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Miete gestiegen – Bandkasse leer. Was nun? Die prinzipientreue Punkband »Die Hitler!« (englisch ausgesprochen) lässt sich auf ein einmaliges Booking als Tanzband ein. Leider bleibt es nicht bei diesem einen Mal. Schlimmer noch: Von Event zu Event kratzen die Auftraggeber näher am braunen Rand. Die Band wird schleichend zur angesagtesten Kapelle der rechten Szene. Als der Bandname mutiert, der Proberaumvermieter Bandmanager wird, der Tontechniker der Rolling Stones dazustößt und sich ein brandgefährlicher Provinznazi einmischt, eskaliert die Situation. Und dann ist da auch noch Emily Rössler und jede Menge Eierlikör. Das ganze Durcheinander, das am Ende nicht nur die Band ins dörfliche Exil zwingt, ist nur noch durch eine hochriskante und streng geheime Spezialoperation lösbar. Eine brisante Mischung aus Humor, Spannung, Coming of Age, Freundschaft, Abenteuer und Romeo-und-Julia-Lovestory. Manchmal punkig, stachelig und schnell, manchmal träumerisch und introvertiert. Und manchmal erschreckend nahe an der echten Welt.
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Seitenzahl: 365
Veröffentlichungsjahr: 2023
Eric Krüger
wuchs in Sachsen-Anhalt auf, studierte Lehramt Musik an der Universität Potsdam. Er ist Tour-,Fernseh-, und Studiomusiker, Keyboarder, Komponist, Produzent und Universitätsdozent.
Mehr Infos auf keyboarder.de
Foto: Florian Fleischer
Eric Krüger
WAS MAN HAT MAN
Ein punkiger Roman über Freundschaft,
Musik und Nazis
© 2023 Eric Krüger
Umschlag, Illustration: Eric Krüger, Canva
Lektorat, Korrektorat: Vera Gercke, Johanna-Marie Rohlf
Druck und Distribution im Auftrag:
tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg,
Deutschland
ISBN
Softcover: 978-3-347-98552-0
E-Book: 978-3-347-98554-4
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter:
tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.
»Viel Spaß bein Lesen!«
»B-b-beim!«
»Ist doch egal, Mensch.«
Cover
Titelblatt
Urheberrechte
Scheiß Schimmel
Depression
Harald
Showtime
Schmidt
Pinguine
Folterabend
Management
Copyshop
Expresso
Konfliktpotenzial
Hellmann
Parteitag
Heimreise
Jockel
Business
Barackenparty
Countdown
Maisfeld
Der Plan
Show1000
Das Buch
Wegener
Mittsommerkonzert
Frühling
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Titelblatt
Urheberrechte
Scheiß Schimmel
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Scheiß Schimmel
Jebb pult mit dem Zeigefinger an einer Eierpappe, die so aussieht, als sei sie vor mehr als tausend Jahren zusammen mit einer Milliarde weiterer Eierpappen an die Wand des Proberaums geklebt worden. Wahrscheinlich mit billigem Leim, denkt er. Optisch unterscheidet sich das Eierpappenensemble von italienischem Interieur, wie die Nordlichter von einem breitgetretenen Hundekackhaufen. Zwar steht nirgendwo geschrieben, dass Eierpappenwände ästhetisch ansprechend gestaltet sein müssen, die hier vorliegende Wall of Shame ist aber ein besonders negatives Beispiel menschengemachter Wandverkleidungen. Das ganze Kunstwerk sieht aus, als sei es von einem geisteskranken Inneneinrichter unter dem Einfluss halluzinogener Drogen, während eines Schneesturms angetackert worden. Blöderweise ist dieser Inneneinrichter Jebb selbst gewesen. Zu einer anderen Zeit, mit einer anderen Meinung. Die von ihm angepulte Eierpappe hat die Farbe Kack-Beige und die Konsistenz von feuchtem Lehm. Der Matsch hängt elendig an seinem Fingernagel.
»Eierpappen haben ein großartiges Dämmverhalten und verwandeln einen kahlen Raum in ein klanglich an sprechendes Umfeld.«
So hatte es Jebb vor Jahren in einem Userforum im Internet gelesen, in dem sich ganz offensichtlich unzurechnungsfähige Proberaumnutzer über Taktiken des Akustikbaus austauschten.
»Absoluter Kackdünnschiss!«
So richtig absolut und so richtig kackdünnschissig. Eierpappen haben nichts mit Akustik und Innenräumen zu tun. Bands in Eierpappenräumen sind Versagerbands. Jebb stellt sich vor, wie es wäre, wenn Greenday nach wie vor in einem solchen Proberaum gastieren würde.
»Ey, hast du gehört? Greenday spielen ein exklusives Proberaumkonzert für ihre treuesten Fans!«
»In diesem Raum, in dem die Eierpappen an den Wänden kleben?«
»Ja!«
»Arschlöcher! Verjagt sie aus der Stadt!«
Jebb schüttelt den Kopf, nimmt einen Schluck aus seinem Dosenbier und kratzt sich am Hals. Das Kack-Beige malt einen dreckigen Kackstrich an den Ansatz seines Adamsapfels.
»Von dem scheiß Schimmel bekommt man hundertpro Krebs oder Kardizom.«
»K-k-karzinom«, stottert Johannes, während er auf einem Schlagzeughocker im Leopardenmuster-Stil hinter seinem Drumset sitzt. Er hält sein rechtes Knie mit beiden Händen und pendelt dabei seinen Fuß hin und her. Dabei tippt er immer wieder an die kleine Trommel – die Snaredrum: Tack. Tack. Tack. Nervt wie sau, findet Jebb. Tack. Tack. Tack.
»Nerv nicht, Junge!«
Er winkt die Korrektur seines Drummers emotionslos ab, stellt das Bier auf eine mannshohe Verstärkerbox und schnallt sich seine E-Gitarre mit Aufschrift »Monkey« um. Bsss–Basch! Es knallt. Laut. Unfassbar laut. Trommelfellriss-Stimmung liegt in der Luft. Aber immerhin ist Jebbs Gitarrenkabel eingesteckt.
»¡Hostia! Verdammt, Amigo! ›Mute‹ drücken, Jebb!«, ruft Marquess in den Raum, während er die Hände wieder von den Ohren nimmt. Wirklich sauer ist der Bassist aber schon lange nicht mehr auf seinen Sänger. Zu oft war das Ohren-zerreißende Knallen in den vergangenen Jahren durch den Proberaum im Souterrain des ehemaligen Bürogebäudes im Salzwedeler Norden gehallt. Die drei Musiker spielen schon reichlich fünf Jahre zusammen und jeder weiß, was er von dem anderen zu halten hat. Oder was nicht. Man kritisiert nicht, man akzeptiert. Jebb findet, dass sich die Band inzwischen wie eine in die Jahre gekommene Ehe anfühlt. Und das, obwohl er sich nicht vorstellen kann, wie es sein muss, verheiratet zu sein. Genauso wenig kann er sich vorstellen, wie sich eine erfolgreiche Band anfühlen muss. Oder ein vielversprechendes Musikerdasein. Wovon die Hühnerstallcombo nämlich am weitesten entfernt ist, ist Erfolg. »¡Hostia!«
Rückblick! Nach dem zehnten Schuljahr hatten Jebb und Johannes die Schule mit der bis dahin größten Genugtuung ihres Lebens verlassen.
