Was Ihre Mitarbeiter wirklich von Ihnen erwarten - Maren Lehky - E-Book

Was Ihre Mitarbeiter wirklich von Ihnen erwarten E-Book

Maren Lehky

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Beschreibung

Mangelnde Motivation und Mitarbeiterfrust kosten deutsche Unternehmen jährlich 93 Milliarden Euro in Form von uneffizienter Arbeit und schlechten Arbeitsergebnissen. Deshalb zeigt die Führungsexpertin Maren Lehky in diesem Buch, wie Führungskräfte die versteckte Kritik ihrer Mitarbeiter erkennen können und was hinter der typischen Chefschelte steckt. Anhand von zahlreichen Beispielen aus ihrem Beratungsalltag erklärt sie, wann für Vorgesetzte Handlungsbedarf besteht und wie sie rechtzeitig gegensteuern können. Für ein konstruktives und positives Miteinander mit garantiert besseren Arbeitsergebnissen.

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Maren Lehky

Was Ihre Mitarbeiter wirklich von Ihnen erwarten

Die Übersetzungshilfe für Führungskräfte

www.campus.de

Information zum Buch

Mangelnde Motivation und Mitarbeiterfrust kosten deutsche Unternehmen jährlich 93 Milliarden Euro in Form von uneffizienter Arbeit und schlechten Arbeitsergebnissen. Deshalb zeigt die Führungsexpertin Maren Lehky in diesem Buch, wie Führungskräfte die versteckte Kritik ihrer Mitarbeiter erkennen können und was hinter der typischen Chefschelte steckt. Anhand von zahlreichen Beispielen aus ihrem Beratungsalltag erklärt sie, wann für Vorgesetzte Handlungsbedarf besteht und wie sie rechtzeitig gegensteuern können. Für ein konstruktives und positives Miteinander mit garantiert besseren Arbeitsergebnissen.

Informationen zur Autorin

Maren Lehky war lange Jahre als Personalleiterin tätig. Seit 2002 ist sie Inhaberin einer Unternehmensberatung für Personalmanagement und trainiert und coacht Führungskräfte zu Leadership-Themen. Bei Campus erschien von ihr bisher »Die zehn größten Führungsfehler und wie Sie sie vermeiden« (2008).

Impressum

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Copyright © 2009. Campus Verlag GmbH

Besuchen Sie uns im Internet: www.campus.de

ISBN der Printausgabe: 978-3-593-38839-7

E-Book ISBN: 978-3-593-40718-0

|7|Vorwort

Dieses Buch ist auf Anregung des Verlages im Rahmen einer Diskussion entstanden, die darum kreiste, dass es eine Vielzahl von Titeln gibt, die mit haarsträubenden marktschreierischen Formulierungen Leser auf das Feindbild Chef einschwören und eine ganze Berufsgruppe mehr oder weniger gekonnt beschimpfen. Und wir fragten uns, ob man in Abgrenzung dazu nicht etwas schreiben könnte, das einem versöhnlichen Ansatz folgt und den Vorgesetzten erklärt, warum das Phänomen »Mitarbeiter schimpft über Vorgesetzten« gerade in der heutigen Zeit so ausgeprägt ist und was man dagegen tun kann.

Ich persönlich finde es bitter zu sehen und zu lesen, wie wir in der Arbeitswelt immer weiter auseinanderzudriften drohen und wie ein Keil zwischen »die da oben« und »uns hier unten« getrieben wird, häufig unterstützt von den Medien. Nun ist es ja leider nicht so, dass es keine drastischen Beispiele gäbe, die genau dafür Anlass bieten – dieses Buch ist in den Zeiten der Wirtschaftskrise entstanden. Täglich kommen neue schlechte Nachrichten über Managementfehler, Entlassungen oder schräge Vorgehensweisen in Restrukturierungsprozessen ans Tageslicht. Und dennoch gibt es sie, die erfolgreichen, einfühlsamen, konsequenten, vorbildlichen Manager, die sich mit ihren Mitarbeitern beraten, bevor sie entscheiden, denen Nachhaltigkeit wirklich ein Anliegen ist, die nicht nur ihren nächsten Bonus im Visier haben, denen es Spaß macht, gemeinsam mit ihren Teams etwas voranzubringen. Über die lesen und hören wir allerdings leider zu selten.

Mein Anliegen ist es also, eine Brücke zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten zu bauen, die Kluft zu verringern. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir es uns weder leisten können noch leisten sollten, Vorgesetzte generell zu kritisieren und eine ganze Berufsgruppe infrage zu stellen, sondern ich möchte, dass wir aufeinander zugehen und die anstehenden großen Aufgaben, die vor uns liegen, gemeinsam lösen. Ich |8|möchte zu der Erkenntnis beitragen, dass kein Chef ohne seine Mitarbeiter erfolgreich ist, dass es seine Verantwortung ist, für ein motiviertes Team zu sorgen, dabei aber sowohl Menschlichkeit als auch Konsequenz bei Regelverstößen walten zu lassen, wenn jemand das Team oder das Unternehmen schädigt.

Dieses Buch soll helfen, sich in Mitarbeiter hineinzuversetzen, es soll ihnen eine Stimme geben. Aus ihrer Sicht wird beschrieben, was Führung manchmal scheitern lässt und was Mitarbeiter demotiviert. Mit diesem Blick »hinter die Kulissen« können sich auch Vorgesetzte besser in ihre Rolle hineinfühlen und sich ihr noch bewusster werden: Wie viele Hoffnungen ruhen auf ihnen, wie viele Wunschbilder werden auf sie projiziert? Welche Dinge nimmt man Vorgesetzten übel, was brauchen und erwarten Mitarbeiter von Führungskräften – insbesondere in so angespannten und bewegten Zeiten? Es geht um Erklärungsansätze, die dafür sensibilisieren, was erfolgreiche Führung ausmacht.

Warum ich mich für Führungsthemen einsetze, werde ich oft gefragt. Es ist mein Weg, mich für eine bessere Welt zu engagieren, denn ich halte Führung für den entscheidenden Hebel, um Unternehmenserfolg zu gestalten.

Und ja, ich träume noch. Von einer Arbeitswelt, in der das gemeinsame Wir Grenzen überwindet, in der Vorgesetzte die Ehre und Freude der Führungsaufgabe wieder für sich entdecken und in der angestellte Manager so entscheiden und agieren, als sei es ihr eigenes Unternehmen; in der die Würde des Menschen unantastbar ist, man Konflikte konstruktiv löst, die unterschiedlichen Rollen akzeptiert und in der wir alle gemeinsam in die Hände spucken, um unsere Unternehmen voranzubringen, die Wirtschaft zu fördern und dabei über sichere und wirtschaftlich vernünftige Arbeitsplätze einen großen Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit zu leisten.

