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Fliegt mit uns über zauberhafte Landschaften in nahe und ferne Länder, zu fremden Kulturen. Trefft Gemüsekrokodile, weiße Riesen und Stelzenhunde. Erfahrt von unkonventioneller Entwicklungshilfe in Thailand, Feuerwehreinsätzen in Griechenland, bayerischen Bildbänden in Myanmar und vielem mehr. Unsere 29 Kurzgeschichten beschreiben interessante Erlebnisse, kuriose Situationen und Ereignisse, die wir so schnell nicht vergessen werden. Einiges haben wir gemeinsam erlebt, manches mit anderen Reisegefährten oder als Solo-Reisende. Wir haben immer fleißig fotografiert und ein paar Bilder haben ihren Weg auch in dieses Buch gefunden. Fast jeden Kontinent haben wir schon angesteuert. Nur für Flüge nach Australien und in die Antarktis müssten wir uns noch ein leistungsstärkeres Besenmodell zulegen.
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Seitenzahl: 181
Veröffentlichungsjahr: 2022
Wenn Hexen reisen
Beate KöhleinStefanie Steiner
Wenn Hexen reisen
Lustige, kuriose undnachdenkliche Geschichten aus aller Welt
© 2022 Beate Köhlein, Stefanie Steiner
ISBN Softcover: 978-3-347-53031-7ISBN Hardcover: 978-3-347-53032-4ISBN E-Book: 978-3-347-53033-1
Druck und Distribution im Auftrag der Autorinnen:tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany
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„Komm mit und schau…
… so schön ist unsere Welt!
Dem, der mit offenen Augen reist,
schenkt sie ihren Zauber.
Ihm öffnet sie den Horizont,
ihn lässt sie im Kleinen das Große entdecken,
im Fremden das Bekannte,
im Alltäglichen das Wunder.
Komm mit und schau!“
Jean Paul
Inhaltsverzeichnis
Prolog
Italien
Monopoly
Italien
Wir wollten doch nur nach Uxmal
Mexiko
Ach schau doch, die schönen Wolken
Myanmar
Der Trompetenspieler
Kuba
Bali – Mehr als ein Naturparadies
Indonesien
Achtung, Sturzgefahr!
Weltweit
Deutsch, Deutsch, Deutsch
Myanmar
Sanfte Riesen
Island
Pyjamaparty
Vietnam
In der Fußgängerzone
Mexiko
Festival Time
Indien
Ein Sonnenuntergang mit Folgen
Kuba
Hakuna Matata
Sansibar/Tansania
Ein Tag in Havanna
Kuba
Hier gibt es nichts zu sehen…
Bali
Ein verflixter Urlaubsstart
Frankreich
„Schöner Wohnen“ für Feen und Elfen
Türkei/Kappadokien
Tatütata, die Feuerwehr ist da
Griechenland
Entwicklungshilfe
Thailand
Eine Kreuzfahrt, die ist lustig…
Karibisches Meer
Es grünt so grün – die nördlichen Sporaden
Griechenland
Der weiße Riese
Mexiko
Vor dem Allerheiligsten
Südindien
Nächtliche Ruhestörung
Costa Rica
Vom Glück, nicht von einem Leoparden…
Sri Lanka
Eine Heimfahrt mit Hindernissen
Deutschland
The crocodiles are vegetables
Indien
Busfahren
Dominikanische Republik
Prolog
Stefanie Steiner
Beate Köhlein
„Alter Besen, du sollst fliegen,
deine Kraft soll niemals versiegen.
Trag uns in die weite Welt,
weil´s uns da so gut gefällt.
Es funktioniert einfach nicht.
„Bitte beweg dich, alter Besen,
bist so lang im Schrank gewesen…!“
Das wird heute nichts mehr. Was hatten wir auch erwartet von diesem altersschwachen Ding?
„Flieg endlich, flieg!“
Nix.
„Krötenschleim und Spinnenbein,
ein Hexenbesen sollst du sein!“
Wieder nix.
