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Die schönste Zeit des Jahres kündet sich an - Weihnachten.
15 Autoren aus Deutschland und Österreich teilen in der Weihnachtsausgabe der ELVEA Lesezeit, fein gewürzte Geschichten. Geschichten, mit und ohne Rezepte zum Kochen und Backen.
Diese bieten einen Einblick in die regionalen und kulinarischen Traditionen der Verfasser.
Sie sind herzlich eingeladen, den Kochlöffel zu schwingen. Und falls Ihnen ein Rezept besonders gut gelingt, lassen Sie es uns wissen.
Für diese zauberhafte weihnachtliche Sammlung haben für Sie geschrieben, Zutaten gesammelt, gekocht, gewürzt und vorgekostet:
Carina Baer, Stefan Ilius, Anita Koschorrek-Müller, Martine Lestrat, Carsten Kupka, Friedhelm Marciniak, Evelyne Mayer, Armin Varga, Sabine Wittemeier,Claus Beese, Jenny Heil, Britta Haarmann, Ulrike Oberschelp, Jörg Löffler, Juliane Jacobsen
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2019
Carina Baer
Noch hatte der vorweihnachtliche Wahnsinn nicht begonnen und doch hingen meine Gedanken schon an dem Fest. Das Jahr war gelinde gesagt mies gelaufen. Meiner Beziehung trauerte ich zwar nicht hinterher, doch für meine kleine Tochter tat es mir leid. Seit diesem Jahr gehörte sie, wie fast die Hälfte ihrer Klasse, zu den Scheidungskindern.
Wir mussten uns eine neue Wohnung suchen. Doch es gab keinen passenden Wohnraum in der Nähe und so musste sie auch noch die Schule wechseln. Ihren Lehrer konnte sie nicht leiden und ihre Mitschüler waren natürlich auch nicht so toll wie die in der alten Klasse. Neben ihren Problemen in der Schule musste ich mich auch dringend um einen neuen Job kümmern, denn diese Aushilfsjobs hielten uns auf Dauer nicht lange über Wasser.
Das Weihnachtsfest rückte immer näher. Unschwer war das daran zu erkennen, dass im August die ersten Lebkuchen im Laden zu sehen waren. Mein Dilemma war, dass meine Tochter sich unbedingt ein neues Fahrrad wünschte. Natürlich brauchte sie eins, aber sie hatte ein ganz Bestimmtes ins Auge gefasst und das überschritt mein Budget bei Weitem.
Mein Exmann hatte schon angedeutet, dass er über Weihnachten mit seiner neuen Flamme in den Süden fahren wollte und ich doch sicher dafür Verständnis haben würde, wenn Lisa ihn dann nicht besuchen kommen könnte. Natürlich war seine Reise nicht ganz billig und so sah er sich auch außerstande, etwas zum Geschenk dazu zu geben. Andere Verwandte gab es nicht. Und nun stand ich hier vor diesem Fahrradladen und überlegte fieberhaft, wie ich ihr diesen Wunsch erfüllen konnte.
Wo blieben eigentlich diese Weihnnachtswunder, wenn man sie mal wirklich brauchte? Hier sah ich nicht mal Licht am Ende des Tunnels. Vielleicht ginge ja doch ein günstigeres Fahrrad? Aber nein, nach diesem Jahr konnte ich ihr keine weitere Enttäuschung zumuten. Es reichte schließlich schon, dass ihr Vater nicht da war.
Na sehr schön! Nun kam auch noch ein Sturm auf und selbstverständlich hatte ich keinen Schirm dabei. Hallo Wetterbericht, was soll das? Du liegst doch sonst immer daneben! Na gut, ein Schirm würde mir jetzt auch nicht mehr helfen. Also musste ich mich wohl einfach mal etwas beeilen! Nur noch zwei Straßenkreuzungen und dann war ich zu Hause. Dort wartete eine heiße Dusche und eine noch heißere Schokolade auf mich. Doch die würde ich mir selber machen müssen.
