Wasserratz - Hermann Lennert - E-Book

Wasserratz E-Book

Hermann Lennert

0,0

Beschreibung

Packende Spannung im Fränkischen Seenland! Kriminelle Machenschaften, verborgen hinter der Fassade italienischer Nobelrestaurants. Tom Hoffmann, der Hauptkommissar der OK-Dienstelle Nürnberg, muss mit seinem Team ein kriminelles Netzwerk der neapolitanischen Camorra in Mittelfranken aufdecken. Kann eine Vertrauensperson aus Italien Licht ins Dunkel bringen? Was zunächst erfolgversprechend aussieht, droht zur Katastrophe zu werden. Eine Leiche im Brombachsee verpflichtet zur Zusammenarbeit mit der "Soko Hafen" der Ansbacher Kripo. Fast zeitgleich verschwindet ein Geschäftsmann. Wie hängt das alles zusammen? Wo liegt die Lösung? Wo ist die heiße Spur, die zum Täter führt? ...und was hat es eigentlich mit dem "Wasserratz" auf sich? Begleiten Sie Hauptkommissar Tom Hoffmann bei seiner Dienstreise nach Rom und seinen Ermittlungen quer durch Mittelfranken, von Nürnberg über Gunzenhausen, Ansbach, Abenberg und Dinkelsbühl bis ins Fränkische Seenland! Den Leser erwartet ein spannender und zugleich amüsanter Krimi mit reichlich fränkischem Lokalkolorit und einer feinen Prise italienischem Dolce Vita!

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 237

Veröffentlichungsjahr: 2021

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Hermann Lennert • Wasserratz

Ein fränkischer Kriminalroman

Der Autor

Hermann Lennert

war über 40 Jahre Kriminalist in München, Nürnberg und Ansbach.

Er blickt zurück, auf unzählige kriminalistische Herausforderungen und spektakuläre Einsätze, bei denen er als Einsatzleiter Verantwortung trug. Dabei erlebte er sowohl skrupellose, eiskalte Täter als auch herzzerreißende Schicksale von Opfern und deren Angehörigen. Nichts Menschliches ist ihm fremd.

Dieser Beruf, der ihm Berufung war, ein nach wie vor ungetrübtes positives Menschenbild und die Liebe zu seiner fränkischen Heimat sind Grundlage für seine fränkischen Regionalkrimis.

Dem „Nachtgiger“, seinem Erstlingswerk im Jahr 2020, folgt nun der „Wasserratz“.

Wasserratz

Ein fränkischerKriminalroman

Hermann Lennert

© 2021 by Hermann Lennertund Wifa Verlag GmbH AnsbachTitelbild: Sandra MackGestaltung: Werner FinstererLektorat: Richard IlligDruck: Wifa-Druck Lauermann Inh. Bernd KuznikISBN 978-3-755756-38-5

Inhalt

Prolog

... mafiös ...

... mysteriös ...

... strapaziös ...

... nebulös ...

... desaströs ...

... monströs ...

... bravourös ...

Glossar

Prolog

Die Wasserratte oder, wie der Franke sagt, „der Wasserratz“ kommt an Seeufern, Bächen und Karpfenweihern vor. Von den Teichwirten wird der reine Pflanzenfresser, der keinen Schaden anrichtet, gerne geduldet.

Andererseits hingegen gilt der wesentlich größere Bisam als Schädling. Der im Fränkischen fälschlich als „Bisamratz“ bezeichnete Nager ist keine Ratte, sondern der größte lebende Vertreter der Wühlmäuse. Der ursprünglich in Nordamerika beheimatete Bisam hat sich in Europa als Neozoon etabliert. Wegen seiner langen, glänzenden Deckhaare war der Pelz der Tiere lange Zeit sehr gefragt. Für Teichwirte stellt der Bisam ein Problem dar, da er mit seinen Gängen und Bauten die Dämme und Befestigungsanlagen unterminiert.

Zudem frisst er in vegetationsarmen Monaten auch Muscheln, Frösche und Fische. Als die Populationen vor etlichen Jahren überhand nahmen, wurden in Bayern sogar behördliche Bisambekämpfer eingesetzt.

Die Bezeichnung „Wasserratz“ ist aber durchaus doppeldeutig. Kinder, die gerne und lange im Wasser baden und planschen, werden im Fränkischen liebevoll als „Wasserratz“ bezeichnet. Immer wieder ist deshalb an fränkischen Badeufern der Satz zu hören: „Etz kumm raus, du klaner Wasserratz, du hast ja scho ganz blaue Lippen!“

... mafiös ...

Bleiern hatte sich die Hitze des Sommers über den Tag gelegt. Verzweifelt suchten die Menschen Schatten und Abkühlung.

