Ready for Love - Warte nicht für immer - J. L. Berg - E-Book
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Ready for Love - Warte nicht für immer E-Book

J. L. Berg

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Beschreibung

Sie war noch nicht bereit, sie würde nie bereit sein... sich zu verabschieden

Clare Murray versucht immer noch den viel zu frühen Tod ihres Mannes zu verarbeiten und ihrer Tochter Maddy ein sorgloses Leben zu ermöglichen. Sie ist sich sicher, dass in ihrem Herzen nie Platz für einen anderen Mann sein wird. Bis sie auf Logan Matthews trifft, der gutaussehende und einfühlsame Arzt, der sie unbedingt vom Gegenteil überzeugen will und ihr dafür so lange Zeit geben will, wie sie braucht.

"Dies ist eine der am schönsten geschriebenen, gefühlvollsten Liebesgeschichten, die ich je gelesen habe. Sie handelt von Liebe, Trauer, Herzschmerz und zweiten Chancen." Staci Bailey

Band 1 der Ready-Reihe von USA-Today-Bestseller-Autorin J. L. Berg


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Seitenzahl: 414

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Inhalt

TitelZu diesem BuchWidmungProlog1234567891011121314151617EpilogDanksagungDie AutorinDie Romane von J. L. Berg bei LYXImpressum

J. L. BERG

Warte nicht für immer

Roman

Ins Deutsche übertragen von Sonja Häußler

Zu diesem Buch

Als Clares Ehemann Ethan nach kurzer schwerer Krankheit stirbt, glaubt die junge Mutter, nie wieder glücklich werden zu können. Es fühlt sich an, als hätte er einen Teil ihrer Seele für immer mitgenommen. Auch drei Jahre später liegt Ethans letzter Brief an Clare ungeöffnet in ihrer Nachttischschublade. »Wenn du bereit bist« steht in seiner markanten Handschrift auf dem Umschlag, doch Clare ist nicht bereit: nicht bereit, weiterzuleben, und schon gar nicht bereit, sich von Ethan zu verabschieden. Bis sie den charmanten Kinderarzt Logan Matthews kennenlernt, der im Handumdrehen nicht nur das Herz ihrer kleinen Tochter Maddie erobert, sondern auch Clare das erste Mal seit langer Zeit das Gefühl gibt, dass das Leben schön ist. Doch gerade als Clare beginnt, Logan in ihr Herz zu lassen, wird ihr Mut auf eine harte Probe gestellt – und Clare muss erkennen, dass man vielleicht erst dann wirklich bereit ist, wenn man für die Liebe alles riskieren würde!

Für Chris.

Der mir jeden einzelnen Tag die Bedeutung von »Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage« gezeigt hat.

PROLOG

Vor drei Jahren …

Ethan

Ich nahm das Briefpapier, das die Hauspflegerin gekauft hatte, und legte es vor mich hin. Die leeren weißen Seiten lagen da, starrten mich an und verhöhnten mich, weil ich Mühe hatte zu beginnen. Ich hatte nicht viel Zeit. Clare würde nicht lang fort sein, und ich musste das loswerden, um ihr mitzuteilen, wie ich mich fühlte. Ich würde ihr nur Kummer bereiten, wenn ich es ihr jetzt, von Angesicht zu Angesicht, sagen würde. Sie würde es nicht verstehen und vor Wut um sich schlagen.

Ich hielt den Stift über das Blatt Papier und wusste nicht, wie ich anfangen sollte.

Wie sagt man der Frau, die man liebt, dass sie eine neue Liebe finden soll? Der Gedanke, dass sie mit einem anderen zusammen sein könnte, zerriss mir das Herz, aber die Vorstellung, sie könnte für immer allein bleiben, war noch schlimmer.

Deshalb musste ich das für sie tun. Sie war schon viel zu lange stark für mich gewesen, und es war an der Zeit, ihr das zurückzugeben. Letztendlich würde sie es brauchen.

Letztendlich würde sie jemanden finden, der in ihr den Willen erweckte, wieder zu lieben, und ich würde für sie da sein und ihr sagen, dass das okay sei.

Endlich berührte mein Stift das Papier, und ich begann zu schreiben. Ich schüttete der Frau, die ich liebte, mein Herz aus.

Der Frau, die ich zurücklassen musste.

1

Clare

»Brauchen Sie einen Arzt, Miss?«, fragte die Frau in der Notaufnahme. Mein Blick schweifte über die vertrauten sterilen Wände, und ich dachte daran, wie ich das letzte Mal in genau diesem Raum gestanden hatte. Als sie mir sagten, dass er …

Bloß nicht darüber nachdenken. Denk nicht mal daran.

»Miss?«

Ich hatte keine Ahnung, weshalb sie mich das fragte. Weshalb sollte ich sonst hier stehen? Der Geruch nach Erbrochenem, der wilde Blick in meinen Augen und das weinende Kind in meinen Armen reichten wohl nicht aus, diese Frage zu beantworten?

»Ja, meine Tochter ist gestürzt … sie hat sich den ganzen Weg hierher übergeben. Ich … ich glaube, sie hat eine Gehirnerschütterung«, brachte ich heraus, während ich besagte Tochter auf einem Arm balancierte und mit der anderen Hand ihren Namen auf das Anmeldeformular auf der Theke schrieb. Nachdem ich damit fertig war, strich ich mir eine Strähne meines kastanienbraunen Haares zurück und atmete erschöpft aus.

Die Frau nickte. Sie war mittleren Alters, hatte sandbraunes Haar und ein Namensschild, auf dem »Tammy« stand. Sie nahm unsere Informationen auf, befestigte diese unangenehmen Krankenhausarmbänder an unseren Handgelenken und führte uns ins Wartezimmer; dabei versicherte sie mir, dass es nicht allzu lange dauern würde. Hoffentlich würden wir aufgerufen, bevor mich diese Wände erdrückten. Ich hasste diesen Ort.

Ich setzte mich mit meiner Tochter in die hintere Ecke, hielt reichlich Abstand von den anderen Patienten, die warteten, bis sie an die Reihe kamen. Niemand brauchte neben dem Häufchen Elend zu sitzen, das ich darstellte. Ich war völlig fertig mit den Nerven und zitterte immer noch wie Espenlaub von unserer grauenhaften Fahrt. Ich war mir ziemlich sicher, dass ich auf der Herfahrt eine ganze Reihe Verkehrsregeln gebrochen hatte, aber wenn dein Kind auf dem Rücksitz sitzt und eine Szene aus Der Exorzist nachstellt, verlieren Ampeln ein wenig an Bedeutung. Im Grunde wusste ich, dass es sich höchstwahrscheinlich um eine stinknormale Gehirnerschütterung handelte, die einfach nur untersucht werden musste. Ich hätte ruhiger bleiben sollen, doch sobald sie angefangen hatte, sich zu Hause auf der Couch zu übergeben, war ich ausgeflippt. Wahrscheinlich war das so ein Mom-Ding: Wir können einfach nichts dafür. Panik zu bekommen gehört zu unserem Job. Zumindest sagte ich mir das dauernd.

Ich sah auf meine Maddie hinunter, mein vier Jahre altes Monster, das momentan komplett in Rosa gekleidet und von oben bis unten mit angetrockneter Kotze bedeckt war. Sie krallte gerade ihre Faust in mein Oberteil, ihr kleiner Kopf ruhte an meiner Brust. Sie schniefte noch immer, auch wenn die Tränen längst versiegt waren. Ihr hübsches lockiges rötlich-blondes Haar, das sie von mir geerbt hatte, war ein verfilztes Durcheinander und stand in alle Richtungen ab. Sie hatte sich den linken Daumen in den Mund gesteckt – ihre bevorzugte Methode, sich wieder zu beruhigen, wenn sie durch den Wind war. Ich versuchte verzweifelt, nicht darüber nachzudenken, womit dieser Daumen heute schon in Kontakt gekommen war. Eklig. »Also wirklich, Kleines … deinetwegen bekomme ich noch einen Herzinfarkt, bevor ich dreißig bin«, sagte ich, während ich ihr abwesend durch das zerzauste Haar strich und in ihre braunen Augen sah, die mich so sehr an den Mann erinnerten, den ich geliebt hatte. Meine Augen waren von einem tiefen Grün, doch die von Maddie hatten die Farbe der ihres Vaters – ein dunkles Kastanienbraun.

