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Cassy Moore liebt ihr Leben in der verschneiten Vorstadt von Boston. Sie besitzt ein charmantes Haus, übt einen tollen Job als Übersetzerin aus und hat eine enge Verbindung zu ihrem Bruder Collin. Doch als Skyler Monroe in das Häuschen nebenan zieht, gerät ihre wohlgeordnete Welt ins Schwanken. Der attraktive, aber verschlossene Handwerker weckt widersprüchliche Gefühle in ihr: Neugier, Frustration und eine unerwartete Sehnsucht. Skyler hat seine Gründe, sich von anderen Menschen fernzuhalten, besonders von Cassy. Seine schmerzhafte Vergangenheit hält ihn gefangen. Cassys unerschütterlicher Optimismus und ihre Hartnäckigkeit stellt ihn vor eine große Herausforderung, der er sich nicht gewachsen fühlt. Je mehr sie ihm zeigt, dass sie hinter seine Fassade blicken möchte, desto schwerer fällt es ihm, ihr zu widerstehen. Inmitten von hitzigen Auseinandersetzungen kommen sich die beiden näher und entfachen ein wahres Weihnachtschaos. Können ihre Herzen am Ende zueinanderfinden, wenn die Vergangenheit droht, alles zu zerstören?
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Impressum
Weihnachtschaos mit Hoffnung auf Liebe
von M.P. Stone
Weihnachtschaos mit Hoffnung auf Liebe von M.P. Stone
Cassy Moore liebt ihr Leben in der verschneiten Vorstadt von Boston. Sie besitzt ein charmantes Haus, übt einen tollen Job als Übersetzerin aus und hat eine enge Verbindung zu ihrem Bruder Collin. Doch als Skyler Monroe in das Häuschen nebenan zieht, gerät ihre wohlgeordnete Welt ins Schwanken. Der attraktive, aber verschlossene Handwerker weckt widersprüchliche Gefühle in ihr: Neugier, Frustration und eine unerwartete Sehnsucht.
Skyler hat seine Gründe, sich von anderen Menschen fernzuhalten, besonders von Cassy. Seine schmerzhafte Vergangenheit hält ihn gefangen. Cassys unerschütterlicher Optimismus und ihre Hartnäckigkeit stellt ihn vor eine große Herausforderung, der er sich nicht gewachsen fühlt. Je mehr sie ihm zeigt, dass sie hinter seine Fassade blicken möchte, desto schwerer fällt es ihm, ihr zu widerstehen.
Inmitten von hitzigen Auseinandersetzungen kommen sich die beiden näher und entfachen ein wahres Weihnachtschaos. Können ihre Herzen am Ende zueinanderfinden, wenn die Vergangenheit droht, alles zu zerstören?
Skyler
Mit einem leisen Seufzen verstaue ich den letzten Karton auf der Ladefläche meines Pick-ups. Meine Hände sind bereits taub vom eisigen Wind. Der Schnee fällt in stillen Flocken. Er breitet sich wie eine unnachgiebige Decke über den Straßen, den Gärten und den Dächern aus.
Jede meiner Bewegungen fühlt sich schwer an, als würde der Schnee die Kälte in mir hinterlassen. Er setzt sich in meiner Brust fest und macht mir das Atmen schwer. Es ist dieser letzte Zeitpunkt, in dem ich zögere und einen letzten Blick auf das Haus werfe. Es ist mein Zuhause, zumindest war es das einmal.
Die frostige Kühle kriecht mir bis ins Mark. Es ist jedoch nichts im Vergleich zu der Leere, die sich seit Monaten in mir ausgebreitet hat. Das Haus, das ich gleich verlassen werde, ist voll von Erinnerungen, von guten und von schlechten.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt noch unterscheiden kann, welche davon überwiegen. Jeder Winkel, jede Ecke und jeder Raum sind ein Gefäß für die Vergangenheit. Eine Vergangenheit, die ich hinter mir lassen muss. Eine Vergangenheit, die ich hinter mir lassen möchte.
Es ist nur ein kleines Gebäude, unscheinbar. Von außen kaum etwas Besonderes, dennoch hat es mich durch so viele Tage, Wochen, Monate und Jahre getragen. Ich habe hier unzählige Stunden verbracht und schlaflose Nächte durchstanden. Die Fassade, die Fenster und der alte Holzboden können viele Geschichten erzählen, aber sie würden alle wie ein Echo klingen, verblassend, beinahe hohl.