»Endlich vorbei, dieser Bockmist!«, fasste Jebb die zehn Jahre zusammen. Seit der Grundschule besuchten beide dieselbe Klasse, machten erste Gehversuche auf dem Orff-Instrumentarium und erkannten schnell, dass das Musikinstrument ihrer Wahl lauter sein müsse. Nach anhaltendem Nerven der Eltern wurde dem einen eine E-Gitarre und dem anderen ein Schlagzeug ins Kinderzimmer gestellt. Damit begann für die Nachbarn die Zeitrechnung stetiger Lärmbelästigungen.
»Hurensohn! Schalt die beknackte E-Gitarre aus!«, schrie es nicht nur einmal quer über den Hausflur.
Mehrere Male hatte Jebb als adäquate Reaktion die intoleranten Mitbewohner bestraft, indem er Senf in deren Schlüsselloch gequetscht oder die Briefkästen mit Bauschaum betankt hatte.
»Geil, wie das gelbe Zeug aus der Briefluke quillt!«
Jugendliches Amüsement at it’s best, wie er fand. Genauso jugendlich war es auch, die Schule zu hassen. Überall Bevormundung. »Preußische Kackscheißdrillkacke!«, kommentierte Jebb nicht nur einmal die Anweisungen seiner Sportlehrerin Frau Schütz, wenn sie ihn zum dritten Mal die Kletterstange hochkraxeln ließ. Wortkombinationen wie »Kackscheißdrillkacke!« kamen ihm immer wahnsinnig punkig vor. Und alles, was sich punkig anfühlte, war richtig. Nach dem Schulabschluss kletterte Jebb ohne Ausbildung die Karriereleiter des Vervielfältigungsfachangestellten in einem lokalen Copyshop hinauf. Seitdem untersteht er seiner Chefin Herta. Die wiederum ist fast nie selbst im Shop, weswegen Jebb Zeit für steuerfreie Nebentätigkeiten hat: Flyer für Aktivistenkumpels entwerfen, Flugblätter drucken (»Das bringt halt die Kohle für Bier, Butze und Broberaum. B-B-B!«) und nebenbei Inspirationen sammeln, auf den seiner Meinung nach vorbildlich gestalteten Websites der großen Player. Zalando! Dass er sich nebenbei die männlichen Unterwäschemodels anschaut, ist eines seiner Geheimnisse. Manchmal fragt sich Jebb, ob der Beruf des Designers ein alternativer Lebensweg gewesen wäre. Aber Chance vertan, Eisenbahn.
Wenn Herta mal im Laden ist, hockt sie Kette rauchend und Bier trinkend an ihrem Windows XP-Rechner und zockt Online-Spiele aus den 90ern. Solitär. Ob ihre Eltern schon bei der Vergabe des Namens wussten, dass sie später nicht »Typ Instagram-Influencerin« sein würde? Eltern sollen so etwas ja spüren. So wie Jebbs Eltern gespürt haben, dass er zufrieden mit simplen Lebensinhalten ist. Jebb braucht keine Karriere, kein Auto, keine krasse Wohnung, kein neues iPhone, keine Aufregung, keine Beziehung und auch keinen guten Rat. Jebb braucht ein lautes Instrument, seine Band und ausgewählte Prinzipien des Daseins als Freizeit-Punk. 22 Jahre alt, halblange Haare, Schwalben-Tattoo an der linken Halsseite.
Johannes hat nach dem Verlassen der Schule eine Ausbildung im Baumarkt begonnen. Davon gibt es jede Menge rund um Salzwedel und er konnte sich die Rosine im Töpfchen der Heimwerker- und Gartenmärkte herauszusuchen. Simple Kriterien: geringe Entfernung zur Wohnung und eingebaute Bäckerei im Eingangsbereich. Man muss schließlich auch essen, während der Arbeitszeit und nebenbei gibt es zu bestaunende Azubinen an der Theke. Johannes ist ein Typ, der ein ganzes Arsenal an »Ach, das hat der Arme auch noch in die Wiege gelegt bekommen«-Themen mit sich herumträgt: Neurodermitis, Ansatz zur Fettleibigkeit, Stottern. Das führte nicht nur dazu, dass sich seine Ausbildung ewig zog und sich seine sozialen Kontakte auf die Band begrenzten, sondern auch zur Nichtexistenz irgendeiner Form geschlechtlicher Beziehung. Ob er jemals eine Freundin hatte, war eines der großen Mysterien Salzwedels. Sex? Absolut unvorstellbar.
»S-s-sage ich dir nicht, ob ich schon mal ’ne Freundin hatte. D-d-der Gentleman schweigt.«
»Jaja, alles klar.«
»W-w-was denn? Habe schon mal geknutscht!« »Deine Mutter!«
Deswegen ist Johannes beim Schlagzeugspielen aber doppelt so leidenschaftlich: Manchmal ist er schon Stunden vor Probebeginn im Eierpappen-Keller und stellt sich vor, er würde bei Rock am Ring mit einem angesagten Act in das Licht der untergehenden Sonne spielen. Jede Eierpappenwölbung ist dann ein Zuschauerkopf, dessen Augen auf ihn gerichtet sind. Alle würden ihm zujubeln und eine der Bäckerei-Auszubildenden würde ihm einen BH direkt auf die Snare schmeißen. Sie würde seinen Namen rufen und er wäre ein Idol! Trotz seiner körperlichen Attraktivitäts-Stufe von Minus Acht.
»I-i-ist doch egal, wie man aussieht. Wenn man auf einer Bühne steht, wirkt man eh immer geil! Bühne ist gleich Ladyknacker.«
So sei es ja im Grunde bei Vertretern der Popmusikszene auch: Diese ganzen Herren sind nach Johannes’ Auffassung auch nicht naturschön und hätten genauso gut im Baumarkt enden können. Es läge eben an der Bühne und an businessorientierten Entscheidungen irgendwelcher Künstlermanager, dass Leute wie Ed Sheeran Idole geworden sind. Johannes hasst, dass er selbst keinen Künstlermanager hat. Und er hasst das Popbusiness und Ed. Würde Ed im Baumarkt arbeiten, würde sich keine Sau für ihn interessieren. Johannes ist sauer auf Ed. Ed kennt Johannes nicht. Während der Schulzeit hatte Johannes fünf Jahre Schlagzeugunterricht an der Musikschule. Eine dieser Musikschulen, die auf ihrer Website alle Instrumente der Welt anbietet und wahnsinnig open-minded daherkommen will (»Ja, natürlich bieten wir auch Einzelunterricht auf der Saz an!«), letztlich aber nur Lehrer für Klavier, Schlagzeug und Akkordeon auftreiben kann.