Die letzten beiden Stunden lagen wie in einem Nebel, und ich bemühte mich immer noch, mich davon zu erholen. Kinder zu haben war eine lebenslange, ermüdende Aufgabe. Umso mehr, wenn man alleinerziehend war.

Ich hatte nicht vorgehabt, alleinerziehend zu werden.

Ethan, bitte verlass mich nicht!

Die Erinnerung an diese Nacht brach über mich herein. Ich wusste noch, wie ich ihn gefunden hatte, bewusstlos und kaum noch atmend, erinnerte mich an den Krankenwagen und die Hysterie, als sie ihn hineinschoben. Wie ich in diesem Wartezimmer gestanden hatte, als der Arzt herauskam und … nein. Das ging nicht, nicht jetzt. Im Wartezimmer einer Notaufnahme brauchte sich niemand einen hysterischen Zusammenbruch mitanzusehen. Nicht noch einmal.

»Was ist ein Herzinfarkt?«, murmelte Maddie schwach an meiner Brust.

»Es ist, als müsste man sich übergeben, nur viiiiiiel schlimmer«, sagte ich scherzhaft, in dem Versuch, sie aufzuheitern. Und mich vielleicht auch.

»Oh«, flüsterte sie zurück. Ich sah, wie sich ein schüchternes Lächeln Bahn brach und rasch wieder verschwand. Mission erfüllt. Wenigstens fand sie mich immer noch witzig.

Der Tag hatte wie jeder andere begonnen. Maddie war heute Morgen in der Vorschule gewesen, und als wir nach Hause kamen, erzählte sie mir von den Abenteuern, die sie dort erlebt hatte. Ich hörte zu und sagte an den richtigen Stellen »Oooh« und »Wow!«, um ihr das Gefühl zu geben, dass sie der wichtigste Mensch auf der Welt war, denn das war sie. Zumindest in meiner Welt. Später war sie nach oben gegangen, um mit einem ihrer vielen Ballerinakleider Verkleiden zu spielen. Sie wirbelte herum, eine Vision in Rosa, und erzählte mir, dass sie die beste Ballerina aller Zeiten werden wollte.

»Schatz, du bist bereits die beste Ballerina, die ich kenne!«

»Was du nicht sagst, Mami!«, erwiderte sie. So ein Frechdachs. Ich hatte keine Ahnung, von wem sie das hatte. Absolut keine. Das musste sie wohl von ihrem Vater geerbt haben. Ganz bestimmt nicht von mir. Nein. Ich ließ sie in ihrem Zimmer zurück, wo sie weiterhin die meisterhafte Ballerina spielte, und rannte im Haus herum, um das sagenhafte Durcheinander aufzusammeln, das ein kleines Kind veranstalten konnte, und da hörte ich es … dieses herzzerreißende Geräusch, das Mütter und Väter auf keinen Fall hören wollten. Ich rannte nach oben, als ich gehört hatte, wie sie zu Boden fiel. Als Mutter lernt man rasch, dass es umso schlimmer ist, je später der Schrei kommt. Es ist, als müsse das Kind zuerst den Schock verarbeiten und sich seinen Weg bis zu diesem Schrei bahnen. Es fühlte sich wie eine geschlagene Stunde an, bis ich diesen markerschütternden Schrei hörte. Ich war schon an ihrer Zimmertür.

»Schatz, ist alles in Ordnung?« Ich hob sie auf und nahm sie in meine Arme. Später wurde mir klar, dass das wahrscheinlich nicht das Allerklügste gewesen war. Sollte man sie nicht in Ruhe lassen, falls das Rückenmark beschädigt war oder so? Keine Ahnung … mein Mutterinstinkt sagte mir, dass ich sie hochheben solle, deshalb tat ich genau das. Sie weinte, und ich tröstete sie. So ging das ein paar Minuten lang, und schließlich beruhigte sie sich ein wenig, sodass wir uns unterhalten konnten.

»Was ist passiert, Maddie? Wie bist du gefallen?«, fragte ich, während ich zu ihrer Ballettstange hinübersah, die sich direkt neben ihrem Bett befand, und eins und eins zusammenzählte, als sie zu mir aufblickte.

»Ich weiß es nicht, Mami, ich bin einfach gefallen«, log sie mit zusammengebissenen Zähnen.

»Hmm, nun … das hat wohl nicht rein zufällig etwas mit dieser Ballettstange zu tun, oder?«

»Ähm, nein?« Ich sah, wie es in ihrem Gehirn arbeitete, als sie sich überlegte, wie sie da wieder herauskommen könnte … aber nein, ihr vier Jahre altes Gehirn war nicht schnell genug, deshalb griff sie auf ein bewährtes Mittel zurück: das klägliche Schmollen. Das zog bei jedem, nur nicht bei mir. Ich war eine Mami, deshalb war ich immun dagegen.

»Okay, ich sage dir jetzt, was ich glaube, und du kannst mir dann sagen, ob ich nah dran bin oder nicht, okay?« Sie nickte zustimmend. »Ich glaube, irgendjemand – möglicherweise du – dachte, es wäre lustig, auf die Ballettstange zu klettern und darauf zu sitzen wie auf dem Klettergerüst auf dem Spielplatz.«

Ihre Augen weiteten sich. Bingo.

»Da dies nicht gerade ungefährlich ist für so ein kleines Mädchen, glaube ich, dass es für die Ballettstange an der Zeit ist, irgendwo Urlaub zu machen, bis wir etwas Ungefährlicheres gefunden haben, woran du üben kannst.« Ich wusste, ich hätte diese gebrauchte Plastikballettstange von einer Freundin meiner Mom gar nicht annehmen sollen, aber sie hatte darauf bestanden. Mir war nicht klar, warum, aber alle hatten dieses überwältigende Bedürfnis, der Witwe Spielzeug und Kleider zu schenken. Wenn ich irgendjemandem von ihnen meinen monatlichen Kontoauszug zeigen würde, wären sie wahrscheinlich anderer Ansicht. Ethan war vorausschauend gewesen und hatte sichergestellt, dass wir versorgt waren, egal, was passierte. Ich könnte beschließen, keinen Tag meines Lebens mehr zu arbeiten, und wir würden trotzdem auskommen. Aber als junge Witwe galt ich noch immer als der absolute Sozialfall. Es war jetzt fast drei Jahre her, und ich hatte wahrscheinlich noch immer genug Aufläufe in meiner Gefriertruhe, um eine Apokalypse zu überstehen.

Maddie war traurig, aber einverstanden, deshalb stellten wir die Ballettstange woanders hin. Sie war ziemlich deprimiert darüber, sie zu verlieren, das merkte ich. Aber sie ging damit um wie ein Profi.

»Mami, wenn mein Daddy hier wäre … könnte er mir dann eine Ballettstange bauen?« Ich nickte, unfähig, Worte zu bilden, und starrte diese dummen Krankenhauswände an, die mich an all das erinnerten, was ich verloren hatte. Genau das hatte Ethan irgendwann vorgehabt, aber Pläne waren völlig unberechenbar und wurden dauernd durchkreuzt.