„Der kann mich jetzt mal! Ich mag nicht mehr! In sämtlichen Geschichten hat das immer funktioniert!“
„Ach komm, einmal noch: Besen, Besen …“
„Nein, mir reichts jetzt, es ist eben kein Zauberbesen!“, grollt Beate vor sich hin und gibt dem Ding, das uns beharrlich die Beförderung verweigert, einen deftigen Tritt.
Seit einer guten halben Stunde versuchen wir mit sämtlichen Zaubersprüchen, die unser Hirn aus den Tiefen der Erinnerung hervorgräbt, unseren ungeahnten Fund zu bewegen, sich mit uns in die Lüfte zu erheben. Auch gutes Zureden hilft bei dem alten Besen nichts. Wir hatten es uns so schön vorgestellt, uns einfach vom Boden abzustoßen und der Sonne entgegenzufliegen. Den Wind der Freiheit zu spüren, die Welt von oben zu sehen, die Sorgen immer kleiner werden zu lassen und fremde Länder zu erkunden. Was hätten wir für Geschichten erzählen können. Aber – aus der Traum!
Dann machen wir eben noch ein paar Fotos. Wer weiß, ist vielleicht besser. So eine Notlandung mitten auf dem Meer, wenn plötzlich die Wirkung des Zauberspruchs nachlässt, stellen wir uns nicht so erbaulich vor. Zumal es noch ein wenig kühl ist und der Wind heute auch ganz schön pfeift. Immerhin lässt er unser Haar auf den Bildern so wüst verweht aussehen, als ritten wir tatsächlich auf dem Besen über dem Ozean durch die Lüfte.
Anstrengend ist das!
„Geh noch ein bisschen mehr in die Hocke und jetzt dreh den Oberkörper weiter her.“ Beate liegt auf dem felsigen Boden, um durch den Sucher der Kamera deren perfekte Position zu finden. Jetzt sind nämlich die Selbstauslöser-Bilder dran, wir wollen ja auch gemeinsam auf dem Besen reiten.
So verstreicht die Zeit, während wir auf dieser kleinen, verwunschenen Halbinsel bei Conca dei Marini, unterhalb des alten Turmes, hundertundein Foto schießen. Gar nicht so einfach, das echt aussehen zu lassen. Doch wir winden und biegen uns, schneiden Grimmassen und lachen uns schlapp, weil die Knie und Oberschenkel bereits zu zittern anfangen. Gut, dass uns keiner sieht! An der wunderschönen, wildromantischen Amalfiküste ist jetzt im Frühsommer zwar schon einiges los, doch heute sind wir hier ganz unter uns.
Nach einer halben Stunde haben wir wenigstens ein paar brauchbare Fotos im Kasten. Wir genießen die Sonne und die Aussicht. Entspannt lassen wir noch einmal den Blick über diese felsige, mit grünen Büschen und Kakteen bewachsene Landzunge und den Turm Capo di Conca mit seinem Rundbogenfenster schweifen.
Fenster…! Dort stehen zwei Arbeiter im Blaumann, deuten auf den Besen und winken lachend zu uns herunter.
Monopoli
Italien
Stefanie Steiner
„Grazie Jesus! Halleluja!“
Dies sind die abschließenden Worte des ersten Menschen, der uns kurz nach unserer Landung in Süditalien am Bahnsteig in Brindisi ansprach. Artig bedanken wir uns und müssen uns sehr konzentrieren um nicht laut loszuprusten, bevor der junge Mann außer Hörweite ist.
„Warum hast du JA gesagt?“, japst Beate Sekunden später und schüttelt sich vor Lachen.
„Ich konnte ja nicht wissen, dass er gleich hier an Ort und Stelle loslegt!“
Der Fremde hielt uns minutenlang in Italo-Englisch eine feurige Predigt über Gott und die Welt, den Sinn des Lebens und die Wiedergeburt. Als er fragte, ob er für uns beten solle, sah ich ihn vor meinem geistigen Auge im Bett liegen und uns in sein Nachtgebet einschließen. Allerdings hatte ich nicht damit gerechnet, dass er die Show gleich hier abziehen würde. Sonst hätte ich sicher mit blumigen Worten versucht, den Herrn davon zu überzeugen, dass es gar nicht nötig wäre für uns zu beten, weil wir das täglich selbst dreimal erledigen. Vor den Mahlzeiten, versteht sich.