»A-a-akkordeon ist ein bescheuertes Mittelalter-Relikt. Peinlich, wer das spielt! Ich spiele Drums! Das ist brutal! Brutal männlich!«
Schlagzeuglehrer Maik wollte Johannes innerhalb der fünf Unterrichtsjahre dazu überreden, sein Nachfolger zu werden und auch ins Pädagogen-Business einzusteigen. Johannes müsse dafür nur um die vier Stunden pro Tag üben. Dann würde es klappen, mit der Aufnahmeprüfung an einer Hochschule.
»Du hast wirklich ein super Timing, Johannes. Spielst sehr tasty!«
»T-t-tasty? Willst du mich verarschen? Das ist Plattenfirmen-Schnack!«
Das könne vielleicht Ed Sheerans Manager zu seinem Schützling sagen (»Wow, the new lyrics are really tasty, Ed!«), aber doch nicht Maik zu ihm!
»U-u-und Schlagzeuglehrer will ich auch nicht werden. Ich habe schon ’nen Job im Holzpuff.«
Johannes’ Synonym für »Baumarkt« war zum Zeitpunkt der Bandgründung sogar im Rennen gewesen, was die Bandnamensuche anging.
»T-t-tierischer Bandname! Lass nehmen!«, hatte er vorgeschlagen. Marquess fand das aber zu 70s-mäßig. Die Zeit der Bandnamen im Stil von »Die Kassierer« oder »Acht Eimer Hühnerherzen« sei nun einmal vorbei.
Marquess ist zwei Jahre älter als seine Bandkollegen. Er ist das einzige Mitglied des Trios, das nicht nach der zehnten Klasse mit Begeisterung der Schule den Rücken gekehrt, sondern das Abitur mitgenommen hat. Während der Kursstufe hatte er sich mit Politik beschäftigt, war Teilnehmer von Debattier-AGs und hatte vor, ein Studium der Politikwissenschaft einzuschlagen. Marquess’ Eltern waren allerdings diejenigen, die ihn von seinem ambitionierten Plan abbrachten. Ein Studium der Politik sei wie ein Studium der altgriechischen Philologie: zukunftslos und eine l’art pour l’art. Viel sinnvoller sei es, in dieselbe berufliche Richtung wie sie selbst zu gehen: in die Tourismusbranche. Seine Eltern sind Hotelbesitzer eines kleinen Familienbetriebes in der Nähe von Lezhë im Nordwesten Albaniens.
»Albanien ist die neue Italien für deutsche Mann und deutsche Frau! Wunderschönes Land und wunderschönes Hotel. Müsst ihr kommen, ich mache super Preis pro Nacht und DZ, ja?«, ist eine der Floskeln von Marquess’ Vater, wenn er im Rahmen von sommerlichen Skatabenden seine deutschen Freunde in der Salzwedeler Downtown trifft. Die Strategie geht auf: Seine Kumpels sind die besten Kunden. Sobald es kalt wird, fliegt er allerdings mit Marquess’ Mutter zurück nach Albanien, um die Wintermonate am Mittelmeer zu verbringen. Marquess ist sich sicher, dass sein Vater in dieser Zeit seinen albanischen Freunden dort von der Schönheit Salzwedels vorschwärmt. Ihn würde es nicht wundern, wenn Papa Albin demnächst ein Hotel in Salzwedel eröffnen würde – für die albanischen Kumpels.
»Salzwedel ist die neue Venedig für albanische Mann und albanische Frau! Wunderschöne Stadt und wunderschönes Hotel. Mache ich super Preis für Nacht und DZ!«
Laber, laber, laber. Llomotitje, llomotitje, llomotitje. In den kalten Monaten wohnt Marquess allein in der Familienwohnung der Hoxhas. Er genießt die elternfreie Zeit, fühlt er sich doch mit fast fünfundzwanzig Jahren getrieben, nicht mehr im Hotel Mama zu gastieren. Diese Thematik allerdings bei seinen Eltern anzusprechen, ist ein »problem i madh«: ein großes Problem. Tradition verpflichte. Auch dazu, sich um seine Eltern zu kümmern, wenn man selbst erwachsen ist und deren Beruf fortzuführen. Eine eigene Wohnung sei da hinderlich. Ein Politikstudium auch.
»Mit Substanz musst du Beruf lernen, mit Substanz!«
Nach der Schule organisierte Herr Hoxha seinem Sohn seinen ersten Job als Barkeeper in der hiesigen Strandbar.
»Ist zwar nicht Mittelmeer, aber Strand.«
Tatsächlich hat dieser Job für Marquess vor allem ein Argument: die Besucherinnen. Für sie ist Marquess der hotte spanische Barkeeper. Denn anscheinend entspricht sein Äußeres genau dem in Salzwedel vorherrschenden Klischee eines Spaniers: welliges schwarzes Haar, südländischer Teint, dunkelbraune Augen. Marquess spielt mit: Er schmuggelt proaktiv einen spanisch anmutenden Akzent in seine Aussprache, bereichert sie mit Hispanismen und löst selbstverständlich nicht seine echte Herkunft auf. »Te amo« klingt eben anmutiger als »Unë të dua«. Und »Marquess« catchiger als »Lorik«.
Depression
Aktuell läuft es nicht gut mit der Band. Die Band- kasse ist leer. Band-Depression. Sowieso sind die Optionen für Konzerte in Salzwedel nicht üppig – gerade für eine Punkband mit klarer Kante. Vor Jahren hat Jebb mit seinen Kollegen noch regelmäßig auf Bandcontests wie »Local Heroes« oder »Emergenza« gespielt und obwohl er nie einen Preis mit nach Hause nehmen konnte, hatte man damit die Möglichkeit, eigene Musik vor Menschen und nicht nur Eierpappen zu prä- sentieren. Für damals reichte das! Aber Dinge ändern sich: Die Blütezeit der Bandcontests in den Neunzigern und Zweitausendern ist vorbei und die Initiatoren liegen inzwischen nach Meinung Jebbs bei Mojito und Zigarre in der Karibik und lassen ihr ergaunertes Vermögen in Form von Aktien arbeiten.
»Diese beschissenen Contests sind nur gut für die geldgeilen Veranstalter. Keine Band der Welt hat da jemals ’nen Benefit mitgenommen. Pisskram, echt!«
Aus Jebbs Blickwinkel ist es eine sarkastische Taktik gewesen, die die Organisatoren damals betrieben: Tipps wie »Kauft von uns die Tickets und verkauft sie an eurer Schule weiter. Dann lasst ihr eure Mitschülerinnen und Mitschüler für euch voten!«, wurden den aufstrebenden Amateurbands mit auf den Weg gegeben. Diese Hinweise wurden als absolute Garantie für eine Spitzenplatzierung beim Contest bewertet: Man kauft also Tickets für eine Show, bei der man selbst auftritt, gibt dafür sein Erspartes aus und verkauft diese Tickets wieder. Immer mit Verlust und nie mit der erhofften Spitzenplatzierung. Marquess wollte damals sogar einen kritischen Artikel für eine lokale Zeitung schreiben. Nachdem er seinen Entwurf dem regionalen Büro der Tageszeitung vorgelegt hatte, wurde er aber kopfschüttelnd abgelehnt. Im Grunde solle man sich doch freuen, dass es solche Events für Jugendliche gäbe.