»Madilyn Murray?«, rief die Aufnahmeschwester auf der anderen Seite des Raumes. Ich erhob mich mit Maddie auf den Armen von meinem Platz und folgte der Schwester durch die Doppeltüren in ein kleines Zimmer zur Linken.

»Wir müssen sie wiegen. Kann sie stehen?«, fragte die zierliche blonde Krankenschwester, als wir das Zimmer betraten.

»Oh, ja.« Ich stellte Maddie auf die Waage und trat ein klein wenig zurück. Ich wollte nicht zu weit weggehen, falls sie fiele.

»Okay, Sie können sie jetzt wieder nehmen«, sagte die Krankenschwester und schrieb die Information auf einen Notizblock.

Die Aufnahmeschwester, die Nicole hieß, wie ich erfuhr, ging die ganzen Aufnahmeprozeduren durch, maß Temperatur, Puls und Blutdruck und fragte, ob Maddie irgendwelche Allergien habe. Ich fand diese Frage immer komisch, wenn sie in Bezug auf ein kleines Kind gestellt wurde. Ich meine, wie viele Medikamente kann eine normale Vierjährige schon genommen haben, um eine endgültige Antwort auf diese Frage zu geben? Maddie hatte in ihrem kurzen Leben alles in allem vielleicht fünfmal Medikamente bekommen, und eigentlich sollte ich die Frage, ob sie gegen irgendetwas allergisch ist, verneinen.

»Okay, gehen wir alle Symptome durch, damit ich sie in das System eingeben kann«, sagte Nicole, während sie die Informationen von ihrem kleinen Notizblock auf einen Computer übertrug. Ich ging die Ereignisse des Nachmittags mit ihr durch, die Ballerinaübungen, den Sturz, wie ich die Treppe hinaufgehastet war und wie es passiert war. Sie tippte weiter auf ihrer Tastatur und hörte zu. Gelegentlich stellte sie Fragen.

»Als sie sich beruhigt hatte, gingen wir nach unten, kuschelten uns auf die Couch und fingen an, uns einen Film anzuschauen. Eine Stunde später oder so wurde sie ganz ruhig und lethargisch, was ihr so gar nicht ähnlich sieht. Ich wollte gerade den Bereitschaftskinderarzt anrufen, da ging es ihr so richtig schlecht. Deshalb habe ich sie ins Auto gepackt und hierhergebracht.«

Nicole beugte sich vor und sah Maddie forschend an, wobei sie unseren Gestank völlig ignorierte. Er war wirklich extrem und konnte niemandem entgehen. Menschen, die in Krankenhäusern arbeiteten, mussten Nasenlöcher aus Stahl haben.

»Komm mal her, Kleines, wie geht es dir?« Nicoles Südstaatenakzent war unverkennbar. Sie war nicht von hier. Die Leute aus Richmond näselten nicht so stark.

»Ich glaube, ganz gut«, brachte Maddie heraus, bevor sie ihr Gesicht wieder an meiner Brust vergrub.

»Wir werden uns gut um sie kümmern. Wenn wir hier fertig sind, bringen wir sie in einen Untersuchungsraum. Ich werde dafür sorgen, dass sie Dr. Matthews bekommt. Er ist der Beste.«

»Danke, Nicole. Das weiß ich wirklich zu schätzen«, sagte ich und meinte jedes einzelne Wort so.

»Keine Ursache, meine Liebe. Ich habe zu Hause ein Kind, das ungefähr im selben Alter ist«, sagte sie und wandte sich ihrem Computer zu, um weiter zu tippen.

Nicole stellte noch ein paar Fragen und untersuchte kurz Maddies Kopf. Dann rief sie jemanden an, und ein paar Minuten später tauchte eine weitere Krankenschwester in der Tür auf, die uns durch den Flur begleiten sollte.

»Pass gut auf dich auf, Süße«, sagte sie und winkte Maddie und mir zu, als wir hinausgingen.

Als wir in den Untersuchungsraum geführt wurden, lernten wir eine weitere Krankenschwester kennen, auf deren Namensschild Theresa stand. Sie reichte mir einen winzigen Krankenhauskittel, den ich Maddie anziehen sollte. Dann ging sie zur Tür und sagte, dass sie gleich wieder zurückkäme.

Neidisch sah ich den sauberen, frisch gewaschenen Krankenhauskittel an. In diesem Moment hätte ich wohl die Hälfte meines Kleiderschrankes für einen Krankenhauskittel eingetauscht. Kleidung war das Letzte gewesen, woran ich gedacht hatte, als ich, von Erbrochenem bedeckt, aus dem Haus geeilt war. Daran hatte sich bis jetzt nichts geändert, und ich war mir ziemlich sicher, dass ich furchtbar roch. Nein, löschen. Ich wusste, dass ich furchtbar roch. Theresa schien die ganze Zeit die Luft anzuhalten, solange sie im Raum war. Na ja, wenigstens war das hier ein Krankenhaus. Da brauchte man niemanden zu beeindrucken.

Die Tür zu unserem Untersuchungsraum ging einen Spalt breit auf, und ein vertrautes Gesicht spähte herein.

»Clare? Oh mein Gott! Ich habe gehört, wie eine der Schwestern deinen Namen erwähnte, deshalb bin ich hergekommen, um nachzuschauen. Kannst du mir mal sagen, warum ich erst durch irgendeine Krankenschwester erfahre, dass meine beste Freundin und mein Patenkind in der Notaufnahme sind? Hättest du nicht anrufen oder eine SMS schicken können?« Leah, meine leicht verärgerte beste Freundin, betrat mit einem Pandabären-OP-Kittel bekleidet den Raum. Nur Leah konnte diese lächerlichen OP-Kittel tragen und trotzdem noch heiß aussehen. Ich hatte keine Ahnung, wie sie es jeden Tag lebend aus der Geburtsabteilung und dem Kreißsaal herausschaffte. Wenn jemand wie sie – jemand so Blondes, mit so kecken Brüsten und dem Körperbau eines Models – hereingekommen wäre, als ich in den Wehen lag, wie ein Schwein schwitzte und versuchte, ein Kind zu gebären, hätte ich ihm eine reingehauen. Sie hatte Glück, dass ich ihr tatsächlich erlaubt hatte, im Entbindungsraum zu sein, als Maddie geboren wurde. Auch wenn ich darauf bestanden hatte, dass sie im schmuddeligsten OP-Anzug und absolut ohne Make-up ins Krankenhaus käme. Kleinlich? Ja. Aber ich hatte mich dadurch ein klein wenig besser gefühlt.

Leah und ich waren seit der zweiten Klasse beste Freundinnen, als Kara Daniels versucht hatte, beim Mittagessen meinen Schokopudding zu stibitzen. Leah hatte das Ganze von der anderen Seite der Cafeteria aus beobachtet. Sie stand auf, kam herüber und schlug Kara geradewegs auf die Nase. Die kleine Tyrannin war so verblüfft, dass sie vom Stuhl fiel und mit dem Hintern auf den Boden plumpste. Leah musste daraufhin natürlich zum Direktor kommen. Dieser rief ihre Eltern an, und sie wurde für den Rest des Tages nach Hause geschickt. Ehrlich gesagt war sie noch glimpflich davongekommen. Als sie am nächsten Tag wieder in die Schule kam, wurden wir unzertrennliche Freundinnen, und das sind wir seitdem. Kara Daniels hat mich natürlich nie wieder belästigt. Leah und ich machten alles zusammen, sogar den Abschluss am selben College, aber kurz danach beschloss sie, an die Schule zurückzukehren und Krankenschwester zu werden, nachdem mehrere gescheiterte Versuche, einen Job zu finden, deutlich gemacht hatten, dass man mit einem Abschluss in Philosophie einen Dreck anfangen konnte.

