Weidekrieg - Mario Gonsierowski - E-Book

Weidekrieg E-Book

Mario Gonsierowski

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Beschreibung

Staubige Prärie, harte Arbeit und allgegenwärtige Gefahren. Entdecken Sie den Wilden Westen, wie Sie ihn noch nicht kannten.

Der Ex-Sklave und ehemalige Kavallerist Dread Moore, der im Bürgerkrieg gegen die Südstaaten und danach gegen die Indianer kämpfte, verdingt sich als Cowboy auf einer Ranch. Der traumatisierte Mann hofft nun, auf der Ranch seinen Frieden zu finden. Jedoch wird er wiederum mit Gewalt, Rassismus und menschlichen Abgründen konfrontiert, gerät in einen Weidekrieg. Doch Dread findet zu sich selbst und beginnt zu kämpfen. Großartige Menschen wie der Vormann der Ranch motivieren ihn. Und ein geheimnisvoller, Angst einflößender Fremder stärkt sein Selbstvertrauen. Durch ihn lernt er sogar die Liebe seines Lebens kennen und das an einem Ort, wo er es nie erwartet hätte.

Wird Dread den entflammten, brutalen Weidekrieg überleben? Wird er letztendlich zu sich selbst und damit zu sein Glück finden?

Erfahren Sie es jetzt und sichern Sie sich dieses nervenaufreibende Buch, welches eines der dunkelsten Kapitel der US-Amerikanischen Geschichte erzählt und lassen Sie sich von der historischen Genauigkeit und der umfassenden Recherche des Autors einfangen.

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Klappentext: Der deutsche UN-Soldat Rick Marten kämpft in dieser rasant geschriebenen Fortsetzung zu H.G. Wells »Krieg der Welten« an vorderster Front gegen die Marsianer, als diese rund 120 Jahre nach ihrer gescheiterten Invasion erneut nach der Erde greifen.

Deutsche Panzertechnik trifft marsianischen Zorn in diesem fulminanten Action-Spektakel!

 

Band 1 der Trilogie wurde im Jahr 2017 von André Skora aus mehr als 200 Titeln für die Midlist des Skoutz Awards im Bereich Science-Fiction ausgewählt und schließlich von den Lesern unter die letzten 3 Bücher auf die Shortlist gewählt.

 

»Die Miliz-Szenen lassen einen den Wüstensand zwischen den Zähnen und die Sonne auf der Stirn spüren, wobei der Waffengeruch nicht zu kurz kommt.«

André Skora über Band 1 der Weltenkrieg Saga.

 

 

 

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Jill & Moni

von

EK-2 Publishing

 

VORWORT

 

Als ich mich dazu entschlossen hatte, diesen Roman zu schreiben, vernebelte eine unrealistische Hollywood-Romantik die Geschichte, die ich erzählen wollte. Westernhelden, wie sie von John Wayne, Gary Cooper oder Clint Eastwood verkörpert wurden, siegten als aufrechte, Revolver schwingende Kämpfer über das Böse. Die Siedler waren immer die Guten und wurden von der glorreichen US-Armee vor den blutrünstigen Rothäuten beschützt. Solche oder ähnliche Storys prägten das Genre und hatten wenig mit der Realität zu tun.

 Bereits nach kurzem Literaturstudium fand mein erster Entwurf den Weg in den Papierkorb. Und je tiefer ich in die Thematik eindrang, umso mehr lichtete sich der Nebel, umso schärfer wurden die Konturen meiner Handlung.

 Ich wollte eine spannende Geschichte erzählen, in die prägende historische Ereignisse einfließen und die sich mit dem menschlichen Wesen beschäftigt: Was treibt den Menschen an, was animiert ihn und lässt ihn so werden, wie er ist?

 Das ist zweifellos kein neues Thema, aber für mich eines der interessantesten und spannendsten unserer bewegten Zeit!

 

BEGRIFFE

 

In diesem Roman werden Begriffe verwendet, die in nachstehend aufgeführter Übersicht erläutert werden:

 

Buffalo Soldiers

Den Namen bekamen die afroamerikanischen Soldaten von den Indianern, welche die gelockten Haare mit der Mähne von Büffeln verglichen.

Die Nordstaaten stellten afroamerikanische Einheiten zum Ende des amerikanischen Bürgerkrieges auf. Aber auch in den Indianerkriegen setzte die US-Armee sogenannte „schwarze“ Regimenter im Kampf gegen die Indianer ein.

 

Greenhorn

Im Englischen bedeutet das Wort „Grünschnabel“ und bezeichnet einen Anfänger oder Neuling mit entsprechendem ungeübtem, von Unwissen geprägtem Verhalten.

 

Hereford-Rinder

Dieses im 17. Jahrhundert im englischen Hertfordshire gezüchtete Rind wird auch aufgrund der Struktur des Fleisches (Marmorierung) als Fleischrind bezeichnet. Das anpassungsfähige und robuste Tier zählt heute zu den am meistverbreiteten Fleischrinderrassen in Nord- und Südamerika.

 

Korral

Gehege

 

Longhorn-Rinder

Diese Rinder wurden vermutlich Anfang des 19. Jahrhunderts zwischen spanischen und englischen Rindern gekreuzt und sind durch ihre imposanten Hörner bekannt, die eine Spannweite von bis zu zwei Metern betragen können. Aufgrund ihrer guten Anpassung an die Prärielandschaft eigneten sich die Texas Longhorns für die langen Viehtriebe, die den Norden mit Fleisch versorgten.

Mit der Einführung des Stacheldrahts und verbesserten Transportmöglichkeiten wurden später Rinder gezüchtet, die mehr Fleisch lieferten.

 

Mavericks

Das sind herrenlose Rinder. Sie haben kein Brandzeichen und können somit keinem Besitzer zugeordnet werden. Meistens handelt es sich um bisher nicht markierte Jungtiere.

 

Military Institute Virginia

Das Institut wurde 1839 gegründet und befindet sich in der Stadt Lexington im Bundesstaat Virginia. Es wird als erstes Militär-Institut der USA mit einer vierjährigen Ausbildungszeit ausgewiesen.

 

Outlaw

Gesetzloser

 

Peacemaker

Dieser 16 Single-Action-Revolver dreht die Trommel beim Spannen des Hahns weiter. Die Serienproduktion des „Colt Single Action Army“ begann im März 1873 zunächst für die Armee. Jedoch war die robuste, einfach zu bedienende Waffe auch bald auf dem zivilen Markt zu erwerben. Die Popularität der Waffe drückte sich auch in den makabren Spitznamen „Peacemaker“ (Friedensstifter) oder auch „Widowmaker“ (Witwenmacher) aus.

 

Perkussionsrevolver

Die Treibladung (Schwarzpulver) und Geschosse wurden bei dieser Handfeuerwaffe von vorn in die Kammer des Revolvers eingeführt. Das am hinteren Ende der Kammer aufgesetzte Zündhütchen zündete die Treibladung durch ein Zündloch. Perkussions-Waffen nennt man wegen dieser Ladepraxis Vorderlader.

 

Posse

Hierbei handelte es sich um einen meist vom zuständigen Sheriff zusammengestellten Suchtrupp von Freiwilligen bei der Verbrecherjagd.

 

Remington

Unternehmen, das 1816 von Eliphalet Remington gegründet wurde und Waffen herstellt.

 

Satteltramp

Umgangssprachlich versteht man im Western-Genre unter „Satteltramp“ einen Herumtreiber mit vorwiegend unlauteren Absichten.

 

Sezession

Abspaltung

 

Spencer-Karabiner

Dieses Mehrlader-Gewehr hatte ein eingelassenes, sieben Schuss fassendes Röhrenmagazin. Das Nachladen der nächsten Patrone erfolgte durch das Repetieren mittels Unterhebel. Die Waffe wurde 1860 von Christopher Spencer entwickelt. Sie wurde im amerikanischen Bürgerkrieg bei den Unions-Truppen eingesetzt. Aufgrund der hohen Feuerkraft dieser Waffe waren die US-Truppen damit den schlecht bewaffneten Südstaatlern weit überlegen.

 

Texas-Fieber

Diese durch Zecken übertragbare Krankheit verläuft bei Wiederkäuern zum Teil tödlich und führte im 19. Jahrhundert in den USA zu großen wirtschaftlichen Schäden.

 

West Point Academy

Die berühmte Militärakademie der USA „United States Military Academy“ in West Point, New York wurde 1802 gegründet.

 

Im Roman sind bestimmte Namen fett-kursiv hervorgehoben. Diese Personen haben tatsächlich gelebt, und ihre geschichtliche Rolle wird auch im Roman korrekt beschrieben. Im Kapitel „Historische Personen“ findet der Leser über diese Menschen ausführliche Informationen, insbesondere über die, welche im historischen Kontext zur Romanhandlung stehen.

 

PROLOG

 

Längst hatte die Pasqueflower ihre Kelche geöffnet. Diese Wildblume, deren Blüte mit winzigen Haaren bedeckt ist, begrüßte mit sanftem Lila den Frühling. Die Herrschaft von Eis und Schnee war besiegelt. In nur kurzer Zeit war die Natur erwacht und hatte die Landschaft in ein gigantisches Grasmeer verwandelt. Wahrlich, ein grüner Ozean, der sich in unendlich erscheinende Weite erstreckte und dessen Wogen sich vom eiszeitlich geschaffenen wellenartigen Urgrund erhoben. Geschmeidig beugten sich die Gräser der Kraft des stetigen Windes, der ungebremst durch die Great Plains bläst, im Winter häufig zu unerbittlich eisigen Blizzards anwächst und im Frühjahr als heißer Tornado wütet.