Und so kam es, dass die schwarze Zahl in der Bandkasse Stück für Stück ins Rot wechselte. Ab und an wurde im bandinternen Krisenrat analysiert, woran es liegen könnte, dass keine Bookings einflogen. Man hatte sogar darüber nachgedacht, den Bandnamen zu ändern. Eventuell könnte er einer der Gründe für ausbleibende Konzertbuchungen sein.
»V-v-vielleicht schreckt unser Name ab!«, stotterte Johannes einmal spontan in den Raum und erntete sofort einen Konter von Jebb.
»Ey Johannes. Ein Name ist das Wichtigste überhaupt! Unser Gesicht! Und unsere Identitikation!«
»Id-d-dentifikation mit fi.«
»Ist doch egal. Um Prinzipien geht’s!«
Tatsächlich scheint der Name der Band sogar jedem Nicht-Punk faktisch richtig, jedoch zweifellos debattierbar:Die Hitler!, englisch ausgesprochen. Mit Ausrufezeichen. Entstanden bei reichlich Bier und Motivation und im selben Proberaum wie heute:
»Ey! Wir brauchen ’nen harten und super provozierenden Namen. Muss knallen!«
»W-w-was knallt denn? Arschloch? Wichser?«
»¡Hostia! Nein, muss politisch sein, Amigo. Arschloch ist ja nicht politisch.«
»Lass uns doch was mit dem Führer höchstpersönlich machen. Ist politisch. Und knallt automatisch!«
» F-f-führerarschloch ?«
»Viel zu konstruiert.«
»Hitlers Enemies?«, schlug Marquess vor.
»Nee, zu weich. Arschloch Hitler Wichser?«
Marquess stellte sich daraufhin neben das Mikrofonstativ und mimte den Moderator eines Festivals.
»¡Hola! Liebe Konzertgänger! Heute Abend für euch: Arschloch Hitler Wichser!«
Kurze Stille, dann Rückzug von Jebb.
»Auch Scheiße. Absolute Scheiße. Muss ’ne Aufforderung mit rein. Stirb Hitler zum Beispiel.«
»F-f-finde ich gut!«
»Knallt aber immer noch nicht. Deutsch knallt aber eh selten. Also außer bei Hitler, damals.«
»Amigos, dann lasst uns doch Stirb Hitler auf Englisch machen!«
»Dead Hitler? Klingt, als ob der mein Vater wäre!«
»N-n-nee. Falsch übersetzt, Jebbi! D-d-die! Die anstelle von Dead. Also: D-d-die Hitler! Englisch ausgesprochen und mit Ausrufezeichen hinten dran.«
Anerkennendes Nicken bei den Kollegen. Eingelocht. Mit mehreren Hopfengetränken wurde die Namensfindung begossen, und über den nun anstehenden Erfolg, der mit dem unglaublich guten Bandnamen in Verbindung stehen würde, schwadroniert. Die Hitler! Die Punkband aus Salzwedel. Inzwischen aber leider pleite und demotivierter als die morschen Eierpappen an der Wand.
Jebb schiebt den Gitarrengurt an seinem Hals zur Seite und kratzt sich an der Stelle, an die er den Eierpappenmatsch geschmiert hat. Marquess findet, dass das Geschmiere aussehen würde, als hätte Jebbs TattooSchwalbe auf seinen Adamsapfel gekotzt.
»Schwachsinn. Vögel können nicht kotzen«, kommentiert Jebb den Hinweis und zündet sich erst einmal eine Kippe an. Danach fummelt er am Mikrofon herum, drückt mal hier, zieht dort mal. In der heutigen Probe wurde noch kein einziger Song gespielt.
»Amigos, ich sag’s ungern, aber Schmidt hat die Miete erhöht. Und zwar satt!«, wirft Marquess ein. Er ist Hauptmieter des Raumes, der unweit der sogenannten »Erlebnisstraße der Deutschen Einheit« im Salzwedeler Norden liegt. Warum es in Deutschland diese Erlebnisstraßen gibt, versteht die Band nicht. Es gibt sogar einen Die Hitler!-Song darüber: »Erlebnisstraße der Einsamkeit«. Lyrisch ganz groß, findet Jebb. Und viel spannender als diese Straßen. Johannes hatte vor einigen Monaten mal die Theorie, dass diese Straßen »B-B-Bordellmeilen« sein könnten. Das würde ihren Namen zumindest auf einer Metaebene erklären. Er war daraufhin ein paar Mal mit dem Fahrrad über die Salzwedeler Erlebnisstraße gefahren und hatte nach verräterischen Wohnwägen mit puffroter Innenbeleuchtung Ausschau gehalten. Er wurde nicht fündig und musste die Feldstudie als gescheitert betiteln.
Der von Marquess erwähnte Schmidt ist Hausmeister, Vermieter und gleichzeitig Eigentümer des Gebäudes. Mitte Fünfzig, kurze Carhart-Hose, Goldzahn und Typ Stachelbär. Dazu fährt Schmidt einen Kleinbus der Firma Volkswagen: einen T2, Baujahr 1971, blau, mit weißem Dach. Gepflegt bestimmt ein halbes Eigenheim im Speckgürtel einer Metropole wert. Gepflegt ist der Wagen aber – genau wie Schmidt – nicht. Den Vornamen von Schmidt kennen die Jungs nicht, sind aber geschlossen der Meinung, dass man jemanden wie Schmidt ohnehin nicht beim Vornamen nennen möchte. Irgendwie würde er etwas Unangenehmes und Hinterlistiges ausstrahlen und seine Nähe erzeugt ganz automatisch eine HabAcht-Stimmung. Gleichzeitig schleimt sich Schmidt aber regelmäßig, bestückt mit Dosenbier oder Donuts, bei den Jungs ein, als sei er ein enger Kumpel aus der Nachbarschaft. Völlig selbstverständlich reißt er dann die Tür auf und beendet damit die Probe, setzt sich irgendwo hin und erzählt aus seinem Leben. Anscheinend gibt es sonst niemanden, der ihm zuhört. Und so kommt es vor, dass die Band Schmidts Gegenwart hinnimmt und ihm interessiert bei seinen Erzählungen folgt, weil kostenloses Bier sogar ein Argument für aufgesetzte Aufmerksamkeit ist.
»Ick hab’ echt schon allet erlebt, wat man so als Junge vom Land erleben kann.«
Schmidt berlinert, obwohl er weder Berliner noch Brandenburger ist.