Ich habe selbst in vielen Unternehmen und in eigenen Teams einen solchen »Geist« erlebt und teilweise selbst erzeugt. Und ich wünsche mir, dass das öfter möglich ist und die Welt dann auch darüber berichtet, wo es gelingt und was hilft, statt genüsslich die Wunden zu vergrößern und damit die Angst der Arbeitnehmer weiter zu schüren. Angst und Wut waren noch nie gute Ratgeber oder gar Treiber für Innovation und Erfolg. Letztere brauchen wir aber dringend. Insofern freue ich mich, wenn dieses Buch einen kleinen Beitrag zur Diskussion oder zur |9|Verhaltensänderung leisten kann und wenn für Sie, liebe Leserin, lieber Leser, etwas Nützliches dabei ist. Auch in diesem, meinem neunten Buch, geht es um praktische Tipps, konkrete Fragen zur Selbstreflexion und um das eine oder andere Aha-Erlebnis. Schauen Sie, was für Sie dabei ist!

Ein Hinweis noch: Die in diesem Buch gewählte Schreibweise mit den männlichen Bezeichnungen umfasst gedanklich natürlich auch alle Frauen, alle weiblichen Bezeichnungen. Aus Gründen der Lesefreundlichkeit habe ich jedoch auf die gesonderte Schreibweise verzichtet. Ich danke für Ihr Verständnis und wünsche Ihnen nun viel Vergnügen und gute Erkenntnisse beim Lesen sowie viel Erfolg in der Übersetzung auf Ihren Führungsalltag!

Maren Lehky, 2009

|10|Einleitung

Narzissten, Nieten, Aufschneider – der Chef als Feindbild

Wenn man einen Menschen richtig beurteilen will, so frage man sich immer: Möchtest du den zum Vorgesetzten haben?

Kurt Tucholsky

Die Lage in deutschen Unternehmen scheint ernst: »Mitten durch die Gesellschaft geht ein Graben, er teilt Deutschland in zwei Lager, in die Manager und die Bevölkerung«, meldet die Die Zeit im Dezember 2006. Unter der Überschrift »Die Welt der Bosse« diagnostiziert die Wochenzeitschrift gar, Topmanager lebten längst in einem »Paralleluniversum« zur Welt der Arbeiter und Angestellten. Mit dieser düsteren Einschätzung stehen die Journalisten nicht allein da. Auch Jochen Kienbaum, Gründer und Chef der gleichnamigen Unternehmensberatung, konstatiert im Handelsblatt im Jahr zuvor »tiefe Gräben zwischen Chefetage und Belegschaft«, und die Süddeutsche Zeitung weiß: »Die Bürger haben den Glauben an ihre Wirtschaftselite längst verloren« (Magazin vom 20. Juni 2008). Hier beklagt auch Innenminister Wolfgang Schäuble »ein gestörtes Vertrauen in die Integrität der Eliten« und fordert Gegenmaßnahmen.

Nur noch Nieten im Topmanagement?

Keine Frage, Topmanagern bläst der Wind der öffentlichen Meinung hart ins Gesicht, die Finanzkrise hat den Konflikt in hohem Maße verschärft. Das Thema ist jedoch nicht neu: Bereits 1992 landete der Wirtschaftsjournalist Günter Ogger mit Nieten in Nadelstreifen einen Bestseller, und seitdem reißt die Chefschelte nicht ab. Der Ton ist inzwischen (noch) konfrontativer geworden, die Titel immer provokanter. Menschenschinder oder Manager lautet das Thema der US-Psychologen Paul Babiak und Robert D. Hare, und ein mögliches Fragezeichen hinter diesem Buchtitel spart man sich gleich ganz. Stanford-Professor Robert I. |11|Sutton dagegen hat einen Arschloch-Faktor entdeckt und gibt Überlebensregeln für den »geschickten Umgang mit Aufschneidern, Intriganten und Despoten im Unternehmen«. Dass Gossensprache Auflage garantiert, bewies auch die PR-Fachfrau Margit Schönberger mit ihrem Buch Mein Chef ist ein Arschloch, Ihrer auch?. Sie hat es laut Untertitel mit »Machtmenschen, Feiglingen und Wichtigtuern« zu tun und verdient inzwischen weiter an dem Folgeband Der Arsch auf dem Sessel. Titel, die man nicht laut aussprechen mag.

Die Sünden auf der Teppichetage

Ob bekannter Topmanager oder mittlere Führungskraft von nebenan – wer Führungsverantwortung trägt, scheint inzwischen unter dem Generalverdacht der Unfähigkeit, der mangelnden Integrität, wenn nicht gar einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung zu stehen. Dass derartige Pamphlete auf fruchtbaren Boden fallen überrascht nicht, denn in regelmäßigen Abständen melden die Medien die neuesten Verfehlungen auf der Teppichetage. Und das sind immer dieselben.

Raffgier und persönliche Bereicherung

Ein Bundesbankpräsident, der öffentlich zur Sparsamkeit mahnt und sich einen mondänen Silvesteraufenthalt im Berliner Nobelhotel Adlon von einem Kunden, nämlich der Dresdner Bank, sponsern lässt? Als das Anfang 2004 bekannt wurde, schlugen die Wellen hoch. Ernst Welteke verstand die ganze Aufregung nicht und musste von der Politik mühsam zum Rücktritt überredet werden. Zwei Jahre später machte Ruheständler Welteke erneut Schlagzeilen, weil er mit der Bundesbank vor Gericht um die Höhe seiner Altersbezüge stritt. Stolze 8000 Euro genügten ihm angeblich nicht, um »seinen Lebensstandard aufrechtzuerhalten«. Welteke erstritt schließlich eine Pension von 13000 Euro – eine Summe, für die der Durchschnittsrentner 500 Jahre arbeiten müsste, wie das Magazin Focus süffisant ausrechnete. Als Super-GAU in puncto Ansehen des Topmanagements erwies sich auch der Fall Zumwinkel. Der Postchef galt als Musterbeispiel für Integrität und umsichtiges Handeln, bis er im Februar 2008 vor laufenden Kameras von der Bochumer Staatsanwaltschaft abgeführt |12|wurde. Klaus Zumwinkel wurde vorgeworfen, über »Stiftungen« in Liechtenstein Steuern in Millionenhöhe hinterzogen zu haben.

Unsensibilität und Blindheit für die eigene Außenwirkung

Ungeschicktes Agieren in der Öffentlichkeit wirkt sich kaum weniger verheerend aus als justiziable Verfehlungen. Dagegen ist auch das politische Spitzenpersonal nicht gefeit, etwa der Umweltminister Sigmar Gabriel, der sich 2008 per Bundeswehrmaschine aus dem mallorquinischen Urlaubsort zur Kabinettssitzung nach Berlin einfliegen ließ. In der Wirtschaft greifen die Topmanager der Deutschen Bank gerne einmal daneben, von Hilmar Kopper und seinen »Peanuts« anlässlich der Schneiderpleite (gemeint waren offene Handwerkerrechnungen, die die Existenz mancher Firmen bedrohten) bis zu Josef Ackermann und seinem deplatzierten Victory-Zeichen zu Beginn des Mannesmann-Prozesses. Auch Ackermanns Rede auf der Aktionärsversammlung 2005 ist unvergessen, in der er Milliardengewinne und den Abbau Tausender Stellen in einem Atemzug verkündete.