  An diesem Tag rauschte der Wind aber sanft über das Grasland, aus dessen Grün die Farbenpracht vieler Blumen leuchtete. In der bunten, urwüchsigen Pflanzenwelt wimmelte es von großen grünen und gelben Heuschrecken, die plötzlich ihre Flügel entfalteten, um dann mit riesigem kraftvollem Sprung durch die Luft zu schnellen.

  Im Glanz des rot gefärbten Horizontes verschmolzen die Farben dieser wilden, prachtvollen Graslandschaft zu einem märchenhaften Bild verzaubernder Harmonie.

  Inmitten dieser üppigen Schönheit wachte ein possierlicher kleiner Präriebewohner mit gelb-braunem Fell. Auf die Hinterbeine aufgerichtet stand er vor dem kegelförmigen Erdhügel am Eingang seines Baus. Hastig, mit ruckartigen Bewegungen seines Köpfchens, beobachtete er misstrauisch die Gegend. Nichts sollte dem drollig anzuschauenden Nager entgehen. Wache zu halten und immer wieder sein Äußeres zu pflegen, das schien seine Hauptbeschäftigung zu sein. Ein zweiter Artgenosse gesellte sich zu ihm und vollzog das gleiche Ritual, allerdings mit dem Blick in eine andere Richtung. Bei zwei so aufmerksamen Wächtern würde den Feinden aus der Luft und am Boden nur schwer eine Überraschung gelingen. Abrupt unterbrachen beide die Fellpflege. Starr verharrten sie, alle Sinne sensibilisiert, das Mäulchen leicht geöffnet, sodass die beiden großen Nagezähne zu sehen waren. Urplötzlich warnten sie mit einem schrillen, bellenden Laut die gesamte Kolonie. Dann verschwanden sie blitzartig in ihrem Bau.

  Auch wenn es dieses Mal keiner auf ihr Leben abgesehen hatte, so kündigten die Präriehunde zwei unerwünschte Reiter an, die ihre Pferde mit brutalem Zügelzug vom scharfen Galopp zum Stehen zwangen. Unschwer waren diese als Satteltramps zu erkennen, Gesindel, das sich im Indianerland vor dem Gesetz versteckte und die Gegend mit unlauteren Absichten durchstreifte.

  Jack trieb die Sporen in die Flanken seines erschöpft schnaufenden Pferdes, sodass es wiehernd nach vorn sprang. Und als ob er an der armen Kreatur seinen ganzen Frust auslassen wollte, riss er noch im Anreiten die Zügel wieder an und zwang sein Pferd mit hektischen Bewegungen, sich im Stand zu drehen.

  »Wo ist dieser gottverdammte Hurensohn geblieben? Wenn wir ihn nicht bald finden, ist er uns entwischt«, klagte Jack mit fast weinerlicher Stimme und tastete mit suchendem Blick die Gegend ab.

  Seit drei Tagen folgten sie einem fremden Reiter, der in dieselbe Richtung unterwegs war, in der auch ihr Ziel lag. Ein Dummkopf, der förmlich darum bettelte, überfallen zu werden. Da waren sie sich einig. Denn, wenn sie ihn nicht erledigten, dann würden es die Rothäute tun. Vielleicht lieferte er ihnen bessere Kleidung, passende Stiefel, Waffen, Wertsachen, aber auf jeden Fall ein gutes Pferd.

  Sie hatten ihn in größerem Abstand verfolgt, eine Gelegenheit abwartend, um dann erbarmungslos zuschlagen zu können. Doch jetzt war er wie vom Erdboden verschlungen. Die Verfolger hatten ihre Pferde im wilden Galopp vorangetrieben und dabei großräumig die Gegend erkundet, um vielleicht doch noch auf die erhoffte Spur zu stoßen. Doch so angestrengt sie auch suchten, der vermisste Reiter war nicht zu sehen. Besonders Jack, vom zwanghaften Jagdfieber ergriffen, litt unter diesem Misserfolg. Er wollte es nicht wahrhaben, dass ihnen der Reiter entwischt war. Nun saß er auf seinem dampfenden Pferd, dessen Schweißgeruch sich mit den übelriechenden Ausdünstungen seines Reiters vermischte.

  Das Rot am Horizont kündigte das Ende des Tages an. Es würde eine helle und zu dieser Jahreszeit noch sehr kühle Nacht werden. Der klare Himmel mit dem vollen Mond böte auch bei Nacht gute Sicht und wäre somit die ideale Gelegenheit für einen Überfall. Jack biss sich wütend auf die Lippen. Aber plötzlich hellte sich sein hageres Gesicht auf. Ein breites Grinsen entblößte seine gelben, langhalsigen Zähne, als er am Horizont Rauch aufsteigen sah.

  »Der verdammte Hund ist wieder zurückgeritten, will sich wohl im Wäldchen vor dem Wind schützen und seinen Arsch am Feuerchen wärmen«, witzelte er indessen wieder gut gelaunt, mit gekünstelter Kopfstimme. »Aber noch heute Nacht wird sein Arsch kalt sein!«

  »Lass es mich machen«, Jacks Begleiter klopfte vielsagend auf den am Sattel angebrachten Spencerkarabiner, »ich erledige ihn mit einem Schuss und aus größerer Entfernung. Das ist sicherer. Hast du gesehen, wie er mit dem Pferd umgeht und reitet? Das ist nicht ein Dummkopf, der leichtsinnig durchs Indianerland reitet. Ich habe ein furchtbar ungutes Gefühl.«

  »Blödsinn! Wenn du die Hosen voll hast, dann mache ich es allein. Ich habe ihn wiedergefunden, er gehört mir«, zischte Jack seinen Partner an. Und fast liebevoll streichelte er über den Griff seines großen Jagdmessers, dessen Futteral am Gürtel seiner vor Schmutz glänzenden Hose hing. »Man nennt mich nicht umsonst Knife-Jack. Und dem Hurensohn will ich es schon bald zeigen!« In seinem bärtigen hohlwangigen Gesicht war eine wilde Entschlossenheit zu sehen. In seinen Augen glänzte eine gefährliche Lust.

  »Gut, wie du meinst, Jack«, gab der Gefährte sofort nach. Jacks offenkundige Mordlust und sein Gesichtsausdruck rieten ihn zur Vorsicht. Vor allem der eigenartige Blick ließ ihn erschauern. Es waren die Augen eines Wahnsinnigen, dessen Handeln unberechenbar ist.

  Nur wenige Stunden später, die Nacht war sternenklar, erreichten die beiden Halunken das Nachtlager des Fremden. Die Aufgaben waren bereits verteilt. Beide sollten sich so nah wie möglich an ihr Opfer heranschleichen. Und während sein Partner für die Rückendeckung zu sorgen hatte, wollte Jack den Mann im Schlaf überraschen und ihn mit seinem Messer töten. Mehrfach hatte Jack dem Gefährten eingeschärft, dass er nur dann schießen sollte, wenn Jack in eine gefährliche Lage käme.

  In sicherer Entfernung hobbelten sie ihre Pferde an und schlichen sich an die Stelle, wo sie das Nachtlager vermuteten. Es war leicht zu finden, denn das Lagerfeuer leuchtete vom Rand einer kleinen Baumgruppe hervor. Schritt für Schritt arbeiteten sie sich voran, ständig bemüht, jedes auch noch so kleine Geräusch zu vermeiden. Und schließlich gelangten sie bis auf wenige Fuß an die Schlafstätte. Im Schein des Lagerfeuers sahen sie den Fremden in eine Decke gewickelt, den Kopf auf den Sattel gebettet und mit dem Hut abgedeckt. Unmittelbar neben ihm war sein Pferd angebunden, ein ausgesprochen schöner Hengst, wie beide sofort anerkennend registrierten. Mit Handzeichen wies Jack seinen Spießgesellen an, Stellung zu beziehen. Dieser ging sofort mit seinem geladenen Karabiner in den Anschlag. Jack schlich sich noch ein paar Fuß weiter. Er wollte seitlich auf sein Opfer losgehen, um so dem Gefährten eine freie Schussbahn zu bieten.

  Mit klopfendem Herzen und einer seltsam berauschenden Erregung bereitete Jack den Angriff vor. So ein Greenhorn, das in der Wildnis umherspaziert, als ob es sich in einem Park erholen wollte, dass ein für alle sichtbares Feuer entfachte, sodass auch die verwirrteste Rothaut wusste, wo es sein Nachtquartier aufschlug. Dieser Blödmann wird zwar seinen Skalp behalten, aber überleben, nein, überleben würde er diese Nacht nicht. Jack genoss das Gefühl seiner absoluten Überlegenheit. Langsam zog er sein Jagdmesser aus dem Futteral und maß die Entfernung zum friedlich schlafenden Fremden ab. Nur noch zehn, höchstens fünfzehn Fuß und dann würde er es zu Ende bringen. Geduckt, jede Faser seines Körpers angespannt, schlich er sich wie ein blutrünstiges Raubtier an sein Opfer heran, das Messer bereit zum todbringenden Stoß. Beim Anpirschen übersah Jack jedoch einen kleinen Ast. Es knackte. Laut. Viel zu laut. Der Hengst schnaubte und stampfte mit einem Vorderhuf. Erschrocken verharrte Jack. Würde der Fremde gleich hochschnellen und seinen Revolver ziehen? Aber für diesen Fall würde ihn sein Partner mit einem gezielten Schuss ausschalten. Jack beruhigte sich und wartete.

  Doch nichts geschah. Unfassbar! Dieser Trottel schlief den gerechten Schlaf eines Kindes. Hier, wenige Meter vor ihm, ruhte wohl der einfältigste Dummkopf des ganzen Westens.