Verdammt, was war mir denn jetzt ins Gesicht geflogen? Ich nahm das völlig durchnässte Stück Papier von meinem Gesicht und wollte es schon achtlos zu Boden werfen, doch etwas ließ mich zögern und so drehte ich es um und las, was darauf stand.
Das war ja interessant! Eines der, wenn nicht sogar das beliebteste, Szenerestaurant unserer Stadt veranstaltete einen Backwettbewerb. Zugeben, ich konnte wirklich gut backen, doch ob meine Backkünste für einen Wettbewerb reichen würden? Das Preisgeld entsprach exakt der Summe, die ich für das Fahrrad bezahlen sollte. Was hatte ich also zu verlieren? Richtig! Nichts!
Ich steckte den Zettel in meine Manteltasche und rannte das letzte Stück nach Hause, so als würde ich dann weniger nass werden. Eine halbe Stunde später saß ich in meiner Wohnung, umhüllt von meinem Lieblingskuschelpulli, einer warmen Decke und einer heißen Schokolade vor meinem Laptop und rief die Homepage des Restaurants auf. Aufmerksam las ich die Teilnahmebedingungen. Man durfte von Berufswegen nichts mit der Branche zu tun haben und das Rezept sollte einen persönlichen Bezug zu einem selbst darstellen. Na ganz toll, was sollte man denn da backen? Einen Katastrophenkuchen. Der wäre bestimmt der Renner.
Mein Handy klingelte. Anna! Am anderen Ende der Leitung war meine beste Freundin, die mir nur sagen wollte, dass meine Tochter noch eine Nacht bei ihr bleiben wollte. Immer wenn ich nachts arbeiten musste, übernahm Anna die Betreuung. Ich war ihr unendlich dankbar dafür. Wie meistens allerdings hatte sie eine gewisse Vorahnung, wenn mich etwas beschäftigte. Also kam sofort die Frage:
»Was ist denn bei dir los, Sara? Du klingst irgendwie nachdenklich. Immer noch die Geschichte mit dem Fahrrad? Wenn du es Lisa erklärst, Süße, du weißt doch auch, dass sie es verstehen würde.«
»Ja, das weiß ich. Ich will nicht, dass sie auch auf ihren Weihnachtswunsch verzichten muss. Mir fällt bestimmt noch etwas ein. Vielleicht habe ich auch schon eine Idee. Nur ob ich mich das traue? Ich weiß noch nicht.«
Damit hatte ich ihre Neugier geweckt und sie ließ sich die Sache mit dem Backwettbewerb erzählen. So wie es nun einmal ihre Art war, sie war sofort Feuer und Flamme und wusste auch schon genau, welches Rezept ich unbedingt verwenden musste. Typisch Anna!
»Himmel und Hölle! Unbedingt, denn diese Torte passt doch zu deinem letzten Jahr und dieses Rezept ist so sinnlich, so – wie soll ich sagen – aphrodisierend. Also auch wenn das nicht in den Teilnahmebedingungen steht, schaden kann es ja nicht.«
»Anna! Also ehrlich. Himmel und Hölle im letzten Jahr? Hölle, da stimme ich dir durchaus zu, aber Himmel? Ich stürze von einer Katastrophe in die nächste. Erinnere dich mal an meine letzte Verabredung. Anna, das Preisgeld würde mir helfen und ich habe nichts zu verlieren. Das heißt bei der Torte. Du weißt ja, wie schnell die misslingen kann. Ein Boden, der nichts wird oder eine Creme und alles ist hin. Vielleicht sollte ich etwas Einfacheres machen?«
Am anderen Ende herrschte Schweigen. Anna schien sich ihre Antwort genau zu überlegen.