Der Schweiß floss ihm in Strömen über die Stirn, um in den Augen einen brennenden Schmerz zu verursachen. Dies zu verhindern war ihm nicht möglich. Beide Hände, ebenso wie seine Beine, waren mit Kabelbindern und Klebeband an den Stuhl gefesselt, auf dem er saß. Sein weißes Leinenhemd und der elegante italienische Maßanzug klebten am Körper. Sein gebräuntes Gesicht mit den korrekt geschnittenen dunklen Haaren hatte sich in eine klägliche Fratze verwandelt. Aus stolzer Arroganz wurde nach so vielen Stunden immer mehr eine Mischung aus ohnmächtiger Wut und Verzweiflung. Vergeblich versuchte der Mann, sich zu orientieren. Nur schemenhaft konnte er den weiß gekachelten Raum, ähnlich einer Waschhalle, erkennen. Nichts, was ihm einen Anhaltspunkt geben konnte oder auch nur irgendwie bekannt vorkam. Keine Ahnung, wie er hierhergekommen war und wie lange er schon gefesselt auf diesem Stuhl saß.

Sein Gegenüber betrachtete ihn mit halb geöffneten Augen und blickte lethargisch auf ihn herab. Langsam, wie in Zeitlupe, erhob sich der große, hagere Mann. Ihm schien die erbarmungslose Hitze nichts anzuhaben. Lediglich seine Brille war leicht beschlagen.

Stumm baute er sich vor seinem Opfer auf. Nahm den Zeigefinger des Gefesselten, legte eine Nylonschnur darum, zog ihn lang und band ihn an die Armlehne des Stuhls.

Gelassen drehte er sich zu einem Sideboard um, nahm von dort einen schweren Hammer, ging einen Schritt auf sein Opfer zu und schlug unvermittelt mit aller Wucht auf den fixierten Finger. Ein markerschütternder Schrei zerriss die Stille und hallte im Raum wieder. Blut floss über die Lehne und tropfte auf den Boden.

*

Fröhlich plaudernd schlenderten Biggi und Tom über den Stadtplatz von Gunzenhausen zum Eingang des italienischen Restaurants. Beide hatten sich anlässlich ihres Hochzeitstages schick gemacht: Sie trug ein apricotfarbenes Sommerkleid mit Spaghettiträgern, er eine beige Leinenhose, ein weißes Leinenhemd, das er sich im letzten Urlaub am Gardasee auf dem Markt von Malcesine gekauft hatte, und ein leichtes blaues Sakko mit Einstecktüchlein.

„Buona sera, Signora; salve, Dottore!”, begrüßte sie der Kellner am Eingang jovial und geleitete sie durch das klimatisierte Restaurant an ihren reservierten Tisch.

„Grazie mille!“, bedankte sich Biggi dafür, dass ihr der Kellner galant den Stuhl zurechtgerückt hatte.

„Heißt des etz eigentlich ‚Grazie mille’ oder ‚Mille grazie’? Nie weiß ich, was da wirklich richtig ist.“

„Keine Ahnung – ich glaub man kann beides sagen. Oder sagst halt bloß ‚Grazie’, dann passts auf jeden Fall!“, erklärte Tom.

„Hey, du bist so a Gscheiterla!“, kommentierte Biggi Toms pragmatische Antwort.

Während Biggi ihre Handtasche über die Stuhllehne hängte, wanderten Toms Blicke bereits einmal quer durch das feine italienische Restaurant. Tische und Stühle aus Mahagoniholz, weiß geschlämmte Wände und eine raffinierte Beleuchtung verliehen dem Gastraum eine gehobene Eleganz. Einige großformatige, originale Aquarelle mit Motiven der Amalfiküste ließen Rückschlüsse auf die Herkunft der Betreiber zu.

Mit einem Prosecco als Aperitif stießen sie auf ihren Hochzeitstag an: „Zum Wohle, Frau Hoffmann und Danke für fünfzehn glückliche Jahre, mein Schatz!“, erhob Tom sein Glas. „Lass das mit den Fünfzehn mal lieber weg, da komm ich mir so alt vor. Es genügt, wenn wir einfach nur auf unseren Hochzeitstag anstoßen. Aber, ich danke dir für alles und natürlich auch für die wunderschöne Halskette, die du mir geschenkt hast“, antwortete Biggi, während sie Tom zuprostete.

Mit einer schwungvollen Handbewegung überreichte ihnen der Kellner die Speisekarte, aus der sie sich ein mehrgängiges italienisches Menü vom Feinsten auswählten: Insalata caprese, Pasta, Fisch und Meeresfrüchte mit gegrilltem Gemüse und als Dessert ein köstliches Tiramisu.