Eklatante Fehleinschätzungen und Missmanagement

Jürgen Schrempp wollte aus einem schwäbischen Automobilkonzern eine »Welt AG« schmieden und führte Daimler unter anderem in die unheilige Allianz mit Chrysler. Die missglückte gründlich: Die inzwischen rückgängig gemachte Fusion kostete das Unternehmen Milliarden, doch der ausgeschiedene Schrempp profitierte sogar noch vom Anstieg des Aktienkurses nach Bekanntgabe des verlustreichen Verkaufs von Chrysler. Schrempp hielt Aktienoptionen, die ihm nach »Rückabwicklung seines Lebenswerkes« knapp 6 Millionen Euro einbrachten, wie der Berliner Tagesspiegel im Juni 2007 berichtete.

Marcel Ospel dagegen, Verwaltungsratschef der Schweizer Bank UBS, wurde 2008 in die Wüste geschickt, weil er beim missglückten Versuch, die UBS zum weltgrößten Investmenthaus zu machen, geschätzte Abschreibungen in der sagenhaften Höhe von 25 Milliarden Euro anhäufte. Um die Jahreswende 2008 /2009 wurde der Ruf der gesamten Bankenbranche durch die verlustreichen Hasardspiele zahlreicher Topmanager in Landesbanken, Sparkassen und Privatbanken dauerhaft beschädigt |13|und gipfelte in der Spiegel-Titelstory im Februar 2009 in der neuen Berufsbezeichnung »Bangster«.

Gesetzesverstöße und kriminelle Machenschaften

Gelegentlich bekommt das Topmanagement es sogar mit der Justiz zu tun, und die Medien sorgen dafür, dass die Vergehen der Wirtschaftsführer sich tief ins Gedächtnis der Zeitungsleser und Fernsehzuschauer einbrennen. Peter Hartz, Ex-Personalvorstand bei Volkswagen und eine Zeit lang als innovativer Wirtschaftsreformator auch von der Politik gefeiert, entging mit einer Haftstrafe auf Bewährung und einer hohen Geldbuße nur knapp dem Gefängnis, weil unter seiner Führung Betriebsräte durch hohe Zuwendungen und »Lustreisen« gewogen gehalten wurden. Heinrich von Pierer, langjähriger Siemens-Vorstandschef und späterer Aufsichtsratsvorsitzender, war als Kanzler(innen)berater von einem Tag auf den anderen nicht mehr gefragt, als eine Verstrickung in die Siemens-Schmiergeldaffäre immer wahrscheinlicher wurde. Gleich anschließend rätselte man im Frühsommer 2008, wer bei der Deutschen Telekom die Verantwortung für das Abhören von Journalisten und Vorstandsmitgliedern trug.

Messen mit zweierlei Maß

Vor dem Hintergrund solcher Meldungen haben nicht zuletzt die hohen Managementgehälter die Führungseliten in Verruf gebracht. Der persönliche Ansehensverlust angesichts von Verfehlungen, Versäumnissen oder Misserfolgen mag hoch sein – doch finanziell fallen die Bosse in der Regel weich. Und während sich Arbeitnehmer mit immer neuen Sparappellen konfrontiert sehen (in der Regel, um »den Aufschwung nicht zu gefährden«) und die Reallöhne seit Jahren stagnieren oder sogar sinken, kennen die Vorstandsbezüge nur eine Richtung: nach oben. »Die Vorstände der 30 Konzerne aus dem Deutschen Aktienindex genehmigten sich in 20 Jahren ein Gehaltsplus von 650 Prozent«, meldete die Frankfurter Rundschau im Juli 2008 unter der Überschrift »Der gespaltene Wohlstand«. Dass es dabei nicht um die Millionengehälter an sich geht, sondern um das mehr als komfortable Einkommen auch bei mäßigem Erfolg, zeigt der Fall Klaus Kleinfeld. Zum Anfang vom Ende der Karriere |14|des damaligen Siemens-Chefs gehörte neben der Insolvenz der an BenQ verkauften Handysparte auch die Meldung, der Siemensvorstand habe sich unter seiner Regie eine »üppige Gehaltserhöhung« bewilligt, während man öffentlich über den massiven Abbau von Stellen diskutierte (Focus im Januar 2007).

Warum so viele Chefs ein Imageproblem haben

Man könnte all das als Imageproblem einer kleinen Kaste von Topmanagern abtun, als verheerende Außenwirkung einiger schwarzer Schafe, als Mischung von »Zerrbild« und »Klischees«, wie Josef Ackermann in einem Interview mit dem Spiegel Anfang März 2008 behauptet. Doch es nützt weder Ackermann noch seinen Kollegen etwas, wenn der Bankmanager darauf verweist, Oskar Lafontaine als Parteivorsitzender der »Linken« lebe in seiner Villa weitaus »prunkvoller« als er selbst. Der Schaden ist angerichtet. Generalisierungen und Pauschalurteile machen den Menschen das Leben einfacher, gerade in schwierigen Zeiten. Und vermutlich hat Die Zeit Recht, wenn sie im Mai 2008 hinter der massiven Managerschelte auch eine »Projektionsfläche für [eigene] Abstiegsängste« vermutete. Wer über eine Top-Führungskraft schimpft – im zitierten Fall über René Obermann, der im Jahr 2007 50000 Mitarbeiter der Telekom in eine Tochterfirma ausgliederte, wo sie »länger und für weniger Geld« arbeiten müssten –, wird demzufolge auch von seinen eigenen Sorgen vor einem ähnlichen Schicksal getrieben. Als Arbeitnehmer identifiziert man sich eben mit anderen Arbeitnehmern und nicht mit einem Vorstand unter Erfolgsdruck.

Auch der Hinweis auf die Leistungen und Erfolge anderer Spitzenkräfte – vom Porsche-Chef Wendelin Wiedeking, der seine Mitarbeiter fair am Unternehmenserfolg beteiligte, über Michael Otto, der ein traditionelles Versandhaus zum größten Versandhandel der Welt machte, oder Wolfgang Reitzle, der den von einer Übernahme bedrohten Linde-Konzern als Weltmarktführer für Industriegase etablierte, bis zu BASF-Vorstand Jürgen Hambrecht, der 2008 von Personalexperten aufgrund seiner hohen Glaubwürdigkeit, Führungsqualitäten und wirtschaftlichen Erfolge zum besten aller DAX-Chefs gekürt wurde1 – auch der Hinweis auf solche positiven Vorbilder trägt kaum dazu bei, das Image |15|der Topleute aufzupolieren. »Good news is no news«, wissen Presseprofis. Was Auflage garantiert und sich im kollektiven Gedächtnis festsetzt, ist der Skandal, nicht die Erfolgmeldung.