  Jack hatte den Schlafenden fast erreicht, als es dumpf knackte, so, als ob ein ausgetrockneter dicker Ast durchbräche. Es kam aus der Richtung seines Gefährten. Wütend wendete Jack den Kopf. Das Bild, das sich ihm im Mondlicht darbot, ließ ihn vor Schreck erstarren.

  Jack sah nicht wie erwartet seinen Kameraden, dem vielleicht dasselbe Missgeschick passiert war wie kurz zuvor ihm selbst. Nein, an derselben Stelle stand jetzt ein fremder Mann. Im rechten Arm hielt er in einer Art Würgegriff Jacks Partner. Lässig löste er nun den Griff. Leblos sackte der Körper zusammen und blieb nach einer halben Drehung um sich selbst regungslos liegen. Der Kopf war so unnatürlich verdreht, dass Jack erschauernd die Ursache für das dumpfe Knacken erfasste: Der hat ihm das Genick gebrochen – knack – einfach so, als ob man einen dürren Ast zerbricht. Jacks Gedanken begannen wie wild zu rasen. Bis hoch zum Hals spürte er den wild pochenden Herzschlag. Kalter Schweiß rann ihm aus den Poren. Alle Muskeln verkrampften sich. Er hatte unsagbare Angst. Todesangst! Hastig verbarg er mit zitternder Hand sein Messer hinter dem Rücken. War es das jetzt? Innerlich bäumte sich alles in ihm auf. Nein! Er wollte nicht sterben. Unterwürfig hörte er seine Stimme, so als ob diese aus einem anderen Mund käme: »Sir, Sie denken bestimmt das Falsche. Wir kamen hier zufällig vorbei und wollten nur sehen, mit wem wir es zu tun haben.«

  »Dein Kumpan mit dem Gewehr im Anschlag und du mit dem Messer in der Hand«, antworte eine kräftige Stimme. Deutlich war dabei der zynische Unterton zu vernehmen.

  Jack log nun – im wahrsten Sinne des Wortes – um sein Leben: »Glauben Sie mir, Sir, wenn wir Sie hätten erledigen wollen, so hätten wir das doch gleichgetan. Nein, wir zogen unsere Waffen lediglich zu unserem eigenen Schutz. Man kann doch nie wissen. Es treibt sich zu viel übles Gesindel in dieser Gegend herum.«

  »Ah, das verstehe ich nur zu gut«, erwiderte der Fremde und kam noch näher an Jack heran. »Demnach seid ihr äußerst besorgte Menschen. Nachdem ihr mir drei Tage gefolgt seid und nicht klären konntet, ob ich ein guter oder böser Junge bin, wolltet ihr auf keinen Fall eure Reise fortsetzen. Und so musstet ihr einfach zufällig hier vorbeikommen, um mir die Frage zu stellen: Bist du gut oder böse? Ich dachte mir das schon. Und da ihr offenbar meine Spur verloren hattet, habe ich euch mit dem kleinen Feuer ein entsprechendes Signal gegeben. Nun verrate mir doch, mein edler Freund mit der redlichen und tugendhaften Gesinnung, woran wolltest du erkennen, ob ich ein guter oder böser Mensch bin? Von den Fellen unter meiner Schlafdecke hättest du es sicherlich nicht erfahren können.«

  Jack begriff, dass der Mann ihn durchschaute und jetzt mit Spott überschüttete. Er hatte sie demnach bereits am ersten Tag bemerkt und schließlich in diese Falle gelockt. Die Überlegenheit dieses Fremden drückte schwer auf Jacks Brust. Niedergeschlagen musterte er sein Gegenüber. Vor ihm stand ein großer, sehniger Mann. Sein Äußeres verriet den Trapper oder Büffeljäger. Hose und Jacke waren aus Wildleder. Der Halfter seines Revolvergurtes hing wie bei den gefürchteten Revolvermännern tief, sodass die Waffe darin schnell gezogen und abgefeuert werden konnte. Zusätzlich steckte im Gürtel vor dem Bauch ein weiterer Revolver. Wie Jack hatte auch der Fremde ein großes Jagdmesser, dessen Futteral an der linken Körperseite am Gürtel hing.

  Die helle Nacht und der Schein des Feuers, das etwas seitlich zwischen den beiden Männern loderte, ermöglichte trotz nächtlicher Stunde eine gute Sicht. Jack schätzte den Fremden auf etwa vierzig Jahre. Sein Blick fiel auf die blank geputzten Stiefel, wohl eine Marotte dieses gefährlichen Mannes.

  In seiner Verzweiflung verfiel Jack in die Taktik des Dauerredens. Mit allen Mitteln wollte er den Moment hinauszögern, in dem der Fremde handeln würde. Bald ist es aus mit mir, da war sich Jack nunmehr ganz sicher.

  »Sir, bitte glauben Sie mir«, Jack sprach diese Worte in tiefem Brustton und legte dabei mit unterwürfigem Blick die linke Handfläche auf seine Brust. »Wir hatten wirklich niemals vor, Ihnen ein Leid anzutun. Ja, wir ritten schon eine Weile hinter Ihnen her. Und nach drei Tagen glaubten wir, Sie wollten auch nach Kansas. Vielleicht hatten Sie sogar das gleiche Ziel? Deshalb entschlossen wir uns, zu Ihnen zu reiten, um Sie zu fragen, ob Sie sich uns anschließen wollen. Wir sind wirklich sehr vorsichtige Leute. Schließlich befinden wir uns hier in einer sehr unsicheren Gegend. Und zu dritt kann man sich doch viel besser zur Wehr setzen, wenn die Rothäute oder irgendwelches andere Gesindel uns angreift.«

  »Gesindel gibt es hier wahrlich genug. Jedoch hat dieses ausnahmslos eine weiße Hautfarbe«, antwortete der Fremde mit unüberhörbarer Verachtung. »Wohin wolltet ihr reiten?«

  In Jack keimte ein Fünkchen Hoffnung auf. Der Fremde schien auf das Gespräch einzugehen. Er schwor sich, wenn er hier mit heiler Haut herauskäme, würde er sich grundlegend ändern. Keine krummen Dinge mehr. Nein! Er würde es mit ehrlicher Arbeit versuchen und ein ganz anderer Mensch werden. Und so entschloss er sich wahrheitsgemäß zu berichten: »Wir wollten nach Wichita. Ein Rancher sucht gute Leute, die als Regulatoren für ihn arbeiten.«

  »Davon habe ich schon gehört. Sogenannte Rinderbarone halten sich eine Privatarmee, mit der sie ihre zweifelhaften Ziele verwirklichen wollen«, höhnte der Fremde. Lässig trat er mehrere Schritte auf Jack zu. Beide Männer trennten nun nur noch ungefähr zehn Fuß.

  Jack sah in ein hochmütiges Gesicht. Als er in die Augen des Fremden blickte, schien ihm das Blut in den Adern zu gefrieren. Was war das für ein erbarmungsloser, eiskalter Blick! Unterwürfig, mit kläglicher Stimme bemühte sich Jack, diesen furchtbaren Fremden doch noch zu besänftigen: »Der Rancher zahlt fünf Dollar Spesen am Tag. Und für jeden gehängten oder erschossenen Outlaw gibt es eine Zusatzprämie von fünfzehn Dollar. Das ist doch ein gutes Angebot. Und wer ein Outlaw ist, das steht auf der Liste, die uns der Boss überreicht.« Den letzten Satz beendete Jack mit einem gekünstelten Lachen und blickte dabei Beifall heischend sein Gegenüber an.

  »Wie heißt denn dein zukünftiger Boss?«, hörte Jack wie aus der Ferne den Fremden fragen.

  »Harrison Baker«, antwortete Jack hastig. »Mister Baker hat die größte Ranch in der Umgebung. Allerdings muss er seinen Besitz verteidigen und will ihn, so glaube ich, auch noch vergrößern.«

  »Und dazu benötigt er ein paar tüchtige Männer, so wie dich zum Beispiel«, unüberhörbar war der Spott des Fremden. »Wenn dieser Baker eine derartig schlagkräftige Streitmacht um sich versammelt, so will er sicherlich die ganze Region beherrschen. Offensichtlich reicht ihm der Baron-Titel nicht. Ja, jetzt habe ich es: Er will der große, übermächtige, einzigartige Rinderkönig von Wichita werden und jedes Rindvieh kontrollieren, ob vier- oder zweibeinig.«

  »Na ja, vielleicht hat er wirklich so etwas Ähnliches vor«, Jack wusste nicht, wie er mit den höhnischen Worten dieses Mannes umgehen sollte. »Ganz so leicht wird das nicht gehen. Es gibt noch einen großen Rancher, der schon lang vor Mr. Baker in der Gegend war und in der Stadt viel zu sagen hat. Und dann ist da noch dieser Marshal, ein gefährlicher Mann. Man sagt, er war ein Kriegsheld, allerdings auf der Seite der Rebellen, äh, Konföderierten«, verbesserte sich Jack rasch, denn der Dialekt seines Gegenübers ließ zweifellos auf dessen Herkunft aus dem Süden schließen.

  Beim letzten Satz war der Fremde einen weiteren Schritt auf Jack zugekommen. Sein spöttischer Gesichtsausdruck war verschwunden. Stattdessen musterte er Jack aufmerksam.

  Dieser Mann schien nicht nur sehr gefährlich, sondern auch ziemlich gebildet zu sein. So wie der redet, spricht doch kein Mensch, der in der Wildnis lebt, schoss es Jack durch den Kopf. Gleichzeitig verspürte er wieder Mut. Der Fremde schien sich für seine Geschichte zu interessieren. Außerdem kam er immer näher auf ihn zu. Es sah nicht so aus, als ob er ihn einfach so über den Haufen schießen wollte. Jack umfasste fest den Griff seines Messers.