Ich bin ein Mann, der weitergehen muss. Würde ich es nicht tun, würde mich die Vergangenheit auffressen. Ich schließe meine Hände zu Fäusten, während ich die Ladefläche des Pick-ups noch einmal überprüfe. Die Anspannung in meinen Schultern nimmt zu. Gleich geht es los.
Es ist, als würde ich ein Stück von mir selbst zurücklassen. Eines, das ich nie wieder finden werde, auch wenn ich irgendwann einmal zurückkommen sollte. Ich habe in den letzten Wochen alles versucht, um dem Vergangenen zu entgehen. Ich habe versucht, einen Abschluss zu finden. Manche Wunden heilen allerdings nicht so einfach. Vielleicht sogar nie.
Ich lasse meinen Blick über die Fensterfront gleiten. Die Rollläden sind heruntergezogen und das Schild, welches früher meinen Nachnamen zierte, verblasst langsam. Damals war ich stolz darauf.
Heute erinnert es mich nur daran, dass ich längst nicht mehr derselbe bin. Der Gedanke an eine neue Stadt schleicht sich in mein Bewusstsein. Dazu ein Funken Hoffnung, der erste seit langer Zeit.
Er mischt sich in die tiefe Melancholie, die ich mit mir trage. In Boston wartet ein Haus auf mich. Ein neues Haus, das rein und unbeschrieben ist. Ein Haus, das mir vielleicht die Ruhe geben kann, die ich so dringend brauche.
Noch ein paar Schritte und schon stehe ich an der Tür meines Pick-ups, bereit, einzusteigen, den Motor zu starten und fortzufahren.
Doch eine Stimme, vertraut und freundlich, lässt mich innehalten. „Guten Morgen, Skyler.“ Ich blicke auf und sehe meinen Nachbarn Mr. Jacobs. Er steht im Morgenmantel in seiner Einfahrt und winkt mir zu.
Ich nicke und versuche ein Lächeln auf meine Lippen zu bringen, das längst verloren gegangen ist. „Guten Morgen, Mr. Jacobs.“ Meine Stimme klingt fester, als ich mich fühle. Ich öffne die Wagentür, halte sie jedoch noch ein paar Sekunden lang offen.
„Geht es endlich los?“, fragt der ältere Herr und deutet mit seinem Blick in die Ferne. Anschließend mustern mich seine Augen kurz, als würden sie in meinem Gesicht lesen können, was mir auf der Seele liegt.
Ich räuspere mich. „Ja. Heute ist der Tag.“ Es klingt einfacher, als es ist.
Mr. Jacobs nickt und streicht sich über seinen Mantelkragen, den der Wind ihm ins Gesicht geweht hat. „Dann lassen Sie sich wieder einmal sehen, und alles Gute.“ Seine Stimme trägt die Ruhe und Gelassenheit von jemandem, der mit sich selbst im Reinen ist. Ein Zustand, von dem ich meilenweit entfernt bin und mittlerweile nur träumen kann.
Ich versuche mich an ein weiteres Lächeln. Ich zwinge es hervor, um die Wertschätzung zu zeigen, die ich für ihn empfinde. „Ich danke Ihnen, Mr. Jacobs. Das wünsche ich Ihnen und Ihrer Frau auch. Alles Gute für Sie beide.“ Die Worte verlassen meine Lippen mechanisch, trotzdem meine ich sie aufrichtig.
Er hebt die Hand zum Abschied und dreht sich langsam herum. Keinen Atemzug später verschwindet er wieder in seinem Haus. Ich atme tief durch und suche nach der Ruhe, die ich mir seit Wochen wünsche, aber sie bleibt aus.
Stattdessen besitze ich allein dieses vertraute Gefühl von Müdigkeit und Erschöpfung, das ich nicht abschütteln kann. Es ist nicht nur die Art von Müdigkeit, die durch ein paar Stunden Schlaf geheilt werden kann. Nein, diese Emotion sitzt tiefer. Sie hat sich in meinen Knochen eingenistet und lastet tonnenschwer auf meiner Brust.
Vielleicht wird Boston helfen, denke ich, offenbar brauche ich nur einen Neuanfang, eine andere Stadt, eine andere Umgebung und ein anderes Leben.