War denn im Management früher alles besser? Verfehlungen hat es sicher immer gegeben, doch heute stehen Spitzenmanager im grellen Licht der öffentlichen Aufmerksamkeit, denn ihre »Performance« ist längst kursrelevant. »Die Hälfte aller Anleger lässt sich beim Aktienkauf vom Image des CEOs leiten«, meldet das manager magazin im Mai 2004 und beruft sich auf eine Studie der Kommunikationsagentur Burson-Marsteller. Entscheidend sei die Frage: »Kann ich diesem Mann mein Geld anvertrauen?« Dabei geht es nicht (nur) um wirtschaftliche Kennzahlen. Wäre das der Fall, müsste Josef Ackermann ein wahrer Publikumsliebling sein, denn auch im internationalen Vergleich steht die Deutsche Bank gut da. Es geht auch und gerade um telegenes Auftreten, um Glaubwürdigkeit und eine »authentische« Außenwirkung. Nicht jeder Betriebswirt, Ingenieur oder Naturwissenschaftler, den überzeugende Arbeit und gute Vernetzung in eine hohe Position führten, bringt die darstellerischen Qualitäten eines Barack Obama mit. Und so kann es passieren, dass ein Vorstandschef wie Klaus Kleinfeld, der im Frühjahr 2007 in einem Interview der Tagesthemen zur Siemens-Schmiergeldaffäre eher unbeholfen und unsicher agiert, am nächsten Tag in den Medien landauf und landab Prügel bezieht und sich die Frage nach seiner Führungseignung gefallen lassen muss.

Der unfähige Chef von nebenan?

Auch auf den unteren und mittleren Führungsebenen hakt es nicht selten. Jeder kennt jemanden, der einen »schlimmen« Chef hat, oder sieht sich gar selbst als Opfer einer unfähigen und daher überbezahlten Führungskraft. »Wie denken Sie über Ihren Chef?«, fragte im Juli 2007 das Online-Portal der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, FAZJob.net. Als positiv wurde vermeldet, dass »weit mehr als 40 Prozent der 1700 Teilnehmer« der Umfrage mit ihrem Chef zufrieden seien (exakt 43,2 Prozent). »Keines der Klischees« treffe zu, man habe »einfach Glück«, sagte diese Gruppe. Anscheinend war man in der FAZ-Redaktion wild entschlossen, das Glas als »halb voll« zu sehen, wie die übrigen Zahlen nahelegen:

|16|Immerhin 22,5 Prozent der Mitarbeiter sagten, ihr Chef sei »hemmungslos launenhaft« und »nur auf den eigenen Vorteil bedacht«;

12,2 Prozent meinten, ihr Vorgesetzter »kompensiere seine Unsicherheit durch Autorität«;

11,2 Prozent berichteten, sie hätten es mit jemandem zu tun, der »extrem nachgiebig« sei und versuche, »es allen recht zu machen« und

10,9 Prozent empfanden ihren Vorgesetzten als »hart sachorientiert, ohne Interesse am Gegenüber«.

Das macht unterm Strich 56,8 Prozent unzufriedene Mitarbeiter. Rein statistisch betrüge danach die Wahrscheinlichkeit, dass auch Ihre jetzigen, früheren oder zukünftigen Mitarbeiter nicht besonders glücklich mit Ihnen als Führungskraft sind, etwa fünfzig-fünfzig – zu wenig, um die anstehenden Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen.

Demotivierte und frustrierte Arbeitnehmer

Einen hohen Grad an Mitarbeiterunzufriedenheit belegen auch andere Umfragen. Gerne und viel zitiert wird seit Jahren der »Engagement-Index« des renommierten US-Marktforschungsinstituts Gallup. Die Gallup-Forscher fragen jährlich in einer Reihe von Ländern nach der »emotionalen Bindung« der Arbeitnehmer an ihr Unternehmen und schließen daraus auf Motivation und Arbeitsleistung. Die Zahlen für Deutschland schwanken von Jahr zu Jahr um 1 oder 2 Prozentpunkte, aber sie bleiben erschreckend. 2006 galt danach:

19 Prozent der deutschen Arbeitnehmer haben »keine emotionale Bindung« zu ihrer Arbeit. Diese Gruppe hat innerlich bereits gekündigt.

68 Prozent haben eine »geringe emotionale Bindung«, machen also den gefürchteten »Dienst nach Vorschrift«.

Lediglich 13 Prozent weisen jene »hohe emotionale Bindung« auf, die nach Ansicht der Gallup-Forscher garantiert, dass sich jemand ernsthaft in seinem Job engagiert.

Im internationalen Kontext bildet Deutschland dabei regelmäßig eines der Schlusslichter. Zum Vergleich: In den USA gehört immerhin ein knappes |17|Drittel der Arbeitnehmer zur Spitzengruppe der sehr Engagierten. Die Zahlen des deutschen Marktforschungsinstituts IFAK bestätigen die der amerikanischen Kollegen. 2008 fühlten sich nach einer repräsentativen Umfrage nur 12 Prozent der bundesdeutschen Beschäftigten »ihrem Arbeitgeber gegenüber verpflichtet«. Die große Mehrheit von 64 Prozent »spult am Arbeitsplatz ein Pflichtprogramm ab« und 22 Prozent haben »ihren Arbeitsplatz innerlich schon gekündigt«, heißt es zum aktuellen »Arbeitsklima-Barometer« unter www.ifak.com. Die Marktforscher haben auch eine Erklärung parat: »Schuld an der geringen Verbundenheit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen mit ihrem Arbeitgeber ist ein Arbeitsumfeld, das den Bedürfnissen und Erwartungen der Beschäftigten nicht gerecht wird und auf Defizite in der Personalführung zurückzuführen ist.«

Die Gallup-Forscher Marcus Buckingham und Curt Coffman formulieren es in ihrem Buch Erfolgreiche Führung gegen alle Regeln ein wenig bündiger: »Mitarbeiter verlassen nicht Unternehmen, sondern Vorgesetzte.« Dazu passt ein weiteres IFAK-Ergebnis: »Wenn Sie könnten, würden 35 Prozent der Ungebundenen [also der wenig motivierten Mitarbeiter] ihren Chef beziehungsweise ihre Chefin sofort entlassen.«

Tyrannen und Psychopathen gibt es wirklich

So weit, so schlecht. Als hart arbeitende und gestresste Führungskraft ist man geneigt, sich hinter einen Schutzwall zu flüchten, der aus Argumenten wie Undankbarkeit der Mitarbeiter, Verkennen der heutigen wirtschaftlichen Zwänge, überzogenen Erwartungen und passiver Konsumhaltung (»Chef, mach mich glücklich!«) errichtet wird. Und sicherlich mag das gar nicht so selten zutreffen. Doch aus meiner langjährigen Führungs- und Beratungspraxis in zahlreichen Branchen und Unternehmen weiß ich auch: Es gibt sie tatsächlich, die unfähigen, im Extremfall sogar menschenverachtenden Vorgesetzten, die einem eine Gänsehaut über den Rücken jagen.