»Ick hab’ auch schon viel mehr gesoffen als ihr alle zusammen. Und ick hab’ schon mehr Ladys gebumst, als ihr euch vorstellen könnt! Da waren Raketen dabei, Leute! Die Leiterin vom Jugendclub zum Beispiel. Kennt ihr?«
Schmidt unterhält sich nicht, Schmidt unterhält die anderen. Er ist Meister üppiger Metaphern und schießt immer übers Ziel hinaus. Schmidt sagt nicht Euro. Er sagt Mark. Schmidt sagt weder Mercedes noch Citroën. Er sagt Benz und Zitrone. Schmidt sagt nicht Frau. Er sagt Lady. Wenn Schmidt über Nebenkosten und Mieterhöhung spricht, wird das egale Storytelling allerdings zum weniger egalen Businesstalk.
»Hab’ ick fast vergessen, Jungs: Miete wird mehr. Fünfhundertfuffzig Mark. Könnt ihr mir nächsten Montag geben. Cash. Johnny Cash, hahaha. Tschüssikowski.«
»Wir b-b-brauchen mehr Kohle!«, kommentiert Johannes die unfrohe Kunde von Marquess.
»¡Hostia! Ja, leider! Ich habe noch mal mit Schmidt gesprochen. Aber er faselt was von Inflation und Weiterbelastung. Keine Chance, da was zu drehen. ¡Hostia!«
»Boah, hör doch mal mit deinem beschissenen Spanisch auf. Kannste bei deinen Bumsschlitten machen!«
»¡Hostia! Amigo! Kann dir doch egal sein!«
»Ja, ist es mir ja auch. Jedenfalls brauchen wir ’nen Imwestor oder so.«
»Investor. In! Und w-w-wer soll denn in uns investieren? Keine Sau!«
Jebb schnallt die Gitarre wieder ab und zieht das Kabel, ohne stumm zu schalten. Es knallt erneut und Marquess verkneift sich den zweiten Kommentar binnen drei Minuten. Die Eierpappen halten. Schade, findet Jebb. Er lässt sich auf einen Sessel fallen.
»O-o-oder wir spielen halt mal eine Show für Geld.« »Es gibt keine Punkshows mit Geld, Amigo!«
»J-j-ja, ich weiß. Aber vielleicht müssen wir um die Ecke denken, was das angeht.«
»Um welche Ecke?«
»N-n-na ich meine: Offenbar lässt sich mit unserer Mucke aktuell nichts verdienen. Vielleicht braucht es zeitweise ein anderes Setting.«
»Hä? Setting? Was laberst du, Johannes? Zu viel Lack eingeatmet, im Holzpuff?«
»I-i-ich meine: Wir könnten ja auch mal auf ’ner Hochzeitsparty spielen oder so. Eben dort, wo man Geld bekommt, wenn man auf der Bühne steht.«
»Alter! Auf ’ner Hochzeit? Bescheuert?«
»Por qué? Finde den Vorschlag nicht schlecht!«
»Dude! Hör auf mit deinem Spanisch-Kack! Bist Albaner! Und seid ihr bescheuert? Wir sind ’ne Punkband! Wir spielen doch nicht auf ’ner beschissenen Hochzeit! Maximal ’ne Beendigung würde ich machen. Aber nur mit richtig viel Blut gibt!«
»B-b-beerdigung heißt das, Jebb! Außerdem gibt es da nie Blut.«
Marquess stellt seinen Bass ab und wechselt zum Schneidersitz auf den unechten Perserteppich. Er malt Striche auf die Teppichoberfläche. Je nach Stand der Fasern kann man das Gemalte sehen oder eben nicht. Er müht sich an einem Hakenkreuz ab, und streicht es anschließend wieder durch.
»Amigos, ganz ehrlich? Wir heißen Die Hitler!. Keiner wird uns für irgendein Familienevent, ’ne Geburtstagsparty oder eine Hochzeitsfeier buchen. «
»Ja eben! Deswegen ja Beendigung!« »B-b-beerdigung!«
Jebb schaut an die Wand.
»Scheiß Schimmel. Müsste man auch mal abfackeln. So richtig mit Flammenwerfer.«
Johannes wechselt das Knie und legt die Drumsticks auf die Snare. »2A« ist auf den Sticks eingraviert.
»2A ist übrigens die D-d-dicke der Sticks.«
»Aha. Wichtige Sachinformation oder was willst du uns damit sagen?«
»D-d-das sind Rock-Sticks. Gibt auch Jazzsticks. Die kann ich mir ja kaufen und dann können wir ’ne Jazzband gründen und Dinnerpartys spielen.«
»Alter! Rad ab? Noch so ‘ne beschissene Idee? Gerade waren es Hochzeiten und jetzt Dinnerpartys? Außerdem ist Jazz pseudointelligentes Geklimper! Diese Jazzmucker spielen irgend ‘ne Kacke auf ihrem Instrument und debattieren dann über Akkorde und Skalen. Absolut überdreht! Jazzmusiker sind die FDP unter den Musikern!«
Johannes legt den Kopf in den Nacken, nickt Jebb anerkennend zu, weil er »pseudointelligent« richtig ausgesprochen hat und anscheinend etwas über Akkorde und Skalen weiß. Dann stellt er beide Beine auf und erhebt sich vom Schlagzeughocker. Er tut so, als würde er eine Stretchingrunde einlegen wollen.
»A-a-also ich habe da vielleicht ’ne Möglichkeit. Ich habe ’nen Onkel. Harald. Der sucht gerade eine Band für ein Event bei sich auf dem Dorf.«
»Event auf dem Dorf? ¡Hostia! Wir auf dem Dorf? Als Punkband?«
»Exakt, was Marquess sagt! Da passen wir Null rein. Außerdem würden wir mit solchen Mucken unsere Glaubwürdigkeit verlieren.«
»W-w-wartet mal. Also: Mein Onkel ist Vorsitzender in einem Schützenverein. So achtzig Kilometer von hier. Kein Schwein bekommt mit, wenn wir da spielen.«
Stille.
»Achtzig Kilometer? Sind solche Schützenvereine nicht immer verkappte Nazizellen?«
»N-n-nein, Jebb. Hat nichts mit Nazikram zu tun. Das ist einfach ein Schützenfest. Fertig.«
»So was ist immer Nazikram.«
»D-d-du hast keine Ahnung. Da geht’s um Bier und Schunkelmucke. Die haben normalerweise irgend einen DJ, meinte Harald. Aber diesmal wollen sie ’ne richtige Band. Die zahlen super, übrigens!«
»Scheiße, der braucht ’ne Band für seine Party und hat dich gefragt, ob wir da spielen? Wir? Auf ’nem Schützenfest? ’ne Band, die Die Hitler! heißt?«
»Weiß er denn, welche Musik wir machen?«, fragt Marquess.
»N-n-nö. Der kennt sich nicht mit Musik aus. Glaube, der hört nur Stimmungsmucke. Und Schlagerscheiß.«
»Ey, ich singe auf keinen Fall Schlager!«
»M-m-musst du ja auch nicht. Top40. Beatles, Tina Turner, Stones und so.«
Marquess nickt langsam und schaut dabei an die Proberaumwand, als sei sie ein Fenster mit Seeblick.