Ich steige ein, lege die Hände aufs Lenkrad und starte den Motor. Der Schnee fällt dichter, wie ein Schleier, der das Alte verdeckt, das ich zurücklassen möchte. Ich bin noch nicht sicher, ob ich wirklich bereit bin, aber das spielt jetzt keine Rolle mehr. Ich habe keine andere Wahl.
Die Straße liegt ruhig und schneebedeckt vor mir. Sie erscheint wie ein ungewisser Weg, der irgendwohin führt. Allerdings weiß ich genau, wo es hingeht: nach Boston.
Dort wartet ein kleines Häuschen auf mich, abseits der Hektik, in einer ruhigen Siedlung in der Vorstadt. Ich habe mir die Gegend vor einigen Wochen angesehen und es war genau das, was ich gesucht habe. Ein einfaches und unauffälliges zu Hause. Kein überflüssiger Luxus und nichts Großes. Ich glaube, dass es ausgezeichnet zu mir passt.
Die Entscheidung aus Pittsburgh fortzugehen, war nicht leicht. Irgendwann musste ich jedoch einen Schlussstrich ziehen. In der ganzen Stadt lauern überall Erinnerungen, die mich festhalten wie unsichtbare Fesseln.
Ich weiß, dass das Leben weitergeht. Ich weiß, dass ich weitergehen muss. Manchmal kommt es mir jedoch so vor, als hätte die Zeit aufgehört, als wäre alles stehen geblieben. Möglicherweise wird Boston mir die Hilfe geben, die ich benötige, um diese verdammten Fesseln zu lösen.
Ich muss diesen Schritt jetzt wagen. Das Leben, das ich hier zurücklasse, liegt wie eine Last auf meinen Schultern. Obwohl ich mich innerlich kaum rühren kann, zwinge ich mich dazu weiterzufahren. Ein kleines Stück nach dem anderen, bis das Haus im Rückspiegel immer winziger wird.
Mit jedem Kilometer, den ich zurücklege, wird das Gefühl von Erleichterung ein bisschen größer. Ein Hauch von Freiheit, etwas, das ich seit langer Zeit nicht mehr gespürt habe, weht durch mich hindurch. Die Straßen werden voller und die Landschaft wechselt, während ich stetig Richtung Osten fahre.
Doch selbst in dieser vagen Hoffnung auf einen Neubeginn bleibt ein Schatten in mir. Es ist ein Teil, der sich nicht so leicht löst. Dem Anschein nach gehört er jetzt einfach zu mir. Er ist ein ständiger Begleiter, den ich nicht abschütteln kann, selbst wenn ich es versuche.
Ich hole Luft, reibe mir die Augen und erlaube mir, an meine Zukunft zu denken: Boston. Ich habe für alles gesorgt, sogar für eine neue Arbeitsstelle. Moore & More, eine kleine Handwerksfirma, hat mir eine Anstellung gegeben, ohne große Fragen zu stellen.
Es ist ein Job, bei dem ich mit meinen Händen arbeiten kann. Es ist etwas Praktisches und etwas Einfaches, ohne den Druck und die Verantwortung, die ich einmal hatte. Der Gedanke, als Architekt zurück in mein altes Berufsfeld zu gehen, war unerträglich. Es war einfach nicht möglich. Die Erinnerungen daran sind zu nah und zu schmerzhaft.
Der Schneefall lässt langsam nach, doch meine innere Kälte bleibt. Sie kriecht durch jede Faser meines Körpers, immer und immer wieder. Obwohl ich meinen Umzug gut geplant habe, weiß ich nicht, was mich in Boston erwartet.
Ich weiß nicht einmal, ob dieser Schritt die richtige Lösung ist. Aber in Pittsburgh zu bleiben, wo die Erinnerungen mich ersticken, ist einfach keine Option mehr.
Ich fahre immer weiter, umschlinge mit meinen Fingern das Lenkrad und merke, wie der Winter um mich herum dichter wird. In zwei Wochen ist Weihnachten, eine Zeit, die meinen Gemütszustand nicht besser macht.
Nach einer Weile beginne ich, mich in der Stille des Fahrens zu verlieren. Ich finde ein merkwürdiges Gleichgewicht in der Einsamkeit der Bewegung. Boston liegt direkt vor mir, das spüre ich, obwohl die Stadt noch meilenweit entfernt ist.
Die Distanz zu Pittsburgh wird immer größer. Die Fahrt ist lang. Sie ist jedoch der erste Schritt in eine Richtung, die mir wieder Frieden bringen wird. Auch wenn ich mir nicht ganz sicher bin, was das bedeutet.