»Tut mir leid, Leah. Ich wollte dir eine SMS schreiben, sobald wir mit der Anmeldung durch wären, aber sie haben uns gerade erst hier herein gebracht. Das Ganze ging einfach so rasend schnell. Ich dachte immer, Gehirnerschütterungen zeigen sich sofort. Wir haben auf der Couch gesessen und über eine Stunde lang Der Zauberer von Oz angeschaut. Was, wenn ich es dadurch, dass ich nichts unternommen habe, noch schlimmer gemacht habe?«, sagte ich. »Hätte ich sie sofort hierherbringen sollen? Was, wenn sie eine Gehirnblutung oder so etwas hat?« Ich hatte das Gefühl, mein Blutdruck verdoppelte sich bei jedem Wort. Ich wusste nicht, warum ich schon wieder in Panik geriet. Stress ist schon eine seltsame Sache.

»Clare. Im Ernst, jetzt beruhige dich mal.« Ich saß neben Maddie auf dem Bett, und Leah ging vor mir in die Knie.

»Du hast nichts falsch gemacht. Du weißt inzwischen, dass du sie nicht wegen jeder Beule, wegen jedes Kratzers und wegen jedes Sturzes in die Notaufnahme bringen kannst«, sagte sie beruhigend. »Du hast alles genau richtig gemacht. Jetzt halt endlich die Klappe und mach dich locker.« Sie hielt inne und rümpfte angewidert die Nase. »Weißt du eigentlich, dass du total stinkst?«

Ich kicherte los und zog sie in stummer Dankbarkeit in eine feste Umarmung.

»Nein, ich meine, du stinkst wirklich. Lass mich sofort los! Igitt!« Ich musste noch mehr lachen. Ich konnte sogar hören, dass Maddie neben mir ein wenig kicherte. Leah war schon immer meine Rettung gewesen, wenn meine Welt kopfstand.

»Im Ernst jetzt, ist alles in Ordnung? Du weißt schon, weil du hier bist?«, fragte sie, weil sie an das letzte Mal dachte, als ich in diesem Wartezimmer gesessen und sie mir bis zum bitteren Ende die Hand gehalten hatte.

»Ja, ich meine, ich glaube schon.« Ich lächelte schwach. Sie drückte meine Hand; sie wusste, wann sie mich in Ruhe lassen musste.

»Okay, pass gut auf mein Mädchen auf. Ich schaue später noch mal nach euch. Und such dir mal ein paar Klamotten zum Wechseln, du stinkst echt zum Davonlaufen.«

»Danke, Schwester Morgan. Du bist die allerbeste Schwester der Welt«, entgegnete ich, woraufhin sie die Augen verdrehte und zur Tür ging.

Hier zu sein war wie an all den anderen Orten zu sein, die mich an ihn erinnerten – das Eiscafé, unser Lieblingsrestaurant, der Lebensmittelladen. Es fühlte sich an, als würde man ein Pflaster abreißen – man musste es einfach hinter sich bringen. Aber natürlich war er nicht im Eiscafé gestorben.

Ich verscheuchte diese schrecklichen Gedanken. Leah hatte recht, Maddie ging es gut. Nur weil dieser Ort mit Erinnerungen verbunden war, die mich verfolgten und meine Seele mit Schrecken erfüllten, hieß das noch lange nicht, dass alles hier auf die gleiche Weise enden würde. Ich blickte zu Maddie hinüber, die jetzt entspannt dalag, und wurde ruhiger.

»Weißt du was, Maddie? Ich glaube, wir können in null Komma nichts wieder nach Hause gehen!«, sagte ich begeistert. Sie blickte mich an und lächelte, dann setzte sie sich auf und kotzte seitlich aus dem Bett, direkt auf meine Schuhe.

2

Logan

Ich hatte keine Ahnung, warum ich überhaupt ans Telefon gegangen war. Mein bester Freund Colin meinte es gut, aber er klang wie eine Schallplatte, die einen Sprung hat, und ich wollte es nicht hören. Vor allem deshalb nicht, weil alles, was er sagte, stimmte.

»Mann, du musst aufhören, so über die Stränge zu schlagen. Irgendwann wirst du noch einen blutigen Lappen im Körper von jemandem zurücklassen oder so«, sagte Colin, während ich mich auf einem der harten Plastikstühle der Krankenhaus-Cafeteria zurücklehnte und auf mein halb aufgegessenes Abendessen starrte. Ein Käse-Schinken-Sandwich, das nach Pappe schmeckte, dazu Koffein. Wieder mal.

»Jeder hat ein Hobby. Manche Leute springen von Klippen, andere lieben die Gartenarbeit oder meditieren. Ich bin zufälligerweise ein Meister darin, in Bars zu gehen, zu trinken und Frauen abzuschleppen.« Ich glaubte nicht, dass er mich auch nur annähernd so lustig fand, wie ich rüberkommen wollte.

Tatsache war, dass ich müde war.

Ich hatte alles so verdammt satt und … inzwischen war mir alles egal. Als ich das Krankenhaus verließ, wollte ich nicht nach Hause gehen. Eigentlich wusste ich gar nicht, warum ich dieses Haus überhaupt gekauft hatte. Es war so leer. Ich war nach Richmond gezogen, um zu verschwinden. Colin glaubte, ich wäre hierhergezogen, um näher bei ihm zu sein, und ja, es war schön, ihn in der Nähe zu haben. Wenn ich ihn tatsächlich sehen wollte. Gott, war ich ein Arschloch. Aber wenigstens hatte er Ella. Er war nicht mehr Junggeselle, und so sehr ich mich auch für ihn freute, beneidete ich ihn auch. Ich hasste dieses Gefühl. Ich hasste zurzeit die meisten Gefühle. Wenn ich in dieses große, leere Haus zurückkehrte, tigerte ich durch die Flure und hatte außer Nachdenken nichts zu tun. Deshalb ging ich stattdessen aus, in eine Bar oder einen Club, wo ich versuchte, in der Menschenmenge zu verschwinden. Bis mich jemand erkannte. Hatten die Leute eigentlich kein eigenes Leben? Seit wann waren Milliardärskinder so interessant? Zumindest war es leicht, Frauen abzuschleppen. Niemand sagte Nein zu einer Nacht mit dem Sohn von Mitchell Matthews. Nur schade, dass ich nie bis zum nächsten Morgen blieb.

»Aber das ist nicht der Grund, weshalb ich anrufe«, sagte Colin mit einem Anflug von Nervosität in der Stimme. Warum war er nervös? In all den Jahren, die ich ihn kannte, war Colin nie wegen irgendetwas nervös gewesen. Er hatte den Stier immer geradewegs bei den Hörnern gepackt. Ich erinnerte mich noch gut an den Abend, an dem er seine Frau kennengelernt hatte, damals, als ich noch ein vernünftiger Kerl gewesen war, mit dem man gerne abhing – bevor ich mich in den Dreckskerl verwandelt hatte, der ich jetzt war. Wir waren in einer überfüllten Bar am Campus gewesen, als er sie zum ersten Mal sah, zusammen mit ihrem Date, mit dem sie hereinkam. Colin sagte, er wisse auf den ersten Blick, dass sie die Richtige sei und dass er mit ihr reden müsse, bevor sie in der Menge verschwinde. Ich hielt ihn für völlig durchgeknallt und drehte mich um, um ihm das zu sagen, doch er war schon weg. Ein Mann auf einer Mission. Er wich rechts und links Leuten aus und sprang sogar über einen voll besetzten Tisch, um zu ihr zu gelangen. Als er schließlich an ihrem Tisch anlangte, kniete er vor ihr nieder – wobei er ihr Date völlig ignorierte –, blickte mit seinem typischen, selbstzufriedenen Grinsen zu ihr auf und sagte: »Du bist die Mutter meiner Kinder, ich warte schon mein ganzes Leben lang in dieser Bar auf dich. Würdest du dich also von dem Loser da verabschieden und mit mir woandershin gehen?«

Nach seinem verwegenen Sprung über den Tisch war es in der Bar still geworden, und alle hörten seine Liebeserklärung mit an. Sie sah sich um und wurde rot wegen all der Aufmerksamkeit, doch plötzlich verzog sich ihr entsetztes Gesicht zu einem schelmischen Lächeln. Er lächelte zurück, weil er glaubte, sie erobert zu haben, und wartete darauf, dass sie Ja sagen und mit ihm in den Sonnenuntergang reiten würde oder was auch immer.