In vertrauter Zweisamkeit genossen sie das mediterrane Ambiente, plauderten über ihre Söhne und den Garten und beschlossen, erst im September, zum Ende der großen Ferien, eine Urlaubsreise zu unternehmen. „So schee, wies bei uns jetzt im Sommer immer ist, gibts echt keinen Grund wegzufahren. Mit den Seen vor der Haustür hommer doch wirklich alles, was mer brauchen!“, meinte Tom und unterstrich damit den Urlaubsbeschluss. „Hast du eigentlich für morgen schon was geplant?“ „Nö, nix – gar nix! Ich mach mir an faulen Lenz aufm Liegestuhl am Gartenteich und beweg mich maximal bis zur Gartendusche!“, sagte Biggi und grinste. „Okay, dann mach ich mit den Jungs eine Mountainbike-Tour im Mönchswald und einen Abstecher zum Baden an den Altmühlsee. Dann musst am Sonntag auch mal net kochen. Wir kehren irgendwo ein und kaufen uns a Kleinigkeit.“

Und schon brachten zwei Kellner den ersten Gang ihres bestellten Menüs. Genüsslich machten sie sich über die feinen Speisen her. Ihre Unterhaltung hatte sich jetzt auf einige sporadische Bemerkungen zur Zubereitung und zum Geschmack ihres Essens reduziert. Als sie auch mit ihrem Dessert fertig waren, trat nicht wie zuvor einer der beiden Kellner an ihren Tisch. Ein etwa 40-jähriger, schlanker, elegant mit dunkler Hose und Polohemd bekleideter Mann fragte in einer äußerst sympathischen Art nach ihrem Wohlbefinden. „Signora, waren Sie zufrieden? Haben wir Ihren Geschmack getroffen?

„Ja, wunderbar! Es hat hervorragend geschmeckt – wirklich sehr lecker!“

„Es ist mir immer eine Freude und Ehre zugleich, wenn ich so außergewöhnlich hübsche Frauen glücklich machen kann“, ergänzte er mit einem schmeichelnden Lächeln. „Darf ich Ihnen ein Kompliment machen: Ihre dunklen Haare, so wie sie über Ihre gebräunten Schultern fallen, sehen zu Ihrem Kleid ganz bezaubernd aus – bellissima!“

Tom, dem die Schmeicheleien jetzt langsam zu viel wurden, unterbrach den Redefluss mit einem kurz angebundenen: „Wäre es vielleicht möglich, dass wir noch zwei Espressi bekommen könnten?“ „Aber certo, Signore – lasse ich Ihnen sofort bringen. Sie sind zu beneiden, junger Mann! So eine wunderschöne Frau!“

„Ja, ich weiß! Und dann dürfen Sie uns auch die Rechnung gleich fertigmachen.“

„Il conto, Dottore – selbstverständlich gerne!“

Als sich der Charmeur umgedreht hatte, grinste Biggi ihren Tom freudestrahlend an: „Ich hätt mir vor fünfzehn Jahren doch einen Italiener aussuchen sollen! Die hams halt einfach drauf!“

„Ja klar! Dann könntest etz Spaghetti kochen und zuschauen, wie dein Mann mit den Damen im Restaurant flirtet“, stänkerte Tom zurück.

Über den Espresso waren die kleinen Sticheleien schnell wieder vergessen. Händchenhaltend verließen sie, nach der Begleichung einer durchaus üppigen Rechnung, das Restaurant.

„Oh Mann, is des no warm! Des kühlt selbst am Abend gar nimmer richtig ab. Was mach mer denn etz no, Bellissima?“

„Na etz, Dottore, fahrmer heim und machens uns no a bissle kuschlig.“

„Ich hab a bessere Idee! Etz gemmer noch baden! Was meinst?“

„Ja, gar keine schlechte Idee – aber dann müss mer nackig baden, weil ich natürlich nix dabei hab.“

„Si, certo, bellissima – nur so hab ich mir des vorgestellt! Ich fahr an kleinen Umweg über Absberg. Da unten am Igelsbachsee is es recht idyllisch und da simmer auch ganz alleine.“

So steuerte Tom seine Familienkutsche über Absberg den Griesbuck hinunter, vorbei an Charly’s Radlstadel an den Igelsbachsee, parkte auf dem Seitenstreifen direkt am See, nahm eine Decke und zwei Badetücher aus dem Kofferraum, die dort in weiser Voraussicht bereitlagen, und schlenderte mit Biggi einige hundert Meter den Uferweg entlang. Auf einer kleinen Wiese fanden sie einen romantischen Platz, der zwischen dem Schilf einen Zugang zum See bot. Aufgedreht kichernd zogen sich beide aus und rannten ins Wasser. Als sie schulterhoch im Wasser standen, umarmten sie sich und küssten sich leidenschaftlich. Dann ließen sie sich hineingleiten und schwammen langsam nebeneinander her auf den offenen See hinaus. Die Spiegelung des Mondes gab dem Wasser einen goldenen Glanz, der mit den Wellen der Schwimmbewegungen mystisch schimmerte.

„Lass uns bitte umkehren! Mir wirds a bissl frisch und außerdem so weit draußen auch a bissl unheimlich“, bat Biggi.

Als sie das Ufer wieder erreicht hatten und aus dem Wasser gestiegen waren, rubbelte Tom Biggi mit dem Badetuch trocken. Dabei küssten und umarmten sie sich immer wieder. Als Biggi begann, Tom am ganzen Körper zu streicheln, stellte sich bei diesem sofort eine entsprechende Reaktion ein. Beide ließen sich auf die ausgebreitete Decke fallen und küssten sich intensiv weiter.

Unvermittelt fragte Biggi: „Wer war etz eigentlich der elegante Italiener, der mir so schmeichelhafte Komplimente gemacht hat?“

„Hey, du knutscht grad mit mir und denkst an den Casanova! Des is etz aber net besonders schmeichelhaft für mich“, schmollte Tom.