»¡Vale! Also das hätte schon was: Show durchziehen, Kohle kassieren. Die Geldprobleme wären damit erstmal weg. ¡Hostia! Ist ja ’ne einmalige Sache. Meinetwegen können wir das machen.«
»Ey, wer hat euch denn ins Hirn geschissen? Für so ’ne Kacke habe ich doch nicht ’ne Band gegründet. Schützenfest? Bin kein Top40-Assi, Leute!«
»W-w-wir können da aber halt keine eigenen Songs spielen, Jebb. Stell dir mal vor, wir spielen ›Scheiß der Glatze auf den Kopf‹ auf so ’ner Schützenparty.«
»Das wäre wenigstens ein bisschen geil, Johannes!«
»Ey Jebb, Amigo. Johannes hat leider recht. Die Miete muss rein, in den nächsten Tagen. Und zwar definitiv und ohne weitere Verzögerung. Sonst sind wir den Raum los, sitzen von heute auf morgen auf der Straße und die Band würde es auch nicht mehr geben. Aus, vorbei.«
»Boah. Scheiße. Ey, ich ...«
»J-j-jebb, nur diese eine Show! Muss sein.«
»Ich kann doch nicht bei so ‘ner beschissenen ...«
»Amigo! Komm schon!«
Jebb fasst sich an die Schläfen und kreist langsam seine Finger.
»Und was machen wir nächsten Monat? Auf den Strich gehen? Erlebnisstraße und so?«
Marquess fühlt sich ertappt. Jebb hat recht: Woher soll das Geld nach dem definitiv einmaligen Schützenfestengagement kommen?
»Können wir dann sehen. Okay? Machen?«
Marquess steht auf, gibt Johannes ein High Five und stellt sich vor Jebb.
»Brauchen nur ein paar Songs, Amigo. Du musst nicht mal viel lernen und müssen auch nicht lange proben.«
»Hi, ich bin Jebbi und mache Top40! Ehrlich? Lieber verrotte ich im Proberaum oder sterbe an Karzidom.«
»K-k-karzinom!«
Harald
Die Räder drehen durch, als Marquess den uralten Opel Omega auf den Feldweg, achtzig Kilometer südlich von Salzwedel, lenkt. Marquess’ Vater hat ihm das Familienauto für die Anreise der Band zum Schützenfest geliehen. Herr Hoxha hatte die Jungs mit »Is gute Auto! Freue mich, wenn es wieder gut ankommt, haha.« verabschiedet. Der Opel rollt über die feldwegige Lieferantenzufahrt zu einem Festplatz, in dessen Mitte ein Partyzelt aufgebaut ist. Hier soll heute Abend also dieses Schützenfestspektakel starten, mit allem Pipapo: Mit der Wahl des diesjährigen Schützenkönigs, Huldigung von ominösen Leistungen der Schützenbrüder à la »Ihr habt die Wildsau einfach am kreativsten abgemurkst, Glückwunsch!«, und so weiter. Abgesehen vom Zelt ist bisher allerdings nicht viel zu sehen, von der »großen Sause«, wie Harald das Fest am Telefon mehrfach betitelt hatte. Einige Männer in kurzen Hosen und ACDC-T-Shirts räumen aus einem Leih-Transporter Bierbänke und Stehtische in das Zelt.
»Tachchen allerseits! Wir spielen heute hier und müssen Instrumente ausladen. Wo können wir ranfahren?«, ruft Jebb aus dem heruntergekurbelten hinteren Fenster (Handbetrieb). Einer der ACDC-Menschen, der selbst wie die abgemurkste Wildsau aussieht, schaut zum Omega und zeigt zur schmalen Seite des Zeltes.
»Da steht doch schon euer Transporter!«, antwortet Jebb der Sau.
»Jaaa, wa? Aber da passt noch mindestens ’ne Panzer dazwischen, wa?«, grunzt sie zurück.
»’ne Panzer?«, stellt Jebb seinen Kollegen zur Debatte und ergänzt: »Seht ihr, Nazis. Militante Nazis.«
»Quatsch. D-d-das ist doch nur ein Spruch.«
Marquess drückt vorsichtig aufs Gas und lenkt den Wagen in Richtung Wildsau-Transporter.
»Knappe Sache, Amigos. Sind maximal drei Meter Platz.«
Fängt ja beschissen an, denkt sich Jebb.
»Ein g-g-guter Ladeweg ist das A und O«, witzelt Johannes vom Beifahrersitz aus. Jebb stimmt von hinten mit einem »Heute aber ohne Vokale!« zu und Marquess öffnet die Fahrertür, um mit seinen absolut nicht wasserdichten Chucks die Tragfähigkeit des durchnässten Bodens zu überprüfen. Es macht »Pfffzschp«.
Die Band steigt aus. Es riecht nach verbranntem Fett und schalem Bier. Das kann an der Bratwurstbude liegen, die in ein paar Metern Entfernung halb schief an einer Böschung geparkt ist, schlussfolgert Johannes. Ein Blick in den Innenraum des Zeltes verrät: Das wird harter Tobak heute. Eine Bühne gibt es nicht, dafür einen mit Holzlatten abgesperrten Bereich. Davor ist eine Tanzfläche auf ungefähr acht mal acht Metern angedeutet. Ansonsten: Bierzeltgarnituren bis zum Horizont.
»Alter, das ist absolut Anti-Punk.«
Jebb zündet sich die erste Trostkippe nach dem Verlassen des Wagens an. Im Auto zu rauchen hat Herr Hoxha verboten. (»Wenn ich eine Rauch rieche, dann raucht es eine. Haha.«)
Jebb mustert die ACDC-Helfer, er mustert den Bratwurststand, er mustert das Festzelt und er mustert sich selbst.
»Wir passen hier überhaupt nicht rein, Leute. Außerdem riecht es nach Nazis. Habe ich doch gesagt.«
»Jebb, l-l-leise. Die haben uns gebucht. Also Profi jetzt und Fresse halten.«
Die drei Männer betreten das Zelt. Die Bretter auf dem Boden sind mit Bier, Bratwurstpartikeln und dem Abrieb von Schuhsohlen des anscheinend tanzwütigen Volkes dunkel gefärbt.
»L-l-leute, wir sind gerettet!«, ruft Johannes und bleibt stehen. Er zeigt auf die Längsseite des Etablissements: Dort befindet sich ein etwa zwanzig Meter langer Tresen, hinter dem alle zwei bis drei Meter ein BierZapfhahn über die Tresenkante reicht.
»Zapfhähne sind meine Lieblingstiere! Hahnus Zapfus!«
»G-g-guter Gag!«
Hinter der Tresenkante räumen ein paar Dorfschönheiten Gläser aus Pappkartons, legen Brezeln auf Tischdecken und stapeln Jägermeister, Weißwein, Rotwein, Whisky und Red Bull in die Kühlschränke.