  »Woher kennst du die vielen Details? Und kannst du mir vielleicht auch den Namen des Marshals nennen?«, fragte der Fremde nunmehr unverkennbar interessiert.

  Beflissen bemüht, das Wohlwollen des Fremden zu gewinnen, antwortete Jack: »Vor ungefähr zwei Wochen traf ich einen guten alten Freund. Er kam gerade aus Wichita. Er hatte dort Ärger mit dem Marshal und musste die Stadt verlassen. Nach der Beschreibung meines Freundes muss dieser Marshal ein wahrer Teufel sein – riesig und stark wie ein Bär, schnell wie eine Raubkatze. Und dabei ist er schon über fünfzig. Mein Freund hatte einen so großen Respekt vor diesem Mann, dass er sofort aus der Gegend verschwand. Nicht einmal das Angebot von Mr. Baker reizte ihn.«

  »Vor einem einzigen Mann hat dein Freund einen solchen Respekt, dass er sich nicht einmal in den Reihen von angeheuerten Raufbolden sicher fühlt«, ungläubig, aber immer noch ernsthaft, stellte der Fremde diese Frage.

  »Glauben Sie mir, Sir«, beteuerte Jack. »Dieser Stadt-Marshal ist ein ganz besonderer Brocken. Sein Name, ach, wie hieß er doch nur? Ach ja, jetzt fällt er mir wieder ein: Er heißt Ralph Hudson.«

  Als Jack den Namen des Marshals nannte, sah er deutlich die Verwirrung im Gesicht des Fremden. Nichts war mehr von seiner lässigen, spöttisch-überheblichen Art zu erkennen. Auch seine Wachsamkeit schien abrupt nachzulassen. Jack erkannte sofort seine Chance. Blitzartig gewann er seine Selbstsicherheit zurück. Triumphierend rasten seine Gedanken: Das Pferd des Fremden, die Stiefel und der Revolvergürtel mit Waffe, all das würde bald den Besitzer wechseln. Hoffentlich passten die Stiefel. Wie gut konnte er diese gebrauchen. Nur den uralten Revolver, den dieser Hurensohn im Gürtel stecken hat, den soll er ruhig mit ins Grab nehmen. Jacks Finger wechselten den Druck auf dem kalten Griff des Jagdmessers. Warum sich dieser Mann beim Namen des Marshals so merkwürdig benahm, interessierte Jack nicht. Er hatte seine Chance erkannt und diese musste er sofort nutzen.

  Mit wohlwollender Unschuldsmiene ging Jack auf den Fremden zu, der ganz in Gedanken zu verweilen schien.

  »Kommen Sie doch mit nach Wichita«, bot er scheinheilig an. Dabei berührte er leutselig mit der linken Hand den rechten Oberarm des Fremden und gleichzeitig schoss Jacks Rechte mit größtmöglicher Wucht nach vorn, die Messerspitze zielgerichtet auf die Brust seines Gegenübers geführt. Jacks Gesicht verwandelte sich dabei in eine hässliche Fratze. Mit weit aufgerissenen Augen und verzerrtem Mund, aus dem der Speichel spritzte, gab er einen kreischenden Triumph-Schrei von sich. Nimm das, du aufgeblasener Wichser, schoss es Jack dabei durch den Kopf. Verbunden damit war ein übernatürliches, berauschendes Gefühl der absoluten Macht.

 

Aufbruch

 

…im trüben Licht des erwachenden Tages stellte er sich erstmals in seinem Leben schonungslos seinem wahren Ich…

 

DIE KUH UND DIE FRAGE NACH DEM SINN DES LEBENS

»Würden Sie die Freundlichkeit besitzen, endlich Ihr stinkendes Bad zu verlassen«, mit gespitztem Mund und gekünstelt-vornehmer Stimme wählte Pete seine Worte. Dabei verbeugte er sich mit theatralischer Geste in Richtung Schlammloch. Lee und Eddi honorierten diesen Auftritt mit schallendem Gelächter. Etwas abseits beobachtete Dread kopfschüttelnd seine drei jungen Kameraden.

  Die Cowboys waren nach einem harten Arbeitstag auf dem Heimritt, als sie das erbärmliche Brüllen einer Kuh vernahmen. Schnell erreichten sie die Stelle und sahen das Dilemma. In einer alten Bisonsuhle, die im Laufe der Zeit zu einem kleinen Tümpel ausgespült worden war, stand eine scheckige Kuh tief im Schlamm versunken und mühte sich vergebens, aus dieser Falle herauszukommen. Völlig erschöpft zitterte die Kuh am ganzen Körper und starrte mit verdrehten Augen die Reiter an. Das Tier schien sich bereits über einen längeren Zeitraum in dieser prekären Lage zu befinden. Über und über mit Schlamm bedeckt bot sie wahrlich keinen guten Anblick, obwohl man ihr aufgrund des dicken Bauches und des nach unten gewachsenem linken Horns eine gewisse Originalität nicht absprechen konnte. Und in der Tat, trotz der Dramatik entbehrte die Situation nicht einer gewissen Komik. Inmitten des Tümpels stand die Kuh bis zum Bauch im Schlamm. Ringsherum am Rand des Schlammlochs zeugten hunderte Klauenspuren von verzweifelten Ausbruchsversuchen. Und am oberen Rand witzelte Pete vom Rücken seines Pferdes in Richtung der völlig entkräfteten und verängstigten Kreatur.

  »Macht so etwas eine feine Kuh«, setzte Pete, von Lachsalven seiner Kameraden angefeuert, die einseitige Konversation fort. »Statt dich auf der Weide ordentlich vollzufressen, suhlst du blödes Rindvieh dich im tiefsten Matsch herum. Schau, wie du aussiehst. Wie ein Dreckschwein! Und richte gefälligst deine Hörner, sonst entferne ich persönlich unser Brandzeichen. Mit dir schämt man sich doch in Grund und Boden. Du bist die hässlichste und ungepflegteste Kuh, die mir jemals vor die Augen kam.«

  Mit wichtigtuerischer Mimik und übertriebener Gestik sprach Pete wie ein alter Schulmeister. Dabei bot der Blondschopf einen grotesken Anblick, der wahrlich nicht seiner gespielten Rolle entsprach. Unter dem breitkrempigen Hut quollen ungebändigt blonde Locken hervor. Das Gesicht war mit Sommersprossen übersät, als ob es von einer Schrotgarbe getroffen wäre. Und die zu klein geratene Nase mit der leicht nach oben gebogenen Spitze verlieh dem runden, rosa häutigen Gesicht mit den kleinen, daraus unruhig funkelnden Augen ein koboldhaftes Aussehen. Pete verstand es meisterhaft, daraus Kapital zu schlagen. Statt den Spott auf sich zu ziehen, eine Erfahrung, die ihm in Kindheitstagen zweifellos nicht erspart geblieben war, lästerte, provozierte und äffte er nach, wann immer sich dazu die Gelegenheit bot. Dabei zog Pete die Lacher stets mit Mimik und deftigen Ausdrücken auf seine Seite und erwarb sich somit die Anerkennung als beliebter Spaßvogel, den jeder gerne in seiner Nähe haben wollte. Das stellte er auch in dieser Situation eindrucksvoll unter Beweis. Lee konnte sich vor Lachen kaum noch im Sattel halten. Eddis Gelächter, das an das Meckern einer Ziege erinnerte, entlockte selbst Dread ein Schmunzeln auf seinem sonst so ernsten Gesicht.

  Der Clown der Running M Ranch hatte es wieder einmal geschafft: Die Müdigkeit war verflogen. Stattdessen breitete sich unter den Männern eine ausgelassene Fröhlichkeit aus. Einzig die Kuh, die in Todesangst aus dem Tümpel zu den Reitern hochsah, reagierte auf den Lärm der Menschen panisch. Ungestüm wendete sie sich im zähen Schlamm und setzte zu einem weiteren verzweifelten Fluchtversuch an. Mit kraftvollem Schwung aus den Hinterbeinen erhob sie sich aus dem nassen Gefängnis und versuchte, mit den Vorderfüßen Halt auf dem glitschigen Muldenrand zu finden. Doch immer und immer wieder rutschte sie dabei aus. Ihre Vorderbeine tanzten einen mitleiderregenden Rhythmus chancenloser Hast, bis sie schließlich zitternd einknickten. Das völlig entkräftete Tier brach nun vollends zusammen und glitt mit einem kläglichen Brüllen in seine schlammige Hölle zurück. Langsam saugte der morastige Untergrund den Körper auf. Müde hob die Kuh ihren Kopf und es schien, als ob sie sich mit einem trotzigen Brüllen ihrem unausweichlichen Schicksal ergeben würde.

  Dread beachtete seine Kameraden nicht mehr. Schnell erreichte er die Stelle, aus der er am besten das Lasso über die Hörner der Kuh werfen konnte. Nach dem ersten gescheiterten Versuch erntete er ein schadenfrohes Lachen. Das wuchs zum übermütigen Johlen an, als Dread den drei albernden Kerlen einen wütenden Blick zuwarf. Unverhohlen amüsierten sich die jungen Cowboys und verfolgten in bester Laune den Rettungsversuch. Dread rollte das Lasso erneut auf und konzentrierte sich auf seinen nächsten Wurf. Es gelang ihm tatsächlich, das Lasso über die Hörner zu werfen und zusammenzuziehen.

  »Yeah«, brüllte Pete und warf seinen Hut durch die Luft. Lee und Eddi stellten sich in die Steigbügel und applaudierten mit kurzem, hastigen Händeklatschen.