Stattdessen schüttete sie ihm ihre gesamte Margarita über den Kopf.

Die ganze Bar brach in Gelächter und Applaus aus. Anstatt sich jedoch niedergeschlagen fortzuschleichen, stand er auf und kam mit rotem Matsch im Gesicht wieder zu unserem Tisch geschlendert. Er setzte sich wieder hin und sah aus, als hätte er gerade einen Touchdown erzielt, der zum Sieg führte.

»Warum tust du so großspurig? Du hast gerade vor der ganzen verdammten Bar eine Abfuhr bekommen«, sagte ich und musste mich sehr anstrengen, nicht zu lachen – was mir nicht gelang.

»Warte es einfach ab«, erwiderte er grinsend.

Und das taten wir. Wir blieben sitzen, tranken unsere Getränke aus und bestellten neue. Etwa eine Stunde verging, und als unsere dritte Runde kam, stellte die Kellnerin Colins Glas ab und legte eine Serviette daneben. Triumphierend hielt er sie hoch – eine Telefonnummer stand darauf und ein Name, Ella. Seitdem trieben sie sich gegenseitig in den Wahnsinn. Ich hatte leider nicht so viel Glück auf diesem Gebiet. Aber ich war ja auch von einem Arschloch aufgezogen worden, das nur sein Geld liebte – was wusste ich also schon von der Liebe?

»Warum klingst du auf einmal so verdammt nervös?«, fragte ich und fuhr mir mit den Händen durch mein zerzaustes dunkelbraunes Haar. Ein nervöser Colin gefiel mir gar nicht.

»Neulich hat mich Gabe angerufen. Er hat mir gesagt, dass Melanie schwanger ist. Eigentlich wollte er dich anrufen, um es dir selbst zu sagen, aber er war sich nicht sicher, wie du es aufnehmen würdest. Seit der Scheidung habt ihr zwei ja praktisch kein Wort miteinander gewechselt.« Ich schwieg; ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Erwartete er eine Reaktion von mir?

»Jedenfalls dachte ich, dass du es wissen solltest. Es ist alles noch ganz frisch. Ich glaube, es sind erst wenige Monate vergangen. Melanie ist wirklich aufgeregt. Ich weiß, dass das, was die beiden gemacht haben, absolut beschissen war, und ich weiß, dass sie es nicht verdient haben, dass du ihnen verzeihst, aber letztendlich gehören sie zu unseren ältesten Freunden. Und sie geben sich Mühe. Ich schätze, ich gebe mir auch Mühe. Eigentlich würde ich Gabe ja gern noch mal in den Arsch treten, das hat wirklich Spaß gemacht.«

»Ich weiß, Colin. Ich verstehe das. Es freut mich ehrlich für sie. Vor allem für Melanie. Endlich bekommt sie alles, was sie sich schon immer gewünscht hat.« Alles, was ich ihr nicht geben konnte.

»Wenn du mit Gabe sprichst, dann sag ihm, dass ich mich für sie beide freue. Ich … ich kann das noch nicht. Ich kann nicht mit ihnen reden, noch nicht«, sagte ich. Natürlich nicht aus den Gründen, an die er dachte. Ich verdiente es nicht, mit einem von ihnen zu reden. Ich hatte ihnen Unrecht getan, und sie brauchten mich und meinen Mist nicht mehr in ihrem Leben.

»Okay, Mann, kein Problem. Wir reden nicht oft miteinander, aber ich richte es aus, wenn er wieder anruft. Na ja, ich sollte dich jetzt wieder an deine Arbeit lassen oder so. Wir müssen uns unbedingt bald zu einem Männerabend treffen.« Er stieß einen langen Seufzer aus. »Dieses Schwangerschaftsthema geht mir auf die Nerven. Ella hat mich neulich dazu gezwungen, ein Buch übers Stillen zu lesen. Weißt du, wie eine Milchpumpe aussieht? Das macht mir Angst, Mann, ich muss unbedingt ein wenig Zeit mit einem Kumpel verbringen.« Er klang wirklich so, als hätte er Angst.

»Okay, ich ruf dich an. Später«, sagte ich und wusste, dass ich das wahrscheinlich nicht tun würde, dann starrte ich weiterhin auf meinen halb leer gegessenen Teller. Ich wusste nicht einmal, warum er mich immer noch anrief. Wenn es umgekehrt wäre, hätte ich das inzwischen aufgegeben. Ich war es nicht wert.

Ich schaute mich in der Cafeteria um, die sich inzwischen längst geleert hatte. Die Kühlschränke summten leise, und ich konnte das Schlurfen der Leute auf dem Flur hören. Das Leben im Krankenhaus ging weiter, während ich über meine Exfrau nachdachte. Melanie hatte endlich, was sie schon immer haben wollte – eine Familie. Nur eben nicht mit mir.

Sag, dass du mich liebst, Logan. Liebe mich einfach.

Ich dachte, das hätte ich getan. Ich hatte es versucht. Ich hatte ihr alles gegeben, was ich zu geben hatte. Aber es war nicht genug gewesen.

Ich sah auf die Uhr und merkte, dass ich in der Notaufnahme gebraucht wurde. Ich sammelte die Reste meines langweiligen Abendessens ein und warf sie in den Mülleimer. Als ich die Cafeteria verließ, konzentrierte ich mich wieder auf die Arbeit … wenigstens darin war ich gut.

Clare

Ich saß am Fußende des Bettes und hielt Maddies Hand. Sie hatte sich noch ein paarmal übergeben, und die Krankenschwester war hereingekommen, um ihren Krankenhauskittel zu wechseln. Maddie schien jetzt ein wenig ruhiger zu sein, war aber immer noch blass. Ich staunte darüber, wie viel Flüssigkeit aus einem Menschen kommen konnte. Doch wenn ich an meine Collegezeit zurückdachte, erinnerte ich mich daran, etwas Ähnliches gesagt zu haben, während ich die Kloschüssel umarmt und geschworen hatte, nie wieder Alkohol zu trinken. Und wow, wie es hier drin stank. Ich fragte mich allmählich wirklich, ob man noch ganz bei Verstand war, wenn man in einem Krankenhaus oder allgemein im medizinischen Bereich arbeitete. Sich die ganze Zeit freiwillig mitten unter kranke Menschen begeben? Igitt.

Ein Klopfen an der Tür kündigte die Ankunft einer weiteren Person an. Als ich den Kopf drehte, sah ich mich Auge in Auge mit der Real-Life-Version von Dr. McSteamy, der gerade das Untersuchungszimmer betrat. War das unser Arzt?

Himmelnochmal,ichglaube,ichhabegeradeeinwenig gewinselt.

Er war groß und hatte die Figur eines Schwimmers. Ich hatte noch nie jemanden in einem OP-Kittel gesehen, der so sexy war. Wie der Himmel kurz vor einem Sommergewitter changierten seine Augen grau und blau, und ich konnte nur noch in ihre gewittrige Intensität starren. Sein Haar war dunkelbraun, beinahe schwarz, und so zerzaust, als hätte er es kurz zuvor getrieben. Die Art von Haar, in die man gern mit den Fingern fahren wollte. Wie schafften Männer das? Verbrachten sie Zeit vor dem Spiegel, um diesen Look zu kreieren, oder lag es wirklich daran, dass sie kurz zuvor Sex gehabt hatten? Plötzlich wollte ich das wissen. Oh Mist, sabberte ich etwa? Hatte er irgendwas gesagt?