»R-r-richtige Erlebnisstraße deutscher Alkoholika.«
»Wenn man hier einfach nur Gast wäre und es um nichts gehen würde, würde das bestimmt ’ne gute Party werden«, ergänzt Marquess.
»In innigster beschissener Freundschaft mit dem Tresen«, vervollständigt Jebb diese Analyse und zündet sich schon mal vorsorglich eine zweite Kippe an. Vielleicht würde sich der Abend am Ende doch nicht so übel gestalten, wie er bisher annahm. Denn trotz der Gegenwart in der Vorhölle zur Tanzteeband-Karriere gibt es hier das Argument für fast alles: Bier. Ein älterer Mann eilt auf die Band zu. Bluejeans und Trachtenjacke.
»Johannes, Johannes! Da seid ihr ja! Wie schööön. Wie wunderschööön!«
»Harald, grüß dich«, empfängt Johannes seinen heranwatenden Onkel.
»Schööön. Ach schööön. Wollt ihr ein Bier?«
Ohne die Antwort auf seine Frage abzuwarten, bewegt sich Harald in Richtung Tresen und ruft den drei perplexen Jungs begeistert ein »Kommt ran, Jungs! Kommt ran!« zu. Er widmet sich einer der räumenden Damen hinter dem Tresen.
»Jenny, mach uns mal vier und dann machst du es uns Vieren, du scharfes Stück!«
Harald lacht auf, als ob er gerade einen legendären Herrenwitz gemacht hätte. Die hinter dem Tresen stehende einsfünfundsechzig große Frau macht gute Miene zum düsteren Spiel und bereitet den Hopfensaft zu.
»Aaach, danke Jenny. Du bist ’ne tolle Olle. Schööön! Eine Frau mit Bier: Das lob ich mir. Prost, Jungs!«
Harald scheint ein Typ mit dem Hang zu sexistischen Floskeln zu sein, schlussfolgert Jebb. Zwar kann er ihn nach drei Minuten Bekanntschaft noch nicht final einordnen, er erinnert ihn aber im Verhalten an Schmidt. Vielleicht sind die beiden ja verwandt. Komischerweise scheint dieser Tresen-Jenny sein Gerede aber überhaupt nicht nahezugehen. Entweder überhört man so etwas, wenn man in der Dorfgastronomie arbeitet, oder sie steht auf Harald. Zweiteres ist allerdings so unwahrscheinlich wie Schnee im Juli auf La Gomera.
»Jenny, Jenny, Jenny. Du machst wirklich den besten Saft! Schööön.«
Dass dieser Harald passend zu seinem Altherrensprech auch noch eine verstaubt anmutende Trachtenjacke trägt, passt ins Bild. Das Kleidungsstück mutet bayerisch an, obwohl dieser Landstrich rein gar nichts mit Bayern zu tun hat. Aber es gibt ja auch Cowboys in Köln und Vermieter, die in Sachsen-Anhalt wohnen und berlinern. Harald schluckt das Bier, als wenn es kein Morgen geben würde.
»Jenny, Jenny, Jenny. Du bist echt das beste ...«
Johannes grätscht dazwischen, weil er bemerkt, wie in Jebb die Lust auf verbales Eingreifen heranreift.
»Äh, Harald! Meine Jungs kennen dich ja noch gar nicht. Magst du mal kurz was von dir erzählen?«
Harald ist überrascht und erfreut zugleich! Seine Augen funkeln und anscheinend fragt ihn selten jemand nach seiner Backstory. Wieder etwas, was ihn auf eine Stufe mit Schmidt stellt.
»Du hast vollkommen recht, mein Kleiner. Habe ich total vergessen. Also. Dass ich der Harald bin, wisst ihr ja schon. Bin der Obergockel hier. Und wie ihr seht, stehe ich auch generell auf Hennen, hahaha! Schööön!«
Er kneift ein Auge zu, während er Jenny anschaut. Jenny lächelt. Jebb bekommt innerlichen Würgereiz.
»Früher war ich Bullen-Harald. Hab’ bei der Polizei gearbeitet, kein hoher Dienst, Radarfallen und so. Aber bin jetzt glücklicherweise im Ruhestand und nicht mehr aktiv. Allerdings: Bei anderen Themen schon, haha!«
Harald stupst Jenny über den Tresen an, die kiekst auf und zapft dann weiter.
»Als Dorfbulle ist man bekannt und beliebt, stimmt’s, Jenny? Hallo Günther!«
Harald dreht sich im letzten Drittel des Satzes in Richtung Zelteingang um und prostet einem Mann um die siebzig Jahre zu. Jebb überlegt, ob Günther und Harald eine Blaupause für das zu erwartende Publikum am Abend seien. Der Würgereiz nimmt immer überzeugendere Ausmaße an.
»Jedenfalls wohne ich schon seit meiner Kindheit hier und kenne die Region wie meine Westentasche. War mal während der Ausbildung in Magdeburg, bin dann aber wieder zurück. Dann habe ich meine Olle kennengelernt und so weiter und sofort. «
Jenny hat inzwischen, auf mimische Anweisungen Haralds, die zweite Runde Bier gezapft und auf den Tresen gestellt.
»So Jungs. Prost, die Zweite! Auf einem Bein kann man nicht stehen und so. Auf euch, auf meine kleine Jenny und auf ein musikalisches Schützenfest! Rein in’ Kopp! Schööön!«.
»Wollen wir nicht erst einmal aufbauen?«, möchte Marquess den Beginn des nächsten halben Liters unterbrechen. Zu spät. Es wird angesetzt, getrunken, gerülpst, gelacht. Harald hat Schaum am gezwirbelten Bart und quasselt mit dem Absetzen des Glases sofort weiter.
»Wisst ihr Jungs, wir hatten die letzten Jahre immer einen DJ. DJ Kunibert war das.«
Er spricht DJ wie Dieee-Jäääi aus. Jebb stellt sich vor, wie DJ Kunibert aussieht. Wie kann man sich überhaupt so nennen? Man muss ja nicht sofort DJ Jackopaf48993, oder wie sich die heutigen Plattenaufleger nennen, heißen. Es würde ja ein DJ Nick oder zumindest ein DJ Markus reichen. Aber DJ Kunibert? Jebb nimmt sich vor, demnächst einen Song über schlechte DJ-Namen zu schreiben. »Erlebnisstraße deutscher DJ-Kacknamen.«
»Dieses Jahr ist unser Jubiläumsjahr. Einhundert Jahre Schützengemeinschaft. Das ist quasi mein ganzes Leben, haha!«
Augenzwinkern in Richtung Jenny.