Doch das „JA“ war nun mal raus und der fromme Mann faltete die Hände vor der Brust, schloss seine Augen und brabbelte in gemessenem Tonfall Worte, die wir mangels Kenntnis der hiesigen Sprache nicht verstanden.
Dies war der Auftakt unseres Urlaubs – inklusive Segen! Halleluja!
Wir fahren mit dem Zug nach Monopoli, um von dort aus mit dem Bus das Städtchen Alberobello, unser erstes Ziel, anzusteuern.
Der Bahnhof ist etwas außerhalb der Stadt, kleiner, als wir erwartet hatten und erschreckend unbelebt. Kein Info-Schalter, kein Taxi – nur ein kleiner Stadtbus, der laut Plan erst wieder in einer guten Stunde fahren wird, steht am Vorplatz. Drinnen sitzt der Fahrer mit verspiegelter Sonnenbrille und seinem Handy am Ohr. Sieht nicht so aus, als wäre es ihm sonderlich willkommen, zwei ratlosen Touristinnen den Weg in die Stadt zu erklären.
Trotzdem fassen wir uns ein Herz und sprechen den Herrn an, sobald er sein wichtiges Gespräch beendet hat. Er ist sehr bemüht uns weiterzuhelfen. Um seine kaum vorhandenen Englischkenntnisse schert er sich einen Dreck und legt wort- und gestenreich los.
Er muss wohl gemerkt haben, dass wir nur Bahnhof verstehen, jedoch immer noch nicht wissen, wie wir von Selbigem zur richtigen Haltestelle laufen müssen. Etwas ungeduldig winkt er uns in den Bus. Ich zweifle sehr daran, dass wir ihn besser verstehen, wenn wir näherkommen.
In unserer Not betreten wir trotzdem das Fahrzeug und schon schließen sich die Türen und das Ding setzt sich in Bewegung – zu einer völlig unerwarteten Sonderfahrt für uns.
Das ist nun schon die zweite kuriose Situation innerhalb einer Stunde. Man stelle sich diese Szene einmal bei uns zuhause vor.
An einer unscheinbaren Bushaltestelle lässt er uns aussteigen und weist uns an, dort auf den „Pullmann“ nach Alberobello zu warten. Entgegen unserer Vermutung handelt es sich hier nicht um den Namen der Busgesellschaft (und schon gar nicht um die Bezeichnung eines betrunkenen Fahrers, was einem assoziationsmäßig schon in den Sinn kommen könnte), sondern um die italienische Vokabel für Reisebus.
Dieser fährt erst in einer knappen Stunde und wir beschließen, noch ein wenig durch Monopoli zu spazieren und schon vorab einmal die Tickets zu besorgen.
Die Einwohner der Kleinstadt, insbesondere die männliche Gattung, sind äußerst hilfsbereit und unterstützen uns tatkräftig dabei, die geeignete Verkaufsstelle für Fahrkarten zu finden. Jeder weiß genau, wo wir hinmüssen – jeder weiß etwas anderes. So kommen wir ein wenig herum in diesem gemütlichen, freundlichen Städtchen.
Als wir gerade an einer Kreuzung verweilen, kommt uns ein Bus entgegen, drinnen ein aufgeregt gestikulierender Fahrer. Es ist unser Privatchauffeur, der da hektisch immer wieder in die Richtung zeigt, aus der wir kamen. Da hat er uns fürsorglich genau am richtigen Ort abgeliefert und wir stiefeln einfach irgendwo in der Gegend herum. Mama Mia! Ein unverzeihliches Vergehen!
Für den Fall, dass er noch einmal vorbeifährt, treten wir lieber den Rückweg an, um unseren Wohltäter nicht noch mehr zu verärgern. Und das lohnt sich! Als wir wieder brav dort stehen, wo wir abgesetzt wurden, rollt der kleine Stadtbus ein weiteres Mal an uns vorbei. Sichtlich zufrieden grinst sein Fahrer aus dem Fenster.