Er sah mich erwartungsvoll an.

»Sind Sie die Mutter?«, fragte er mit hochgezogenen Brauen. Eine echt heiße Frage.

Ernsthaft, Clare … hol mal deine Gedanken wieder aus der Gosse.

»Ähm, ja. Ich heiße Clare Murray. Das ist meine Tochter Madilyn, ähm, Maddie«, antwortete ich und versuchte dabei die Tatsache zu überspielen, dass ich unsäglich lang dagestanden, ihn blöde angestarrt und eine Minipfütze gesabbert hatte, während er versucht hatte, meine Aufmerksamkeit wieder auf meine kranke Tochter zu lenken.

Jo, beste Mutter aller Zeiten.

»Schön, Sie kennenzulernen, Ms Murray, ich bin Dr. Matthews.« Und zu Maddie gewandt sagte er: »Und das muss die Prinzessin sein.«

Maddie Prinzessin zu nennen brachte ihm mächtig Pluspunkte ein, und ich glaubte sogar ein leises Kichern gehört zu haben. Sie sah sofort auf, und ihre großen braunen Augen hefteten sich auf seine, während er anfing, sie zu untersuchen.

Dr. Matthews bückte sich, beugte sich über ihren zierlichen Körper und strich mit der Hand über Maddies Kopf. Ich wusste, dass er nach Beulen oder sonstigen Auffälligkeiten suchte, doch seine Geste wirkte beschützend, und mein Herz schlug einen kleinen Salto, als ich meine Tochter in den Armen eines anderen Mannes sah.

Als er mit der körperlichen Untersuchung fertig war, setzte er sich ans Fußende des Krankenhausbettes und bedeutete mir, auf dem Stuhl neben Maddie Platz zu nehmen. Es war ein kleines Zimmer, deshalb wurde es ziemlich gemütlich für uns alle. Ich spürte die Hitze, die von seinem Körper ausging. Seinem wirklich heißen Körper. Kurz ruhte sein Blick auf mir, und ich spürte, wie mir die Röte in die Wangen stieg. Ein Schmunzeln huschte über sein Gesicht, bevor er anfing zu sprechen.

»Nun, Ihre Krankenschwester hat mir schon einige Details genannt, die heute Nachmittag zu Maddies Verletzung geführt haben. Wie es scheint, hattest du einen ereignisreichen Tag«, sagte er und bedachte Maddie mit einem freundlichen Lächeln. Sie blickte zu ihm auf, als wäre er der König der Welt, was mich überraschte. Maddie war im Allgemeinen kein großer Fan von Männern, da es in ihrem Leben nicht besonders viele davon gab.

»Aber es sieht wie eine klassische Gehirnerschütterung aus. Ihr Schädel fühlt sich normal an, und ich sehe keine Anzeichen für Schwellungen oder Blutungen. Um auf Nummer sicher zu gehen, ordne ich eine CT an, einfach um etwas Ernstes auszuschließen und sicherzustellen, dass wir alles abgedeckt haben. Mit Sicherheit wird sie in ein paar Tagen wieder ganz die Alte sein«, beschwichtigte er.

Ich nickte abwesend, diese kahlen weißen Wände begannen sich um mich herum zu schließen. Nicht die Tatsache, dass er eine Untersuchung machen wollte, versetzte mich in Panik. Ich verstand diese Vorsichtsmaßnahme. Ich war froh, dass sich Dr. Matthews dafür die Zeit nahm, und wusste seine Gründlichkeit zu schätzen. Es war die Art und Weise, wie er es sagte. Der genaue Wortlaut. Ein einziger Satz brachte die Erinnerung zurück, sie flutete meine Gedanken und übernahm alle Sinne.

Ethan setzte sich neben mich aufs Bett. Er sah mich aus diesen dunkelbraunen Augen an, sein Blick besorgt und liebevoll. Er wusste, dass ich mir immer über alles Sorgen machte.

»Schatz, ich brauche keine weiteren Untersuchungen mehr. Der Arzt meinte, es sei nur Migräne«, sagte er. »Die CT war normal, deshalb ist es auf keinen Fall etwas Ernstes. Ich will mich nicht mit der Versicherung anlegen, um eine MRT zu bekommen. Du weißt, dass sie es ohnehin nicht bezahlen würden, warum sich also quälen?« Er zog mich auf unser Bett hinunter, sodass wir Seite an Seite dalagen.

»Alles wird gut. Hör bitte auf, dir Sorgen zu machen«, flehte er. Dann beugte er sich vor und küsste mich langsam, in dem verzweifelten Versuch, das Thema zu wechseln. Er wich zurück und sah mich an, auf seinem Gesicht ein hinterhältiges Lächeln. »Außerdem haben wir jetzt Wichtigeres zu tun«, flüsterte er und ließ seinen Blick langsam und genüsslich über meinen Körper schweifen.

»Ach ja? Was denn?«, fragte ich. Ich täuschte ein Gähnen vor und streckte die Arme weit aus. »Ich glaube, ich gehe jetzt schlafen. Gute Nacht!«

Ich versuchte, ein unbeteiligtes Gesicht zu machen, aber unwillkürlich breitete sich ein Grinsen darauf aus, und bevor ich noch den Mund bedecken konnte, um es zu verbergen, ging er zum Angriff über, was mich vor Lachen aufkreischen ließ. Er setzte sich rittlings auf mich, hielt mich mit den Knien auf dem Bett gefangen und drückte mit seinem festen Griff meine Handgelenke über meinem Kopf nach unten.

»Psst! Das ist der erste Abend seit Wochen, an dem das Baby länger als eine Stunde schläft, und du musst es mit deinem wiehernden Pferdelachen ruinieren!« Glucksend beugte er sich herunter, um mich zu küssen.

»Ich lache nicht wie ein Pferd!«, erwiderte ich verstimmt.

Die Verärgerung in meiner Stimme schmolz dahin, als er mit seinen Küssen meinen Hals erreichte, sie hinunter zu meinen Schultern wandern ließ und dabei den Träger von meinem Nachthemd mitnahm. Er zog meinen Körper fest an seinen, und seine Lippen wanderten wieder zurück zu meinem Mund. Er küsste mich so leidenschaftlich, dass jegliche andere Gedanken verflogen. Untersuchungen und Kopfschmerzen blieben in der Vergangenheit zurück.

Wenn ich nur hartnäckiger, fordernder gewesen wäre … und ihn zu mehr Spezialisten geschleppt hätte …

»Sind Sie sicher, dass die CT ausreichen wird? Wird da auch nichts übersehen?«, fragte ich, während ich der Erinnerung entfloh, die mich gefangen hielt. In meiner Stimme lag eindeutig Angst. Ich wusste, dass alles gut war und dass das, was mit Ethan passiert war, äußerst selten vorkam, aber die irrationale Panik war nichtsdestotrotz da.

Maddie ist nicht Ethan. Maddie wird nicht sterben. Stumm sagte ich mir dieses Mantra vor und spürte, wie ich wieder ruhiger wurde.

Ich blickte zu Dr. Matthews auf, dessen atemberaubendes Gesicht einen ebenso besorgten wie verwirrten Ausdruck angenommen hatte.

Na wunderbar. Gut gemacht, Clare. Jetzt glaubt der heiße Arzt, dass du nicht mehr alle Tassen im Schrank hast.