»Und da wollten wir uns mal eine waschechte Live-Kapelle leisten. Und da steht ihr! Freue mich einfach total auf euch. Wirklich schööön. Und suuuper!«
Bereits im »U« von »super« bewegt er den Bierkrug in Richtung Zwirbelbart, sodass das wortschließende »R« sein Dasein unter einer abgesetzten Schaumkrone fristen muss. Es blubbert herrlich und Marquess ist neidisch auf das gerollte »R«. »Suuuperrr.« Jebb, Johannes und Marquess nicken und trinken. Kaum zu glauben: Noch nie wurden sie in ihrer Biografie als Punkband so erwartend und bierlastig begrüßt. Und schon gar nicht mit dem Pseudonym »Live-Kapelle«. Bisherige Gespräche mit Veranstaltern eines Konzertes sahen anders aus:
»Ey, Mortal Death spielen noch bis kurz vor Mitternacht. Danach könnt ihr euren Scheiß verkabeln und spielt eure Nummern. Zwanzig Minuten später aber wieder runter, dann kommen Darkside Moon.«
Das Bier fängt an zu schmecken, findet Jebb. Fass ist doch anders als Dose. Während Harald mit seinen Erzählungen und Schwärmereien über das Schützenfest fortfährt, wird von Jenny die dritte Runde auf dem Tresen vor den Saufkumpanen bereitgestellt.
»Wir haben dieses Jahr wirklich wieder einen ganz tollen Schützenkönig! Der hat im Uniform-Wettanziehen alle anderen geschlagen. Teufelskerl. Suuuper Typ. Ihr werdet die Leute lieben, die nachher die Tanzfläche unsicher machen! Ganz tolle Menschen. Ganz toll. Und ich sage mal so:« Harald rückt seinen Kopf näher an die drei Bandmitglieder, zwirbelt sich den Bart und spricht, als würde er eine Top-Secret-Information verraten: »Hier gibt es durchaus machbare Dorfschönheiten! Machbar! Wisst ihr ja! Weil in Sachsen die schööönen Frauen auf den Bäumen wachsen! Hahaha, Suuuperrr.«
Schluck.
Dass er sich gerade gar nicht in Sachsen, sondern in Sachsen-Anhalt befindet, scheint Harald nicht zu stören. Nach einer halben Stunde des Monologs und kurz vor der Bestellung der vierten Runde grätscht Marquess dann doch entschiedener dazwischen.
»Danke für das Bier, Harald, wir bauen dann erstmal mal auf! Adios!«
Die Drei hatten vor Fahrtantritt die Instrumente und die mittelgroßen Schimmelboxen aus dem Proberaum in den Omega geladen. Jebb hatte beim Einladen der Technik in den Opel mehrfach kundgetan, dass er garantiert Krebs oder Karzidom bekommen würde, da er ja die achtzig Kilometer lange Fahrt direkt neben dem Schimmelzeug sitzen würde. Das gestotterte »Gig ist Gig und Geld ist Geld.« von Johannes war dann allerdings ausreichend, um Jebbs stetig präsenten Krebs-Gedanken in den Hintergrund zu rücken. In einem Harald-Band-Telefonat vor ein paar Tage hatte Harald noch angemerkt, dass doch bitte auch Musik für die Pausen eingepackt werden solle. Es musste also ein Abspielgerät für Konservenmucke her: Johannes’ iPod wollte sich noch wehren, als er mit den besten Schlagern Mitteldeutschlands bespielt werden sollte, mehrfach konnte keine Verbindung zum Laptop aufgebaut werden. Irgendwann dann gab sich das kalifornische Gerät aber geschlagen und ließ sich unter den kritischen Blicken der Band mit der Pausenmusik beladen.
Die Verschalung mit Holzlatten als Bühnenbegrenzung wird zur Seite geräumt, damit »die Kapelle aufbauen kann« (Harald). Die ACDC-Menschen gehorchen Haralds Anweisungen und schrauben die Latten ab.
»Das sind Holzlatten von ›Holz Winkler‹, Leute«, ruft Harald in den Raum, als wäre das eine absolut bemerkenswerte Tatsache. Als seine Vasallen die Winkler-Latten abgeschraubt und fein säuberlich auf der Tanzfläche positioniert haben, startet der nach Jebbs Auffassung beschissenste Teil des Musikers: Equipment schleppen und aufbauen.
»Dit Schönste am Mucken is dit Hucken!«, hatte Schmidt einmal überraschend treffend gesagt, als die Band nach einem Contest im verkaterten Zustand wieder die Instrumente in den Proberaum trug. Johannes, der momentan hofft, dass noch eine richtige und vor allem erhöhte Bühne geliefert werden würde, versucht, seine Kollegen beim Aufbauen zu bremsen. Er stellt die Einzelteile seines Schlagzeuges in einiger Entfernung zur Bühne auf die Tanzfläche neben das gestapelte Winkler-Holz. Sehr zur Verwunderung seiner Kollegen:
»Hä? Warum stellst du deine Scheißbude auf die Tanzfläche, Johannes? Das hier ist die Bühne.«
»Schießbude heißt das. Und w-w-wartet doch mal. Da kommt bestimmt noch eine Bühnenerhöhung hin, wo ihr steht. Ein Riser oder ein Podest.«
»Ey, hier kommt gar nichts mehr hin, du Idiot! Was soll denn hier noch hinkommen?«
»Johannes, Amigo! Glaube ich auch nicht. Das ist ja jetzt nicht unbedingt ein Theater oder eine echte Konzertlocation. Ich baue meinen Basskram jedenfalls hier auf der Bühne auf.«
»Ich auch.«
Und tatsächlich: Es kommt kein Podest oder Riser mehr zum Vorschein und Johannes ist enttäuscht. Jebb und Marquess hätten gut reden: Sie würden während des Konzertes ja auch nicht sitzen. Jeder würde sie beim Performen sehen und bewundern können. Aber er selbst sitzt. Und das auch noch hinter den Kollegen. Die erste Reihe kann vielleicht noch erahnen, dass da ein menschliches Wesen die Trommeln rührt. Ab Reihe zwei war aber völlig egal, ob die Drums von ihm oder einem gepunkteten Kamel gespielt würden. Das gepunktete Kamel wäre wahrscheinlich sogar imposanter. Johannes hatte schon einige Male nachgedacht, sich das Schlagzeugspielen im Stehen anzueignen. So wie Bela B von Die Ärzte zum Beispiel. Der hätte es richtig gemacht: Frühzeitig erkannt, dass sein Name nur dann mit der Band in Verbindung gebracht werden würde, wenn er sichtbar war. Menschen gehören nun einmal einer Spezies an, die sich über das Sehen definiert, findet Johannes. Und darum kennt jeder Bela B. Im Vergleich dazu: Wer kennt denn den Drummer der Toten Hosen? Der sitzt nämlich. Johannes’ Versuche, selbst in die Fußstapfen von Bela B zu treten, erstickten sich jedoch im Keim: Wie komisch würde es wirken, wenn eine Punkband, die genau wie Die Ärzte drei Mitglieder hat und genau wie Die Ärzte ein »Die« im Namen trägt, auch noch einen Drummer hätte, der genau wie bei Die Ärzte im Stehen spielen würde? Eine billige Kopie wollte Johannes nicht sein, weswegen