Zwar haben wir hier in Monopoli keine Zeit, Häuser und Hotels zu bauen, doch wir verlassen die Stadt trotzdem reich und mit viel Vorfreude auf einen Urlaub in einem Land, das uns so herzlich empfängt!
Grazie Jesus! Halleluja!
Wir wollten doch nur nachUxmal
Mexiko
Beate Köhlein
Es war mein dritter Urlaub in Mexiko auf der Halbinsel Yucatán und ich hatte schon einiges gesehen, manches sogar doppelt. Deswegen stand dieses Mal von Mérida aus die Maya-Stätte Uxmal auf dem Programm. Von den Fotos her machte sie einen tollen Eindruck und es sollte in diesem Urlaub die einzige Pyramide sein, die ich noch nicht kannte. Sophie war mit meinem Plan einverstanden und so wollten wir bei verschiedenen Taxis anfragen, was sie für einen individuellen Tagesausflug verlangen würden. Laut Reiseführer sollte das nicht mehr kosten als ein Mietwagen an einem Tag.
Wir rasteten gerade an der Plaza Grande, als ein kleiner Mexikaner auf uns zukam und uns fragte, ob wir in seiner Kutsche eine Stadtrundfahrt machen wollen. Wir verneinten, unterhielten uns aber eine Weile mit ihm. Er war nett und nicht wirklich aufdringlich, wie man es manchmal erlebt, wenn sie unbedingt etwas „an die Frau bringen“ wollen. Deswegen fragte ich ihn, was uns denn das Taxi nach Uxmal kosten dürfte.
„Ihr wollt mit dem Taxi fahren? Nein, das ist viel zu teuer. Macht doch eine Tour, das ist viel günstiger, und es ist noch ein Essen mit dabei. Ich kann euch einen Anbieter zeigen, ist gleich hier um die Ecke. Kommt mit!“
Und ehe wir uns versahen, liefen wir quer über den großen Platz hinter dem kleinen Mexikaner her. Er schaute zu mir auf - kein ungewohntes Bild für mich in diesem Land.
„Deine Freundin hat Maya-Größe, aber du bist mindestens eineinhalb Mayas groß!“ Er lachte, und hatte wohl soeben eine neue Maßeinheit erfunden.
Die Tour war schnell gebucht, der Preis erschien uns als angemessen, und wir sollten am nächsten Tag um 9.00 Uhr in unserer Hotel-Lobby abgeholt werden.
Gegen 8.30 Uhr kamen wir auf dem Weg vom Frühstück ins Zimmer an der Rezeption vorbei. Der junge Mann war am Telefon und winkte uns herbei, als er uns sah.
„Bist du Sophie?“ Sie nickte und er gab ihr den Hörer. Es war unser Tour-Veranstalter, der mitteilte, dass sich für unsere Uxmal-Tour zu wenig Leute angemeldet hatten, aber wir eine andere Tour mitmachen könnten. Diese würde auch nach Uxmal gehen, zusätzlich noch zu anderen Ruinen, und wir müssten auch nicht mehr dafür bezahlen. Wir sagten zu, Hauptsache Uxmal.
Pünktlich um 9.00 Uhr wurden wir von unserem Guide, der sich als Edi vorstellte, abgeholt, und wir stiegen zu zwei ungefähr gleichaltrigen Mädels in den VW-Bus.
„Wir fahren noch zur dritten Station, dann sind wir komplett!“, rief Edi auf Spanisch und Englisch von vorne in den Rückraum, und wir fuhren los.
Vor dem nächsten Hotel angekommen warteten wir, und warteten und warteten und warteten.
„Was werden das jetzt für Leute sein, wenn sie schon nicht mal zum Abholzeitpunkt fertig sind“, sagte ich gerade zu Sophie, als Edi zurückkam. Er redete durch das Fenster mit unserem Fahrer Raul auf Spanisch, so dass wir nur Wortfetzen verstanden, ungefähr so: „Eigentlich nur sechs Erwachsene, jetzt sieben. Und Kinder…!“ An seiner Stimme erkannte man, dass er etwas angefressen war.