Während der Vorbereitung dieses Buches sind mir Beispiele berichtet worden, die mich erschaudern ließen. Da ist die Führungskraft in der Medienbranche, die ihre Mitarbeiter in Meetings systematisch anschreit, auslacht und deren Ideen konsequent verspottet. Da ist der Manager in |18|einem Handelsunternehmen, der im Fahrstuhl einen einzelnen Kollegen bedroht, sich vor ihm aufbaut, die Arme an der Wand seitlich neben ihm abstützt und sich bemüht, ihn zwischen der ersten und sechsten Etage massiv einzuschüchtern. Oder da ist der Führungskollege, der sich im gemeinsamen Meeting hinter einen der eigenen Mitarbeiter stellt und laut flüstert: »Für jede schlechte Idee, die Sie hier produzieren, hacke ich Ihnen einen Finger ab.«

Durch solche Beispiele gewinnt ein erschreckender Hinweis des Schweizer Mediziners Gerhard Dammann dann doch an Glaubwürdigkeit: Amerikanischen Untersuchungen zufolge, berichtet der Psychotherapeut und Chefarzt einer Psychiatrischen Klinik, betrage der Anteil der »Psychopathen« an der Gesamtbevölkerung etwa 1 Prozent. In US-Unternehmen hingegen kämen auf 100 Angestellte im Schnitt acht Personen mit »dissozialer Persönlichkeitsstörung« – »und das auch noch stets in höheren Positionen«.2

Es ist müßig, darüber zu spekulieren, ob solche Fälle darauf zurückzuführen sind, dass bestimmte Persönlichkeitskomponenten (wie ausgeprägter Narzissmus) zunächst durchaus förderlich für eine Führungskarriere sein können, dann aber ins psychopathische Extrem umkippen, sobald die eigene Machtfülle es erlaubt oder der Druck von außen zunimmt. Oder ob umgekehrt erst die Machtfülle manche Menschen korrumpiert und zu einem Auftreten jenseits jeglichen Anstands veranlasst. Das erinnert an die Frage nach der Henne und dem Ei. Kritisch ist das Verhalten allemal. Und noch irritierender ist es, wenn solche Fälle im Unternehmen bekannt sind, ohne dass jemand Strafanzeige stellt oder die Person hinauswirft.

Chefs und Mitarbeiter – jenseits der Schwarz-Weiß-Malerei

Nun könnte man entgegnen, dass über 90 Prozent der Chefs immerhin »normal« sind. Vor diesem Hintergrund scheint die pauschale Vorgesetztenschelte, das Gerede über Nieten, Versager, Wichtigtuer und Despoten auf den Chefsesseln, weiterhin ein Ärgernis. Vielleicht wird hier ja auch mit Unterstützung einiger beflissener Buchautoren ein bequemes Feindbild aufgebaut, das von eigenen Versäumnissen ablenken soll? Ganz nach dem Motto: »Ich würde ja gern mehr tun, aber mein autoritärer |19|Chef lässt mich ja nicht!« Oder: »Das Arbeitsklima bei uns ist sooooo demotivierend – da kann man es mir kaum verübeln, dass ich jeden Tag Punkt 16:00 Uhr nach Hause flüchte!«

So einfach ist es nun auch wieder nicht. Weder sind alle Chefs Despoten und alle Mitarbeiter Engel, noch ist es umgekehrt. Jeder von uns kennt Mitarbeiter, an denen alle Motivationsversuche abprallen und die jede Führungskraft zur Verzweiflung treiben, weil sie offenbar fest entschlossen sind, möglichst bequem durchs (Arbeits-)Leben zu gehen. Es gibt nicht nur unfähige oder korrupte Führungskräfte, sondern natürlich auch Mitarbeiter, die sabotieren, unterschlagen, Kollegen drangsalieren, Firmengeheimnisse verraten oder durch verheerende Fehler wirtschaftlichen Schaden anrichten. Und es gibt viele engagierte, hart arbeitende und integre Menschen auf allen Stufen der Karriereleiter. Die Realität ist eben selten schwarz oder weiß, meistens ist sie ziemlich bunt, mit Grauschattierungen und vielen weiteren Farbtönen.

Es geht in diesem Buch also nicht darum, das »Feindbild Chef« durch ein »Feindbild Mitarbeiter« zu ersetzen. Es geht nicht um Rechtfertigungen oder Schuldzuweisungen, sondern um eine Versachlichung der Diskussion. Im Mittelpunkt werden Erklärungsversuche stehen und die Möglichkeiten, die man hat, um gegenzusteuern, wenn es im eigenen Einflussbereich nicht nach Wunsch läuft. Denn die Zahlen zu Demotivation und Frust in den Unternehmen lassen sich nicht wegdiskutieren. Und diese Zahlen schlagen sich Jahr für Jahr in Cent und Euro nieder. Laut Financial Times Deutschland vom 6. Oktober 2006 beziffert Gallup den gesamtwirtschaftlichen Schaden der Motivationsmisere in deutschen Unternehmen auf 247 bis 260 Milliarden Euro jährlich. Zum Vergleich: Der gesamte Bundeshaushalt im Jahr 2008 betrug 283,2 Milliarden Euro. Die Soziologen Winfried Panse und Wolfgang Stegmann haben ausgerechnet, dass allein die »innere Kündigung« die deutschen Unternehmen jährlich 93 Milliarden Euro kostet.3 Auch in einem nur mittelgroßen Unternehmen kommen da schnell einige Millionen zusammen.