Cassy
Der Schnee fällt sanft und dicht auf die Straßen von Boston, während ich langsam mit meinem kleinen Wagen die vertraute Route nach Hause fahre. Die Laternen werfen ein warmes Licht auf die Gehwege, die weihnachtlich geschmückt sind. Alles fühlt sich ruhig und friedlich an. Wie der perfekte Beginn der Weihnachtszeit.
Ich summe leise ein Weihnachtslied und schaue kurz in den Spiegel, um die Tüten auf dem Rücksitz zu mustern. Ich liebe es, diese Einkäufe vor den Feiertagen zu erledigen. Wenn die Geschäfte in glitzernden Farben funkeln und der Duft von Zimt und Vanille in der Luft schwebt. Es liegt ein Hauch von Magie in allem.
Boston ist nicht das größte Zuhause, das man sich vorstellen kann, aber für mich ist es genau das Richtige. Die kleinen Straßencafés, die bunten Fassaden der Häuser und die freundlichen Gesichter der Menschen. Ich fühle mich hier angekommen. Es gibt mir das Gefühl, ein Teil von etwas Besonderem zu sein.
Obwohl meine Eltern jetzt am anderen Ende der Welt in Australien leben, fehlt es mir hier an nichts. Ich vermisse sie zwar, sehr sogar. Aber ich verstehe ihre Entscheidung vollkommen. Sie wollten einfach noch einmal ein Abenteuer erleben.
In mir steckt dann doch wohl ein wenig mehr Heimatliebe. Boston ist mein Anker und ein kleines Stück Erde, das mich hält.
Ich schüttele die Gedanken ab und lächele. Meine Arbeit als Übersetzerin für einen kleinen Verlag erlaubt es mir eigentlich dort zu leben, wo ich möchte. Trotzdem zieht es mich nicht weg von hier.
Ich kann mir nicht vorstellen, etwas anderes zu tun. Es gibt mir so viel Worte in eine andere Sprache zu übertragen. Ich liebe es, in einem Text zu versinken und den Autorinnen und Autoren durch meine Übersetzung eine neue Stimme zu geben. Es ist nicht der glamouröseste Job, aber ich könnte nicht glücklicher sein.
Ein leises Knistern auf den Fensterscheiben reißt mich aus meinen Gedanken. Es fängt wieder an zu schneien. Ich lache. „Boston, du zauberhafte Winterwunderstadt“, singe ich beinahe und fahre die letzten Meter zu unserem Haus.
Es steht in einer ruhigen Siedlung, die ein wenig abseits vom geschäftigen Stadtleben liegt. Hier wohne ich gemeinsam mit meinem älteren Bruder Collin, der so gut wie immer unterwegs ist. Er hat eine kleine Handwerksfirma und ist der Meinung, dass der Chef immer bis zum Schluss bleiben muss.
Das Zusammenleben mit ihm passt, wir sind ein gutes Team. Er ist mein bester Freund und der Mensch, auf den ich mich immer verlassen kann.
Nichtsahnend biege ich in unsere Einfahrt ein und staune nicht schlecht, als ich plötzlich einen großen Transporter und einen Pick-up im Hof des kleinen Hauses nebenan erfasse.
Ich fahre automatisch langsamer und starre auf die Fahrzeuge. „Das gibt es doch nicht“, spreche ich zu mir selbst und merke im selben Moment, dass mein Herz etwas schneller klopft. „Da zieht also endlich wirklich jemand neben uns ein. Wir haben schon …“
Ich schrecke auf, als mir ein schrilles Piepen klarmacht, dass sich unmittelbar vor mir ein Hindernis befindet. „Scheiße“, fluche ich. Meine Augen werden größer und größer, je näher mir das Garagentor kommt. Erst ein paar Zentimeter davor trete ich mit voller Wucht auf die Bremse, dabei stütze ich mich am Lenkrad ab und betätige die Hupe.
„Verdammter Mist“, jammere ich und hoffe, dass das niemand gesehen hat. Verstohlen starre ich auf das Nachbargrundstück und rutsche etwas tiefer in den Sitz hinein, um mich zu verstecken.
Ich erfasse einen kleinen Mann, der fragend hinter den Transporter lugt. Als er sich jedoch nicht erklären kann, woher das Hupen gekommen ist, zuckt er mit den Schultern und macht sich wieder an die Arbeit.