Und dann bog sie ums Eck - die Familie. Vater und Mutter, Oma mit Gehstock. Vater mit riesiger Tasche auf einer Schulter, einen Buggy schiebend. Darin ein circa sechsjähriger Junge mit Gipsbein bis zum Knie. Mutter mit, wie wir später erfuhren, sechs Monate altem Baby im Tragetuch vor der Brust, in der Hand einen großen Kanister Wasser. Oma hievte zuerst eine Sporttasche vor uns in die mittlere Sitzreihe.
Sophie schaute mich fassungslos an: „Beate, da ist ein Hund drin!“
Ich konnte es erst nicht glauben, sah dann aber tatsächlich durch die Gitterchen einen kleinen Hund, der fast keiner mehr geworden wäre, sondern eher einer Ratte auf Stelzen glich.
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis alles im Bus verstaut war. Wir waren ganz hinten und bekamen den Sechsjährigen in unsere Mitte. Vor uns links saß die Oma mit der Tasche auf dem Schoß, in der Mitte die Mutter, die ihr kleines Mädel auf die Schulter legte, rechts der Vater. In der ersten Reihe nahmen die beiden Argentinierinnen Platz, neben ihnen kauerte der Buggy auf dem Sitz.
Abfahrt!
Der kleine Junge in unserer Mitte war ein putziger Kerl und auch das Mädel grinste zu Sophie nach hinten, so dass wir in schallendes Gelächter ausbrachen. Edi erzählte erst einiges auf Spanisch, da die Familie ebenfalls Spanisch sprach, und dann für uns noch mal alles auf Englisch.
So erfuhren wir, dass es um 17 Uhr ein Essen geben sollte, und wir gegen 21 Uhr erst zurück wären. Unsere eigentliche Tour wäre bereits um 17 Uhr zu Ende gewesen, und wir hätten eine Mittagspause in einem Restaurant gemacht. Zum Glück hielten wir noch an einer Tankstelle, wo wir uns mit Verpflegung fürs Mittagessen eindecken konnten. Edi merkte, dass wir diskutierten und fragte nach. Wir erzählten ihm, dass wir das alles nicht wussten, weil wir eigentlich eine andere Tour gebucht hatten. Er sprach zwar fließend Englisch, wenn es um seine Mayas ging, aber wir merkten schnell, dass da vieles auswendig gelernt sein musste, denn er verstand nicht wirklich, was wir ihm sagten und um was es uns ging.
Als nach einer gefühlten Ewigkeit endlich wieder alle im Bus saßen, hatte jedes Familienmitglied seinen Spitznamen weg. Die Stock-Oma mit dem Stelzen-Hund, die Still-Mutter mit dem Still-Baby, der Müffel-Vater und das Gips-Kind. Und jeder Spitzname hatte leider seine Berechtigung. Der Vater, der vor mir saß, roch schon seit Beginn der Tour sehr unangenehm.
Unsere erste Station war ein Cenote. Das sind Grundwasser gespeiste Seen, manchmal freiliegend, wenn die Kalksteindecke bereits eingestürzt war, manchmal aber auch noch in einer Höhle. Wir hatten einen Höhlen-Cenote vor uns, und stiegen die in Stein gehauenen Treppen in die schwül-feuchte Luft nach unten.
„Ihr könnt baden!“, rief uns Edi auf Englisch zu.
„Wir haben keine Badesachen dabei“, antwortete Sophie.
„Oh, warum nicht?“
„Wir haben eigentlich eine andere Tour gebucht und wussten nichts vom Schwimmen!“
„Wirklich? Bei wem habt ihr gebucht!?“
Sophie und ich sahen uns an und schüttelten wortlos den Kopf. Er hatte vorher tatsächlich nichts verstanden. Und zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass wir diesen Dialog noch einige Male an diesem Tag führen sollten. Dabei wollten wir doch nur nach Uxmal.