„Des is einer der Neffen von Gennaro Donato, genannt Don Gennaro. Der gehört zur neapolitanischen Camorra und steht über einem Netzwerk von italienischen Lebensmittelgroßhändlern und Restaurants, die seine Neffen und sonstigen Verwandten betreiben. Wir versuchen seit einem viertel Jahr, die Strukturen dieses Netzwerkes aufzuarbeiten und herauszubekommen, welche illegalen Geschäfte hinter den legalen Strukturen abgehen.

Bei der großen Präsentation am Montag muss ich unsere Ergebnisse der Staatsanwaltschaft und der Polizeiführung vorstellen. Danach wird entschieden, ob die Erkenntnisse für einen Anfangsverdacht ausreichen und wir weitermachen können, um dieser Parallelgesellschaft endlich mal ihre Grenzen aufzuzeigen!“, erklärte der Hauptkommissar, jetzt ganz in seinem Element.

Biggi indes hatte es fast die Sprache verschlagen: „Hey, du willst mir jetzt nicht erzählen, dass du mich zum Essen an unserem Hochzeitstag in ein Mafialokal ausgeführt hast, um dort in aller Ruhe und inkognito deine Milieustudien zu betreiben?“

„Nee, natürlich net! Des is a ganz normales italienisches Ristorante. Die kriminellen Hintergründe bekommt der normale Gast überhaupt nicht mit, und das Essen, des musst zugeben, ist wirklich erstklassig!“

Doch Biggi hatte bereits auf Durchzug gestellt: „Ich glaubs nicht! Du missbrauchst unseren Hochzeitstag für deine elenden Polizeispitzeleien. Des is so schäbig!“

Kochend vor Wut und mit Tränen in den Augen schlüpfte sie in ihren Slip, zog sich den BH und ihr leichtes Sommerkleidchen an, nahm ihre Schuhe in die Hände und ging ohne ein weiteres Wort barfuß auf dem Uferweg in Richtung Auto.

„Biggi, bitte, etz wart halt!“ Schnell schlüpfte Tom in seine Klamotten und raffte Handtücher und Decke zusammen, um ihr zu folgen. Während er noch die Badesachen im Kofferraum verstaute, hatte Biggi sich bereits wortlos mit verschränkten Armen auf dem Beifahrersitz niedergelassen. Ohne einen weiteren Versuch zu unternehmen, irgendetwas zu erklären oder schönzureden, steuerte Tom den Wagen über Landstraßen durch kleine Dörfer in Richtung Wolframs-Eschenbach. Als sie in die Garageneinfahrt fuhren, konnten sie sehen, wie im Wohnzimmer das Licht und der Fernseher ausgingen. Ihre Söhne, die zu dieser späten Stunde längst schlafen sollten, hatten sich noch schnell verkrümelt.

Mit einem kurz angebundenen „Ich geh ins Bett. Gut Nacht!“ verschwand Biggi und ließ Tom alleine im Wohnzimmer zurück. Mit der Fernbedienung des Fernsehers in der Hand grummelte der leise vor sich hin: „Ich bin so ein Hirnheiner – ich könnt mich in den Arsch beißen!“

Am nächsten Morgen zeigte sich Biggi beim Frühstück Tom gegenüber immer noch ziemlich reserviert. Zu ihren Söhnen war sie hingegen recht gut gelaunt und erzählte von dem feinen Essen beim Italiener, und dass sie noch nackig baden gewesen seien.

Als Tom mit den Jungs die Mountainbikes vom Schuppen auf die Straße schob, rief Biggi ihnen hinterher: „Viel Spaß, Jungs!“

Tom, der hoffte, bei der Verabschiedung auch mit eingeschlossen zu sein, antwortete: „Ja danke, dir auch einen schönen Tag!“

Im Besprechungsraum herrschte schon geschäftiges Treiben. Obwohl auch dieser Tag wieder außergewöhnlich heiß zu werden drohte, trug Tom einen blauen Anzug mit einem hellblauen Hemd und Krawatte. Seine kurzen blonden Haare standen wie immer ein bisschen strubbelig in die Luft. Mit einem fröhlichen „Servus Tom, na, schönes Wochenende gehabt?“, begrüßte ihn sein Partner Günter Rager. „Mir ham scho mal die Bestuhlung so zurechtgerückt, dass mer alle in am großen Rechteck sitzen können. Der Beamer läuft und deine Powerpoint-Präsentation funktioniert auch.“

Mit augenzwinkerndem Blick zu zwei Schreibkräften, die beide, völlig unüblich, weiße Blusen trugen und so Bedienungen in einem Kaffeehaus ähnelten, ergänzte er: „Die Mädels und ich, wir stellen jetzt dann noch Kaffee, Wasser, süße Teilchen und Kekse hin. Dann müsst eigentlich alles passen und die hohen Herrschaften können kommen. Ach, dass ichs net vergess: Für die Teilchen und die Kekse krieg ich noch siebzehn Euronen von Dir.“