Thema dieses Buches sind also nicht die Extremfälle, die rabenschwarzen Schafe unter den Führungskollegen, denen man zu Recht die Etiketten »Menschenschinder« oder »Psychopath« anheftet. Hier bleibt nur der Appell an die Zivilcourage jedes Einzelnen, an die Verantwortlichen in den Chefetagen, an Betriebsräte und Personalabteilungen, solchen Auswüchsen Einhalt zu gebieten. Wer Mitarbeiter drangsaliert, hat |20|in einer Führungsposition nichts verloren. Auch die kurzfristigen Erfolge, die ein solches Schreckensregiment möglicherweise erzielt, rechtfertigen kein Wegschauen. Wenn es dieses Argument denn braucht: Eine tyrannische Führungskraft rechnet sich auf Dauer nicht. »Die Kosten eines Mistkerls« waren im Dezember 2006 der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung einen ausführlichen Artikel wert. Unter Berufung auf das Wall Street Journal wurde dort unter anderem der Fall des Hollywood-Produzenten Scott Rudin geschildert, der in fünf Jahren 250 persönliche Assistenten verschlissen haben soll (das wäre circa einer pro Woche, wenn wir davon ausgehen, dass auch extreme Choleriker hin und wieder einmal Urlaub brauchen). Auch außerhalb Hollywoods gilt: Die Fähigen unter den Mitarbeitern suchen als Erste das Weite, für sie gibt es in der Regel Alternativen. Die Übrigen flüchten sich in die innere Kündigung oder melden sich, wann immer möglich, krank. Ideen, Engagement, Kreativität – all das, was wir im globalen Wettbewerb so dringend brauchen – sucht man in solchen Abteilungen vergeblich. »Management by Champignon« nennen Spötter das: Wer in derart vergifteten Abteilungen den Kopf hebt, bekommt ihn gleich abgehackt.

Der ganz normale Führungsalltag, und um den geht es in diesem Buch, sieht jedoch anders aus. Dort sind es möglicherweise die eigenen kleinen Ungeschicklichkeiten, die Missverständnisse und die (für sich genommen) wenig dramatischen Versäumnisse auf Führungsseite, die jedoch schleichend die Stimmung verändern und Mitarbeiterfrust auslösen. Oder es ist die Hinterlassenschaft eines von den Mitarbeitern gefürchteten Vorgängers, die ganze Angst und resignierte Unselbstständigkeit in der Abteilung, die man als neue Führungskraft erst einmal in positive Energie umwandeln muss.

Andere Führungskollegen wiederum rennen gegen eine Mauer aus Desinteresse an, die durch immer neue Umstrukturierungen Jahr für Jahr ein kleines Stück gewachsen ist. Wer hier als dritter Chef in vier Jahren noch etwas ändern und bewegen will, der sieht sich mit achselzuckenden Äußerungen konfrontiert wie: »Na, diese Restrukturierung überleben wir auch noch!« Oder vielleicht hat sich auch ein larmoyanter Jammerton eingebürgert, und die Mitarbeiter bestätigen sich Tag für Tag, wie schwer der eigene Job, wie unfähig die Geschäftsführung und wie schlecht die Bezahlung doch sei. Wie viel solcher Jammerei ist ganz normal, und ab wann wird das Klagen destruktiv?

|21|Um Fragen wie diese geht es in den folgenden Kapiteln. Ich habe insgesamt sieben Gründe gesammelt, warum man als Führungskraft zur Zielscheibe von Ablehnung, Gejammer oder gar Arbeitsverweigerung werden kann. Wir werden einen Blick hinter die Kulissen werfen und hin und wieder auch schauen, was die Psychologen zur ganz besonderen Beziehung von Chefs und Mitarbeitern zu sagen haben. Und wir werden ganz praktisch ausloten, wie Sie im Alltag gegensteuern und Ihre Abteilung hinter sich versammeln können. Dabei gibt es selten »einfache« Lösungen, denn die Führungssituationen, in denen Sie für gute Ergebnisse sorgen müssen, sind auch selten »einfach«. Und die Menschen, mit denen Sie es zu tun haben, sind es erst recht nicht. Aber in jeder Situation gibt es sinnvolle – und weniger sinnvolle – Handlungsmöglichkeiten. Wählen Sie selbst.

|22|Kapitel 1

Jammern als Ritual – warum viele Menschen gern mal klagen

Das Glück beruht oft nur auf dem Entschluss, glücklich zu sein.

Lawrence Durrell

Sie kennen solche Situationen wahrscheinlich: Am Kopierer, in der Kaffeeküche oder im Besprechungsraum stecken einige Mitarbeiter die Köpfe zusammen. Als Sie auf der Bildfläche erscheinen, verstummt das Gespräch abrupt; und es beschleicht Sie das ungute Gefühl, dass dort gerade nicht besonders schmeichelhaft vom Unternehmen oder gar von Ihnen selbst gesprochen wurde. Ihre Vermutung ist berechtigt: »Der durchschnittliche Mitarbeiter lästert vier Stunden pro Woche über seine Vorgesetzten«, so die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Juli 2007 unter Berufung auf das geva-institut München. Die gute Nachricht: Lästern und jammern scheint irgendwie zum Leben dazuzugehören. Gerade wir Deutschen sind groß darin, das Glas als halb leer zu sehen statt als halb voll. Wir beschweren uns über das Wetter, wenn es zu warm oder zu trocken, zu nass oder zu durchwachsen ist. Petrus kann es uns nicht recht machen, genauso wenig die deutsche Fußballnationalmannschaft, die gerade zu Beginn der Arbeit an diesem Buch Vize-Europameister wurde. Statt sich über die Erfolge der Fußballer zu freuen, wurde den ganzen Juli 2008 lang abwechselnd über Stürmer-, Trainer- oder Abwehrprobleme diskutiert und am Ende auch noch die Frage aufgeworfen, ob das Quartier zu gemütlich sei und sie deshalb nicht in Schwung kamen. Auch Sportreporter haben offensichtlich ein »Jammer-Gen«.

Mit den äußeren Lebensumständen hat die Neigung zum Klagen nur teilweise zu tun. Das belegt sehr eindrucksvoll eine internationale Studie zur »Average Happiness in 95 Nations«, die im Internet unter http://worlddatabaseofhappiness.eur.nl abrufbar ist. Auf einer Skala von 1 (»unzufrieden«) bis 10 (»zufrieden«) liegt Deutschland mit einem Durchschnittswert von 7,2 Punkten zwar im oberen Mittelfeld, aber noch hinter |23|Guatemala (7,6), Mexiko (7,6) und sogar deutlich hinter Kolumbien (8,1). Unser »Glückswert« entspricht nach dieser Umfrage exakt dem von El Salvador (7,2), und erstaunlicherweise sind die reichen Kuwaiter nicht etwa die glücklichsten Menschen auf unserem Planeten (das sind die Dänen!), sondern mit einem Wert von 7,0 sogar noch etwas weniger zufrieden als wir.

Zufriedenheit und Jammerneigung haben offensichtlich auch etwas mit Lebenseinstellungen und Wertesystemen zu tun. Wer je von einer Reise in ein Schwellen- oder Entwicklungsland zurückgekehrt ist und sich daheim beim ersten Einkauf über die missmutigen Gesichter im gut sortierten und perfekt klimatisierten Supermarkt wunderte, hat das wahrscheinlich schon geahnt. Und wer dann noch im Café, in der Bahn oder beim Sport eins der alltäglichen Jobgespräche mithört (»Mein Chef hat keine Ahnung, meine Kollegen sind unglaublich, was die Entwicklungsabteilung sich dabei bloß gedacht hat, die Bezahlung könnte besser sein, arbeiten lohnt sich ja kaum noch, frisst sowieso alles die Steuer …«), der weiß, dass es auch so etwas wie »Gewohnheitsjammern« gibt. Schade nur, dass man sich dabei den Alltag madig redet und gleichzeitig mit pessimistischem Tunnelblick Erfolge und Positives ausblendet.