Die Familie zog das Cenote-Programm voll durch. Der Müffel-Vater schnorchelte, sehr zu meinem Gefallen. Die Still-Mutter legte ihr Baby in den Buggy und schwamm ebenfalls. Der Gips-Junge saß am Wasserrand und jammerte, dass er nicht baden durfte. Nur die Stock-Oma und der Stelzen-Hund waren nirgends zu sehen, der Abstieg war wohl zu anstrengend.
Irgendwann kam Edi und besprach mit uns und den Argentinierinnen, Ana und Ines, wie es weitergehen sollte. Die Familie hatte gefragt, ob wir länger am Cenote bleiben könnten. Dann würde aber Uxmal ausfallen… Oh nein! Gott sei Dank wollten auch die beiden Mädels nach Uxmal, so dass die Familie überstimmt war.
Edi mahnte zum Aufbruch, sonst würde die Zeit knapp werden. Also flugs die Füße getrocknet, die hatten wir ins Wasser baumeln lassen, und schon waren wir wieder abfahrbereit. Im Bus stellte sich heraus, dass auch Raul, Ana und Ines nicht begeistert von unserer mitreisenden Familie waren. Wir warteten mal wieder…!
Raul, sichtlich genervt, drückte auf die Hupe. Nichts passierte. Da startete er den Bus und wir holperten den eigentlich nicht fahrtauglichen Weg zum Cenote-Eingang nach vorne. Die Reifen und Stoßdämpfer ließen grüßen. Saß doch nicht unsere Lieblingsfamilie gemütlich unter einem Baum und picknickte. Es war nicht zu fassen! Edi stand daneben und zuckte hilflos mit den Schultern. Erst als Raul noch mal hupte, bequemten sie sich zum Bus. So viel Dreistigkeit muss man erstmal an den Tag legen.
Da wir spät dran waren, drückte Raul aufs Gaspedal. Die Bäume und Büsche flogen an uns vorbei und bei einigen Bodenwellen stauchte es uns richtig zusammen. Diesmal kamen zusätzlich Grüße von den Bandscheiben. Ich bekam ein bisschen Angst, dass uns auf dieser schmalen Straße jemand entgegenkommen würde. Bei der Geschwindigkeit in den engen Kurven hätte Raul keine Chance gehabt auszuweichen. Ich hüllte also den Wagen gedanklich in viel Licht und schickte ein paar Segen voraus – alles ging gut.
Das Gips-Kind wetzte auf seinem Platz hin und her, mal hatte ich einen Arm in der Seite, mal ein nasses Bein an meiner Hose. Ihm war langweilig, eindeutig. Dann entdeckte er den seitlichen Hebel vom Vordersitz, und zog ihn einfach nach oben. Die Still-Mutter sauste mitsamt der Lehne und ihrem Kind nach hinten und konnte sich gerade noch fangen, sonst wäre sie auf ihrem Jungen gelandet. Der hätte dann wahrscheinlich zwei Gipsbeine gehabt. Sophie und ich kamen zur Hilfe, um die Mutter wieder in die Senkrechte zu bekommen. Wir hörten zwar schon ein „No!“ in die Richtung ihres Sohnes, dieses war aber so gleichgültig, dass es den Knaben nicht weiter interessierte, denn kurze Zeit später war der Griff ein zweites Mal gezogen, und der Sitz schnellte wieder nach hinten.
„So, jetzt reicht`s!“, vernahm ich von Sophie, nachdem wir die Mutter wieder aufgerichtet hatten. Sie zog den Gips-Jungen nach hinten auf den Sitz und gurtete ihn an. Er schaute ganz verdattert, blieb aber angeschnallt. Sophie hatte wohl ein Machtwort gesprochen.