  »Helft mir lieber, ihr Blödmänner«, rief Dread mit tiefer Bassstimme. Er hatte bereits sein Pferd gewendet und das Lassoende am Sattelknauf befestigt. Das Seil spannte sich. Er fühlte nicht die winzigste Bewegung. Sein Rettungsversuch schien zu scheitern. Dread drehte sich im Sattel um. Er war bereits zu weit vom Tümpel entfernt, sodass er die Kuh nicht sehen konnte. Dafür blickte er auf die drei Cowboys, die aneinandergereiht wie die Kugeln auf einer Kette am anderen Ende der Mulde auf ihren Pferden saßen. Mit nach vorn gebeugten Oberkörpern und zur Grimasse verzogenen Gesichtern pressten sie Laute heraus, als wenn sie eine riesige Last bewegen müssten. Ihre Handflächen zeigten dabei in Dreads Richtung. Es schien, als würden sie mit vereinten Kräften helfen, den Kuhhintern nach vorn zu drücken.

  Nein, von den drei albernen Jungs war keine Hilfe zu erwarten. Sie hatten die Kuh schon nach dem ersten Blick aufgegeben und beobachteten mit unverhohlenem Vergnügen Dreads erfolglose Bemühungen.

  Dread wendete sein Pferd und ritt zurück zum Rand des Schlammlochs. Die Kuh blickte ihn aus matten Augen an. Sie lag auf der Seite. Der gesamte Körper war inzwischen im Morast versunken. Nur noch ein Vorderfuß ragte heraus. Der Kopf mit den langen Hörnern lag zum großen Teil im Morast.

  Armes Vieh, dachte Dread gerührt. Nicht dass du hier auf der Weide gehalten wurdest, um verkauft und schließlich geschlachtet zu werden, nein, jetzt musstest du auch noch vor den Augen dieser Cowboys qualvoll mit dem Tod ringen. Wie roh, wie mitleidlos sind wir Menschen, dass wir uns an deinem Schicksal weiden, dass wir auf deine Kosten unsere billigen Späße treiben. Sind wir nicht alle Geschöpfe des Herrn? Haben wir das Recht, das mit dir zu tun, nur weil wir dir überlegen sind? Was sind wir Menschen nur für grausame Geschöpfe? Oh Herr, wie kannst du uns nur lieben?

  Erstarrt saß Dread auf seinem Pferd. Mit ausdrucksloser Miene blickte er auf die gequälte Kreatur. Das, am Sattelknauf befestigte, Seil hing schlaff herunter und schlängelte sich nutzlos bis zur, am Kuhkopf geschlossenen Schlaufe. Bewegungslos verharrten Reiter, Pferd und Kuh in loser Bande mit dem Lasso vereint.

  Lee rang nach Luft, so sehr strengte ihn das Lachen an. Wie winzige Bäche rannen ihm die Tränen über beide Wangen. Er war bekannt für seine Schadenfreude. Wann immer es auf Kosten anderer etwas zu lachen gab, genoss er das stets im höchsten Maße. Und Eddi lachte herzhaft mit. Das Warum war für den einfältigen Eddi zweitrangig. Er lachte, weil die anderen es auch taten. Nur Petes Gesichtsausdruck veränderte sich. Nichts erinnerte mehr an den ausgelassenen, witzigen Spaßvogel. Ernst und nachdenklich schaute er auf die gegenüberliegende Seite des tiefen, großen Schlammlochs. Ohne Zweifel, Pete erfasste die lähmende Hilflosigkeit seines Kameraden.

  In Dreads Kopf kreisten Erinnerungen, die aus den hintersten Winkeln seiner gequälten Seele hervor katapultiert wurden. Er sah sich wieder als Kind in der ärmlichen Hütte seiner Eltern hocken, spürte ganz deutlich das bohrende Hungergefühl, den ständigen Wegbegleiter seiner Kindheit. Er erinnerte sich an den schneidenden Schmerz des ersten Peitschenhiebes, an die ersten hässlichen Striche einer schmachvollen Zeichnung auf seinem Rücken. Und er blickte zurück auf die vielen toten Kameraden und Feinde, die massakrierten Frauen und Kinder, jene sinnlose Saat unrühmlicher Schlachtfelder. Wieder einmal wurde Dread durch diese unbeherrschbare Situation in einen tiefen seelischen Abgrund gerissen. Wieder einmal holten ihn mühsam verdrängte, vor der Welt verborgene Erinnerungen ein. Nur unwirklich und wie aus weiter Ferne drang das Lachen der beiden jungen Cowboys zu ihm. Vor Dreads Augen verschwamm die Kuh im tränennassen Blick.

  Dread schreckte aus seinen schwermütigen Gedanken auf, als Pete plötzlich an seine Seite heran ritt.

  »Wir können sie nicht retten, glaub mir, Dread. Das Schlammloch ist zu tief und die Kuh zu schwach. Außerdem haben wir nur noch dein Lasso, weil du es bei der Arbeit heute sehr geschickt mit deinen vielen Fehlwürfen geschont hast«, Pete schaute schmunzelnd auf das traurige Gesicht seines Kameraden und erkannte die Sinnlosigkeit des Versuches, ihn ein wenig aufzumuntern.

  »Sag mir, Pete, worin besteht der Sinn des Lebens?« Dreads aufmerksamer, forschender Blick richtete sich auf den deutlich kleineren Pete und forderte dabei eine ehrliche Antwort ein.

  »Wir leben, um so viel Spaß, wie nur möglich, zu haben«, gab Pete nach einer kurzen Pause mit verschmitztem Lächeln zur Antwort.

  »Dann bitte ich dich um einen Gefallen. Erschieße die Kuh, denn ich kann deren ausgelassene Heiterkeit nicht ertragen«, Dread sprach diese Aufforderung ruhig und ohne Ironie aus. Er wartete keine Antwort ab, riss sein Pferd herum und trieb es zum Galopp an.

  »Warte, du bekommst Ärger mit dem Boss, wenn du allein reitest«, rief Pete ihm nach. Doch Reiter und Pferd entfernten sich zügig und verschwanden bald im hügeligen Grasmeer.

  Pete zog sein Gewehr aus dem Futteral, lud mithilfe des Unterhebels die Patrone in den Lauf und legte an. Ein lauter Knall peitschte über die Weiten der Prärie. Vom Geschoss getroffen, riss es den schweren Schädel der Kuh herum. Ihre gebrochenen Augen starrten aus dem schlammigen Grab.

 

Dread ritt in wildem Galopp. Dabei löste sich die bedrückende Last. Die peinigenden Erinnerungen glitten in den Dunst des Unterbewusstseins zurück. Beruhigend trommelten die Pferdehufe ihren Rhythmus auf dem weichen Untergrund. Der temperamentvolle Wallach jagte mit seinem Reiter mühelos über die endlose Graslandschaft. Stets aufs Neue staunte Dread über die ausdauernde Kraft dieses Tiers, dessen ruhiges gleichmäßiges Schnaufen auf keinerlei Ermüdung schließen ließ. Schmunzelnd registrierte er die ständigen Bewegungen der schmalen Ohrmuscheln, die trotz des rasanten Galopps aufmerksam alle Richtungen nach verdächtigen Geräuschen abzuhorchen schienen. Dread liebte diesen Wallach. Schon bald würde er das prachtvolle Pferd sein Eigentum nennen dürfen. Als er vor wenigen Wochen auf der Ranch angestellt wurde, konnte Dread, der kein eigenes Pferd besaß, sich dieses Tier aussuchen. Mister Murphy sah das Leuchten in Dreads Augen, als er sich für diesen Rappenwallach entschied. Murphy warnte ihn: Dieses Tier sei sehr schwierig zu reiten. Aber wenn er zurechtkäme, könne er es ihm abkaufen. Er würde ihm zehn Dollar monatlich vom Gehalt abziehen. Nach einer Saison würde ihm dann dieses Pferd gehören. Ohne zu zögern, willigte Dread in den Vorschlag ein. Auch wenn ihm nur noch zwanzig Dollar Monatslohn blieben, so war das ein wahrer Freundschaftspreis.

  Nun, ganz so selbstlos war Robert Murphy bei diesem Geschäft sicherlich nicht gewesen. Er band Dread für eine Saison an seine Ranch und verkaufte ihm ein Pferd, das keiner reiten wollte. Zudem wusste Dread zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht, dass ein Verbleib auf dieser Ranch sehr gefährlich werden konnte.

  Doch in diesem Augenblick flogen die Sorgen und Probleme an Dread vorbei wie die grasenden Longhorns, an denen Reiter und Pferd vorbei sprengten. Tief sog Dread die vom Gräserduft erfüllte Luft ein und genoss das Gefühl vollständiger Freiheit. Freiheit, wer konnte wohl dieses Privileg höher schätzen als Dread!

  Nur leicht zog Dread die Zügel an und schnalzte mit der Zunge. Der Wallach gehorchte sofort und ging fließend in die unruhigere, trabähnliche Gangart über. Rasch hatte der Cowboy dem gelehrigen Tier die wichtigsten Kommandos beigebracht. Und das erreichte er ohne Schläge, ohne brutalen Zügeleinsatz oder schmerzhafte Bekanntschaft mit den Sporen. Den anfänglich kleineren Attacken eigensinniger Sturheit begegnete Dread stets geduldig, aber konsequent. Gehorsam belohnte er sofort mit kleinen Naschereien oder zärtlichen Gesten. Seine großen kräftigen Hände streichelten, fütterten und pflegten das prachtvolle Wesen liebevoll. Die tiefe Stimme drang, wenn nötig aufmunternd und dann wieder zärtlich, in das Gemüt der Kreatur. Und schon bald gewann er das Vertrauen des Pferdes. Der Rancher staunte nicht schlecht über den Wandel des als verstockt geltenden Wallachs und fragte, wie er dieses kleine Wunder in so kurzer Zeit vollbracht hatte. »Mit Liebe«, hatte Dread geantwortet.

