Wege zu sich selbst - Marc Aurel - E-Book

Wege zu sich selbst E-Book

Marc Aurel

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Beschreibung

Von zeitlos klassischem Rang ist die Besinnung auf das richtige Handeln und das gute Leben, die der römische Kaiser Marc Aurel (121-180 n.Chr.) in seinen nahezu zweitausend Jahre alten Aufzeichnungen, den 'Selbstgesprächen', festgehalten hat. Sie dokumentieren die ständigen Selbstermahnungen des Herrschers, seine Bemühung, das Leben verantwortungsvoll und im Bewußtsein der conditio humana zu gestalten, und sein Mißtrauen gegenüber sich selbst, ob er den eigenen Grundsätzen auch genügt. Diese Grundsätze fußen auf der Überlieferung antiker Philosophie, zugleich sind sie voraussetzungslos zugänglich, weil sie die Grundfragen menschlicher Existenz erörtern. Sie sprechen eine Sprache der Suche, die ohne spekulative Ambition oder persönliche Ruhmsucht unternommen wird. Diese Suche wird seit Jahrhunderten als Zeugnis von Weisheit und als Wegweiser für ein gutes Leben geschätzt.

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Marc Aurel

Wege zusich selbst

MarcAurel

Wege zusich selbst

übersetzt von C. Cleß

© 2009 Nikol Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Hamburg

Alle Rechte, auch das der fotomechanischen Wiedergabe (einschließlich Fotokopie) oder der Speicherung auf elektronischen Systemen, vorbehalten. All rights reserved.

Covergestaltung: Thomas Jarzina, Holzkirchen ISBN: 978-3-86820-988-4

www.nikol-verlag.de

Erstes Buch

1. Von meinem Großvater Verus habe ich gelernt, leutselig und sanftmütig zu sein.

2.
Vom ruhmvollen Gedächtnisse meinesVaters erhielt ich den Antrieb zu einem anspruchslosen und zugleich männlichen Wesen.
3.
Meine Mutter flößte mir den Sinn für Gottesfurcht, Freigebigkeit und Enthaltsamkeit nicht nur von bösen Taten, sondern auch von derlei Gedanken, überdies Liebe zur Einfachheit in Nahrung und zu einer von der Üppigkeit der Reichen abweichenden Lebensweise ein.
4.
Meinem Urgroßvater habe ich es zu verdanken, daß ich in keine öffentliche Schule gehen mußte, vielmehr zu Hause den Unterricht guter Lehrer genießen durfte und daneben einsehen lernte, daß man in solchen Dingen keine Ausgaben sparen solle.

5. Mein Erzieher ermahnte mich, weder für die Grünen, noch für die Blauen im Cirkus und ebenso wenig für die Rundschilde, als für die Langschilde unter den Gladiotoren Partei zu nehmen, an Ausdauer in Anstrengungen, Zufriedenheit mit wenigem und Selbsttätigkeit mich zu gewöhnen, mich nicht in fremde Angelegenheiten zu mischen und gegen Verleumdungen mein Ohr zu verschließen.