Eine Stunde später hatte sich der Besprechungsraum weitestgehend gefüllt: Aus der polizeilichen Führungsetage war der Vizepräsident mit einem Mitarbeiter, ein Kriminaldirektor aus dem Präsidium und Toms vorgesetzter Dezernatsleiter gekommen. Staatsanwalt Berger, dem Tom und sein Team regelmäßig zuarbeiteten, war in Begleitung seines Abteilungsleiters eingetroffen. Ihre Kooperationspartner der letzten Wochen und Monate, Matthias Wagner vom Bayerischen Landeskriminalamt, eine etwas pummelige, aber überaus lustige Beamtin der Steuerfahndung und ein ziemlich spaßbefreiter, älterer Zollfahnder hatten sich mit Günter vorab schon einen Kaffee genommen und fröhlich plaudernd zusammengestellt.

Als der Leiter des Dezernats zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität die Anwesenden bat, Platz zu nehmen, begann erst mal noch ein munteres Stühlerücken. Die Aufmerksamkeit konzentrierte sich zunächst ausschließlich darauf, ausreichend Kaffee, Wasser und Kekse vor sich zu positionieren. Der drahtige Dezernatsleiter in seinem hellgrauen Anzug, dem derartige Gepflogenheiten bekannt waren, wartete geduldig, bis sich jeder versorgt hatte. Dann begrüßte er die Gäste in eloquenter Professionalität und stellte das Team um Tom Hoffmann und dessen Kooperationspartner vor. Zur Präsentation der Ergebnisse der bisherigen Strukturermittlungen erteilte er Tom das Wort.

Ohne sich seine Nervosität anmerken zu lassen, begann Tom seinen Vortrag: Nach einigen allgemeinen Ausführungen zu den Mafiagesellschaften und deren Historie in Italien legte er schnell den Fokus auf die neapolitanische Camorra im Raum Neapel. Günter Rager hatte zeitgleich die Powerpoint-Präsentation geöffnet und eine Landkarte der Region um Neapel auf einen großen Bildschirm an der Wand hinter Tom eingeblendet. Ein roter Pfeil, der auf die südlich von Neapel gelegene Hafenstadt Salerno zeigte, unterstrich Toms Aussage, dass speziell der in Salerno ansässige Camorra-Clan der Ausgangspunkt ihrer Ermittlungen sei.

„Bevor wir in die Details einsteigen, möchte ich Ihnen einen Überblick geben: Vor rund 25 Jahren kam Gennaro Donato von Salerno nach Nürnberg. Damals lag der Clan in Salerno im Clinch mit einem konkurrierenden Clan, dessen Boss spurlos verschwand. Die Carabinieri konnten weder seine Leiche finden noch beweisen, dass er ermordet wurde. Man hat aber Spuren von Salzsäure in einer Kfz-Werkstatt gefunden, welche Donato damals in einem Industriegebiet in der Nähe des Hafens betrieb, und vermutet, dass er für den Mord und die Entsorgung der Leiche verantwortlich gewesen sein dürfte. Beweisen, wie gesagt, konnte man das jedoch nie. Auffällig war, dass Donato genau in dieser Zeit seinen Lebensmittelpunkt nach Nürnberg verlegt hat. Donato, den alle nur „Don Gennaro“ nennen, ist 54 Jahre alt, mit einer Deutschen verheiratet, wohnt in einer Jugendstilvilla in Erlenstegen und hat einen Sohn, der in Erlangen Jura studiert. Donato hat sich in wenigen Jahren ein Geschäftsimperium aufgebaut: Zwei Großhandelsgeschäfte für italienische Lebensmittel in Nürnberg, fünf herausragende italienische Restaurants in Nürnberg, Fürth, Ansbach, Dinkelsbühl und Gunzenhausen sowie mehrere Immobilien, vor allem einige Mietshäuser.

Wie er das alles finanziert hat, wurde damals von den Behörden nie hinterfragt. Man darf hier getrost vermuten, dass ihn der Clan aus Salerno mit einigen Finanzspritzen tatkräftig unterstützt hat. Erst als er vor einigen Jahren damit begann, seine Geschäfte für symbolische Beträge an Verwandte zu übertragen und selbst nur noch den Privatier zu spielen, wurden die Finanzbehörden aufmerksam.

Heute werden die Lebensmittelgroßmärkte von seinem Bruder und seiner Schwester beziehungsweise deren Ehemann betrieben. Die Restaurants führen seine Neffen. Die Immobilienverwaltung liegt in den Händen eines dubiosen Mannes aus Salerno, der mal kurzzeitig mit Donatos jüngerer Schwester verheiratet war. Dieser Ex-Schwager, Carmine Grillo, ist die auffälligste Figur in dem gesamten Netzwerk! Er ist viel unterwegs und koordiniert wohl Donatos Geschäfte. Und wenn ich Geschäfte sage, so meine ich auch illegale Geschäfte, die nach unserer Meinung hinter der Fassade der legalen Geschäfte abgewickelt werden. Lassen Sie mich dazu ins Detail gehen.“

Nun begann Tom, jeden einzelnen Protagonisten dieses Netzwerkes und seine Aktivitäten zu beleuchten, und Günter ergänzte die Erläuterungen mit einer optischen Darstellung. Klick für Klick entwickelte sich auf dem großen Bildschirm ein weitverzweigtes Chart mit Symbolen für Personen, Objekten, Geld- und Warenflüssen.