Logan

Ich wusste nicht, ob ich die Frau vor mir trösten oder mich lieber umdrehen und davonlaufen sollte. Sie schien in ihrer eigenen Welt zu leben, voller Schmerz und möglicherweise Reue, und nicht zu wissen, wer oder was sie da wieder herausholen konnte.

Es war ein ruhiger Abend in der Notaufnahme gewesen, was bedeutete, dass wir nicht viele Notfälle gehabt hatten. Bisher hatte ich zwei gebrochene Arme versorgt, einem einheimischen Koch, der einen schlechten Tag bei der Arbeit gehabt hatte, einen Messerschnitt genäht und einem kleinen Jungen einen Legostein aus der Nase gezogen. Ich war kurz davor, vor Langeweile den Verstand zu verlieren. Ich hasste Tage wie diesen. Ich war von einem der führenden Traumazentren des Landes hierher nach Richmond gekommen. Ich hatte wahnsinnig lange Arbeitszeiten gehabt, war von einem Patienten zum anderen gerannt, hatte niemals Pause gemacht, hatte mich von schlechtem Kaffee ernährt und im nächstbesten leeren Krankenhausbett, das ich finden konnte, ein Nickerchen gemacht. Das alles hatte mir auch einen Vorwand geliefert, nicht nach Hause zu gehen. Feige war ich bei der Arbeit geblieben, um meiner Frau nicht zu begegnen, die ich nicht lieben konnte.

Hierherzuziehen war vom Tempo her eine nette Abwechslung gewesen, aber diese ruhigen Nächte gingen mir manchmal auf die Nerven. Ich bereute meine Entscheidung nicht, aber mitunter vermisste ich die Hektik. Zum Glück war nicht jeder Tag so. Es war immer noch eine Notaufnahme, und ich erhielt meinen gerechten Anteil an Adrenalin erhöhenden Fällen, aber es war nichts im Vergleich zu der Hektik, die ich hinter mir gelassen hatte. Das größere Krankenhaus in Downtown nahm die meisten schweren Traumafälle auf, aber auch hier hatten wir noch genug, dass ich beschäftigt war. Außerdem war ein ruhiger Job ja das, was ich gewollt und worum ich gebeten hatte.

Angesichts dessen, wie der Abend bisher verlaufen war, hatte ich deshalb einen weiteren alltäglichen Fall erwartet, als ich diesen Untersuchungsraum betrat.

Der Geruch nach Erbrochenem war das Erste gewesen, was ich beim Eintreten wahrgenommen hatte, und ich hatte sofort aufgestöhnt. Gott, ich hasste Kotze. Mit Blut und Eingeweiden hatte ich nicht das geringste Problem. Ich hätte lieber alles Mögliche wieder zugenäht, als in einen Raum zu kommen, der so roch. Meine Konzentration auf die Akte gerichtet, hatte ich gerade versucht, wieder zu lernen, wie man durch den Mund atmet, als ich aufblickte und meine neue Patientin in ihrem Krankenhausbett sah. Mit ihren langen rötlich-blonden Locken und den Pausbäckchen sah sie aus wie ein Engel. Sie blickte mit großen braunen Augen zu mir herüber und lächelte ein wenig, und ich verspürte das plötzliche Bedürfnis, sie in den Arm zu nehmen und ihr zu versichern, dass alles gut werden würde. Ich hatte keine Ahnung, woher das plötzlich kam, und wandte mich auf der Suche nach der Mutter von dem kleinen Mädchen ab – und Grundgütiger, da entdeckte ich sie. Sie war atemberaubend. Offene dunkelrote Locken fielen ihr über den Rücken und betonten einen schlanken Körper voller Kurven, die sich alle genau an den richtigen Stellen befanden. Sie trug ein … hmm, na ja, auf einmal wusste ich, woher der Kotzegeruch stammte. Sie musste wohl in Panik aus dem Haus gerannt sein. Mein Blick wanderte zurück zu ihren Augen. Verdammt. Ich glaube, ich hatte noch nie in meinem Leben so grüne Augen gesehen. Ein Mann konnte sich darin verlieren und nie wieder zurückfinden.

Sie hatte mich angesehen, eigentlich eher angestarrt, als würde sie darauf warten, dass ich etwas sagte.

Ach ja, ich war ja der Arzt.

Ich musste professionell sein und aufhören, sie mit Blicken auszuziehen.

Und professionell war ich dann auch. Sie stellte sich als Clare Murray vor. Das wusste ich bereits, da ich die Krankenakte des Kindes gelesen hatte, aber es gefiel mir, wenn sich jemand vorstellte. Ich untersuchte Maddies Kopf und fühlte … keine Ahnung, was, als sie sich an mich schmiegte, während ich sie untersuchte. Ich überging es rasch. Es gefiel mir nicht … irgendetwas zu empfinden.

Ich half Maddie dabei, sich wieder hinzulegen, und deckte sie zu. Dann setzte ich mich ans Fußende des Bettes und konzentrierte mich wieder auf die schöne Frau vor mir. Sie sah zu ihrer Tochter hinüber, und in ihrem Blick lag eindeutig Sorge.

Ihre Sorge steigerte sich zu Panik, als ich die CT erwähnte, die ich für Maddie geplant hatte. Ich hatte noch nie gesehen, wie jemand über eine einfache Untersuchung derart in Panik geriet. Sie fragte, ob ich mir sicher sei, und dann war es plötzlich so, als wäre sie nicht mehr da. Ihre Augen wurden ausdruckslos, und ihr Blick wanderte hinunter zu ihren Händen, die sie auf ihrem Schoß verschränkt hatte – und dann verschwand sie einfach. Ich hatte keine Ahnung, warum, aber ich wusste, dass das nichts mit Maddie zu tun hatte. Es war zu abrupt, zu intensiv, und in ihren Augen lag ein Gefühl von Verlust. Sie war schon vorher besorgt gewesen, aber ich merkte, dass sie im Grunde wusste, dass mit Maddie alles in Ordnung war. Sie wusste genau wie ich, dass es sich um eine simple Gehirnerschütterung handelte, die von selbst wieder verschwinden würde. Alles, was wir sonst noch unternähmen, wären reine Vorsichtsmaßnahmen.

Ich wusste nicht, was sich in ihrem Kopf abspielte, aber nach ein paar Sekunden blickte sie zu mir auf, und eine Mischung aus Panik und Verlegenheit huschte über ihr Gesicht.

Bevor ich wusste, was ich tat, streckte ich die Hand nach ihr aus. »Clare? Ist alles in Ordnung?«, fragte ich und legte meine Hände auf ihre, in dem Versuch, sie von dort, wohin sie abgedriftet war, zurückzuholen. Ihr Blick heftete sich auf die Stelle, an der sich unsere Hände trafen, und sie sprach ohne aufzublicken.

»Sind Sie sicher, dass sie nicht noch weitere Untersuchungen braucht? Kann man auf der CT wirklich alles sehen?« Ihre Stimme zitterte ein wenig, als sie erneut fragte.

Ich hörte den Schmerz in ihren Worten, sah die Angst in ihren Augen und wollte das alles ausradieren. Ich wusste nicht, was ich da tat, warum der Schmerz dieser Frau mich so beschäftigte. Es war nicht mein Problem. Ich musste jetzt wirklich dieses Zimmer verlassen, bevor ich noch etwas Dummes tat.

Ich riss meine Hand zurück und räusperte mich verlegen. »Ja, sie wird wieder in Ordnung kommen, Ms Murray. Wir werden uns hundertprozentig vergewissern, dass es ihr gut genug geht, um entlassen zu werden, wenn Sie gehen. Wenn der Radiologe fertig ist, werde ich mir die CT persönlich anschauen, um sicherzugehen«, sagte ich mit meiner professionellsten Arztstimme, während ich mich selbst davon zu überzeugen versuchte, dass Maddie einfach nur irgendeine Patientin und Clare nur irgendeine Mutter war. Sie bemerkte die abrupte Veränderung in meiner Stimme und nickte zustimmend, dann wandte sie sich – eindeutig gekränkt – wieder Maddie zu.