6.
Diognetus warnte mich vor dem Trachten nach eiteln Dingen und dem Glauben an das Gerede der Gaukler und Schwarzkünstler von Beschwörungen, Geisterbann und anderem derart, vor der Wachtelpflege und ähnlichen Liebhabereien und lehrte mich, Freimütigkeit zu ertragen und mit der Philosophie mich zu befreunden. Auf seinen Rat hörte ich den Bacchius, hierauf den Tandasis und Marcianus, schrieb als Knabe Dialoge und verlangte für mich bloß ein Feldbett und eine Tierhaut zum Nachtlager und was sonst noch zur Lebensweise griechischer Philosophen gehört.
7.
Von Rusticus stammt bei mir die Überzeugung, ich müsse an meiner Besserung und Charakterbildung arbeiten, dagegen die Abwege leidenschaftlicher Sophisten vermeiden, dürfe auch nicht über leere Theorien schriftstellern, noch mit der Miene eines Sittenpredigers Reden vortragen, noch in augenfälliger Weise den Büßer oder Menschenfreund spielen. Desgleichen solle ich mich von rhetorischem und poetischem Wortgepränge und sonstiger Schönrednerei fern halten,auch zu Hause nicht im Staatskleide einherschreiten, noch anderes derart treiben.Von ihm lernte ich auch einfache, kunstlose Briefe schreiben, wie er selbst einen von Sinuessa aus an meine Mutter schrieb, meinen Widersachern und Beleidigern bereitwillig und versöhnlich entgegenkommen, sobald sie selbst geneigt wären, wiedereinzulenken, Schriften aufmerksam lesen, mich nie mit oberflächlicher Betrachtung zufrieden geben und Schwätzern nicht vorschnell beipflichten. Er hat mich auch mit Epiktets Abhandlungen bekannt gemacht, die er mir aus seiner Hausbibliothek mitteilte.
8.
Von Apollonius habe ich die freie Denkart, welche aber zugleich ohne Wanken bedachtsam ist und nicht im mindesten etwas anderes als die Vernunft sich zum Leitstern wählt, sowie den steten Gleichmut unter den heftigsten Schmerzen, beim Verlust eines Kindes, in langwierigen Krankheiten.An ihm, als an einem lebendigen Beispiele, nahm ich es augenfällig wahr, wie man zugleich in hohem Grade eifrig und doch nachsichtig sein könne. Deutlich erblickte ich in ihm einen Mann, der bei seinem Unterricht nicht leicht verdrießlich wurde und daneben seine Geschicklichkeit und Gewandtheit im Lehrvortrage für den geringsten seiner Vorzüge erachtete. Er zeigte mir endlich auch, wie man sogenannte Gefälligkeiten von Freunden hinzunehmen habe, ohne dafür knechtisch unterwürfig zu werden, noch auch sie unerkenntlich aus der Acht zu lassen.
9.
Von Sextus lernte ich wohlwollend sein, an seinem Beispiele, meinem Hause als Vater vorstehen; ihm verdanke ich den Vorsatz, der Natur gemäß zu leben, eine ungekünstelte Würde des Benehmens und die Sorgsamkeit im Erraten von Freundeswünschen, die Geduld gegen Unwissende und gegen Leute, welche gedankenlosem Wahne frönen, endlich die Kunst, mich in alle Menschen zu schicken. Daher lag im Umgang mit ihm selbst mehr entgegenkommende Freundlichkeit, als in aller Schmeichelei, und doch stand er zu gleicher Zeit bei denselben Menschen in größter Achtung. Er stattete mich mit der Fähigkeit aus, die zur Lebensweisheit erforderlichen Grundsätze auf eine überzeugende und regelrechte Art aufzufinden und zu ordnen, nie dem Zorne oder einer anderen Leidenschaft Ausbrüche zu gestatten, aber zugleich mit dieser völligen Leidenschaftslosigkeit die Regungen der zärtlichsten Liebe zu verbinden und mich eines guten Rufes, jedoch ohne viel Aufhebens, und eines reichen Wissens, aber ohne Prahlerei, zu befleißigen.
10.
Der Grammatiker Alexander gab mir Anleitung, mich des Tadels und verletzender Vorwürfe gegen Leute, welche einen fremdartigen und sprachwidrigen oder übelklingenden Ausdruck vorbrachten,zu enthalten und vielmehr durch die Wendung der Antwort oder der zustimmenden Bestätigung oder gemeinschaftlichen Untersuchung über die Sache selbst und nicht über den Ausdruck oder sonst durch eine derartige passende, beiläufige Erinnerung es ihnen nahe zu legen, wie sie sich hätten aussprechen sollen.
11.