»So meine Süße, manchmal muss man dir einfach zu deinem Glück verhelfen. Ich war dann mal so frei und habe dich angemeldet. Du müsstest gleich eine Bestätigungsmail erhalten mit allen weiteren Informationen. Ich helfe dir auch bei den Vorbereitungen. Versprochen! Und natürlich passe ich auf Lisa auf. Ach komm, das wird bestimmt toll!«
Ihren Optimismus konnte scheinbar nichts erschüttern. Es machte ›pling‹ an meinem Handy und da war auch schon die Mail. Ob das wirklich eine gute Idee war? Wir würden es wohl bald erfahren.
Die nächsten Wochen verbrachte ich hauptsächlich damit, diese Torte zu backen, immer wieder änderte ich Kleinigkeiten und nie war ich wirklich zufrieden. Was war das nur für eine verrückte Idee gewesen? Das konnte doch nur schief gehen!
Anna, die immer wieder zum Probieren von mir verdonnert wurde, versicherte mir, dass die Torte der Knaller sein würde und ich bestimmt gewinnen würde. Na ja, ihren unglaublichen Optimismus hätte ich jetzt auch gern gehabt.
Am Abend vor dem eigentlichen Wettkampf gab es in dem Restaurant einen Probedurchlauf. Man musste vorher eine Liste mit allen Dingen, die man für den Kuchen benötigte, schriftlich einreichen, damit niemand etwas verwenden konnte, was vielleicht zu Hause schon vorbereitet wurde. Eigentlich hätte ich wenigstens die Tortendeko gerne vorgefertigt. Das Backen war nicht so das Problem, aber das Verzieren stand auf einem ganz anderen Blatt. Ich war nicht gerade der geborene Künstler.
Meine Kleine fieberte mit mir mit, denn ich hatte ihr natürlich erzählt, was ich mit dem Preisgeld geplant hatte. Nur erst einmal musste ich gewinnen.
Am Abend der Probe war ich so nervös, dass ich das Gefühl hatte, ich würde nicht mal im Stande sein, einen einfachen Teig anzurühren. Das konnte ja lustig werden.
Ich betrat unsicher den Laden. Das war schon cool hier, irgendwie so zwischen gemütlich und nobel. Nur machte mich das noch unsicherer. Tief einatmen und wieder ausatmen. Wie ein Mantra sagte ich mir das immer wieder und war so damit beschäftigt, dass ich natürlich die Schwelle vor mir völlig übersah. Einen peinlicheren Auftritt hätte ich kaum hinlegen können. Verdammt. Ich wusste, das Ganze war eine blöde Idee.
Zu meinem Glück fing mich jemand auf, so dass ich wenigstens nicht der Länge nach auf dem Boden landete.
Und dann, ja dann passierte das, was man nur aus schlechten Lovestorys kennt. Ich blickte auf und sah in diese Augen. Und ich versank in ihnen. Ohne jede Vorwarnung. Der Mann, der mich in seinen Armen hielt, verkörperte wohl alles, was man sich als Frau nur wünschen konnte. Verflucht, wie konnte man nur so unverschämt gut aussehen und noch dazu roch er so, so nach, ok ich wurde wahrscheinlich verrückt, aber er roch nach frisch gebackenem Kuchen. Ich hätte in dieser Sekunde gern die Welt angehalten. Nicht einmal, um das Gespött der anderen wegen meiner Tollpatschigkeit nicht zu erleben, sondern viel mehr, um es zu genießen, in seinen Armen zu liegen. Doch da war diese Sekunde auch schon vorbei.
»Alles in Ordnung? Sie haben sich hoffentlich nicht verletzt?«
Oh mein Gott, diese Stimme! So sanft und doch ließ sie keinen Zweifel daran aufkommen, dass er das Sagen hatte. Wer war dieser Typ bloß, der mir in einer einzigen Sekunde den Verstand zu rauben schien? Egal Sara, reiß dich zusammen, du bist ja nicht ohne Grund hier. Ablenkung kannst du dir nun wirklich nicht leisten. Entzückend, jetzt stritt ich in meinen Gedanken schon mit mir selbst!
