dann im Bad zu verschwinden. Heiße Dusche, kalte Dusche; erfrischt geht sie nur mit einem Bademantel bekleidet zurück in die Küche, um sowohl das Frühstück als auch die Lunchpakete für die Pausen auf ihrem Weg nach Rügen vorzubereiten.

Wolfgang liebt eher die raue Nordsee: Ebbe und Flut, kräftige Westwinde, leichten Regen mit Sturm, dazu eine Baseballkappe und eine wasserdichte Jacke – für ihn ein absoluter Hochgenuss. SPO, St. Peter-Ording: Strand so weit man schaut, etwa zwölf Kilometer lang mit feinkörnigem Sand und von einer unvorstellbaren Breite. Bei Ebbe laden die vorgelagerten Wattflächen zum Erfrischen und Entdecken einer einzigartigen Flora und Fauna ein. Das Watt lebt!

Doch Wolfgangs Argumente konnten Bettina dieses Mal nicht überzeugen. Das liegt vermutlich an ihrer Oma Erna, die ihr ganzes Leben auf Rügen verbracht hat. Jeden Sommer hatte Bettina als Kind ihre Ferien bei Oma Erna verbringen dürfen. Rügen – das ist Oma, Oma – das ist Rügen.

Während Wolfgang noch sein spärliches Haar nach dem Duschen sortiert und dem Bart den letzten Schliff gibt, zieht Bettina ihre neue Jeans mit der passend gestreiften Bluse an, die sie eigens für diesen Urlaub erstanden hat. Sie betitelt das Outfit als ihre persönliche Urlaubsvorbereitung. Es war tatsächlich eine gute Entscheidung, weil diese neue Jeans wie auch die Bluse weder ausgeblichen noch verwaschen sind und sogar ihrer tatsächlichen Konfektionsgröße entsprechen.

Noch schnell die Oberbetten und die Kopfkissen über das Balkongeländer, die Laken glatt gestrichen und die Nachtwäsche in den Wäschekorb.

Bevor Wolfgang sich komplett angekleidet hat, ist das Schlafzimmer in Ordnung und alle Fenster abreisebereit verschlossen.

Um ihrer Vorfreude Ausdruck zu verleihen, versucht Bettina, ihren Mann liebevoll in den Arm zu nehmen, und Wolfgang lässt es zu. Zärtlich flüstert sie ihm ins Ohr, wie sehr sie sich darüber freue, dass er Rügen zugestimmt habe. Leicht steif und scheinbar außer Übung hält Wolfgang still – vermutlich hat er gar keine Wahl um des lieben Friedens willen.

Genussvoll, wenn auch bereits ein wenig gehetzt, trinkt Bettina ihre zweite Tasse Kaffee aus, während Wolfgang bedächtig seinen Rooibos-Vanille-Tee, mit etwas Süßstoff gezuckert, schlürft – sein Ritual eben. Während eines einmonatigen Praktikums in Tokio hat er gelernt, Tee richtig zu genießen. Wenn er des Rituals wegen belächelt wird – und das geschieht immer wieder –, dann lächelt er gekonnt stoisch und erklärt: „Meine Frau macht für ihre Entspannung Yoga im Garten, ich trinke dafür einfach Tee.“ Dem etwas hinzuzufügen, wagt kaum jemand.

Die Idylle wird plötzlich durch den schrillen Ton des Telefons gestört. „Lass es doch klingeln, Liebling, wir sind doch fast schon ‚on the road‘ nach Rügen!“

Doch wieder und wieder das schrille Klingeln des Festnetzes. Bettina beschleicht plötzlich das Gefühl, es müsse sich doch um etwas Wichtiges handeln.

Ihre Töchter – ist ihnen etwas zugestoßen?

Brauchen sie Hilfe?

Hat Michèle vielleicht ein Problem?

Gestern ging es ihr gar nicht gut. Sollte es doch eine Blinddarmentzündung sein?

Ist sie möglicherweise in die Klinik gekommen?