„Soweit die Darstellung aus unserer Sicht. Was die italienischen Ermittlungsbehörden dazu meinen, kann Ihnen unser Kollege, Kriminalhauptkommissar Matthias Wagner vom Bayerischen Landeskriminalamt sagen. Er ist das Bindeglied zwischen den bayerischen Ermittlern und der Direzione Investigativa Antimafia, kurz DIA in Rom. Matthias bitte!“

„Brauch mer an Dolmetscher?“, flachste Günter dazwischen, der um Wagners oberbayerischen Dialekt wusste, als dieser nach vorne trat.

„Wird nicht nötig sein, Kollege Rager. Ich werde mich bemühen, mich so zu artikulieren, dass ich auch verstanden werde“, konterte Wagner. „Guten Morgen, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ja, es ist in der Tat so, dass ich mit dem Team von Tom Hoffmann und der DIA in Rom schon seit einiger Zeit im Kontakt stehe und zu den Erkenntnissen, die die Kollegen hier gesammelt haben, auch schon ein Feedback aus Italien erhalten habe. Alle Personalien, die ich der DIA zur Überprüfung übermittelt habe, sind dem Camorra-Clan in Salerno zuzuordnen. Grundsätzlich arbeiten die Clans der Camorra weitestgehend eigenständig und sind nicht so eng miteinander verwoben und hierarchisch organisiert wie die Familien der Cosa Nostra auf Sizilien. Auf ihrem Gebiet kontrollieren sie aber nahezu alles. Das geht in Salerno vom Drogenhandel über den Blumenhandel am Hafen bis zu den Parkplätzen für Touristenbusse. Redens amoi mit einem Busfahrer, wenns die Gelegenheit haben. Die kennen in Italien die sicheren Parkplätze, welche sie schlicht als ‚Mafiaparkplätze’ bezeichnen. Dort zahlt man a bisserl mehr, erlebt aber auch keine bösen Überraschungen.

Nachdem der Clan seine fetten kriminellen Gewinne nicht ausschließlich im Raum Neapel unterbringen kann, braucht es Statthalter wie Don Gennaro Donato hier in Nürnberg. Solche Dependancen haben die Clans überall auf der Welt. Allein bei der Wiedervereinigung Deutschlands wurden ganze Straßenzüge in ostdeutschen Städten von der Mafia aufgekauft. Dort reiht sich heute ein Nobelitaliener an den anderen. Diese Leute waschen die Gelder, indem sie sie in legale Geschäfte investieren und daraus legale Gewinne erwirtschaften. Überhaupt ist man sehr bemüht, nicht aufzufallen. Die Zeiten, in denen die Herrschaften ihre Machtkämpfe mit Waffengewalt ausgetragen haben, sind längst vorbei.

Man arrangiert sich heute in Managermanier bei Meetings. Trotzdem wird ein Großteil der Gewinne noch immer aus kriminellen Geschäften gezogen. Konkrete Beweise, welche illegalen Geschäfte unter dem Deckmantel des Netzwerks von Donato abgewickelt werden, hat man bei der DIA aber leider auch nicht. Weil Carmine Grillo aber im Umfeld von Donato mitmischt, vermuten die Kollegen in Italien, dass Drogen vertickt werden. Grillo ist in Italien mehrfach einschlägig vorbestraft.

Außerdem mutmaßen die Kollegen Schutzgelderpressung. Wie mir Tom und sein Team mitgeteilt haben, kauft nahezu jedes italienische Ristorante, jede Osteria und jede Pizzeria in ganz Mittelfranken seine Lebensmittel und Weine ausschließlich in einem der beiden Großhandelsgeschäfte. Das System funktioniert laut Auskunft der italienischen Kollegen ganz einfach: Da zoihlst a bissl mera und scho hast dei Ruah! Will sagen: Es braucht keine vierkantigen, dubiosen Typen mehr, die vor Ort die Schutzgelder eintreiben. Schutzgelder werden mit der Begleichung der Lebensmittelrechnung überwiesen!“

„Wenn ich dazu was sagen darf?“, meldete sich die Steuerfahnderin zu Wort, deren Aufregung, nachdem sich alle Augen auf sie gerichtet hatten, an ihren roten Backen erkennbar war. „Bei mehreren Betriebsprüfungen ist unseren Prüfern genau das aufgefallen. Die Lokalbesitzer bezahlen zum Teil horrende Preise für Lebensmittel und Weine. Und wenn man sie darauf anspricht, dass die gleichen Waren woanders deutlich billiger zu haben wären, sagen sie nur: „Isse besonders gute Qualität aus der Heimat!“

Mit einem verlegenen Lächeln und einer entsprechenden Geste gab sie das Wort an Wagner zurück.