  Und wahrlich, Dread liebte die Pferde und die Tiere spürten das. Überdies empfand Dread für sie eine aufrichtige Dankbarkeit, die sich durch die unzähligen Momente manifestiert hatte, in denen sein Leben von ihrer Treue und Zuverlässigkeit abhing. Niemand von der Running M Ranch kannte sich mit Pferden so gut aus wie Dread. Keiner hatte so viel Erfahrung im Umgang mit diesen fabelhaften Tieren. Die meisten konnten sich nicht in das Wesen dieser prächtigen Kreaturen einfühlen.

  Aber dafür konnten sie wesentlich besser mit dem Lasso umgehen. Dread erinnerte sich wieder an seine Kameraden. Diese waren ihm trotz ihrer Jugend in der harten Arbeit als Cowboy weit überlegen. Dennoch, in der kurzen Zeit hatte Dread beachtliche Fortschritte gemacht, die auch anerkennend registriert wurden. Nur für seinen ungeschickten Umgang mit dem Lasso erntete er regelmäßig Spott und Sticheleien. Dass ihm bei der Kuh im Tümpel bereits der zweite Wurf geglückt war, glich schon einem kleinen Wunder.

  Dread musste unwillkürlich schmunzeln, als er sich an die Beifallsbekundungen der drei Kindsköpfe erinnerte. Er entschied sich, auf sie zu warten, und ließ sein Pferd im gemütlichen Schritt weiter trotten. Pete, Lee und Eddi würden ihn sicherlich bald einholen. Und in einer knappen Stunde wären sie gemeinsam zurück auf der Ranch.

  Pete hatte recht, der Boss wäre über seinen einsamen Ritt sehr verärgert. Seit die angrenzende Ranch der Hokes nun auch noch in Bakers Besitz übergegangen war, verbot Murphy seinen Cowboys allein zu reiten. Sie durften nur noch in der Gruppe ihre Arbeit verrichten und mussten dabei Waffen tragen.

  Schon bald hörte Dread den Hufschlag der sich schnell nähernden Reiter. Es waren genau drei, wie der ehemalige Kavalleriesoldat unschwer erkannte. Wenige Augenblicke später schlossen die jungen Cowboys auf. Pete ritt nah seitlich heran. Sein fordernder Blick kitzelte Dreads äußeren Blickwinkel. Er widerstand nur kurze Zeit und sah schließlich in das grinsende Gesicht des Spaßvogels.

  »Stell dir vor, ich konnte dein Lieblingswerkzeug retten«, lachend reichte er Dread dessen Lasso herüber.

  Dread schaute zunächst etwas irritiert, doch dann riss er Pete das Lasso in übertriebener Hast aus den Händen und schlug es ihm scherzhaft mehrmals über den Rücken.

  Lachend ritten die vier Cowboys der Ranch entgegen. Dabei scherzten sie und unterhielten sich über belanglose Dinge. Doch keiner erwähnte mehr das Erlebte am Schlammloch und dafür war Dread den Jungs sehr dankbar.

 

ERINNERUNGEN UND DAS BÖSE ERWACHEN

 

Müde und zerschlagen ließ sich Dread auf seine Pritsche im Bunkhouse fallen. Jetzt erst spürte er die ganze Härte dieses Arbeitstages, den er annähernd fünfzehn Stunden im Sattel verbracht hatte. Der Rücken schmerzte. In den Armen und Beinen fühlte er eine bleierne Schwere. Teilnahmslos schweifte sein Blick durch die spartanisch eingerichtete Unterkunft. Dieser Bretterverschlag diente den Cowboys der Ranch vor allem als Schlafstätte. Gegessen wurde in der angrenzenden Baracke. Dread wollte nur ein wenig ruhen. Die schweren Stiefel ausgezogen, lag er in voller Montur auf der Pritsche. Nur ein paar Minuten, dann würde er mit den Jungs, die lärmend am einzigen Tisch Karten spielten, zum Essen gehen. Neidisch blickte Dread zu ihnen hinüber. Werde ich langsam alt, fragte er sich, oder bin ich einfach das harte Arbeiten nicht mehr gewohnt?

  Seine Gedanken wanderten in die Vergangenheit. Langsam schlossen sich die Augenlider. Bilder aus der Kindheit drängten sich ihm ins Bewusstsein. Dread sah sich schweiß überströmt, in glutheißer Augustsonne hastig die wolligen Knäuel der aufgeplatzten Samenkapseln pflücken. Er erinnerte sich an nicht enden wollende Tage auf den Baumwollfeldern, auf denen er sich vom ersten Tageslicht bis Einbruch der Dunkelheit plagen musste. Lediglich eine kurze Mittagspause war ihm vergönnt gewesen, in der er hastig seine Ration an kaltem Schinken hinuntergeschlungen hatte. Das Tagespensum musste unbedingt erfüllt werden – zweihundert Pfund – und wenn er dies nicht geschafft hatte, dann war er bestraft worden. Bestraft! Dread spürte unwillkürlich die Narben auf seinem Rücken. Gleichzeitig breitete sich in ihm das Gefühl der Dankbarkeit für die Gegenwart aus. Nie wieder würde er das billige Werkzeug anderer Menschen sein. Jederzeit konnte er bestimmen, wohin er gehen und was er machen möchte. Kein Peitschenhieb und kein stumpfsinniger Befehl würden mehr seinen Stolz verletzen. Dread war ein freier Mann. Endlich! Er hatte die Freiheit, jederzeit selbst über sein Leben zu bestimmen. Diese Erkenntnis löste in ihm eine tiefe Zufriedenheit aus. Müdigkeit übermannte ihn. Das Bild nicht enden wollender Reihen von Baumwollpflanzen verschwamm in einem milchigen Nebel. Im süßen Zustand des Dahindämmerns spürte Dread eine wohltuende Ruhe. Aus ganz weiter Ferne drangen das Lachen der Karten spielenden Cowboys und die untrüglichen Geräusche einer ankommenden Reitergruppe zu ihm.

  Durch den dumpfen Knall einer unsanft aufgestoßenen Tür schreckte Dread aus seinem Sekundenschlaf auf. Ein großer, massiger Mann betrat die Unterkunft. Nicht nur seine Statur war Respekt einflößend. Der kahle Kopf mit der schiefen Nase erinnerte an einen Preisboxer. Die wulstigen Lippen, eingerahmt von einem ungepflegten Vollbart, verliehen dem Gesicht einen brutalen Zug, der von den kalt blickenden blauen Augen noch verstärkt wurde. Hank gehörte der zweiten Gruppe an, die gerade auf der Ranch eingetroffen war.

  »Nigger, kümmere dich um mein Pferd«, leise, mit drohendem Unterton sprach Hank in Dreads Richtung.

  »Hank, vielleicht ist es dir noch nicht aufgefallen. Aber bei uns versorgt jeder sein Pferd selbst«, mischte sich Pete ein. Gewohnt locker blickte er Hank mit gutmütigem Grinsen an. Dieser packte Pete jedoch mit einer Hand am Kragen, kaum dass er den Satz ausgesprochen hatte. Hank zog ihn vom Stuhl und stieß ihn brutal nach hinten, sodass Pete das Gleichgewicht verlor und zu Boden stürzte.

  »Mit dir habe ich nicht gesprochen, Schweinegesicht. Also halt lieber dein Maul«, entgegnete Hank kalt und blickte wieder auf Dread.

  Nur äußerlich blieb Dread ruhig. In seinem Inneren tobte ein Sturm aus Wut und Verzweiflung. Mit Nigger hatte ihn auf der Ranch noch keiner angesprochen. Keiner, bis dieser Hank auftauchte. Gleich vom ersten Tag an beleidigte und schikanierte er ihn. Doch jetzt schien es so, als ob es Hank nicht mehr ausreichen würde, Dread nur mit Worten zu quälen.

  Dread verschränkte betont langsam die Arme hinter dem Kopf und blieb regungslos auf seiner Pritsche liegen. Mit klopfendem Herzen beobachtete er Hank, der wutschnaubend auf ihn zustürzte.

  »Stinkender Nigger, bist du taub? Du sollst dich um mein Pferd kümmern!« Hank stand nun unmittelbar vor Dread. Als dieser sich nicht rührte, packte jener die Pritsche und kippte sie um. Dread rollte auf den Boden. Hank trat ihn brutal in die Seite. Dread schrie vor Schmerz, richtete sich dann jedoch langsam auf, und stand schließlich in gekrümmter Haltung vor Hank. Dieser musterte mitleidlos sein Gegenüber, das mit angewinkeltem Arm die verletzte Körperseite schützte.

  »Das ist doch die einzige Sprache, die ihr versteht, ihr faulen Niggerschweine«, abgehackt und kalt fauchte er Dread an.

  Dread atmete schnell. Ihn quälte ein stechender Schmerz, der beim Luftholen ins Unerträgliche anwuchs. Sein Herz raste. In ihm brodelte eine wilde Wut. Er hatte keine Angst vor diesem Fettkloß. Mit einem befriedigenden Gefühl stellte er sich vor, wie seine Faust auf der hässlichen Fratze explodieren würde. Seine Muskeln spannten sich. Urplötzlich wich die lähmende Zaghaftigkeit. Ein bekanntes Gefühl aus mühsam verdrängten Tagen stellte sich ein: die angespannte Wachsamkeit des erfahrenen Kämpfers.

  Bedrohlich änderte sich Dreads Körperhaltung. Betont langsam richtete er sich vollends auf. Hank war nun nur noch unwesentlich größer.

  So standen sich jetzt beide Männer Auge in Auge gegenüber. Hank registrierte sehr wohl Dreads Gemütswandlung. Mit dieser Reaktion hatte er nicht gerechnet. Erstaunt blickte er den schwarzen Cowboy an. Dann verzog sich sein Mund zu einem verächtlichen Grinsen.