»Ja … ich meine nein, also was ich sagen wollte. Ich, also, hmm ja, alles in Ordnung mit mir. Danke fürs Auffangen.«
Ich konnte nicht einen Satz richtig aussprechen. Der musste mich wohl jetzt nicht nur für tollpatschig, sondern auch für völlig unfähig halten. Den ersten Eindruck hatte ich damit wohl im Keller versenkt.
»Vielleicht sollten Sie sich einen Augenblick hinsetzen. Sie scheinen etwas durcheinander zu sein.«
Ich schüttelte nur den Kopf, doch so konnte ich zumindest das Herumgestammel vermeiden und ging zu den anderen in die Backstube. Der Abend verlief wie erwartet. Katastrophal! Die Jury hatte nur mitleidige Blicke für mein Werk. Ich wäre am liebsten im Boden versunken. Aber der Konditor des Restaurants sprach mir Mut zu. Meine Idee war gut und er gab mir einige Tipps, die ich sicher beim Wettkampf umsetzten könnte. Wenn ich mich überhaupt noch dahin traute.
Niedergeschlagen verließ ich das Restaurant. Draußen regnete es mal wieder. Prima, das Wetter passte irgendwie zu meiner Stimmung. Eigentlich wollte mich Anna ja abholen, doch hier war sie nicht zu sehen. Ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass sie es nicht schaffte. Gut, dann also laufen.
Neben mir hielt ein Auto. Der Mann, in dessen Armen ich gelandet war, öffnete von der Fahrerseite aus die Beifahrertür.
»Kommen Sie! Steigen Sie ein. Ich fahre Sie nach Hause. Bei dem Wetter holen Sie sich sonst noch eine Lungenentzündung. Na los, ich beiße nicht, zumindest nicht vor dem ersten Date.«
Ich zögerte einen Moment, doch der Regen würde so schnell nicht aufhören und das Angebot war schon verlockend, also stieg ich ein. Sein Blick musterte mich und ich fühlte mich irgendwie unwohl. Ich hätte nicht einmal sagen können, wieso.
»Sie müssen sich keine Sorgen machen, ich möchte Sie wirklich nur nach Hause fahren. Sagen Sie mir, wo ich hin muss?«
Ich sagte ihm meine Adresse und er fuhr los. Es war eine kurze Fahrt. Ich wollte mich bei ihm bedanken, da griff er nach meiner Hand. Ich wollte mich ihm entziehen, doch er hielt mich fest.
»Sie haben das Zeug dazu, den Wettbewerb zu gewinnen. Sie müssen nur anfangen, an sich zu glauben, sonst wird das Nichts. Was ist Ihnen widerfahren, dass Sie so wenig Selbstvertrauen haben? Wissen Sie eigentlich, welche Wirkung Sie auf mich haben? Wahrscheinlich nicht. Solange der Wettbewerb läuft, kann ich Ihnen das auch nicht zeigen, aber vielleicht …«
Mit diesen Worten ließ er meine Hand los und ich stieg aus seinem Auto aus. Nach einer warmen Dusche lag ich in meinem Bett und ließ den Abend noch einmal an mir vorüberziehen. Mit einem Mal wusste ich, was beim Backen schief gelaufen war. Gedanken an diesen Mann konnte ich nicht verschwenden, ich brauchte meine Konzentration. Nur meine Träume hatten da andere Pläne. Dieser Mann faszinierte mich, mehr, als ich es zugeben wollte.
Die Sonnenstrahlen, die durchs Fenster an meiner Nase kitzelten, weckten mich auf. Endlich! Sonnenschein. Vielleicht war das ein gutes Omen für heute Abend. Lisa kam in mein Zimmer gestürmt und kuschelte sich zu mir ins Bett.