Ich seufze und kann von Glück sprechen, dass mein Wagen von diesen sehr nützlichen Sensoren umgeben ist. Die haben mich schon vor dem ein oder anderen Unfall gewarnt. Hätte ich das neue Garagentor geschrottet, hätte ich mir von Collin etwas anhören können.
Langsam und so leise wie möglich schalte ich in den Rückwärtsgang und fahre ein paar Meter zurück. Sobald ich den perfekten Parkplatz gefunden habe, mache ich den Motor aus und ziehe den Schlüssel ab.
Anschließend fällt mein Blick wieder auf das Nachbargrundstück. Das Haus steht seit Monaten leer. Der alte Mr. Fields ist zu seiner Tochter nach Florida gezogen. Ich mochte ihn. Er war einer dieser warmherzigen und stillen Typen.
Morgens beim Holen der Zeitung grüßte er freundlich und er hatte auch immer ein nettes Wort für einen übrig. Ein bisschen wehmütig bin ich schon. Trotzdem macht mich die Aussicht auf einen neuen Nachbarn ziemlich neugierig.
Deshalb lasse ich mir etwas Zeit, um die Einkäufe auszuladen. Natürlich möchte ich nicht zu aufdringlich wirken. Dennoch kann ich nicht widerstehen, etwas genauer hinzuschauen. Mein Blick schweift über den Transporter, anschließend über den Pick-up und dann …
Kurz halte ich die Luft an, als ich ihn sehe.
Der neue Nachbar steht mit dem Rücken zu mir. Er fällt sofort auf, da er nicht die Mitarbeiter-Uniform des Umzugsunternehmens trägt. Er ist hochgewachsen und in eine dicke Jacke gehüllt. Den Kragen hat er bis zu seinem Kinn hochgezogen, als wolle er nicht erkannt werden.
Er hebt gerade einen Karton aus dem Transporter und dreht sich dann ein Stück zur Seite. In den nächsten Minuten habe ich einen freien Blick auf sein Gesicht. Mhm. Ich muss gestehen, dass ich überrascht bin. Nein, eher fasziniert.
Er hat dunkles Haar, welches leicht zerzaust ist, als hätte er den ganzen Tag an einem windigen Strand verbracht. Seine Gesichtszüge sind hart und kantig. Da ist jedoch auch etwas Weiches in seinen Augen, etwas Verletzliches. Seine Kieferpartie ist markant, ebenso entspannt, was gleichzeitig erschöpft wirkt.
Als er sich mit dem Karton wieder zum Hauseingang wendet, erkenne ich, dass seine Bewegungen zögerlich sind, als ob er sich nicht ganz sicher wäre, wo er genau hingehört. Ich beiße mir auf die Unterlippe, während sich ein spitzbübisches Lächeln auf meinem Gesicht bildet. Er ist wirklich sehr attraktiv und sexy. Seine geheimnisvolle Art macht mich total neugierig.
Mein Leben war bisher nicht gerade reich an Liebesgeschichten. Dennoch bin ich sehr zufrieden damit, Single zu sein. Meine letzten Beziehungen waren nie so ganz das, was ich gesucht habe. Ach, wenn ich ganz ehrlich bin, genieße ich meine Freiheit.
Und wenn ich einmal etwas mehr brauche … Ich zucke belanglos mit den Schultern. Muss ich nur ausgehen und dann finde ich auch, wonach ich suche. Zu einem guten und abenteuerlichen One-Night-Stand habe ich noch nie Nein gesagt. Gut, man kann vorher nicht wissen, ob er gut wird. Doch bisher konnte ich mich noch nie beschweren.
Sobald der neue Nachbar im Haus verschwunden ist, schnappe ich mein Handy von der Mittelkonsole, schmeiße es in meine Handtasche und öffne die Autotür. Anschließend schultere ich die Tasche und steige aus. Dabei schaue ich erneut nach drüben und stelle mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen fest, dass er wieder nach draußen gekommen ist.
Das ist meine Chance. Mit Absicht schließe ich die Tür etwas lauter als nötig und hoffe insgeheim, dass er mich bemerkt. Dann öffne ich die hintere, greife nach den zwei Einkaufstüten, zerre sie heraus und lasse die Tür wieder zufallen.
Mit einem lauten Räuspern schiele ich ein weiteres Mal nach drüben. Ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, wie bescheuert ich mich gerade aufführe.
Jetzt steht er vor den Stufen seiner Veranda. Er hat die Stirn gerunzelt und die Hände in seinen Jackentaschen versteckt.