Und dann endlich – wir passierten das Schild von Uxmal, dem eigentlichen Ziel unserer Reise. Doch schon kam die schlechte Nachricht von Edi:
„Ihr habt leider nur eine Stunde Zeit, wir müssen unbedingt weiter zu einer Höhle, da gibt es eine Führung, die müssen wir schaffen.“
Unsere Blicke sprachen wohl Bände. Sophie versuchte ihm noch mal klarzumachen, dass wir die Tour eigentlich wegen Uxmal gebucht hatten. Er verstand uns immer noch nicht, lenkte aber ein:
„Okay, ihr habt eine Stunde und 15 Minuten. Länger geht es wirklich nicht.“
Wir zahlten den Eintritt und flitzten los. Es wurde eine Ruinenbesichtigung in Rekordzeit. Hierhin, dorthin, Fotos, weiter, schneller! Zum Glück war die Anlage nicht sehr weitläufig, so dass wir alles sehen und sogar zwei der Pyramiden erklimmen konnten. Trotzdem hätten wir uns lieber viel mehr Zeit gelassen. Es war eine Hetzerei, der Schweiß tropfte uns von der Stirn und unsere Wasserflaschen leerten sich schnell. Von der Familie war nichts mehr zu sehen. Wahrscheinlich waren sie bereits bei der ersten Pyramide gescheitert, denn dort musste man über Stock und Stein, um weiterzukommen. Keine Chance für die Stock-Oma und das Gips-Kind im Buggy.
Wir überlegten noch, ob wir auch einfach die Zeit überziehen sollten, wollten uns dann aber nicht auf das gleiche Niveau herablassen.
Zurück beim Bus labte sich das Gips-Kind an einem Eis und ich sah vor meinem inneren Auge schon die Kleckerei auf dem Sitz. Doch nicht der Junge kletterte nach hinten, sondern die Still-Mutter samt Baby. Sie saß schon in der Mitte, als wir einsteigen sollten. Ich musste meine langen Beine zweimal falten, bis ich mich an der Mutter vorbei auf den rechten Sitz quetschen konnte. War mir gar nicht bewusst, dass ich so beweglich bin. Das Baby fing auf der Fahrt an zu quäken, die Kleine tat uns in dieser Hitze unheimlich leid. Dafür war sie echt wahnsinnig brav. Die Still-Mutter machte ihrem Namen alle Ehre und die Kleine nuckelte sich in den Schlaf. Intimsphäre hat man anderswo, in einem VW-Bus ist sie nicht möglich.
Angekommen bei der nächsten Mayastätte Kabah dachten wir, die Still-Mutter steigt auch aus, aber sie blieb sitzen. Der mittlere Sitz wurde nach vorne geklappt und Sophie und ich verständigten uns gerade wortlos, wer denn als erstes die Kletterpartie starten würde, kam doch nicht glatt von der Stock-Oma ein „Adelante – schnell schnell!“ in unsere Richtung, da sie auch aussteigen wollte. Schade, dass mir auf Spanisch in diesem Moment die Worte fehlten.
Nach Kabah kurvte uns Raul wieder in Spitzengeschwindigkeit weiter zur Höhle Lal-Tun. Die Eintrittspreise waren im Tour-Preis nicht inbegriffen und uns ging langsam das Geld aus. So viele Stationen wurden Sophie am Telefon nicht mitgeteilt. Wir überlegten, ob wir die Höhlenführung überhaupt mitmachen sollten, da fragte Edi nach unserem Problem. Es folgte wieder der Versuch ihm zu erklären, dass wir ursprünglich eine andere Tour gebucht hatten. Er verstand es einfach nicht und gab sich wohl selbst ein bisschen die Schuld an unserem Unmut. Wir erklärten ihm, dass die Tour super sei und seine Erzählungen ebenfalls. Wir hätten Spaß, aber eben zu wenig Geld. Er schien versöhnt und meinte, dass die Höhlen-führung besser sei als die Lichtershow nachts in Uxmal. Von der hatten wir erst kurz davor erfahren.
Also tauchten wir ab in die Tiefen der Höhlen von Lal-Tun. Es war sehr beeindruckend und von außen gar nicht abzusehen, was uns erwartete. Der dortige Guide konnte erstaunlich gut Deutsch und wir plauderten nett mit ihm.