„Jo mei, im Grunde genommen war des die Sicht der Dinge aus Italien. Erwähnenswert wäre aber noch, dass uns die DIA eine Vertrauensperson anbietet. Nachdem sie die Strukturen um Donato durch unsere Berichte zur Kenntnis genommen hatten, haben sie mich wissen lassen, dass sie jemanden hätten, den wir unter Umständen einschleusen könnten. Wenn des gewünscht wird, müssten wir uns halt amoi mit dene zamhocken, um über die Realisierung zu sprechen.

Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und derf etz endlich wieder redn, wie mir der Schnobl gwachsen is!“, schloss er lächelnd seinen Vortrag.

Auf Toms Bitte um weitere Wortbeiträge herrschte zunächst betretenes Schweigen. Dann meldete sich der Zollfahnder mit einem kurzen Statement: Seine Behörde sähe überhaupt keine Möglichkeiten, aktiv zu werden. Es gäbe weder Kontrollmöglichkeiten der Warentransporte im Schengen-Bereich noch bei den Geschäften hier in Mittelfranken, da man davon ausgehen müsse, dass die Beschäftigten aus Italien kommen und EU-Freizügigkeit genießen würden.

„Dann darf ich mal unseren Erkenntnisstand zusammenfassen.“ Staatsanwalt Berger erhob sich schwungvoll von seinem Platz und trat nach vorne. Braun gebrannt und mit seinen exakt geschnittenen kurzen grauen Haaren machte er in seinem beigen Sommeranzug mit weißem Polohemd einen überaus agilen, weltmännischen Eindruck.

„Die Ermittler und ich, wir sind uns einig: Das, was wir bisher zu dieser Struktur zusammentragen konnten, sind lediglich Indizien. Wir vermuten Geldwäsche, Schutzgelderpressung und Drogenhandel! Alles Offizialdelikte, bei denen wir laut Gesetz zum Ermitteln verpflichtet sind. Aber – dazu müssten wir zumindest einen konkreten Anfangsverdacht und nicht nur Vermutungen haben.“

Mit Blick zu seinem Abteilungsleiter ergänzte er: „Aktuell sehe ich noch keine Möglichkeit, strafprozessuelle Maßnahmen durchzuführen. Also Klartext: Wir brauchen noch Butter bei die Fische!“

Der Vizepräsident, der aufgrund der Temperaturen, die zwischenzeitlich im Besprechungsraum herrschten, seine Uniformjacke abgelegt hatte, ergriff das Wort. Auch im kurzen weißen Uniformhemd mit den goldenen Schulterklappen wirkte er immer noch souverän, fast staatstragend:

„Parallelgesellschaften sind in einem Rechtsstaat inakzeptabel! Auch wenn sie scheinbar unsichtbar sind und die Bevölkerung von deren Existenz überhaupt nichts mitbekommt.

Wenn Herr Staatsanwalt Berger und unsere Ermittler richtigliegen, wovon ich ausgehe, begehen diese Herrschaften diverse Straftaten. Also machen wir uns daran, dies zu beweisen! Ich bedanke mich für die Präsentation des Zwischenergebnisses. Ich danke allen Beteiligten für die bislang geleistete Arbeit und wünsche weiterhin viel Erfolg!“

Dann wandte er sich an Staatsanwalt Berger und seinen Abteilungsleiter und lud sie zu einem gemeinsamen Mittagessen ein.

Da Tom etwas verdutzt dreinschaute, als die Runde sich aufzulösen begann, klopfte ihm sein Dezernatsleiter auf die Schulter:

„Sauber gmacht, Tom – gut präsentiert! Du hast es ghört. ihr macht weiter. Is halt net so leicht, denen das Handwerk zu legen. Des sin Profis, des weißt du doch selber. Also: kein Grund zu resignieren. Setzt euch intern no amol zamm und schaut, welche Maßnahmen noch erfolgversprechend sind. Und des mit der V-Person aus Italien, des probieren wir auf jeden Fall!“ Mit einem aufmunternden Augenzwinkern drehte er sich um und schloss sich dem Vize und den Staatsanwälten an.

„Ja mi leckst am Orsch – is des hoaß bei eich! Gemma etz a poor Bratwürstl essen, oder wos hobts sonst no zu bieten in Nürnberg?“, fragte Wagner jetzt in seinem gewohnten Urbayerisch.

„Gute Idee, Hias! Los Tom, etz zieh endlich dei Krawattn aus und komm! Gemmer Richtung Hauptmarkt runter. Na kömmer ja a no a bissl beratschlagen, wies weitergehen soll“, schlug Günter vor.

So schlenderten die drei durch die Fußgängerzone zum Hauptmarkt, wo sie gerade noch einen Sitzplatz im Freien vor einem Bratwurstlokal ergatterten. Sichtlich froh darüber, die repräsentative Aufgabe erledigt zu haben, genossen sie ihre „Sechs mit Kraut“ im Zinnteller.

„Schnecken checken macht im Sommer voll Spaß – oder?“, grinste Günter.