Diesem sexy Kerl scheint bewusst zu sein, dass ich hier bin und ihm eine Szene vorspiele. Allerdings macht er keine Anstalten, sich mir zuzuwenden, mich zu begrüßen oder sich vorzustellen.
Stattdessen kratzt er sich an der Nase und sieht zu Boden, als wäre er nervös. Für einen kurzen Augenblick habe ich das Gefühl, dass es ihm etwas peinlich ist, vor seinem eigenen Haus zu stehen. Es ist schon teilweise niedlich, wie er so tut, als hätte er gar keine Ahnung, dass ich ihn beobachte.
Seine Hand wandert zu seinem Hinterkopf. Mit einer schnellen Bewegung fährt er durch sein Haar. Dann dreht er sich ein Stück und hebt für einen winzigen Moment den Kopf.
Keinen Wimpernschlag später kreuzen sich unsere Blicke.
Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken. Ich erröte. Verdammt. Ehe ich diese kurzen Sekunden in irgendeiner Weise analysieren kann, wendet er sich sofort wieder ab, als wäre er bei etwas Schlimmen ertappt worden.
Dennoch habe ich etwas in seinen Augen gesehen. Es war wie ein Anflug von Unsicherheit, gepaart mit einem Funken Interesse und … Angst. Dieser Kerl macht sich damit immer interessanter. Am liebsten würde ich zu ihm gehen und mich bei ihm vorstellen.
Doch zum Glück setzt mein gesunder Menschenverstand wieder ein. Außerdem werden die Tüten langsam schwer. „Es reicht jetzt, Cassy“, murmele ich. „Erlöse den armen Kerl und lass ihn erst einmal ankommen.“
Bevor ich mich in Bewegung setze, wage ich einen letzten Blick. Er scheint jetzt völlig in Gedanken versunken zu sein, den Kopf gesenkt und die Augen auf den Boden stierend. Also lasse ich ihn in Ruhe und mache mich auf den Weg zur Haustür.
Dort angekommen, sperre ich auf und lasse mich von der wohligen Wärme willkommen heißen. Sobald ich im Flur bin, gebe ich der Tür mit dem Fuß einen Stups, damit sie wieder zufällt. Anschließend knipse ich das Licht an, gehe in die Küche und stelle meinen Einkauf auf den Tisch.
Während ich die Lebensmittel in den Schränken verstaue, wandern meine Gedanken immer wieder zu dem mysteriösen Fremden. Höchstwahrscheinlich klingt das mehr als verrückt, aber er hat etwas an sich, das mich berührt. Etwas, das ich nicht ganz erklären kann.
Ich schüttele den Kopf und hole tief Luft, dabei ziehe ich den köstlichen Duft der Plätzchen ein, die ich gestern Abend gebacken habe. Aus Versehen streift mein Blick das Fenster, welches direkt auf die Auffahrt des Nachbargrundstückes zeigt.
Er steht immer noch da. Mittlerweile läuft er hin und her. Er fährt sich mit der ganzen Hand ständig durchs Gesicht, als würden ihm die Umzugshelfer zu lange brauchen. Mit einem Mal überkommt mich Mitleid.
Seine Augen wirken jetzt traurig und abgeschlagen. Ich kenne ihn nicht und ich weiß nichts über ihn, dennoch habe ich das seltsame Gefühl, dass er einen Schatten mit sich trägt. Ein dunkler Schatten, der schwerer ist als alles, was ich in meinem Leben je erlebt habe.
Skyler
Die Dunkelheit umhüllt das Haus wie eine Decke. Die Fenster sind schwarz. Draußen wirbelt der Schnee in lautloser Eleganz. Es ist meine erste Nacht in diesem Haus. Meinem Neuanfang, wie ich ihn mir immer wieder eingeredet habe.
Nachdenklich sitze ich auf meiner Matratze, die am Boden liegt, da das Bett bisher nicht aufgebaut ist. Im Schlafzimmer stehen überall halb ausgepackte Kisten, es wird nur vom schwachen Schein einer Nachttischlampe erhellt.
Wenn ich ehrlich bin, fühlt sich das alles nicht wie ein Neuanfang an. Es fühlt sich eher wie ein Stillstand an. Ich hole tief Luft. Ich bin verloren. Seit Monaten schon. Und ich habe keine Ahnung, wie ich jemals wieder ein normales Leben führen soll.