Damit soll das Problem nicht kleingeredet werden. Denn die schlechte Nachricht ist: Ein Mitarbeiter, der vier Stunden pro Woche jammert, arbeitet in dieser Zeit höchstwahrscheinlich nicht und ist in der restlichen Arbeitszeit vielleicht weniger produktiv. Anzunehmen, die Menschen würden einen Großteil der Chefschelte auf den Feierabend vertagen, wäre wohl naiv. Auch jenseits persönlicher Betroffenheit kann es einer Führungskraft daher nicht gleichgültig sein, wenn sich die eigene Abteilung in einen Jammerzirkus verwandelt und womöglich irgendwann eine geschlossene Front gegen den Chef entsteht. Denn es gibt einen Punkt, an dem das Alltagsklagen umschlägt in eine allumfassende, destruktive Jammerei, die ganze Abteilungen lähmen und jede engagierte Arbeit blockieren kann. Ist das Klima erst einmal derart vergiftet, leidet die Produktivität massiv. Ein schlechtes Betriebsklima kann zu deutlichen Einbußen beim Gewinn eines Unternehmens führen, wie die Berliner Zeitung im Januar 2008 aus einer zweijährigen Forschungsstudie der Universität Bielefeld berichtete. Und das Handelsblatt empfiehlt im Juli 2007: »Manager sollten ihr Personal glücklich machen – dann laufen die Geschäfte besser.« Grundlage dieser These ist unter anderem |24|eine Studie der renommierten Wharton School (University of Pennsylvania). Der Wharton-Wissenschaftler Alex Edmans wertete die Aktienkurse der »100 Best Companies to Work for« aus. Ergebnis: Die Aktien der US-Unternehmen mit zufriedenen Mitarbeitern erzielten zwischen 1998 und 2005 doppelt so hohe Kursgewinne wie der Gesamtmarkt.

Was also können Sie tun, um lieb gewordene Jammerrituale zu durchbrechen und Mitarbeiterenergien in positivere Bahnen zu lenken? Was sollten Sie gelassen hinnehmen und unter gewohnheitsmäßiger Chefschelte verbuchen und wann müssen Sie einschreiten? Woran liegt es überhaupt, dass Jammern durchaus ein angenehmer Zeitvertreib sein kann? Was können die Auslöser des Gejammers sein, und welche Emotionen kommen dabei ins Spiel? Die folgenden Fragen helfen Ihnen zu verstehen, was hinter dem Jammern stecken kann – auch bei Ihnen selbst.

Loten Sie aus, was hinter der Jammerei steckt!

Wenn Sie sich selbst beobachten: Wie oft freuen Sie sich über Positives? Dabei zählt die Freude über schönes Wetter oder einen gelungenen Fernsehfilm genauso wie die über gute Mitarbeiterleistungen oder ein erfolgreiches Meeting.

Gegenprobe: Wie oft ertappen Sie sich selbst beim Jammern? Über den Dauerregen, über anspruchsvolle Kunden, über Ihren eigenen Chef(!), über die »weltfremden« Vorstellungen in der Zentrale, über die billige Konkurrenz aus Fernost, über …

Sollten Sie gelegentlich auch über Ihren Vorgesetzten oder »die da oben« jammern: Bei welchen Anlässen geschieht das? Was sind die Auslöser? Welche Emotionen kochen in diesen Momenten bei Ihnen hoch?

Wenn Sie gemeinsam mit anderen klagen: mit wem vorzugsweise und worüber? Welches Gefühl stellt sich dabei ein? Oder anders gefragt: Was ist der Nutzen eines solchen »Jammer-Chors«?

Wenn Sie zu dem Schluss kommen sollten, dass gemeinsames Jammern ein gutes (Gemeinschafts-)Gefühl erzeugt: Wie könnten Sie das gleiche Gefühl auf anderem Wege erzeugen? Was bräuchten Sie dafür?

|25|Warum ein bisschen Gejammer einfach dazugehört

Vor einem fatalen Fehler möchte ich Sie gleich zu Beginn dieses Kapitels warnen: Werten Sie nicht jede kritische Mitarbeiterbemerkung, die Ihnen zugetragen wird, jeden beiläufigen Spruch oder jede Mitarbeiterklage in Zeiten, in denen es einmal heiß hergeht (»Ich hab’ schon wieder jede Menge Überstunden!«), als Angriff auf Ihre Person oder Ihre Führungsqualitäten! Glauben Sie mir: Gejammert wird (fast) immer! Und auch bei negativem Feedback von Mitarbeitern gilt: Schon ein wenig mehr Gelassenheit erleichtert den Führungsalltag. Anders gesagt: Ein gewisses Maß an Jammern müssen Sie als Chef einfach aushalten, das ist in Ihrem Gehalt inbegriffen.

Fünf Gründe, warum Jammern so beliebt ist

Warum klagen wir eigentlich alle hin und wieder – von der Sekretärin, die über ihren »chaotischen« Chef jammert, bis zum Geschäftsführer, der die Billigkonkurrenz aus dem asiatischen Raum beklagt? Werfen wir einen Blick auf die psychologischen Mechanismen, die hier wirken.

1. Jammern ist leichter als Handeln

Solange man die Ungerechtigkeit der Welt und des eigenen Schicksals beklagt, muss man nicht handeln – man ist ja Opfer widriger Umstände und hat damit moralischen Anspruch auf Bedauern, Trost und Aufmunterung. Und das ist zumindest kurzfristig weitaus angenehmer und bequemer, als Handlungsmöglichkeiten auszuloten und selbst aktiv zu werden. Der Geschäftsführer kann ja nichts für die ausländische Konkurrenz, die Sekretärin nichts für ihren planlosen Chef. »Schuld« sind die anderen. Und auch mancher Mitarbeiter lehnt sich im Bewusstsein, dass »der Chef schuld ist«, erst einmal beruhigt zurück: Dieser enge Terminplan im Projekt XY war nun wirklich nicht einzuhalten; hätte der Chef besser vorinformiert, hätte man den potenziellen Kunden sicher überzeugen können; dass einem die Arbeit seit einiger Zeit nicht so recht von der Hand geht, liegt an mangelnder Motivation durch den Vorgesetzten – nicht etwa an eigener Trägheit.

|26|2. Jammern schiebt die Verantwortung auf andere

Ein zweites gewichtiges Jammermotiv ist: Wer jammert, kann die Verantwortung für den Status quo elegant auf andere abwälzen. Worin der eigene Anteil an der Misere bestehen könnte, bleibt von vornherein ausgeklammert. Wer grübelt schon gern über eigene Versäumnisse nach? Bewahren Sie also Contenance, wenn ein Mitarbeiter, der sich seit Jahren gegen jede IT-Fortbildung mit Händen und Füßen wehrt, nun plötzlich beklagt, wie »kompliziert« die neue Software sei.