Ich machte einen Schritt auf die Tür zu und fluchte leise vor mich hin.

Anstatt den Türknauf zu drehen und hinauszugehen, drehte ich mich um, ging die drei Schritte zu dem Stuhl zurück, auf dem Clare saß, und kniete mich vor sie.

Ihre smaragdgrünen Augen richteten sich überrascht von Maddie auf mich und weiteten sich angesichts der abrupten Veränderung in meinem Verhalten.

Ja, ich weiß, für mich ist das auch etwas Neues.

»Alles wird gut«, versicherte ich ihr und blickte zu Maddie hinüber, dann wieder zurück zu Clare.

»Das verspreche ich.«

Rasch stand ich auf und ging aus dem Untersuchungsraum.

So viel zum Thema »nichts Dummes tun«.

Clare

Was zum Teufel war das denn? Ich dachte eigentlich, ich sei verrückt, aber so wie es aussah, hatte ich mein Date für den Ball der Verrückten gefunden. Ich war mir ziemlich sicher, dass das nicht normal war. Welcher Arzt kniete sich schon hin und schwor, dass bald wieder alles in Butter sei? Da würde die Anzahl der Gerichtsverfahren sicherlich in die Höhe schnellen.

Maddie war nach der CT gerade wieder in den Raum geschoben worden. Ich saß still neben ihr und sah ihr beim Schlafen zu. Es war spät geworden, und ich hätte schwören können, dass wir schon drei Tage da waren, dabei waren es gerade mal vier Stunden. In einem Krankenhaus ging nie etwas schnell. Meine Gedanken drifteten wieder zu Dr. Matthews und seinem seltsamen Abgang aus diesem Zimmer.

Als er meine Hand ergriffen und mich gefragt hatte, ob es mir gut gehe, anstatt die Leute mit den Zwangsjacken zu rufen, hatte ich etwas gespürt. Etwas, von dem ich glaubte, dass ich es nie wieder empfinden würde. Ich hatte Ethan mit meinem ganzen Selbst geliebt. Wir hatten uns kennengelernt, als ich gerade mit dem College angefangen hatte, und er war meine erste große Liebe gewesen. Wenn man die Art von Liebe gefunden hatte wie die zwischen Ethan und mir, dann erwartete man nicht, dass man das Glück haben könnte, so etwas noch einmal zu erleben. Es war nicht so, dass ich beschlossen hatte, bis an mein Lebensende allein zu bleiben, aber ich ging davon aus, dass es so kommen würde. Männer und Frauen verbrachten ihr ganzes Leben damit, den Einen beziehungsweise die Eine zu finden. Ich hatte ihn gefunden und das Glück gehabt, acht wunderbare Jahre mit ihm verbringen zu können. Ich hatte meine Zeit gehabt, und das war’s. Doch als ich aufblickte und in die Augen dieses Mannes sah, der meine Hand hielt, rührte sich etwas in mir … etwas, von dem ich geglaubt hatte, dass es längst verschwunden war. Und ich glaubte, dass er es ebenfalls spürte.

Und dann hatte er seine Hand weggezogen und versucht, es abzutun, als wäre das Ganze nie geschehen. Es war wie ein Schlag ins Gesicht gewesen. Mir fiel wieder ein, dass der Blitz nie zweimal an derselben Stelle einschlug. Ethan war von mir gegangen und damit meine einzig wahre Liebe – im Alter von siebenundzwanzig Jahren. Kein Mann würde ihm jemals gleichkommen. Das hatte ich gedacht, bis er herumgewirbelt war und geschworen hatte, dass alles gut werden würde. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, aber mein Herz schlug höher, wenn ich nur daran dachte. Es war, als hätte er die Ohrfeige, die er mir kurz zuvor im übertragenen Sinne gegeben hatte, ausradiert und mir gesagt, dass er es auch gefühlt hatte. Oder ich bildete mir eine Verbindung ein, die gar nicht da war. Vielleicht war er ja verrückt und ich hatte gerade meinen ganz eigenen Psycho-Bodyguard gewonnen.

Ein leises Klopfen riss mich aus meinen Gedanken, und Leah erschien im Türrahmen.

»Hey, Süße, wie geht es meinem Mädchen?«, flüsterte sie und setzte sich auf die Bettkante. Sie beugte sich vor, um die schlafende Maddie zu mustern. Ich war ein wenig nervös, weil sie eingeschlafen war, doch Theresa hatte gesagt, dass das in Ordnung wäre. Sie würden sie in einer Stunde aufwecken und untersuchen. Ehrlich gesagt war ich ein wenig neidisch. Ich hätte nichts dagegen, zu ihr ins Bett zu kriechen und ein Nickerchen zu machen.

»Es geht ihr besser, sie schläft seit etwa fünfzehn Minuten. Dr. Matthews hat gesagt, dass es nur eine Gehirnerschütterung sei, aber wir kommen gerade von einer CT zurück, die für alle Fälle gemacht wurde. Und bevor du fragst – mir geht es gut«, sagte ich, weil ihre Augen groß geworden waren, als ich die CT erwähnte. Manchmal dachte ich, dass sie mich besser kannte als ich mich selbst.

»Bist du sicher? Du weißt, dass das nicht dasselbe ist, nicht wahr? Sie ist nicht Ethan.«

»Ja, ich weiß. Das habe ich mir bereits hundertmal gesagt, seit er die Untersuchung angeordnet hat.«

»Du hast Dr. Matthews abgekriegt? Verdammt, hast du ein Glück! Er ist toll, so toll, dass ich am liebsten jeden Zentimeter seines Körpers lecken würde«, sagte sie lachend und wechselte damit eindeutig das Thema.

Ich verdrehte die Augen. »Leah! Das ist mir überhaupt nicht aufgefallen. Er ist der Arzt meiner Tochter, ich habe ihn mir nicht … so ganz genau angesehen«, sagte ich schmunzelnd.

»Ich wusste es. Du Flittchen.«

»Du Luder«, entgegnete ich.

»Jedenfalls«, fuhr sie lachend fort, »weißt du bestimmt, wer er in echt ist, also, wer sein Vater ist, oder?«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Auch wenn mir der Name bekannt vorkommt. Ich schenke den Nachrichten kaum noch Beachtung. Vierjährige sind nicht übermäßig begeistert von Zeitgeschehen oder Promi-Klatsch.«

»Stimmt, manchmal vergesse ich, dass du nicht mehr in der realen Welt lebst. Wie geht es Dora?«, stichelte sie. Leah liebte es, mich wegen schrecklicher Zeichentrickfiguren in die Zange zu nehmen. Sie wusste, dass Dora unter den Top Fünf meiner meistgehassten Zeichentrickfiguren rangierte.

»Sie ist genauso nervig wie letztes Mal, als du mich das gefragt hast, du Depp. Ich hasse diese dumme Sendung«, blaffte ich, woraufhin sie von einem stummen Lachanfall geschüttelt wurde.

Sie riss sich zusammen und sagte: »Jedenfalls ist Logan Matthews der einzige Sohn von Mitchell Matthews, dem Gründer von Mitchell Associates, was ungefähr das teuerste Hedgefonds-Unternehmen der Welt ist.«

Natürlich wusste ich das. Jeder wusste das. Mitchell Matthews war dafür bekannt, dass er sein Familienvermögen genommen und an der Börse Milliarden damit gemacht hatte. Er war ein Genie. Jeder BWL-Student der Welt kannte seinen Namen und hatte die Geschichte seines Unternehmens studiert.

»Er ist der