Fronto verhalf mir zur Einsicht, daß Mißgunst, Schlauheit und Heuchelei die Folgen der Willkürherrschaft seien und daß im allgemeinen diejenigen, welche bei uns Edelgeborene heißen, eben doch weniger Menschenliebe besitzen, als andere.
12.
Alexander, der Platoniker, erteilte mir die Anweisung, nicht oft und nie ohne Not mündlich oder schriftlich jemand zu erklären, daß ich für ihn keine Zeit habe, und nicht auf solche Weise unter dem Vorwande dringender Geschäfte die Erfüllung der Pflichten beständig zurückzuweisen, welche die Verhältnisse zu unseren Mitmenschen uns auferlegen.
13.
Catulus ermahnte mich, etwaige Klagen eines Freundes, auch wenn er solche ohne Grund vorbringe, nie geringschätzig aufzunehmen, sondern es vielmehr zu versuchen, wie ich ihn wieder zum alten Wohlwollen gegen mich zurückführen könne; desgleichen, wie das auch von Demitius und Athenodotus gerühmt wird, von meinen Lehrern mit Wärme Gutes zu reden und meine Kinder wahrhaft zu lieben.
14.
Durch meinen Bruder Severus wurde ich ein Freund meiner Angehörigen, sowie auch der Wahrheit und des Rechtes. Durch ihn gewann ich die Bekanntschaft mit einem Thrasea, Helvidius, Cato, Dion und Brutus und die Vorstellung von einem Staate, der nach gleichen Gesetzen und nach dem Grundsatze der Bürger- und Rechtsgleichheit verwaltet, und von einem Reiche, wo die Freiheit der Beherrschten höher denn alles geachtet wird.Von ihm wurde ich ferner angeleitet, in standhafter Verehrung der Philosophie zu beharren, wohltätig und in ausgedehntem Maße freigebig zu sein, von meinen Freunden das beste zu hoffen und auf ihre Liebe zu vertrauen, auch etwaige Mißbilligung ohne Rückhalt gegen sie auszusprechen und ihnen offen herzig kund zu tun, was ich von ihnen und was nicht erwarte, ohne sie dies erst lange erraten zu lassen.
15.
Maximus überzeugte mich von der Pflicht der Menschen, sich selbst zu beherrschen, sich durch nichts vom rechten Wege abbringen zu lassen, unter allen Umständen und namentlich in Krankheiten gutes Mutes zu bleiben, einen aus Milde und Würde gemischten Charakter sich anzueignen und ohne Murren die vorliegenden Geschäfte zu besorgen. Von ihm selbst glaubte jedermann,er rede,wie er denke, und tue nichts von dem, was er tue, in schlimmer Absicht. Nie ließ er sich von Bewunderung oder Staunen hinreißen, nirgends zeigte er Übereilung oder Saumseligkeit, nie war er ratlos, niedergeschlagen, scheinbar freundlich und wiederum zornig oder argwöhnisch. Wohltätig, versöhnlich, ein Feind der Lüge, gewährte er mehr das Bild eines geraden Mannes, denn das eines Menschen, der an sich nachbessert. Nie glaubte jemand, von ihm verachtet zu sein, und wagte es ebensowenig, sich über ihn zu erheben. Endlich beobachtete er beim Scherze jederzeit den Anstand.
16.
Das Leben meines Vaters war für mich eine Schule der Milde und doch zugleich auch unerschütterlicher Beständigkeit in allem, wofür er sich einmal nach reiflicher Erwägung entschieden hatte. Er war unempfindlich gegen jede Eitelkeit auf anscheinende Ehrenbezeigungen, ein Freund der Tätigkeit und unverdrossen darin, hörte gern gemeinnützige Vorschläge anderer an, ließ sich durch nichts abhalten, jeden nach Verdienst zu behandeln, wußte recht wohl, wo man die Zügel anziehen und wo nachlassen müsse.Von der Knabenliebe entwöhnt, hatte er nur noch Sinn fürs Gemeinwohl; seinen Freunden erließ er den Zwang, immer mit ihm zu speisen oder auf seinen Reisen ihn stets zu begleiten; diejenigen aber, welche dringender Umstände wegen hatten zurückbleiben müssen, fanden ihn bei seiner Rückkehr gleichgestimmt. In seinen Erwägungen prüfte er zuerst gründlich, bestand aber dann auch auf ihrer Ausführung; auch trat er nie vor der Zeit von der Untersuchung zurück, noch begnügte er sich mit den ersten besten Einfällen. Seine Freunde suchte er sich zu erhalten und wurde ihrer weder überdrüssig noch war er unvernünftig für sie eingenommen. In jeder Lage zufrieden, war er stets heiter; auf die Zukunft nahm er von ferne