  »Du bist wohl ein aufsässiger Nigger, meinst wohl, du hättest dieselben Rechte auf der Ranch wie ich«, brüllte er wutentbrannt. »Wenn du nicht augenblicklich machst, was ich dir sage, schlage ich dich zu Brei!«

  Abschätzend musterte Dread das Gesicht des tobenden Hank. Er sah die verzerrten Mundwinkel dieses bösen, hasserfüllten Mannes. Sein Blick wanderte zu den Augen, die wie kalte Fischaugen glotzten. Und je aufmerksamer Dread diesen Menschen betrachtete, umso mehr schwand seine Aggressivität. Dieser brüllende Mann, der seine Arme abgewinkelt hatte, als ob er scharfe Messer unter den Achseln hätte, erinnerte Dread an die kläffende Bulldogge auf der Baumwollplantage, das abgerichtete Ungeheuer, das sich auf Befehl sofort in das Fleisch der Sklaven verbissen hätte. Was unterschied eigentlich diesen schreienden Fleischberg von jener primitiven kläffenden Kreatur? Nichts! Nur dass der Mensch seine vermeintliche Macht über andere genoss, dass er drohte und demütigte, um sich selbst besser zu fühlen. Instinktiv erfasste Dread die kleine beschränkte Welt, in der sich Hank bewegte. Nein, auf diese unterste Ebene menschlichen Daseins wollte sich Dread nicht begeben. Er würde mit diesem Hohlkopf nicht kämpfen, der sich seiner körperlichen Überlegenheit wohl bewusst war und sich ganz offensichtlich darauf freute, Dread brutal zu verprügeln. Er würde ihm diesen Triumph nicht vergönnen. Nein, das wollte er nicht! Oder hatte er einfach nur Angst? Schnell verdrängte er diesen Gedanken wieder.

  »Schon gut, Hank«, presste Dread mit mühsam beherrschter Stimme heraus. »Ich versorge dein Pferd.«

  »Feigling«, höhnte Hank. »Ihr seid doch alle gleich: faul, dumm und feige! Geh mir aus den Augen. Und wenn du mein Pferd nicht ordentlich versorgst, gerbe ich dir dein schwarzes Fell. Darauf kannst du dich verlassen, du feiges Niggerschwein.«

  Deutlich war Hank seine Enttäuschung darüber anzumerken, dass Dread der Konfrontation ausgewichen war. Doch es würde sich bald wieder eine Gelegenheit bieten. Und dann konnte der Nigger etwas erleben.

  Übertrieben gemächlich zog Dread seine Stiefel an und schritt langsam auf den Ausgang zu, vorbei am Tisch der drei Cowboys, die mit gesenktem Kopf in ihre Karten blickten. Sie schämen sich, dachte Dread schon fast ein wenig mitleidig.

  »Danke«, flüsterte er Pete zu, der dies nicht als Kompliment auffasste, sondern nur noch beschämter seinen Kopf senkte.

  Es sind doch gute Kerle, dachte Dread voll warmer Sympathie und verließ das Bunkhouse.

 

 

BOTSCHAFTER DES UNHEILS

 

Dread trat ins Freie. Unwillkürlich genoss er die kühle Abendluft. Tief sog er sie in seine Lungen. Das Stechen der Prellung durch den Fußtritt störte ihn kaum. Dread hatte schon ganz andere Schmerzen ertragen müssen.

  Entschlossen schritt er nun zum Korral, wo er das Pferd des Tyrannen vermutete. Jesse und Tim, die Cowboys der zweiten Gruppe, kamen ihm entgegen und grüßten flüchtig. Dread sah jetzt Hanks Pferd, das an einem Querbalken des Korrals angebunden war. Der Fuchswallach ließ müde seinen Kopf hängen. Überhaupt bot das Tier einen mitleiderregenden Anblick. Es war Schweiß überströmt und an den Flanken waren unverkennbar Spuren der scharfen Sporen seines Reiters zu erkennen. Dread kam näher auf das Pferd zu. Der Fuchs reagierte nervös.

  »Ruhig, ruhig, mein Alter«, sprach Dread besänftigend auf den Wallach ein. Er nahm das Tier am Zaumzeug, zog es sanft nah zu sich heran und legte zärtlich seine großen Hände auf die Stirn der verängstigten Kreatur.

  »Keine Angst«, Dreads ruhige tiefe Stimme schien dem Wallach zu gefallen, denn seine Ohrmuscheln waren ganz auf ihn gerichtet. »Ich werde dir nicht wehtun. Ich mag dich. Also beruhige dich jetzt.« Dread streichelte die Stirn. Er nahm sich viel Zeit und seine Bewegungen und die Stimme strahlten eine friedvolle Ruhe aus. Das verfehlte nicht seine Wirkung. Der Fuchs senkte den Kopf, leckte sich die Lippen, begann zu kauen und drückte sich schließlich leicht an Dreads Schulter. Schmunzelnd und mit einer gewissen Genugtuung registrierte Dread die zutrauliche Geste.

  »Wie leicht kann man doch euer Vertrauen gewinnen«, leise und zärtlich sprach er zu dem Tier. »Wenn man euch liebt, dann versteht man auch eure Sprache. Wer aber meint, er muss euch mit Gewalt seine Macht demonstrieren, der wird aus euch nur einen untertänigen, störrischen und nur bedingt leistungsfähigen Grasfresser machen.«

  Dread ließ das Zaumzeug los und tätschelte mit beiden Händen den verschwitzten Pferdehals. Dann löste er den Sattelgurt, nahm den schweren Sattel sowie die Decke vom Rücken und zäumte schließlich ab. Langsam ging er nun zur Tränke. Der Wallach folgte ihm treu in geringem Abstand. Dread ließ das Pferd ausgiebig saufen und holte in der Zeit reichlich Stroh. Gerade als er mit dem Trockenreiben beginnen wollte, wurde er von lauten Stimmen aufgeschreckt. Der Fuchs hob abrupt den Kopf. Vom Pferdemaul tropfte Wasser auf Dreads Schulter, der zum Blockhaus schaute.

  Auf der Veranda des großen zweistöckigen Ranchhauses sah Dread zwei Männer. Der Ältere war mittelgroß und korpulent, der Jüngere überragte ihn fast um Haupteslänge. Es waren der Boss Robert Murphy und sein Sohn, die lautstark in einen Streit verwickelt schienen. Dread mochte Ben Murphy nicht. Dieses dürre, gerade einmal achtzehn Jahre alte Bürschchen war arrogant und spielte sich ständig vor der Mannschaft als der zweite Boss auf. Dabei war dieses Milchgesicht weder mit nennenswerter Intelligenz gesegnet, noch glänzte er im täglichen Ranchleben durch besonderen Fleiß. Dieser linkische Tollpatsch konnte Dread nicht einmal im Lasso werfen etwas vormachen. Aber Ben war der Sohn des Bosses. Alles wollte er besser wissen, überall redete er mit. Pete spöttelte über den unbeliebten Ranchersohn: Ben war in der Schule sicherlich keine Leuchte, aber im Fach Klugscheißen muss er der Klassenbeste gewesen sein. Das löste tagelang bei den Cowboys Lachsalven aus. Selbst Robert Murphy, der diese freche Bemerkung von seinem Vormann erfuhr, musste darüber lachen.

  Der Boss liebte seinen Sohn abgöttisch. Robert Murphy war ein tüchtiger Rancher, der an sich selbst sehr hohe Forderungen stellte. Doch Ben gegenüber war der sonst so disziplinierte Mann auffällig großzügig. Dass er sich mit seinem Sohn stritt, war eher eine Seltenheit. Umso erstaunter registrierte Dread die Szene auf der Veranda. Vater und Sohn kamen schreiend aus dem Haus und setzten hörbar ihr erregtes Streitgespräch fort.

  »Wenn du dich nicht darum kümmerst, dann mache ich es eben«, fast schon hysterisch schrie Ben seinen Vater an.

  »Was, Du möchtest dich mit Baker anlegen?«, die Frage klang mehr amüsiert als zornig. »Der wird sich vor Angst gleich auf seiner Ranch verbarrikadieren, wenn er von deinem Vorhaben erfährt.«

  »Dad, wir müssen Baker zeigen, dass wir kampfbereit sind, wir benötigen auch Revolvermänner«, antwortete Ben trotzig.

»Schluss jetzt, ich will nichts mehr davon hören«, energisch gab Robert Murphy seinem Sohn zu verstehen, dass dieses Gespräch für ihn beendet war.

  »Nun, dann warte brav, bis du auf die Schlachtbank geführt wirst«, wütend und mit hochrotem Kopf schritt Ben Murphy zum Korral. Er nahm keine Notiz von Dread, der geschäftig Hanks Wallach trockenrieb. Hektisch sattelte Ben sein Pferd, zäumte es auf und ritt im Galopp von der Ranch.

  Robert Murphy, der seinem Sohn nur sehr langsam nachgegangen war und nach einer Gelegenheit suchte, um wieder einlenken zu können, blickte dem sich schnell entfernenden Reiter versonnen nach. Er war so in Gedanken versunken, dass er weder Dread noch den Mann bemerkte, der aus dem Blockhaus kam. Dieser breitschultrige Cowboy, der Mitte vierzig sein mochte, war Robert Murphys bester Mann – David Turner, der Vormann der Running M Ranch.

  Verlegen räuspernd machte sich Turner bemerkbar und stellte sich wortlos neben Murphy.