3. Jammern verschafft ein Gefühl der Überlegenheit

Wer etwas beklagt, begibt sich damit zumindest vordergründig in die Vogelperspektive. Man blickt eben voll durch! Der Chef ist so unorganisiert, weil er als Marketingmensch Chaos mit Kreativität verwechselt. Kein Wunder, er war ja lange Zeit in einer Agentur, und man weiß ja, wie es da zugeht … Und die deutsche XY-Industrie geht demnächst vor die Hunde, weil die Bundesregierung es versäumt hat, schon vor Jahren energisch gegen Produktpiraterie vorzugehen, und weil das chinesische Geschäftsgebahren so aggressiv ist, was wiederum folgende kulturhistorische Hintergründe hat, und so weiter. Man hat eben den Durchblick – nur tragen solche Überlegungen wenig zu einer Lösung des Problems bei. Folgte nach der manchmal sicher treffenden Analyse dann auch die Schlussfolgerung und entsprechende Handlung, wäre diese Form des Klagens erträglicher.

4. Jammern entlastet

Von der antiken Tragödie erhofften sich die alten Griechen eine kathartische Wirkung: Das Durchleben von Furcht und Schrecken beim Anblick des dramatischen Schicksals der handelnden Personen sollte das Publikum von eben diesen Gefühlen befreien. Jammern hat für viele Menschen heute eine ähnlich befreiende Funktion. Wer einem Freund oder einer Freundin ausgiebig sein Leid geklagt hat, fühlt sich hinterher »irgendwie besser«. Und ich muss leider zugeben: Vor allem Frauen sind meiner Beobachtung nach anfällig für diese kathartische Jammerei – und reagieren äußerst ungehalten, wenn sie das (in dem Fall meist männliche|27|) Gegenüber mit voreiligen Lösungsvorschlägen nervt, statt einfach nur mitfühlend zuzuhören und regelmäßig bedächtig zu nicken. Nicht jede Klage am Arbeitsplatz bedeutet also akuten Handlungsbedarf. Vielleicht möchte da jemand nur ein bisschen mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung? Und manchmal pirscht man sich im Verlauf einer solchen Suada ja tatsächlich langsam an Lösungsmöglichkeiten heran.

5. Jammern schweißt zusammen

»Wer jammert, hat immer Kollegen«, sagt ein treffender Spruch. In jeder noch so spannungsgeladenen Abteilungsbesprechung stellt sich ein wohliges Gemeinschaftsgefühl ein, sobald irgendjemand die Sprache auf den schlechten Service bei der Deutschen Bahn oder die neuesten Kapriolen der Telekom-Hotline bringt und man gemeinsam auf einen Dritten schimpfen kann. Nur wenig schweißt einen Kollegenkreis mehr zusammen als ein gemeinsamer »Feind« – die gemeinsame Kritik am neuen Vorstand beispielsweise, der angeblich von nichts eine Ahnung hat, oder das Gejammer über den direkten Vorgesetzten, der vor der Vertreterkonferenz mal wieder mit »völlig überzogenen« Ansprüchen an die Produktpräsentation nervt. Ein Bankenvorstand, der die Übernahme einer mittelständischen Privatbank zu managen hatte, erzählte mir einmal, um die Versöhnung zweier völlig unterschiedlicher Unternehmenskulturen habe er sich in dem Moment keine Sorgen mehr gemacht, als die Belegschaft anfing, gemeinsam gegen »die vom (neuen) Vorstand« zu wettern. Ab da sei ihm klar gewesen, dass die Mitarbeiter der unterschiedlichen Häuser sich zusammengerauft hätten.

Fast könnte man also sagen: Gemeinschaftsmeckern ist das wirksamste Instrument der Teambildung – müsste man nicht die Sorge haben, dass mittelfristig die Arbeitsproduktivität darunter leidet. Der Psychologe und Mediziner Gerhard Dammann spricht in diesem Zusammenhang von der Gefahr einer »paranoid-regressiven ›Wir gegen die‹-Einstellung« der Mitarbeiter: Das »Feindbild Führung« verhindere dann, »dass man sich wirklich initiativ mit den alle betreffenden übergreifenden Aufgaben beschäftigen muss«.4 Um dem vorzubeugen, setzt man dem Gemeinschaftsjammern am besten etwas entgegen, das das Gemeinschaftsgefühl auf andere Weise stärkt – gemeinsame Ziele und Herausforderungen etwa. Selbst ein externer Gegner (etwa der Markt |28|oder die Konkurrenz), der zusammenschweißt und dessen Überwindung das Wir-Gefühl beflügelt, ist besser, als wenn sich die negative Energie gegen das eigene Umfeld richtet.

Drei Gründe, warum Sie als Chef mit dem Jammern leben müssen

Beginnen wir mit einem ebenso ernüchternden wie tröstlichen Statement: »In zahlreichen Studien wurde gezeigt, dass Führung weniger die autonome und kompromisslose Realisierung einer glasklaren stimmigen Strategie ist, als vielmehr die Kunst des Durchwurstelns angesichts mehrdeutiger Ziele, nur partiell durchschauter Bedingungen, heterogener Interessen, beschränkter Ressourcen, Zeitdruck und komplexer wechselseitiger Abhängigkeiten.« Dieses Fazit zieht der erfahrene Organisationspsychologe Oswald Neuberger, Inhaber eines Lehrstuhls für Personalwesen an der Universität Augsburg, in seinem Standardwerk Führen und führen lassen.5 Neuberger spricht auch von einer »Steuerungsillusion«, an der Berater und Führungstheoretiker eifrig mitstrickten.

In der Praxis bedeutet das nichts anderes als das, was Sie im Führungsalltag wahrscheinlich auch schon gespürt und erlebt haben: Nicht alle Situationen im Unternehmen sind voll durchschaubar (geschweige denn völlig steuerbar), nicht alle Konflikte sind lösbar, nicht jeder Mitarbeiter reagiert so, wie wir kalkuliert haben, nicht alle Teambedürfnisse kann man erfüllen.

Sicher, es gibt wichtige Tools, Methoden und Strategien, die bei der Bewältigung von Führungsaufgaben helfen. Aber es gibt keine einfachen, »todsicheren« Lösungen für alles und jedes. Wenn die Geschäftsleitung Kostensenkungen einfordert, Ihre Mitarbeiter gleichzeitig saftige Gehaltserhöhungen einklagen und Ihre Schlüsselkunden günstigere Angebote erwarten, können Sie nicht alle Seiten zufriedenstellen. So viel zum oben zitierten Rat des manager magazins