„Wos moant er?“, fragte Wagner, der Günters Ausdrucksweise nicht verstanden hatte.

„No, dass er halt einfach gern die Madli mit die kurzen Röckli nochschaut, der alte Depp!“, erklärte Tom.

„Dir gib i glei an alten Depp!“, drohte Günter und schob sich die letzte Gabel Bratwurst mit Kraut in den Mund.

Auf dem Weg zurück zum Polizeipräsidium gönnten sie sich jeder noch ein paar Kugeln Eis in der Waffel. Am Ehekarusell beim Weißen Turm verabschiedete sich Matthias Wagner und versicherte, dass er nach den einhelligen Vorgaben von Staatsanwaltschaft und Polizeiführung Kontakt mit Rom aufnehmen und den Einsatz der avisierten Vertrauensperson in die Wege leiten werde. Hierzu erklärte er Tom, dass er sich auf eine Dienstreise nach Rom einstellen und dafür mit seinem Präsidium eine schriftliche Kostenübernahmeerklärung vorbereiten solle. Die genauen Modalitäten würden die Italiener sicherlich nur bei einer persönlichen Absprache vor Ort treffen wollen, mutmaßte Wagner aufgrund seiner Erfahrung bei ähnlichen Unternehmungen. Mit einem fröhlichen „Servus Buam!“ schwang er sich am Besucherparkplatz des Präsidiums in seinen Dienst-BMW und brauste davon.

Mit der überraschenden Aussicht auf eine Dienstreise nach Rom marschierten die beiden gut gelaunt in den abgesicherten Bereich der OK-Dienststelle. Tom beschloss, gleich noch seinen Dezernatsleiter zu informieren und zu fragen, mit wem er denn die bürokratischen Kostenübernahmeregelungen absprechen müsse. Dieser war keineswegs erstaunt darüber, dass der Einsatz einer italienischen Vertrauensperson in einem Ermittlungsverfahren in Bayern vor Ort abzusprechen ist. Wegen der Kostenübernahme bot er Tom die Unterstützung seines persönlichen „Sachbearbeiters Einsatz“ an, was dieser dankend annahm. Weniger erfreut war Tom allerdings über die klare Anweisung, dass nur er alleine und sie keinesfalls zu zweit diese Dienstreise unternehmen dürften – zumal der Dezernatsleiter sicher davon ausging, dass Wagner als Vertreter der bayerischen Zentralstelle und Vermittler von Haus aus an der Dienstreise teilnehmen werde.

Wohl wissend, wie Günter auf diese Anweisung reagieren würde, trottete Tom zurück in sein Büro.

„Buongiorno, mi chiamo Günter Rager, commissario capo – piacere!“

“Brauchst gar net Italienisch üben, wir dürfen net zu zweit. Ich flieg mit dem Matthias alleine!“

„Hat des der Dezl angeordnet? Hey, des is ja widder amol typisch. Wenn die Herren Direktoren in ganzen Delegationen durch die Weltgschicht zu irgendwelchen Pseudokongressen reisen, da spielen die Steuergelder keine Rolle. Aber wenn ein kleiner Ermittler mal a Zuckerla kriegn soll, dann wirds ihm verwehrt. Bimbam Hollerstauden – do könnt ich mich aufregen!“, beendete Günter seine Schimpftirade.

Damit war die Stimmung für den Rest des Tages am Tiefpunkt. Selbst das Angebot Toms, dass Günter an seiner Stelle nach Rom fahren könne, war für diesen keine Überlegung mehr wert. Die Entscheidung war zu seinen Ungunsten gefallen – „und damit basta!“, beendete er die aufkeimende Diskussion.

Am nächsten Morgen hatte er sich seine Welt schon wieder zurechtgerückt. Mit der Bemerkung, dass es in Rom sowieso unerträglich heiß sein werde, sei er nun regelrecht froh darüber, nicht mitfahren zu müssen. Amüsiert nahm Tom dies zur Kenntnis und ging zur Tagesordnung über.

Zusammen mit dem Mitarbeiter des Dezernatsleiters erarbeitete er zum einen eine Kostenübernahmeerklärung und zum anderen eine Einsatzkonzeption für den italienischen Vertrauensmann.

Am Nachmittag meldete sich Matthias Wagner mit der Nachricht, dass Tom und er bereits am kommenden Montag bei der DIA in Rom avisiert seien. Vorab habe er von dort schon erfahren, dass der V-Mann mit der jüngeren Schwester von Donato und deren Ex-Ehemann Carmine Grillo persönlich bekannt sei. Über die genauen Modalitäten wäre dann in Rom zu sprechen. Wagner sicherte zu, dass er sich um alles weitere, also Flugtickets, Hotel usw. kümmern werde und Tom lediglich am kommenden Sonntag bis spätestens 11 Uhr am Bayerischen Landeskriminalamt in München sein müsse. Geplant habe er die Anreise für Sonntag, damit man noch etwas Sightseeing machen könne. Am Montag würde man dann den V-Mann-Einsatz absprechen und fix machen und am Dienstag zurückfliegen.