  »David, warum geben uns unsere Söhne manchmal das Gefühl, dass wir vertrottelte Greise sind?« Fragend schaute Murphy seinen Vormann und besten Freund an. Und ohne eine Antwort abzuwarten, sprach er mit traurigem Unterton weiter: »Sie akzeptieren unsere Erfahrungen nicht, lehnen gut gemeinte Ratschläge ab und verlachen unsere Wertvorstellungen.«

  »Ich denke, es ist das gute Recht der jungen Leute«, antwortete Turner nach einer längeren Pause. »Sie wollen, ja, sie müssen ihre eigenen Erfahrungen sammeln. Nur durch den Schmerz selbst verursachter Niederlagen sind sie bereit, sich zu ändern. Wir wollen den jungen Leuten solche schmerzhaften Erfahrungen ersparen. Deshalb bevormunden wir sie, deshalb möchten wir sie gerne in die Richtung stoßen, die wir für die einzig Richtige halten. Wir, die stolz unsere Werte wie einen riesigen Schild vor uns hertragen. Diesen Schild lehnen die jungen Leute ab. Er versperrt ihnen die Sicht. Er erdrückt sie. Und ich bin überzeugt, dass sie aus Angst davor verkrampfen. So zwingen wir sie förmlich zur Rebellion oder entmündigen sie zur willenlosen Marionette. Unsere Wertvorstellungen – was für eine Floskel – meinst du damit unsere Moral oder unsere Besitzstände?«

  »David, du hättest Philosoph werden sollen, statt Rinder zu hüten«, Murphy schaute lächelnd seinen Vormann an.

  Jeder auf der Ranch wusste, wie sehr der Rancher Turners messerscharfen Verstand bewunderte. Viele nützliche Entscheidungen waren auf Anraten des Vormanns zustande gekommen. Ein Paradebeispiel war die Züchtung von Hereford-Rindern, die besseres Fleisch lieferten und immun gegen das gefürchtete Texasfieber waren. Murphy war der erste Rancher in der Region, der nicht mehr ausschließlich auf die Longhorn-Rinder setzte.

  Auch Dread mochte diesen David Turner aufrichtig. Sein ausgeglichener Charakter und der faire Umgang mit allen Cowboys unterschied sich von Dreads Erfahrungen mit Aufsehern oder Vorgesetzten. Er hatte Turner noch nie schreiend erlebt. Stets erteilte Turner seine Anweisungen in freundlichem Ton und erläuterte geduldig die Aufgaben, wenn er den Eindruck hatte, dass diese nicht gleich verstanden wurden. Turner verlangte Disziplin und Zuverlässigkeit und lebte dies in einer beeindruckenden Perfektion vor. Allein die Tatsache, dass er morgens der Erste und abends der Letzte war, der seine Arbeit verrichtete, spornte die Mannschaft an. Wie erstaunt war Dread, als er einmal den Vormann erlebte, wie er sich bei der Mannschaft für eine falsche Entscheidung entschuldigte. Turner sparte nicht mit Lob. Er arbeitete kameradschaftlich mit jedem Cowboy zusammen. Und er lachte ebenso herzhaft über Petes Blödsinn wie alle anderen auf der Ranch. Turner gehörte zur Mannschaft und hob sich gleichsam durch seine ganze Persönlichkeit von ihr ab. Durch David Turner erfuhr Dread erstmals, wie ein Mensch sich ausschließlich durch sein Auftreten und seine Leistung adelte.

  Dread hatte längst den Fuchs trockengerieben. Doch da beide Männer ihn nicht bemerkt hatten, harrte er nun verlegen aus. Er wollte nicht den Eindruck erwecken, dass er Murphy und Turner belauschen wollte. Andererseits war es jetzt zu spät, auf seine Anwesenheit hinzuweisen. Und so blieb ihm nichts weiter übrig, als zu warten, bis die beiden Männer wieder ins Haus zurückgehen würden. Murphy und Turner standen mit dem Rücken vielleicht dreißig Fuß von ihm entfernt. Somit wurde er unfreiwillig Zeuge des weiteren Gesprächs.

  »Du willst mir also sagen, dass ich meinen Sohn falsch erzogen habe«, ohne Groll in der Stimme, aber jetzt sehr ernst, wandte sich Murphy an seinen Vormann.

  »Ich glaube, dass du ihn mit deiner Liebe erdrückst«, wie es seine Art war, ließ Turner sich mit der Antwort Zeit. »Einerseits nimmst du ihm alles ab, tolerierst jedes Versäumnis. Andererseits traust du ihm keine anspruchsvolle Aufgabe zu. Du hast ihn einfach verwöhnt. Das Ergebnis siehst du doch selbst. Seine Überheblichkeit ist der Schutzschild, hinter dem er seine Unsicherheit verbirgt. Und die Tollpatschigkeit zeigt deutlich, wie verkrampft der Junge ist. «

  »Was soll ich deiner Meinung nach machen?«, fragte Murphy knapp und tonlos.

  »Gib ihm eine echte Aufgabe, eine, die ihm schon in ihrer Bedeutung deine Wertschätzung für ihn zeigt«, fast beschwörend sprach Turner auf Murphy ein. »Ja, sprich mit ihm, wie ihr eure Ranch vor Baker schützen könnt. Suche mit Ben nach Lösungen und übertrage ihm die Aufgabe, dies zu organisieren. Wenn du willst, helfe ich dir dabei!«

  »Wenn ich das mache, dann gibt es bald Krieg!«, fiel Murphy seinem Vormann aufgebracht ins Wort.

  »Den gibt es in jedem Fall«, Turner blickte nun seinem Boss in die Augen. »Oder glaubst du, dass Baker jetzt seinen krankhaften Machthunger gestillt hat, wo sein Besitz endlich an die Ranch mit dem besten Weideland und den ergiebigsten Wasserquellen grenzt? Es wird Krieg geben! Und das war seit dem Tag so gewiss wie das Amen in der Kirche, als er die Hoke-Farm kassierte, nachdem er den armen Max Hoke als Viehdieb hatte hängen lassen. Wir haben es damals versäumt, uns mit den kleinen Farmern zu verbünden. Du und ich, wir beide haben diesen Mann unterschätzt, ihn immer stärker werden lassen. Und jetzt ist er mächtiger denn je. Jetzt streckt er seine gierigen Hände nach deiner Ranch aus. Das ist eine Tatsache. Es hat keinen Zweck, dies zu verdrängen!«

  »Er kann mir wirtschaftlich nichts anhaben«, antwortete Murphy nicht ohne Stolz in der Stimme. »Wir sind dank deines Weitblicks mit den Hereford-Rindern die erfolgreichste Ranch. Ja, ich habe in der Tat das beste Weideland und eine mehr als ausreichende Anzahl von Wasserstellen. Aber wenn ich diesem Baker keinen Anlass gebe, so wird er es niemals wagen, mich anzugreifen. Wir haben immerhin einen Namen. Die Stadt würde im Falle eines Weidekrieges nicht tatenlos zusehen. Und unser Marshal würde das erst recht nicht tun.«

  »Robert«, Turner legte Murphy freundschaftlich eine Hand auf die Schulter. Sein Gesicht wurde sehr ernst und die Sorge in seiner Stimme war unverkennbar. »Robert, wie lange kennen wir uns jetzt schon. Ich glaube, es müssen bereits zwölf Jahre sein. Du hast mich damals auf deiner Ranch aufgenommen. Der Krieg war erst wenige Wochen vorbei. Du hattest eine Handvoll Rinder, warst Witwer, musstest als kleiner Rancher überleben und einen sechsjährigen Jungen erziehen. Schon damals habe ich dich bewundert, denn du hast dich tausenden Problemen gestellt, bist nach jeder Niederlage wieder aufgestanden und stärker geworden. Ich habe dich niemals klagen gehört. Probleme waren für dich Herausforderungen. Und ich hatte immer den Eindruck, dass du Spaß daran hattest, die schwierigsten, ja manchmal sogar aussichtslosen Situationen zu meistern. Heute bist du ein angesehener, überaus wohlhabender Rancher. Ein Rinderbaron! Wenn du in die Stadt kommst, zieht jeder ehrfurchtsvoll den Hut. Man buhlt um dein Wohlwollen und überbietet sich in überschwänglichen Schmeicheleien. Ja, Robert, in der Tat, du bist jetzt jemand. Und das ist ausschließlich dein Verdienst. Deine Jungs und ich durften dir dabei helfen. Aber die entscheidende Leistung hast du vollbracht. Du hast in allen kritischen Phasen die richtigen Entscheidungen getroffen, sei es aus eigenem Antrieb oder weil du klug genug warst, Ideen und Ratschläge anderer für dich zu nutzen. Stets hast du für dein Handeln die volle Verantwortung übernommen. Ja, du hast dich letztlich nur auf dich und auf die Fähigkeiten deiner Mannschaft verlassen. Und jetzt, wo es dir so richtig gut geht, da möchtest du dich zurücklehnen und hoffst darauf, dass alles mehr oder weniger so weitergehen wird, dass notfalls andere dir beistehen? Die, die ebenso tatenlos zugeschaut haben wie wir, als sich Baker ein Stück Land nach dem anderen ergaunert hat. Meinst du wirklich, dass sich diese Leute gerade bei dir anders verhalten? Ich wette sogar, dass einige dieser Heuchler sich heimlich freuen würden, wenn du zu Fall kämest. Nichts ergötzt den Mob mehr als das Unglück derer, die er um ihren Erfolg oder ihre Besitztümer heiß und innig beneidet.«

  »Du meinst also, ich muss mich auf einen Weidekrieg mit Baker einstellen?«, fragte Murphy nachdenklich.

  »Du wirst dich auf noch mehr einstellen müssen«, antwortete Turner. »Dieser Baker ist ein gerissener Stratege. Und vor allem ist er skrupellos. Das macht ihn so gefährlich.«

  Beide Männer standen nun schweigend nebeneinander.