schon Bedacht und machte ohne viel Aufhebens sich auf die geringsten Vorfälle gefaßt. Alles Zujauchzen und jede Schmeichelei wies er zurück. Auf die Staatsbedürfnisse war er jederzeit wachsam und haushälterisch beim Ausgeben öffentlicher Gelder und ließ den Tadel solcher Grundsätze willig über sich ergehen. Um die Gunst der Götter buhlte er ebensowenig auf abergläubische Weise, als um die Gunst der Menschen durch Künste der Gefallsucht oder durch Begünstigung des Pöbels; vielmehr war er in allem nüchtern und fest, nirgends unanständig, noch neuerungslustig.Die Güter, welche zur Erheiterung des Lebens etwas beitragen und die ihm das Glück in Fülle darbot, benutzte er ebenso fern von Übermut als von Ausflüchten und genoß daher das Vorhandene ebenso ungesucht, als er das Fehlende nicht vermißte. Niemand konnte von ihm sagen, er sei ein Sophist oder ein Schwätzer nach der Art und Weise der Haussklaven oder ein Schulpedant; vielmehr mußte jeder zugestehen, er sei ein Mann von reifem Verstand und großer Vollkommenheit, erhaben über Schmeichelei und gleich geschickt, eigene wie fremde Angelegenheiten zu besorgen. Zudem wußte er den Wert wahrer Freunde der Weisheit zu schätzen, ohne die anderen herabzusetzen oder sich von ihnen verleiten zu lassen. Dabei war er umgänglich und liebte den Scherz, jedoch ohne Übertreibung. So pflegte er auch seines Leibes mit Maßen, nicht wie ein Mensch von zu großer Lebenslust, um ihn herauszuputzen, aber ebensowenig vernachlässigte er denselben, weshalb er bei der ihm eigentümlichen Aufmerksamkeit der Heilkunst mit ihren inneren und äußeren Mitteln sehr selten bedurfte. Insbesondere aber ist an ihm das zu rühmen, daß er Männern, welche in etwas eine vorzügliche Stärke besaßen, wie in der Beredsamkeit, der aus Forschung stammenden Gesetzeskunde, der Sittenlehre oder in anderen Fächern, ohne Neid den Vorrang einräumte und ihnen sogar dazu behilflich war, daß jeder nach dem Maße seiner besonderen Geschicklichkeit Anerkennung finde. Obgleich er ferner alles gemäß den Einrichtungen der Vorfahren behandelte, so vermied er doch selbst den Schein der Anhänglichkeit an dieselben. Überdies hielt er sich fern von Wankelmut und Unbeständigkeit und verweilte gern an denselben Orten und bei denselben Geschäften, kehrte auch nach den heftigsten Anfällen von Kopfschmerzen mir verjüngter Jugendkraft alsobald wieder zu seinen gewohnten Arbeiten zurück. Nie hatte er viele Geheimnisse, im Gegenteil sehr wenige und sehr selten, und diese betrafen nur das Gemeinwohl. Bei Veranstaltung öffentlicher Spiele, Aufführung von Gebäuden, Austeilung von Spenden und anderem derart zeigte er sich verständig und gemäßigt und als ein Mann, der bei seinem Tun allein die Pflicht, nicht aber den durch Handlungen zu gewinnenden Ruhm im Auge hatte. Er badete nie zur Unzeit, war auch nicht baulustig und ebenso wenig auf Leckerbissen, auf Gewebe und Farbe seiner Kleider, als auf Schönheit seiner Sklaven bedacht. Meistens trug er eine Toga von der untern Villa zu Lorium und ein Unterkleid in Lanuvium und nicht ohne sich zu entschuldigen einen Oberrock in Tusculum; und so war sein ganzes Benehmen. Nichts Unfreundliches, noch auch Ungeziemendes, Ungestümes, noch etwas derart war an ihm zu entdecken, wovon man nach dem Sprichwort hätte sagen können: «Es war vom Übermaß«, sondern alles wohl und gleichsam bei guter Muße überlegt,unerschütterlich geordnet, fest und mit sich selbst übereinstimmend. Und so konnte man denn auf ihn anwenden, was von Sokrates gemeldet wird, daß er Dinge zu entbehren und zu genießen gewußt habe, bei deren Entbehrung sich viele schwach und bei deren Genuß sie sich unmäßig verhalten. Dort aber mutig zu ertragen, hier nüchtern zu bleiben, verrät einen Mann von vollendeter und unbesiegbarer Geistesstärke, und in diesem Lichte zeigte er sich während der Krankheit des Maximus.
17.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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