Wie in Trance streiche ich mit der Hand über das rauchige Glas der Lampe. Vor ungefähr einer Stunde habe ich diese erst angeschlossen, um nicht komplett im Dunklen sitzen zu müssen. Dabei beobachte ich die Schatten, die sich an der hellen Wand zeigen.
Anschließend stehe ich mit einem Seufzen auf und stelle mich an das große und bodentiefe Fenster. Ich habe keinen Schimmer, wie spät es ist. Die Siedlung liegt mir ruhig und friedlich zu Füßen. An Schlaf ist jetzt allerdings nicht zu denken. Zu viele Gedanken rauschen durch meinen Kopf.
Mein Schlafzimmer ist klein, für mich aber vollkommen ausreichend. Das Holz der alten Dielen knarrt verräterisch unter meinen Bewegungen. Es ist ein Geräusch, das mich daran erinnert, dass dieses Haus lebt. Es trägt Geschichten in sich, die älter sind als ich selbst.
Meine Gedanken wandern zu dem Zeitpunkt zurück, als ich sie zum ersten Mal gesehen habe. Ich weiß, dass ihr Name Cassy Moore ist. Woher ich diesen kenne? Nun, mein neuer Chef Collin Moore ist zufällig ihr Bruder.
Was die ganze Sache nur noch komplizierter macht.
Collin ist ein offener Kerl. Als ich mich für die freie Stelle in seinem Unternehmen beworben habe, hat er sich am Telefon mit mir wie mit einem alten Freund unterhalten. Somit hat er mir auch gefühlt alles von sich erzählt. Und dazu gehörte natürlich, dass er zusammen mit seiner Schwester in seinem Elternhaus wohnt.
Ich schließe die Augen und sehe sie vor mir. Ihr braunes Haar hat im Licht des frühen Abends geglänzt, während sie ihre Einkäufe aus dem Auto geholt und ins Haus getragen hat. Ihre Art, ihr ganzes Auftreten war leicht und unbeschwert.
So unpassend zu dem, was ich in meinem Kopf mit mir herumtrage. Doch das war nicht das, was mich aus der Fassung gebracht hat. Es war dieser Moment, als sie über die Schulter zu mir herübergeschaut hat und unsere Blicke sich für den Bruchteil einer Sekunde getroffen haben.
Es war, als hätte mich jemand in den Magen geboxt.
Sie sieht aus wie … sie. Verdammt. Neugier und ein Hauch von Entzücken lagen in ihren Augen. Gleichzeitig auch etwas, das ich nicht deuten konnte. Es hat mich vollkommen aus dem Gleichgewicht gebracht.
Ich habe in jeder Faser meines Körpers gespürt, wie sie mich beobachtet hat. So langsam wie möglich hat sie die Einkäufe aus dem Auto geholt. Sie hat vermutlich gedacht, ich würde es nicht bemerken, aber ich habe jeden ihrer Blicke wahrgenommen.
Sie hat mich studiert. Und ich konnte nicht entscheiden, ob es mich amüsieren oder aus der Fassung bringen sollte. Himmel, warum musste sie so verdammt … lebendig wirken?
Am liebsten wäre ich sofort zu ihr gegangen und hätte irgendetwas gesagt. Irgendetwas, das dieses seltsame Knistern zwischen uns hätte erklären können. Allerdings war das keine Option – auf keinen Fall. Das darf ich nicht, erinnere ich mich. Ich darf sie nicht in meine chaotische Welt mit hineinziehen, die ich mit mir herumschleppe.
Das verdient sie nicht.
Jetzt, da ich weiß, dass sie Collins Schwester ist … Mist, das macht alles nur noch schlimmer. Mein neuer Chef. Meine neue Nachbarin. Eine Frau, die ich allein durch ihre Anwesenheit nicht mehr aus meinem Kopf bekomme. Da braut sich ein verdammtes Desaster zusammen, das ich gerade wirklich nicht gebrauchen kann.
Ich stelle mich aufrecht hin und ziehe die Gardinen zu meiner Linken ein Stück zurück. Somit habe ich einen uneingeschränkten Blick auf ihr Haus. Es ist dunkel, bis auf ein schwaches Licht im Obergeschoss.
Ist das vielleicht ihr Schlafzimmer?
Ich schüttele den Kopf, verärgert über mich selbst. Du klingst wie ein verdammter Stalker, Skyler, schimpfe ich mit mir.